Wissenschaft und Kunst der Modellierung
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Wissenschaft und Kunst der Modellierung

Kieler Zugang zur Definition, Nutzung und Zukunft

Bernhard Thalheim, Ivor Nissen, Bernhard Thalheim, Ivor Nissen

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Wissenschaft und Kunst der Modellierung

Kieler Zugang zur Definition, Nutzung und Zukunft

Bernhard Thalheim, Ivor Nissen, Bernhard Thalheim, Ivor Nissen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Modelle sind wichtige Instrumente in der wissenschaftlichen Forschung. Die Disziplinen haben unterschiedliche Modell-VerstÀndnisse vom Begriff, der Funktion und dem Zweck entwickelt. Wir benötigen einen systematischen Ansatz, um zu verstehen, wie Modelle entwickelt und eingesetzt werden. Dieses Buch gibt einen Einblick in das disziplinÀre Modellierungs-Know-how und ist Ausgangspunkt zur Kombination und Verallgemeinerung in interdisziplinÀren Anwendungen.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9781501501258

Teil II: Modelle in den Wissenschaften

ExpertenbeitrÀge:
Heidrun Allert und Christoph Richter (Kapitel 5)
Rudolf Berghammer und Bernhard Thalheim (Kapitel 6)
Christine BlÀttler (Kapitel 7)
Steffen Börm (Kapitel 8)
Jan-Peter BrĂŒckner (Kapitel 9)
Thorsten Burkard (Kapitel 10)
Oliver Nakoinz und Martin Hinz (Kapitel 11)
Tobias F. Illenseer (Kapitel 12)
Andreas Kopp (Kapitel 13)
Mojib Latif (Kapitel 14)
Claas Lattmann (Kapitel 15)
Jochen Leibrich und Peter Adam Höher (Kapitel 16)
Roberto Mayerle und Gerd Bruss (Kapitel 17)
Jörn Kretschmer, Christoph Schranz, Axel Riedlinger, Dirk SchÀdler, Norbert Weiler, Knut Möller (Kapitel 18)
Ivor Nissen (Kapitel 19)
Sören Witt, Andreas Speck, Sven Feja, Elke PulvermĂŒller, Sven Niemand (Kapitel 20)
Michael Skusa und Bernhard Thalheim (Kapitel 21)
Tom Theile und OlafWolkenhauer (Kapitel 22)
Imke Traulsen (Kapitel 23)

