Charles Darwin - Leben und Werk
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Charles Darwin - Leben und Werk

Würdigung eines großen Naturforschers und kritische Betrachtung seiner Lehre

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Würdigung eines großen Naturforschers und kritische Betrachtung seiner Lehre

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Über dieses Buch

Vor 200 Jahren wurde einer der größten und bis heute umstrittenen Naturforscher geboren: Charles Darwin. Der Autor Wolfgang Schaumann schildert in seiner kritischen Würdigung von Darwins Lebenswerk historische und höchst aktuelle Auseinandersetzungen mit Darwins revolutionärer Theorie zur Evolution der Arten, die erstmals im Jahre 1859 von ihm veröffentlicht wurde. In einem Spannungsbogen, der sich über 150 Jahre hinzieht, lässt Schaumann den Leser miterleben, wie Darwins revolutionäre Theorie allen gegen sie vorgebrachten Argumenten getrotzt hat und sich gegen sämtliche Alternativtheorien immer wieder durchsetzen konnte. Spannend und lehrreich zugleich!

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Information

Verlag
Wiley-VCH
Jahr
2012
ISBN
9783527660728
1. Kapitel
Charles Darwin – Sein Leben
Es gibt einige wenige Gelehrte, die unser Weltbild von Grund auf verändert haben. Einer war Kopernicus als er nachwies, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Das war zu seiner Zeit Ketzerei, denn in der Bibel steht es umgekehrt. Ein zweiter war Darwin. In der Bibel steht, dass Gott die Welt in sechs Tagen erschuf, angefangen bei den Gestirnen bis zum Menschen als Krone der Schöpfung. Darwin beschränkte sich auf die Erde. Er lehrte, dass sie sich in ihrer heutigen Form erst im Laufe von Jahrmillionen entwickelt hat. Hatte Kopernicus unsere Erde vom Zentrum des Weltalls zum Trabanten eines unbedeutenden Sterns herabgestuft, so erniedrigte Darwin den Menschen vom Ebenbild Gottes zum Nachkommen von Affen. Wer war der Mann, der eine solche Revolution bewirkte?
Kindheit und Studienjahre
Als Charles Robert Darwin am 12.2.1809 als fünftes von sechs Kindern geboren wurde (Desmond und Moore 1992), hatte der Name Darwin in Kreisen der Wissenschaft bereits einen guten Klang. Das verdankte Charles seinem Großvater Erasmus (1731–1802). Dieser war Arzt und nebenbei Dichter, Erfinder und Naturforscher (Jahn 1982). Seine Erfindungen waren praktische Dinge wie Windmühlen und Wasserpumpen. Sein wichtigstes Buch nannte er „Zoonomia“. Bemerkenswert daran sind seine Überlegungen über eine fortschreitende Umwandlung von Tieren und Pflanzen, über den Kampf ums Dasein, die Bedeutung der Partnerwahl und die Anpassung von Vögeln an das Nahrungsangebot. Allerdings waren es bei ihm noch Spekulationen, die erst sein Enkel durch Fakten untermauert hat. Charles hat seinen Großvater nicht gekannt, aber er hat seine Zoonomia gelesen und es ist denkbar, dass er in seinen Interessen hierdurch und durch die von ihm ererbten Gene geprägt wurde.
Charles’ Vater Robert war ein angesehener Arzt, beliebt bei seinen Patienten, aber ein Tyrann in seiner Familie. Seine Frau Susannah stammte aus der Porzellan-Dynastie Wedgewood. Den Lebensstil der Familie kann man aus der Größe ihres Hauses ablesen. Die Familien Darwin und Wedgewood kannten sich seit Generationen, und Susannah war schon als Kind ein häufiger Gast bei den Darwins. Charles’ Mutter starb, als er 8 Jahre alt war. Erzogen – und tyrannisiert nach Vaters Art – wurde er weitgehend von seiner um 8 Jahre älteren Schwester Caroline, die nach dem Tod der Mutter das Regiment führte. Er schloss sich eng an seinen um 5 Jahre älteren Bruder Erasmus an. Gemeinsam litten sie unter der Herrschaft der älteren Schwestern.
