Lust und Liebe - alles nur Chemie?
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Lust und Liebe - alles nur Chemie?

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Über dieses Buch

Hinter dem Titel des Bandes verbirgt sich mehr als bloß die Analyse von Aphrodisiaka oder Potenzmitteln. Großhirnrinde, Hypophyse oder körpereigene Opiate: Sie alle sind beteiligt, wenn Verliebte sich küssen oder ein junger Mann seinem ersten Rendezvous entgegenfiebert. Dieses unterhaltsame Buch wirft einen Blick hinter die molekularen Kulissen des aufregendsten aller Gefühle. Die Liebe schlägt nicht nur Verliebte in ihren Bann. Dass auch Chemiker manch faszinierende Erkenntnis zu diesem Phänomen vermitteln können, belegt dieses Buch eindrucksvoll.
Ihren wissenschaftlichen Streifzug durch Amors Reich beginnt das Autorenduo (das übrigens auch ein Autorenpaar ist) mit einer Geschichte: Zwei Verliebte treffen sich wieder, nachdem sie sich eine Weile nicht gesehen haben. Was geschieht in ihren Köpfen? Wie lassen sich ihre Verhaltensweisen und Reaktionen chemisch beschreiben?
Im Anschluss widmen sich die beiden Wissenschaftsjournalisten ausführlich der "Mentalität" der Liebe: Sie gehen der Frage nach, wie sie im menschlichen Gehirn repräsentiert wird. Auch den "Dialog der Düfte" entschlüsseln sie und fragen nach den physiologischen Hintergründen von Zärtlichkeit und Treue. Sie erklären, wie Moleküle unsere Emotionen steuern, und belegen, dass sich Verliebte wirklich gut "riechen" können.
Nicht nur Chemiker dürfte interessieren, was das Buch über die "Wirkstoffe der Liebe" zu berichten weiß. Mal ergründet es die Funktionsweise körpereigener Opiate, dann wenden sich die Autoren den Aphrodisiaka zu oder referieren den Stand der Dinge in Sachen Potenzmittel. Die Fortsetzung der kleinen Liebesgeschichte vom Anfang sowie ein Sach- und Personenregister beschließen den Band.

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Information

Verlag
Wiley-VCH
Jahr
2012
ISBN
9783527640836

1

Geheimnisvolles Wechselbad der Emotionen

»Liebende schließen beim Küssen die Augen,
weil sie mit dem Herzen sehen möchten.«
(Daphne du Maurier, englische Schriftstellerin
französischer Abstammung, 1907–1989).

