Hygienische Produktionstechnologie
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Über dieses Buch

Bei der Herstellung hochreiner Produkte spielt Hygienic Design moderner Anlagen, Apparate, Komponenten und Prozessräume eine entscheidende Rolle. Die Lebensmittel-, Futtermittel-, Pharma-, Kosmetik- und Bioindustrie sind aus hygienischen Gründen, die Chemische- und Farbenindustrie aus Gründen der Produktreinheit auf einwandfreie Sauberkeit ihrer Prozesseinrichtungen angewiesen. Durch Optimierung der Reinigbarkeit lassen sich bei Produkten, die für den menschlichen Konsum bestimmt sind, Kontaminationen und Rückrufaktionen vermindern bzw. vermeiden und Anforderungen des Verbraucherschutzes leichter erfüllen. In allen Industriezweigen können durch Hygienic Design erhebliche Kosten für den Reinigungsaufwand und zur Reduzierung der Umweltbelastung eingespart werden.

Das vorliegende Buch gibt u.a. Antworten auf folgende Fragen: Welche Regelungen, Leitlinien und Normen zur Gestaltung unter hygienischen bzw. reinigungstechnischen Gesichtspunkten sind verfügbar und verpflichtend? Was ist Stand der Technik? Welches sind grundlegende Problembereiche? Welche konstruktiven Verbesserungen sind möglich?

Neben rechtlichen Anforderungen werden theoretische Grundlagen, Fragen des Einsatzes von Werkstoffen, notwendige Oberflächenqualitäten sowie hygienegerechte Dichtungs- und Maschinenelemente diskutiert. Für Anlagen, Apparate, Komponenten, Prozessumgebung und räumliche Ausstattungen werden anhand vieler konstruktiver Praxisbeispiele Schwachstellen und Problembereiche sowie Möglichkeiten zu deren Verbesserung dargestellt.

Das Buch richtet sich an Ingenieure im konstruktiven Bereich der genannten Industriezweige im Anlagenbau und in der Zulieferindustrie. Betriebsangehörige, die für Risikoanalysen, Qualität und Produktsicherheit bei der Produktherstellung verantwortlich sind, erhalten viele praktische Hinweise auf apparatives Design.

Häufig gestellte Fragen

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Information

Verlag
Wiley-VCH
Jahr
2012
ISBN
9783527660094

1

Einleitung

In Abstimmung mit allen relevanten Industriezweigen wie der Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie oder Biotechnologie sehen die staatlichen Gesundheitsbehörden sowohl ihre Hauptaufgabe als auch ihr Anliegen darin, Produkte zur Ernährung oder Behandlung von Menschen und im erweiterten Sinn auch von Tieren so weit wie möglich frei von schädlichen Einflüssen zu halten. Im Rahmen dieser Politik ist die Unbedenklichkeit, Qualität und Haltbarkeit des an den Verbraucher abgegebenen Produktes entscheidend. Alle Bestrebungen des Verbraucherschutzes zielen deshalb auf Produktsicherheit ab, um sowohl vorbeugend als auch nachhaltig vor toxischen Substanzen und relevanten Mikroorganismen zu schützen und gesundheitliche Risiken auszuschließen.