Charles’ Kindheit ist in keiner Weise bemerkenswert. Er strebte nach Anerkennung, was für die Kleinen in einer großen Familie immer schwer und daher verständlich ist. Bei den meisten Menschen mit ausgeprägten Neigungen und Begabungen offenbaren diese sich schon im frühen Kindesalter. So auch bei Charles. Als 10-jähriger Schüler erfragte er die Namen von Pflanzen, interessierte sich für die Lebensgewohnheiten von Vögeln und sammelte alles von Muscheln bis zu Mineralien, freilich noch ohne jede Systematik. Diese Leidenschaft war offenbar angeboren, denn keines seiner Geschwister hatte sie (Darwin 1876). Auch das Bedürfnis zu langen Spaziergängen hatte er schon als Junge.
Sein Elternhaus und seine Umgebung im weitesten Sinn hatten entscheidende Bedeutung für seinen Lebensweg. Versetzen wir uns in das England des 19. Jahrhunderts. Wie von alters her hatten die Familien sechs Kinder und mehr. Neu war, dass die Mehrzahl von ihnen überlebte und die Bevölkerung erstmals in der Geschichte der Menschheit explosionsartig wuchs. In England hatte sich die Bevölkerung in den 10 Jahren von 1821 bis 1831 verdoppelt (Desmond und Moore 1992). Da das Nahrungsangebot mit dieser Vermehrung nicht Schritt halten könne, prophezeite Malthus Verteilungskämpfe und katastrophale Hungersnöte, die schließlich das Wachstum der Bevölkerung begrenzen würden. Das soziale Klima des viktorianischen England wird drastisch durch die Reaktion auf diese These von Malthus beleuchtet. Man begründete damit u.a. die politische Forderung, Fürsorgeleistungen einzuschränken. Helfe man den Armen, so würden sie nur noch mehr Kinder bekommen. Armenhäuser sollten nach Geschlechtern getrennt werden um die Vermehrung der Armen zu begrenzen.
Die Landwirtschaft als der damals bedeutsamste Erwerbszweig konnte keine zusätzlichen Arbeitskräfte aufnehmen. Obwohl bereits die erste industrielle Revolution eingesetzt hatte, bestand ein Überangebot an Arbeitskräften. Deshalb und weil der Ertrag der Industriearbeit vor allem für Investitionen gebraucht wurde, waren die Löhne der Arbeiterschaft extrem niedrig. Die vorherrschende Wirtschaftsphilosophie war der Manchester-Kapitalismus, d.h. ein freies Spiel der Kräfte ohne jeden Schutz vor Ausbeutung im wahrsten Sinn des Wortes. Die miserablen Lebensbedingungen der unteren Klassen bildeten einen fruchtbaren Nährboden für umstürzlerische Ideen jeder Art. Auf der anderen Seite entstand eine wohlhabende Oberschicht, die jetzt nicht mehr nur aus Adligen bestand.
Es gab zwar ein Parlament, aber kein allgemeines Wahlrecht. Adel und Klerus bildeten die herrschende Schicht, und die war dementsprechend konservativ. Trotz Aufklärung und industrieller Revolution hatte die Kirche großen Einfluss auf das private, aber auch auf das öffentliche Leben. Wie überall gab es mehrere christliche Konfessionen. Staatskirche war seit Heinrich VIII. die anglikanische Hochkirche, und wer zum Establishment gehören wollte, war in ihrem Schoß am besten aufgehoben. Die Kirche versuchte alle Aspekte des privaten und des öffentlichen Lebens zu beherrschen und machte sich bei kritischen Denkern durch Missbrauch ihrer Macht unbeliebt. Die Darwins und die Wedgewoods waren Unitarier. Diese damals verbreitete Sekte hatte ihren Namen daher, dass sie die Dreifaltigkeit leugnete. Davon abgesehen unterschied sie sich von der Staatskirche durch ihre undogmatische Haltung und kulturelle Aufgeschlossenheit.