Ein Tag im Leben von Bianca und Michael

Selten zuvor war Michael so pünktlich am Flughafen. Doch heute ist ein ganz besonderer Tag. Ein kurzer Blick auf den Monitor zeigt ihm, dass die erwartete Maschine aus Amerika voraussichtlich erst in einer Stunde am Gate B 14 eintreffen wird.
An Bord ist Bianca, mit der er seit sechs Monaten glücklich verlobt ist. Während Bianca als Medizinstudentin einen großen Teil der Semesterferien bei Verwandten in den USA verbracht und neben einem Krankenhauspraktikum in dieser Zeit sicherlich viel erlebt hat, ist Michael, der als Ingenieur für Informationstechnik für ein deutsches Elektronikunternehmen tätig ist, die Phase der Trennung dagegen wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen. Zu tun hatte er eigentlich immer genug, aber an die langen Wochenenden, an denen er allein war, erinnert er sich nur ungern.
»Da hätte ich mir ja noch etwas Zeit lassen können«, denkt sich Michael insgeheim. »Aber was solls – besser zu früh als zu spät am Flughafen.« Schon bei dem Gedanken, dass er in einem Verkehrsstau hätte stecken bleiben und Bianca mit Koffern in der Hand vergeblich nach ihm hätte suchen können, wird ihm unbehaglich zumute.
Michael schlendert durch den Ankunftsbereich, vergewissert sich noch einmal, welchen Ausgang Bianca für B14 nehmen wird und bemerkt, wie sich seine innere Anspannung allmählich legt um einer tief empfundenen Freude Platz zu machen. Um die verbleibende Zeit zu überbrücken, setzt er sich in ein Bistro namens »Zeppelin«, welches einen direkten Blick auf die Anzeige »Arrivals« gestattet.
»Ich nehme das Sandwich mit Huhn und dazu eine Tasse Kaffee«, sagt er dem Kellner und greift nach einer Zeitung. Er überfliegt die Schlagzeilen, liest die Artikel aber nur diagonal. Es fällt ihm sichtlich schwer, sich heute so richtig zu konzentrieren. Lediglich eine Reportage über San Franciso veranlasst ihn zu einem tieferen Einstieg. »Ihre Verwandten leben in einem Vorort von Monterey«, überlegt er. »Wie ich Bianca kenne, hat sie sich die Golden Gate Bridge nicht nur auf Fotos angesehen.«
Während Michael noch mit seiner kleinen Mahlzeit beschäftigt ist, wird die Anzeige mit den »Arrivals« gerade aktualisiert. »Die Maschine trifft doch etwas früher ein und wird in wenigen Minuten landen«, schießt es ihm durch den Kopf. Nervös faltet er die Zeitung zusammen und gibt dem Kellner ein Zeichen. Nach dem Bezahlen der Rechnung begibt er sich auf direktem Weg zum Ausgang.
Aufgeregt beobachtet Michael, wie sich die Tür in kurzen Abständen öffnet und schließt. Braun gebrannte und mit Koffern und Reisetaschen gut bepackte Urlauber bahnen sich ihren Weg durch die Menschenmenge, Geschäftsleute mit Aktenkoffern hasten an ihm vorbei, ein aufgeregter Japaner scheint jemanden zu suchen, während drei Araber sich offensichtlich beim Smalltalk amüsieren. Ähnlich wie in einem Film registriert Michael dies aber nur ganz am Rande.
Plötzlich entspannt sich sein Gesichtsausdruck – Bianca kommt aus der Tür. Sie erkennt ihn sofort, lässt den Wagen mit dem Koffer kurz stehen und läuft auf ihn zu. Wortlos fallen sich die beiden in die Arme. Als sie sich küssen, hat Bianca Tränen der Freude in den Augen. Michael hingegen – den vertrauten Geruch ihres Körpers wahrnehmend – hat nur einen einzigen Gedanken: »Wir gehören zusammen!«
Diese kurze Szene aus dem Leben zweier junger Menschen dürfte vielen von uns bekannt vorkommen. Die innere Unruhe, Anspannung, Aufregung, gepaart mit Sehnsucht und dann das schier unendliche Glücksempfinden nach der Begegnung – wer hat dieses Wechselbad der Gefühle in ähnlichen Situationen nicht bereits selber durchlebt?

Weshalb unser Gehirn »Schmetterlinge« produziert

Auch wenn die beiden den Eindruck haben, das Zentrum ihrer Liebe sitze im Herzen, so ist es in Wahrheit doch ausschließlich ihr Gehirn, das für das Herzklopfen und die »Schmetterlinge im Bauch« verantwortlich ist. »Nicht mit dem Herzen, sondern mit dem Gehirn denken wir«, so hatte es der griechische Arzt Hippokrates, der auf der Insel Kos lebte, bereits um 400 v. Chr. formuliert, womit er seiner Zeit allerdings hoffnungslos voraus war. Denn obwohl das Organ, dem die antiken Griechen den Namen »en kephale« (»im Kopf gelegen«) gegeben hatten, die Menschen von jeher faszinierte, war es ein langer Weg, bis man verstand, dass allein das Gehirn der Entstehungsort unserer Gedanken, Gefühle, Empfindungen und letztendlich auch des Bewusstseins ist.
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Abb. 1: Hippokrates
Die Frage nach der Quelle und dem Ort des Bewusstseins dürfte unsere Ahnen indessen bereits in grauer Vorzeit beschäftigt haben. So wurde von den Menschen des Altertums der Kopf als Behausung böser Geister betrachtet. Wie wir heute von Knochenfunden wissen, wurden Menschen dieser Epoche gelegentlich Löcher in den Kopf geschabt – offensichtlich um Krankheiten wie »Besessenheit« mit mehr oder weniger fragwürdigem Erfolg zu kurieren.
Griechische Anatomen wie Anaxagoras suchten nach dem Sitz des Geistes im menschlichen Körper und glaubten, dass die Hohlräume im Gehirn jene Flüssigkeiten enthielten, welche den Hauch des Geistes darstellten. Der Grieche Alkmäon von Kroton stellte bereits um 500 vor Christus im Rahmen eigens durchgeführter Sektionen an Tieren fest, dass sich von den Sinnesorganen Nervenbahnen zum Gehirn ziehen. Er nahm daraufhin an, dass im Gehirn das Zentrum für die Sinneswahrnehmung und auch für das Denken liege. Allerdings hielt er das Gehirn für eine Drüse, die Gedanken absondere wie eine Tränendrüse Tränen.
Lange davor war indessen bereits den Ägyptern bewusst, dass das Gehirn mit den Denkprozessen eines Menschen in Verbindung gebracht werden musste. Herophilos (335 v. Chr) und Erasistratos (300 v. Chr) brachen erstmals das Tabu, Leichen zu sezieren, und fanden, dass ein Mensch dem bestimmte Nervenbahnen durchtrennt wurden, nicht mehr sehen konnte. Sie entwickelten daher die Vorstellung eines zusammenhängenden Systems, von welchem das Gehirn das Zentrum bildete. Das Gehirn war für sie der Sitz der Seele und die Kommandozentrale für sämtliche Denkprozesse.