5 Modellierung als sozio-materielle Praktik

Heidrun Allert und Christoph Richter

5.1 Kontext und Verortung: Die Disziplin und ihre Besonderheiten

Die PĂ€dagogik als Disziplin wird zur Lösung realer Erziehungsprobleme angefragt von Personen, Institutionen und Gesellschaft. Die Lösung realer Erziehungsprobleme wiederum umfasst, die Voraussetzungen des Handelns zu erfassen und zu analysieren und Handlungsentscheidungen treffen zu können (Peterßen, 1994:14). Der Anspruch auf Analyse und Synthese zeigt sich in der PĂ€dagogik prĂ€gnant in Normenkritik und in der Bestimmung von Normen und Zielen im Bildungs- oder Emanzipationsbegriff. Er findet sich auch im VerhĂ€ltnis von Sozialisation zu Erziehung wieder. Erziehende, Lehrende, Intervenierende brauchen Theorien und Modelle, um Handlungsentscheidungen treffen zu können (vgl. Peterßen, 1994). Ein Modell unterstĂŒtzt bei der Planung und Reflexion von Unterricht, von Interventionen, Prozessen und Strukturen und kann dem Lehrenden und Erziehenden „Klarheit ĂŒber seine Handlungsmöglichkeiten und deren Konsequenzen verschaffen“, ihm die Entscheidung jedoch nicht abnehmen (Peterßen, 1994:15).
Problemlösung erfordert ein Zusammenspiel von Analyse, Projektion und Synthese (Chow & Jonas, 2008). Geht es zum Beispiel um Lehrerbildung, so sieht die Bildungsforschung die Aufgabe darin: „durch die grĂŒndliche Analyse der an verschiedenen UniversitĂ€ten angebotenen Lehramtsausbildung jenes Wissen zu identifizieren und empirisch zu ĂŒberprĂŒfen, das in der universitĂ€ren Ausbildung der LehrkrĂ€fte vermittelt wird (Ist-Zustand) und werden sollte (Soll-Zustand). Dabei geht es letztendlich um eine empirische Erhebung zum Professionswissen zukĂŒnftiger Lehrerinnen und Lehrer.“ (ZiBE, 2014). Empirische Erhebungen und der Entwurf von Zukunft sind eng miteinander verknĂŒpft. Das VerhĂ€ltnis zwischen Analyse, Projektion und Synthese, zwischen Erkenntnis und Handeln, Problem und Lösung, Untersuchen und Intervenieren, Planen und DurchfĂŒhren ist hier wie auch in vielen anderen Vorhaben und Disziplinen damit noch nicht artikuliert und bleibt oft implizit.
Teilgebiete der PĂ€dagogik arbeiten eng mit anderen Disziplinen zusammen, die wiederum implizit oder explizit das VerhĂ€ltnis zwischen Analyse, Zukunftsentwurf, Implementierung und Evaluation konzeptionalisieren und bezĂŒglich der Frage, welche Rolle Wissen und Erkenntnis in diesen Prozessen spielen, erkenntnistheoretische Positionen beziehen. Im Gegenstandsbereich Lernen und Lehren mit neuen Medien (eLearning) arbeitet die PĂ€dagogik beispielsweise mit der Informatik bzw. Softwareentwicklung zusammen. Der vorliegende Beitrag wird sich mit grundlegenden Fragen der Modellierung in Wissensgenerierungs- und Entwurfsprozessen befassen, nimmt aber in Beispielen besonders auf den Gegenstandsbereich „Sozio-technischer Systeme“ Bezug.
Wissenschaftliche Disziplinen werden anhand ihres Gegenstandsbereichs oder ihres Erkenntnisinteresses unterschieden (Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft, ErklĂ€ren und Verstehen, vgl. Dilthey, 1900). Simon jedoch trennt in seinem Werk „The Sciences of the Artificial“ (1982) („Die Wissenschaften vom KĂŒnstlichen“) die Naturwissenschaften von den Designwissenschaften. WĂ€hrend die Naturwissenschaften die Welt beschreiben, wie sie ist, arbeiten Designwissenschaften sowohl deskriptiv als auch prĂ€skriptiv, entwickeln Techniken, Technologien und Interventionen und beteiligen sich an der Transformation von Situationen. Simons Unterscheidung der Disziplinen lĂ€uft anhand ihrer Unternehmung von Analyse und Synthese. PĂ€dagogik ist eine Designwissenschaft, da sie Synthese betreibt - sie grenzt sich unter anderem darin von den meisten ihrer Nachbar - oder Bezugsdisziplinen, wie der pĂ€dagogischen Psychologie oder Anthropologie, ab.
Seit der Veröffentlichung des Werks von Simon haben sich die Erwartungen an Wissenschaft erheblich gewandelt. Von Wissenschaft, auch von Naturwissenschaften, wird mehr und mehr erwartet, dass sie nicht nur ErklĂ€rungen ĂŒber die Welt liefert und Vorhersagen in einer als statisch angenommenen Umgebung trifft, sondern auch, dass sie Antworten auf konkrete soziale, ökonomische oder ökologische Bedarfe formulieren und Innovation befördern kann. Von WissenschaftlerInnen wird erwartet, dass, sie ihre wissenschaftlichen Ergebnisse nicht nur auf praktische Probleme anwenden, sondern dass sie ihre Forschung aus gesellschaftlich relevanten Fragen und Perspektiven heraus definieren und sich der KomplexitĂ€t lokaler PhĂ€nomene stellen. Die Probleme, mit denen sich WissenschaftlerInnen