1.1 Problemkreis „Industriehygiene“

Für die genannten Industriebereiche, in denen zum Teil hygienisch hochsensible Produkte hergestellt werden, ist es charakteristisch, dass die Zielrichtung der Gesetzgebung ursprünglich allein Hygiene- und Qualitätsmaßnahmen der hergestellten Produkte umfasste, während bei den Prozessanlagen lediglich der Reinigungszustand vor Prozessbeginn eine wichtige Randbedingung darstellte. In den vergangenen Jahren sind zu diesen Anforderungen gesetzliche Vorgaben hinzugekommen: „Hygienic Design“, d. h. die leicht reinigbare und hygienegerechte Gestaltung der Prozessanlagen, als wichtige Voraussetzung für sichere Produktion im Sinne des Verbraucherschutzes. Neuere Erkenntnisse und wirtschaftliche Betrachtungen zeigen, dass nur über die Kombination der beiden Zielgrößen „Produkt“ und „Produktionsanlage“ die angestrebte hochwertige Qualität der Erzeugnisse mit langer Lebensdauer zu erreichen ist.
Im Rahmen des vorliegenden sowie eines folgenden Buches soll speziell anhand von grundlegenden Darstellungen und praktischen Beispielen die Idee von Hygienic Design oder der „hygienegerechten Gestaltung“ vermittelt werden. Aufgrund der enormen Vielfalt von Anlagentypen, Apparaten und Komponenten ist lediglich die Behandlung einer beschränkten Auswahl von Beispielen möglich, deren gestalterische Prinzipien sich auch auf andere Bereiche übertragen lassen. Wesentlich ist jedoch, dass für die Praxis des Konstrukteurs sowie das Verständnis des Betriebsinge nieurs oder -technikers Grundlagen aufgezeigt werden sollen, die Herstellung und Auswahl hygienegerechter Anlagen unterstützen. Neben rechtlichen Anforderungen werden theoretische Grundlagen, Fragen des Einsatzes von Werkstoffen sowie notwendige Oberflächenqualitäten in die Betrachtungen einbezogen. Für Anlagen, Apparate, Komponenten, Prozessumgebung sowie räumliche Ausstattungen werden anhand vieler konstruktiver Praxisbeispiele Schwachstellen und Problembereiche sowie Möglichkeiten zu deren Verbesserung dargestellt. Für das technische Personal werden wichtige Grundlagen der Mikrobiologie und Reinigung zum allgemeinen Verständnis dargelegt und in den Zusammenhang mit Hygienic Design gebracht.
Die Ausführungen richten sich zum einen an Ingenieure von Anlagenbau und Zulieferindustrie für die relevanten Industriezweige wie Lebensmittel-, Pharmaund Kosmetikindustrie oder Biotechnik, die im konstruktiven Bereich tätig sind und auch an Studenten der betreffenden Fachrichtungen. Zum anderen erhalten Betriebsangehörige, die für Risikoanalysen, Qualität und Produktsicherheit bei der Produktherstellung verantwortlich sind, viele praktische Hinweise auf apparatives Design.