Leonardo da Vinci: Künstler und Forscher

Als Leonardo da Vinci im Jahre 1452 das Licht der Welt erblickte, war Italien gerade im Begriff, das Mittelalter in raschen Schritten zu verlassen. Italien und insbesondere Florenz standen im Mittelpunkt des während der Renaissance neu erwachten geistigen Lebens. Diese historische Entwicklung, die ihre Anfänge in den gelehrten Kreisen der humanistischen Schriftsteller hatte, stand in deutlichem Zusammenhang mit den Fortschritten der Wissenschaft, mit den Veränderungen im kirchlichen Bereich und mit dem Entstehen wirtschaftlicher Strukturen.
Leonardo da Vinci war der Sohn eines angesehenen Notars. Schon früh erkannte der Vater die außergewöhnliche Begabung seines Sohnes und förderte ihn mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Auf diese Weise kam der junge Leonardo im Alter von 15 Jahren in die Werkstatt des Florentiner Meisters Verrocchio und hatte sich im Jahre 1472 – gerade zwanzigjährig – in der Malerzunft der Stadt bereits einen Namen gemacht.
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Abb. 2: Leonardo da Vinci
Etwa ab 1500 widmete sich Leonardo da Vinci hauptsächlich technischen und naturkundlichen Studien. In unzähligen sehr präzisen Zeichnungen von Muskeln, Knochen und Gehirnen versuchte er, dem Gesetz des Lebens auf die Spur zu kommen und es in einer alle Naturerscheinungen umfassenden Kosmologie zusammenzufassen.
Der römische Arzt Claudius Galenus konnte wiederum zahlreiche Erfahrungen an verletzten Gladiatoren sammeln. Auf diese Weise verhalf er der bereits von den Ägyptern entwickelten und heute allgemein akzeptierten Vorstellung zum Durchbruch, dass das Gehirn das Zentrum menschlichen Denkens und des Gedächtnisses ist. Ganz anderer Auffassung war hingegen Aristoteles. Er vertrat im Gegensatz zu Hippokrates die durchaus nachvollziehbare Meinung, dass der Mensch mit dem Herzen denkt.
Letztendlich obsiegte aber das Kammernmodell von Anaxagoras, welches im Laufe der Jahrhunderte immer weiter verfeinert wurde. Mittelalterliche Philosophen schufen daraus ein sehr anschauliches Modell, bei dem die erste Kammer des Gehirns zur Wahrnehmung und Einsicht diente. Die zweite Kammer sollte dem Modell zufolge für Erkenntnis und Urteil und die dritte Kammer für die Speicherung der Ergebnisse der vorigen Kammern zuständig sein.
Erst um 1490 entwarf das »Allround-Genie« der Renaissance, Leonardo da Vinci, eine vorläufige »Landkarte« des Geistes, auf der in einer Art Dreiteilung unterschiedlichen Bereichen des Gehirns verschiedene geistige Funktionen zugeordnet wurden.
Selbst wenn heute Leonardo da Vincis Skizzen des Gehirns für die Wissenschaftler nur noch von historischem Interesse sind und ein sehr viel differenzierteres Abbild des Gehirns und seiner Funktionen zum Stand der Forschung gehört, hat unser intimstes Organ viele seiner Geheimnisse noch nicht preisgegeben. Vielmehr muss das Gehirn auch heute noch in weiten Bereichen als ein weißer Fleck auf der Landkarte der wissenschaftlichen Erkenntnisse bezeichnet werden.
Eine weitaus technischer geprägte Vorstellung hatte der französische Philosoph René Descartes (1596–1650), der das Gehirn mit einer Art Maschine verglich. Er stellte sich vor, dass eine in den Windungen des Gehirns enthaltene Substanz, die er als »Pneuma« bezeichnete, durch die von den Sinnesorganen ausgehende Erregung unter Druck gesetzt und von der Epiphyse (Zirbeldrüse des Gehirns) in die mit Röhrchen vergleichbaren Nerven umgeleitet würde. Auf diese Weise sollte das Pneuma zur Muskulatur gelangen und diese zu gezielten Bewegungen veranlassen.
Franz Josef Gall (1758–1828) stiftete wiederum unter seinen Zeitgenossen mit der Behauptung Unruhe, dass bestimmte Leistungen des Gehirns an den Schädelwölbungen ertastbar seien. Doch erst Paul Broca (1824–1880) und Carl Wernicke (1848–1905) lieferten den wissenschaftlichen Beweis dafür, dass allen Hirnfunktionen abgrenzbare Regionen zuzuordnen sind. Zu diesem Zweck hatten die Forscher eine Reihe von Patienten mit Sprachstörungen untersucht. Cecile und Oskar Vogt sowie Korbinian Brodmann zogen zwischen 1900 und 1920 aus diesem Lokalisationskonzept die Konsequenz und fertigten die ersten detaillierten »architektonischen« Karten der Hirnrinde an.