Obwohl beide Eltern Unitarier waren, ließen sie Charles in einer anglikanischen Kirche taufen. Bei einem Widerspruch zwischen Überzeugung und Opportunität behielt bei den Darwins letztere die Oberhand.
Für die Schule interessierte sich Charles nur mäßig. Er verbrachte mehr Zeit mit seinen Hobbies wie jagen und chemischen Experimenten. Um ihn davon weg und an die Arbeit zu bringen, nahm sein Vater ihn mit 16 Jahren aus der Schule, um ihn an eine Universität zu schicken. Die Frage war, welche. Die einzigen englischen Universitäten waren Oxford und Cambridge. Beide waren stockkonservativ. Um aufgenommen zu werden musste man sich schriftlich zu den 39 Artikeln des anglikanischen Glaubens bekennen. Die Darwins waren zwar Unitarier; um des gesellschaftlichen Vorteils Willen hatten sie Erasmus trotzdem nach Cambridge geschickt. Dem gefiel es dort gar nicht, und das könnte der Grund dafür gewesen sein, dass die beiden Brüder 1825 ihr Studium in Edinburgh begannen bzw. fortsetzten. Edinburgh passte ohnehin besser zur Familientradition, denn die Universität war weltoffen und besser in der Ausbildung.
Die Fakultät war keine Frage. Damals wurde das Leben der Kinder von den Eltern gemanagt. Seine Vornamen waren Darwin nach den beiden Medizinern in der Familie gegeben worden, Onkel Charles und Vater Robert. Damit wurden die Erwartungen der Eltern schon mit dem Taufwasser über ihm ausgegossen. Das Studium der Medizin machte Charles wenig Freude. Die Anatomie glich einem Schlachthaus, und die Operationen, denen er beiwohnte, mussten damals noch ohne Narkose durchgeführt werden. In seinem zweiten Studienjahr war er ohne seinen Bruder in Edinburgh und entwickelte sich zu einem ausgesprochenen Bummel-Studenten. Immerhin erweckte sein Freundeskreis ein Interesse, das offenbar besser seinen inneren Neigungen entsprach als die Medizin: Er suchte und sammelte an den Küsten angeschwemmte Seetiere, Schwämme und Korallen. In diesem zweiten Studienjahr beschäftige sich Darwin intensiv mit der Zoologie wirbelloser Tiere und mit Geologie.
Sein wissenschaftliches Hobby brachte Darwin in Verbindung mit Robert Edmund Grant. Dieser war 16 Jahre älter, ein radikaler Freidenker und ein überzeugter Lamarckist. Nach den Vorstellungen von Lamarck sollten Pflanzen und Tiere nicht von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen, vielmehr sollten niedere Formen des Lebens immer wieder neu aus unbelebter Materie entstehen und sich zwangsläufig zu größerer Perfektion weiter entwickeln. Das bedeutete, dass es viele Entwicklungslinien von niederen zu höheren Tieren und Pflanzen geben miisste, die nicht miteinander verwandt sind. In einem Punkt ging Grant über Lamarck hinaus: Grant betonte die Verwandtschaft zwischen verschiedenen Stämmen und postulierte, dass alle Lebewesen einen gemeinsamen Ursprung haben müssten. Auf Veranlassung Grants studierte Darwin die Schriften von Lamarck im Original, obwohl sein Französisch recht mangelhaft war. Erst Jahrzehnte später wurde offenbar, welchen Einfluss Grant auf Darwins Denken hatte.
Sogar das Prinzip von der Auslese der Tüchtigsten wurde damals in Edinburgh propagiert. Ein Holzhändler vertrat die These, dass die von einem erblichen Adel beherrschte britische Gesellschaft degenerieren müsse, denn nur wenn die Tüchtigsten immer wieder zur Herrschaft kämen, könne das Land sich in einer durch Konkurrenz weiterentwickelnden Welt bestehen. Heute bezeichnen wir eine solche Auffassung als Sozialdarwinismus. Damals war es eine umstürzlerische Idee.