konfrontiert sehen und auf die Studierende vorbereitet werden mĂŒssen, sind nicht nur komplex in der Form, dass viele Variablen miteinander interagieren, sondern „wicked“ (wicked problems, ĂŒbersetzt: verhexte Probleme) in der Form, dass jeder Versuch das Problem zu lösen das Problem an sich verĂ€ndert, neue Probleme schafft, die Lösung objektiv weder richtig noch falsch ist, sondern anhand von Werthaltungen beurteilt wird. „Most of the pressing and important design problems of today’s world are systemic problems that make collaboration supported by new technologies not a luxury but a necessity. These systemic problems-including the design of policies to address environmental degradation, economic disparity, and the disappearance of local cultures in the age of globalization, to name a few - are complex, open-ended, and ill-defined“ (Rittel & Webber, 1984).
Die Probleme, die WissenschaftlerInnen untersuchen sollen, sind nicht gegeben, sondern grundlegend durch menschliche Intervention geformt und kontingent. Die Welt kann nicht mehr in ihrer RegelmĂ€ĂŸigkeit erfasst werden, sondern wird als unfertig und in VerĂ€nderung beziehungsweise durch menschliche Intervention und Kultur in Entwicklung begriffen. Wir handeln und untersuchen in einem unfertigen Universum.
Neben der grundsĂ€tzlichen Unterscheidung von Synthese und Analyse ist damit der Bezug bzw. die Bezugnahme von Synthese zu Analyse noch nicht geklĂ€rt. Dem Handeln liegen implizit oder explizit Positionen und PrĂ€missen zugrunde -dies kann die Annahme sein, die Analyse finde vor der Synthese statt, die Analyse des Problems sei abgeschlossen, bevor die Lösung entwickelt werde und das Problem sei objektiv gegeben. Aus der Analyse könne der Bedarf beschrieben und die Synthese abgeleitet werden. Das VerhĂ€ltnis zwischen Analyse und Synthese ist eine Frage, der sich die Designtheorie zuwendet (vgl. Cross, 2007). Die Analyse systemischer Probleme muss unvollstĂ€ndig bleiben und Analyse findet durch Synthese statt, Problem und Lösung entwickeln sich miteinander und bilden einen Designraum. Cross (1995) findet, „(...) that problems and solutions in design are closely interwoven - that ‚the solution‘is not always a straightforward answer to ‚the problem‘“. Ein tieferes VerstĂ€ndnis des Problems wird durch das Testen vermuteter Lösungen gewonnen (Darke, 1979). Die Generierung einer Vielzahl von Lösungen wird nach Cross (1995) ein Mittel der Problemanalyse. Das Lösen schlecht strukturierter Probleme ist ein Dialog von Problem und Lösung und wird von Schön (1990) als Designprozess, nicht als systematische Suche nach einer Problemlösung, beschrieben. Diese Position geht davon aus, dass im Entwurf nicht schlicht bestehendes Wissen angewandt oder von Theorie deduktiv abgeleitet werden kann, sondern dass der Entwurfsprozess selbst ein epistemischer Prozess ist und Modelle ein Mittel sind. „(...) the need to use sketches, drawings, and models of all kinds as a way of exploring problem and solution together“ (Cross, 1995).
In diesem Kontext wird im vorliegenden Beitrag Modellierung besprochen: Modellbildung und Modellwerdung als und in EntwurfstĂ€tigkeit in einer Umwelt, die nicht als statisch im Sinne des Aufdeckens von RegelmĂ€ĂŸigkeiten angesehen werden kann. ZunĂ€chst wird im Beitrag das Modell als epistemisches Artefakt beschrieben, dann Modellierung als sozio-materielle Praktik herausgearbeitet. Anschließend wendet sich der Beitrag Entwurfsprozessen zu um die Rolle materialer QualitĂ€t von Artefakten in TĂ€tigkeiten der Modellierung systematisch zu betrachten. Die Betrachtung bezieht sich im engeren Sinne auf den Gegenstandsbereich sozio-technischer Systeme.
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Abb. 5.1. Modellierung im Entwurfsprozess: Knuuttilas Konzeption von Modellen als epistemischen Artefakten folgend wird die DesignreprÀsentation in Relation gebracht zu a) dem Zielsystem/-objekt (d.h. der EntitÀt, auf die sich das Modell/Designartefakt bezieht und b) den Akteuren, die das Modell/Designartefakt kreieren, modifizieren und nutzen.

5.2 Modelle als epistemische Artefakte

Trotz ihrer weit verbreiteten Verwendung in einer Vielzahl von Disziplinen und Wissensgebieten wird die epistemische Rolle von Modellen und Ontologien selten explizit diskutiert. Üblicherweise werden Modelle als ReprĂ€sentation eines bestimmten Gegenstandes behandelt. Ebenso gilt dies fĂŒr Ontologien im Sinne konzeptioneller Modelle eines Gegenstandsbereichs. Entsprechend der traditionellen Auffassung s...

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