Die Kartierung des Gehirns kommt der Entschlüsselung des Genoms gleich

Während man also früher glaubte, dass komplexe Vorgänge wie das Lernen oder die Erinnerung in einem einzigen Gebiet des Gehirns lokalisiert seien, geht die heutige Forschung davon aus, dass an jeder Leistung des Gehirns diverse räumlich voneinander entfernte, aber über Nervenfasern verknüpfte Zellgruppen beteiligt sind. Wissenschaftler am Institut für Medizin im Forschungszentrum Jülich widmen sich unter der Leitung von Prof. Karl Zilles der Aufgabe, derartige Knotenpunkte und Vernetzungen zu lokalisieren. Das angestrebte Ziel – eine lückenlose Kartierung aller Gehirnfunktionen – ist indessen äußerst ehrgeizig und dürfte der vollständigen Entschlüsselung des menschlichen Genoms durchaus ebenbürtig sein. Die aus der Forschung resultierenden Ergebnisse werden, so viel zeichnet sich heute bereits ab, wieder eine Vielzahl von neuen Fragen aufwerfen, die noch zahlreiche Wissenschaftler-Generationen beschäftigen werden.
Unstrittig ist heute bereits, dass das Gehirn unsere Kommandozentrale ist, die über sämtliche Körperfunktionen regiert. Dies gilt nicht nur für unsere einfachen Verhaltensweisen wie Essen, Schlafen, Trinken und die Wärmeregulierung, sondern schließt auch die höher entwickelten Fähigkeiten des menschlichen Geistes wie seine Begabung für Kultur, Musik, Kunst, Wissenschaft und Sprache mit ein. Aber erst vor kurzem erhielten die Forscher Einblicke in die molekularen Vorgänge im Gehirn und entschlüsselten die ersten Bausteine und Prozesse einer bis dato unbekannten Chemie, die über unsere sämtlichen Denkprozesse – bewusst oder unbewusst – wacht und damit auch unsere gesamte Gefühlswelt bis hin zur Liebe steuert. Als Bianca und Michael auf dem Flughafen aufeinander zuliefen, sich in die Arme nahmen und liebkosten, setzte dies zugleich eine ganze Kaskade chemischer Reaktionen in ihren Gehirnen frei.

Bianca und Michael haben ihr eigenes Universum im Kopf

Dennoch darf man sich das Gehirn unseres Paares nicht als einen einfachen Chemiereaktor vorstellen. Denn es wäre arbeitslos, wenn es mit dem menschlichen Körper nicht durch ein unvorstellbares Netzwerk von Befehlsleitungen verkabelt wäre. Ein Geflecht aus rund 380 000 km Nervenfasern, das aneinander gereiht die Entfernung von der Erde bis zum Mond überbrücken würde, sorgt für den einwandfreien Informationsfluss zwischen der Kommandozentrale und allen Bereichen des menschlichen Körpers.
So unglaublich es klingt: Die Hardware dieser Kommandozentrale im Kopf besteht aus rund 100 Milliarden Nervenzellen – das entspricht der Anzahl der Sterne in unserer Milchstraße. Wollten wir die Anzahl der theoretisch möglichen Verbindungen zwischen diesen Zellen berechnen, wäre das Ergebnis ganz und gar unvorstellbar, denn es gibt mehr mögliche Verbindungen zwischen all diesen Zellen als Atome im gesamten Universum!
Der Wissenschaftler Prof. Dr. Werner Stangl vom Institut für Pädagogik und Psychologie der Johannes-Kepler-Universität Linz setzt noch eins drauf und veranschaulicht diese unvorstellbar hohe Zahl wie folgt: »Wenn das Gehirn mindestens 15 Milliarden Gehirnzellen enthält, so können durch die verschiedenen Verbindungsmöglichkeiten insgesamt 210 Milliarden Informationen gespeichert werden. Wenn wir diese Zahl niederschreiben wollten und jede Sekunde eine Null notierten, bräuchten wir hierfür sage und schreibe 90 Jahre. «
Diese einzigartige Architektur gestattet es dem Gehirn, die aufgenommenen Informationen nicht einfach nur abzubilden. Vielmehr ist es im Gegensatz zu einem Fotoapparat oder einem Tonbandgerät in einer geradezu genialen Weise in der Lage, eine Datenreduktion vorzunehmen. Mit anderen Worten: Das Gehirn separiert überflüssigen Datenmüll, indem es die von außen empfangenen Signale in Bruchteilen einer Sekunde interpretiert und zu einer persönlichen Welt zusammenfasst. Als Michael am Flughafen auf Bianca wartete, hat sein Gehirn, so unglaublich es klingt, etwa eine Million Male mehr Informationen empfangen, als es bewusst verarbeitet hat.