In Edinburgh erlebte Darwin die Propagierung einer weiteren revolutionären These und die Reaktion der Öffentlichkeit darauf. Browne behauptete, Geist und Bewusstsein seien keine von Körper unabhängigen spirituellen Größen, sondern Produkte der Gehirntätigkeit. Die gefährliche Schlussfolgerung aus dieser These war, dass die Seele nicht unsterblich wäre, sondern mit der Tätigkeit des Gehirns erlöschen würde. Unsterblichkeit der Seele, Wiederauferstehung im Jenseits, Höllenstrafen und himmlische Belohnung, alles wurde damit in Frage gestellt. Darwin erlebte, welchen Sturm der Entrüstung eine solche Ketzerei entfachen konnte.
Als er im Herbst 1827 nach Hause zurückkehrte, war es offenbar, dass er sich mehr für die Jagd und die Mädchen in der Nachbarschaft interessierte als für die Medizin. Vater Darwin nahm das resignierend zur Kenntnis und überlegte, was man sonst mit seinem missratenen Sohn anfangen könnte. Er kam zu dem Schluss, dass es am besten sei, ihn Theologie studieren zu lassen und ihm zu gegebener Zeit eine Pfarrei zu verschaffen. Dafür kam nur die anglikanische Kirche in Frage. Sie war reich, so dass eine Pfarrei ein gutes Auskommen sicherte. Es war damals üblich, frei werdende Stellen an den Meistbietenden zu versteigern. Geld hatte Vater Darwin, und so war es ihm um die Zukunft von Charles nicht bange, vorausgesetzt er brachte das Studium erfolgreich hinter sich. Allzu viel seelsorgerische Tätigkeit wurde nicht verlangt, so dass genügend Zeit für die naturwissenschaftlichen Hobbies seines Sohnes bleiben würde. Der Vater verlieh seinen Plänen den nötigen Nachdruck mit der glaubhaften Versicherung, dass Charles nur dann Geld bekäme, wenn er sich fügte. Dieser zeigte guten Willen, vertiefte sich in theologische Bücher und zog Anfang 1828 mit seinem Bruder nach Cambridge. Das freigeistige Edinburgh kam für eine solche Karriere nicht in Betracht.
Charles ging seinem Theologie-Studium nach, brav, aber ohne Begeisterung. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als die 39 Artikel der anglikanischen Kirche zu unterschreiben. Das muss gegen seine Überzeugung gewesen sein, war aber eine unabdingbare Voraussetzung. Die Opportunität siegte wieder einmal. Er liebte die Theologie nicht, aber er brauchte einen Abschluss, wenn er seine Pfarrei haben wollte. Also setzte er sich in letzter Minute hin und büffelte. Er konnte bienenfleißig sein, wenn ihn etwas interessierte oder, wie in diesem Fall, wenn er musste. Es ist bezeichnend sowohl für seinen Fleiß wie für seine Intelligenz, dass er das erste Examen als Zehntbester von 178 erfolgreichen Kandidaten bestand.
Seine Leidenschaft war das Sammeln von Käfern. Davon gab es in den Mooren der Umgebung jede Menge und viele Arten. Käfer waren zwar etwas ganz anderes als die Weichtiere von Edinburgh, doch befand er sich wieder in guter Gesellschaft. Das Käfersammeln war unter den Studenten ein verbreiteter Sport. Mit dem Sammeln war es nicht getan, sie mussten auch identifiziert werden, und so eignete sich Charles profunde Kenntnisse auf diesem Gebiet an. Von den Käfern geriet er unversehens an die Botanik. Es gab da in Cambridge einen Geistlichen namens John Steven Henslow. Charles kannte ihn, denn er hatte Bruder Erasmus in Mineralogie unterrichtet, war jetzt aber seit 2 Jahren Professor für Botanik. Jeden Freitag veranstaltete Henslow eine Soirée, zu der vor allem Studenten der Theologie kamen, deren Interesse mehr den Naturwissenschaften als der Theologie galten. Ihr universell gebildeter Mentor galt ihnen als nachahmenswertes Beispiel für vielseitige Interessen. So ist es kein Wunder, dass sich in Darwins Augen die Liebe für die Naturwissenschaften durchaus mit dem Studium der Theologie vertrug. Also machte er sich den väterlichen Plan für seine Zukunft zu eigen: Eine Pfarrei als gesellschaftliche und wirtschaftliche Basis, Naturwissenschaften als Leidenschaft.
Hier ist wieder einmal ein Rückblick auf die gesellschaftliche Situation nötig. Die Honoratioren der Wissenschaft jener Zeit waren meist reiche Amateure, die auf ein Gehalt verzichten konnten. Wer Geld gibt, will Kontrolle, und wer ein Gehalt bekommt muss Rechenschaft darüber ablegen, was er dafür leistet. Wissenschaft für Geld, das galt in diesen Kreisen als anstößig, und auch Darwin war seine Unabhängigkeit lieber als ein regelmäßiges Einkommen. Ein Beispiel war Lyell. Er war vermögend, verkehrte in der besten Gesellschaft und hatte sich als Geologe einen großen Namen gemacht. Dazu kam, dass er Darwin nach Kräften förderte.
Henslow wurde in jeder Hinsicht zu Darwins Vorbild. Er hatte sich zuerst als Wissenschaftler hervorgetan und einen Lehrstuhl für Botanik erhalten, bevor er in den geistlichen Stand eintrat, hatte also genau die Laufbahn eingeschlagen, die auch Darwin vorschwebte. Henslow war seinerseits von der Begeisterung Darwins für die Naturwissenschaften und von seinem Wissensdurst so angetan, dass er ihn allen anderen Schülern vorzog und sich ein sehr enges persönliches Verhältnis entwickelte.
Henslow war es auch, der ihn auf den Forschungsbericht Alexander von Humboldts „Vom Orinoco zum Amazonas“ aufmerksam machte. Die Lektüre muss Darwin sehr gefesselt haben, denn er ackerte sich durch das ganze 7-bändige Werk von 3754 Seiten hindurch. Zum Amazonas war es zu weit, aber schon die Schilderung von Teneriffa begeisterte ihn so, dass er eine kleine Expedition dorthin plante. Es wäre interessant zu wissen, warum sein Vater sich bereit erklärte diesen Plan finanziell zu unterstützen, obwohl er seinen Sohn der angestrebten Pfarrei kaum näher bringen würde.
Henslow überzeugte Darwin, dass er für eine solche Expedition auch Kenntnisse in Geologie haben müsse und stellte ihn dem Geologie-Professor Adam Sedgwick vor. So intensiv wie er sich früher mit den Weichtieren von Schottlands Küsten, mit Käfern und schließlich mit Botanik beschäftigt hatte, mit gleicher Begeisterung stürzte er sich jetzt auf die Geologie. Es war nicht nur Bücherwissen, das er sich aneignete. Bei einer Exkursion nach Wales war er der einzige Begleiter und bekam einen Intensivkurs in praktischer Geologie. Obwohl er auf dem Gebiet ein Neuling war, arbeitete er wie ein Assistent des Professors, nicht wie ein Student.