Das alternde Gehirn büßt nur wenige Zellen ein

Nach Angaben von Prof. Dr. Werner Stangl verliert der Mensch pro Tag zwischen 1000 und 10 000 Gehirnzellen. »Selbst wenn wir annehmen, dass ein Mensch von ursprünglich 15 Milliarden Gehirnzellen täglich 10 000 Zellen verliert, müsste er rund 410 Jahre alt werden, um nur zehn Prozent des Gehirns zu verlieren«, kalkuliert der Wissenschaftler. Diese Rechnung mache deutlich, dass die Kapazität des Gehirns nicht daran schuld sein könne, wenn die Gedächtnisleistung im Alter abnehme. Die Ursache für einen Abbau liege gewöhnlich im mangelnden Training. Wenn ein Mensch durch die Umwelt und das Arbeitsleben nicht mehr gefordert werde, wenn er nicht mehr lernen müsse und die intellektuellen Anforderungen sinken, dann müsse er selber etwas tun und sein Gehirn trainieren. Nur durch geistige Aktivität werde sichergestellt, dass neue Gehirnmuster und Strukturen gebildet werden. Auf diese Weise werde die Denk- und Gedächtnisleistung nicht nur behalten, vielmehr könne sie selbst im Alter durchaus noch gesteigert werden.
Um diesen einmaligen Vorgang verstehen zu können, der von keinem Computer auch nur annähernd erreicht wird, wollen wir zunächst das menschliche Gehirn ein wenig näher unter die Lupe nehmen. Es bringt im Falle von Bianca statistisch gesehen etwa 1245 Gramm, bei Michael 1375 Gramm auf die Waage.
Den größten Raumanteil nimmt das Großhirn ein, das etwa die Größe einer Grapefruit besitzt. Es ist in zwei unterschiedliche Hemisphären unterteilt, die für die Funktionen der jeweils gegenüberliegenden Körperhälfte zuständig sind. Bedeckt sind die beiden Gehirnhälften von der vielfach gefalteten Großhirnrinde (Cortex cerebri). Der Cortex versetzt uns in die La...

Inhaltsverzeichnis

  1. titelseite
  2. Erlebnis Wissenschaft bei WILEY-VCH
  3. Titel
  4. Impressum
  5. Widmung
  6. Inhaltsverzeichnis
  7. Vorwort der Autoren
  8. 1 - Geheimnisvolles Wechselbad der Emotionen
  9. 2 - Unser doppeltes Nervenkostüm
  10. 3 - Signale der Liebe
  11. 4 - An der Leine einer doppelten Helix
  12. 5 - Hormone – Schneckenpost der Informationsvermittlung
  13. 6 - Östrogen und Testosteron – Triebkräfte unserer Gefühlswelt
  14. 7 - Oxytocin – das »Amuse Gueule« unter den Hormonen
  15. 8 - Dopamin – Casanovas zwiespältige »Geheimwaffe«
  16. 9 - Serotonin – der Glücksbote in der Blutbahn
  17. 10 - Phenylethylamin – ein Stoff, der die Seele jubeln lässt
  18. 11 - Chemie der Empfängnisverhütung
  19. 12 - Wechseljahre: Wenn die Hormonzufuhr ins Stocken gerät
  20. 13 - Körpereigene Opiate – die Chemie der Euphorie
  21. 14 - Chemie für das Auge – der Lippenstift im Wandel der Zeit
  22. 15 - Der heimliche Duft der Verführung
  23. 16 - Pheromone – »Wörter« im Dialog der Düfte
  24. 17 - Kleines Einmaleins der Liebesmittel
  25. 18 - Viagra & Co.: Was bringen die neuen Potenzmittel?
  26. 19 - Rückkehr vom Flughafen
  27. Weiterführende Literatur
  28. Personen- und Sachregister