Das war die positive Seite von Charles’ Tätigkeit, aber schlechte Beispiele verderben gute Sitten. Das schlechteste Beispiel war sein Bruder Erasmus. Charles war oft mit ihm beisammen und konnte feststellen, dass der sich für alles Mögliche interessierte, nur nicht für sein Studium. Als es dem Vater nicht mehr verborgen blieb, dass auch Erasmus niemals Arzt werden würde, setzte er dem 25Jährigen eine Rente aus, von der er leben konnte. Man kann sich leicht vorstellen, dass diese Großzügigkeit Charles’ Motivation für sein im Grunde ungeliebtes Theologie-Studium nicht gerade förderlich war. In seiner Ziellosigkeit schloss er sich einer Gruppe von Ess- und Saufkumpanen an, die ihr Studium ebenfalls von der leichten Seite nahmen. Seinem Vetter schrieb er (Desmond und Moore 1992): „Ich bin in einen so totalen Zustand der Faulheit geraten, dass es ausreicht, um alle Fähigkeiten zu lähmen; vormittags reiten und spazieren gehen, am Abend hemmungsloses Spielen, daraus besteht meine sinnvolle und lehrreiche Lebensführung.“
In dieser Zeit war Darwin Zeuge von Ereignissen, die nicht ohne Einfluss auf sein Verhalten in späteren Jahren gewesen sein dürften. In Cambridge tauchte ein Reverend Robert Taylor auf, genannt der „Kaplan des Teufels“. Taylor hatte sich vom Geistlichen zum Atheisten gewandelt. Seine Reden und Schriften waren nicht nur antiklerikal, sie waren antichristlich. Studenten sind immer gegen die herrschende Ordnung und viele sympathisierten schon deswegen mit Taylor. Der Staatsanwalt begründete seine Anklage u.a. damit, dass „eine Lockerung des Glaubens ungebildeter Menschen deren Bereitschaft schwächen müsse, dem Druck von Not und Elend zu widerstehen“. Taylor landete schließlich im Gefängnis. Darwin war kein aktiver Revoluzzer und blieb deshalb von den Disziplinarstrafen gegen aufrührerische Studenten verschont. Er erlebte aber hautnah, wie das Establishment gegen Menschen vorging, deren Ideen nicht zu ihren Vorstellungen passten.
Darwin war inzwischen 22 Jahre alt geworden. Zwei seiner Universitätsjahre hatte er in Edinburgh mit der Medizin vergeudet. In Cambridge hatte er immerhin eine Zwischenprüfung in Theologie abgelegt und war auf dem besten Weg zu seinem Ziel von einer Pfarrei als gesellschaftlicher Basis und Naturwissenschaften als Hobby. Da griff seine Schicksalsgöttin ein und machte einen Strich durch diese Karriere als Spießer.
Die Weltreise mit der Beagle
Die Admiralität hatte beschlossen, ein Segelschiff namens Beagle auszurüsten, mit der Aufgabe, die Küsten Südamerikas genauer zu vermessen. Die Reise sollte 2 Jahre dauern, bei einer Erweiterung der Aufgaben konnten es aber auch mehr werden. Ein Platz wurde für einen Naturwissenschaftler reserviert, der in erster Linie als Gesellschafter für den Kapitän gedacht war. Der Kapitän hieß Robert FitzRoy (Tafel I). Es war nicht sein erstes Kommando, obwohl er erst 26 Jahre alt war. Die Etikette auf See war damals sehr förmlich. Um seine Autorität nicht zu untergraben, war ein gesellschaftlicher Umgang des Kapitäns mit seinen Offizieren ausgeschlossen. Die Vereinsamung hatte den Vorgänger von FitzRoy auf der Beagle in den Selbstmord getrieben. Er suchte deshalb einen Reisegefährten, der den Kapitänstisch mit ihm teilen durfte. Ihm schwebte ein Naturwissenschaftler vor, dem sich einmalige Gelegenheiten für seine Forschungen bieten würden. Die gemeinsamen Mahlzeiten alleine wären als Beschäftigung zu wenig gewesen.
Wie hoch man den Anreiz und die Möglichkeiten der Reise für einen Naturwissenschaftler einschätzte, erkennt man daraus, dass der Posten zunächst zwei gestandenen Professoren angeboten wurde, darunter Henslow. Beide waren durch ihre Pflichten zu Hause gebunden. Henslow kam auf die Idee, Darwin zu empfehlen. Es war sicher ungewöhnlich, der Admiralität einen 22-jährigen Studenten als Ersatz für einen Professor anzubieten. Entscheidend war vielleicht der Hinweis, dass dieser ein Enkel des berühmten Erasmus Darwin sei und aus einer angesehenen Familie stamme. Wegen seiner Vielseitigkeit war Darwin möglicherweise sogar besser qualifiziert für den Job als der eine oder andere seiner Lehrer: Er konnte Mineralien identifizieren, geologische Schichtungen deuten, jagen und Tiere ausstopfen, Pflanzen identifizieren und Insekten klassifizieren. Seinen Mangel an Erfahrung auf jedem dieser vielen Gebiete glich er durch seine Intelligenz und seine Tatkraft aus.
Am 29. August 1831 erreichte Darwin die Anfrage von Henslow, ob er bereit sei, an einer Weltreise teilzunehmen. Er war sofort Feuer und Flamme. Seine Begeisterung für die Reise wurde allerdings durch eine Unzahl widriger Umstände auf eine harte Probe gestellt. Sein Vater war strikt gegen das Unternehmen. Ihn umzustimmen wurde erschwert durch die Nachricht, dass entgegen der ursprünglichen Zusage die Admiralität die Kosten für seine Teilnahme nicht tragen würde, Vater Darwin also wieder einmal tief in die Tasche greifen musste. Die Reise würde nicht 2, sondern fast 3 Jahre dauern. Und dann das Schiff (Tafel II): Es war keine 30 Meter lang und nur bis zu 7,4 Meter breit. Seine Kabine war 10 m2 groß und so niedrig, dass er nicht aufrecht stehen konnte. Verkleinert wurde sie noch durch einen Kartentisch und einen Mast, und er musste sie mit einem 19-jährigen Geometer teilen.
Ein Zusammenleben auf engstem Raum während einer so langen Zeit ist nur möglich, wenn man sich persönlich gut versteht. Darwin und FitzRoy nahmen sich in London ausreichend Zeit um sich zu beschnuppern. FitzRoy war als Tory bei der letzten Parlamentswahl durchgefallen, Darwin und seine ganze Familie waren Whigs. Davon abgesehen stammten beide aus der gehobenen Bürgerschicht und waren als Gentlemen erzogen. Darwin war auf die Teilnahme erpicht und zu mancher Konzession bereit, und der Kapitän fand Gefallen an seinem Gesellschafter.
Gegenüber dem ursprünglichen Plan verzögerte sich die Abreise um fast 3 Monate. Darwin nutzte die Zeit für eine gründliche Vorbereitung. Um nicht als völliger Ignorant an seinem Kartentisch zu sitzen vertiefte er sich in Grundkenntnisse der Navigation. Er lernte, wie man Präparate vom Meeresschwamm bis zum Kakadu am besten konserviert und beschaffte sich die nötige Ausrüstung. Als die Beagle nach vielen Verzögerungen am 10.12.1831 Segel setzte, zwang ein Sturm sie umzukehren. Darwin war schrecklich seekrank. Trotzdem und obwohl er die Erlaubnis hatte, die Expedition jederzeit zu verlassen, blieb er an Bord. Am 27.12. ging es endlich los.
Darwin war so seekrank, dass die Vorbeifahrt an Madeira ihm völlig entging. Bis zur Ankunft in Teneriffa hatte sich das Meer beruhigt. Dort waren mehrere Tage an Land geplant, und Darwin freute sich, das Ziel seiner geplatzten eigenen Expedition doch noch kennen zu lernen. Kaum hatten sie Anker geworfen, als ein Hafenbeamter wegen eines Ausbruchs von Cholera in England 12 Tage Quarantäne verordnete. FitzRoy segelte sofort weiter. Darwin war verzweifelt, denn ein zweiter Besuch auf der Rückreise war nicht vorgesehen.
Ein kleiner Trost war die Landung auf den Kapv...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Title page
  3. Book
  4. Dedication
  5. Series
  6. Copyright
  7. Vorwort
  8. Einleitung
  9. 1. Kapitel Charles Darwin – Sein Leben
  10. 2. Kapitel Charles Darwin – Seine Lehre
  11. 3. Kapitel Wie scharf ist die natürliche Auslese?
  12. 4. Kapitel Molekulargenetik
  13. 5. Kapitel Schöpferische Neuentwicklungen
  14. 6. Kapitel Populationsgenetik
  15. 7. Kapitel Wie entstehen neue Arten?
  16. 8. Kapitel Theorien der Evolution
  17. 9. Kapitel Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
  18. Literatur
  19. Glossary
  20. Autoreninformation