1.2 Bewertung von Produkt und Prozessanlage

Die anfangs erwähnten Aspekte der Produktsicherheit und -qualität sollen zunächst etwas stärker differenziert werden. Der erste Aspekt konzentriert sich auf das Produkt und umfasst die Produktqualität sowie Fragen der Risiken und Gefahren für den Verbraucher, während der zweite auf die Produktionsanlage gerichtet ist und deren Reinigbarkeit und Sauberkeit vor Produktionsbeginn oder nach Chargenwechsel betrifft. Verfahren relevanter Kontrollen und Maßnahmen zur Validierung auf gesetzlich geregelter oder betriebsinterner Basis dienen der Erfassung und Sicherstellung der dafür notwendigen Hygienemaßnahmen.
Abbildung 1.1 gibt einen allgemeinen Überblick über die Strukturierung der beiden genannten Zielbereiche. Unter Hygiene werden dabei heute, ergänzend zu der grundlegenden Bedeutung „Gesundheit“ bzw. „die Gesundheit fördernd“ auch alle Bereiche verstanden, die das Vermeiden von Risiken und Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Kontamination aufgrund von relevanten Mikroorganismen und anderen Substanzen beim Konsum von Produkten zum Ziel haben. Verallgemeinert gehören dazu alle Vorkehrungen und Maßnahmen, die notwendig sind, um ein unbedenkliches und genusstaugliches Produkt zu erreichen [1].
Abbildung 1.2 zeigt den auf das herzustellende Produkt bezogenen Bereich. Bei der Durchleuchtung aller „kritischen Punkte zur Analyse von Gefahren“ für das Produkt während des Herstellungsprozesses, im Sinne des Verbraucherschutzes durch Begriffe wie HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points) oder GMP (Good Engineering Practice) gekennzeichnet, werden bei der Qualitätssicherung vor allem Aspekte der Hygiene und Produktreinheit berücksichtigt. Sowohl Qualität und mikrobiologische Belastung von Rohmaterialien als auch von Hilfsstoffen wie z. B. Prozessluft oder Wasser, die mit den herzustellenden Produkten in Berührung kommen, sind für das Enderzeugnis von entscheidender Bedeutung. Dazu können Einflüsse auf die Produktqualität durch Prozessgestaltung und -ablauf kommen. Aus diesem Grund muss das Herstellungsverfahren unter verfahrenstechnischen Gesichtspunkten (z. B. Abstimmung von Massenströmen, Verweilzeiten, Temperaturen) optimiert und im Hinblick auf mögliche Produktbeeinflussung kontrolliert werden. Um eine zusätzliche Kontamination durch Mikroorganismen und qualitätsmindernde Substanzen auszuschließen, steht am Ende eines jeden Produktionszyklus die Reinigung von Anlagen, Apparaten und Komponenten sowie – vor allem bei Prozessen, die währen der Produktion zur Umgebung offen sind oder inspiziert werden müssen – des Prozessumfeldes. Als Ergebnis einer umfassenden Qualitätssicherung müssen alle negativen Einflüsse auf das Produkt ursächlich ausgeschaltet werden. Wichtige Produkt- und Prozessparameter sind daher in allen Stufen der Herstellung durch analytische, verfahrenstechnische und mikrobiologische Kontrollen zu überwachen und durch geeignete Maßnahmen zu sichern.
Abb. 1.1 Konzeptbereiche Hygienic Design und HACCP/GMP bei der Produktherstellung.
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Abb. 1.2 Zielbereiche Hygiene und Qualitätssicherung bei der Herstellung von Produkten
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Während man in vielen Bereichen der angesprochenen Industrien Produktverarbeitung und Reinigung von jeher als gleich wichtig einordnete, wurde lange Zeit der starke Einfluss einer hygienegerechten Anlagen- und Bauteilgestaltung als nicht relevant angesehen oder einfach vernachlässigt. In manchen Bereichen herrschte die Meinung vor, dass durch entsprechend hohe Konzentrationen von geeigneten, zum großen Teil aggressiven Reinigungs- und Desinfektionsmitteln sowie durch ausreichend lange Reinigungszeiten und hohe Temperaturen für praktisch jede Anlage der Reinigungserfolg sichergestellt werden kann. Außerdem wurde man häufig mit dem Argument konfrontiert, dass bei Produkten, die unmittelbar vor dem Abfüllen oder Verpacken pasteurisiert oder sterilisiert werden, Aspekte der Hygiene während der Herstellung nicht unbedingt die entscheidende Rolle spielen, da letztendlich die Abtötung von relevanten Mikroorganismen im letzten Schritt entscheidend ist. Außer Acht gelassen wird dabei, dass eine erhöhte Belastung des Produktes mit Mikroorganismen bereits während der Produktion dessen Qualität entscheidend beeinflussen kann und Maßnahmen zur Dekontamination erschwert und verteuert. Darüber hinaus ist die verstärkte Gefahr der Entstehung toxischer Stoffwechselprodukte bei erhöhter und unkontrollierter Anzahl an Mikroorganismen zu berücksichtigen.
Aufgrund von Lernprozessen in diesem Bereich hat sich in den vergangenen Jahren die Blickrichtung entscheidend geändert, wobei ganz wesentlich die Forderung nach hygienegerechtem Anlagendesign mit in den Vordergrund gerückt wurde. Fachbegriffe wie Hygienic Design oder reinigungsgerechte Gestaltung sind mittlerweile in aller Fachleute Munde, die mit Hygienefragen im Zusammenhang mit Produktion und Produktionsanlagen zu tun haben. Durch entsprechende konstruktive Gestaltungsmaßnahmen, die inzwischen in verschiedenen Bereichen auch gesetzlich gefordert werden, soll durch Hygienic Design die Reinigbarkeit und damit der Reinigungserfolg verbessert sowie die Reinigung sicherer gemacht werden.
Zunehmende Aufmerksamkeit wird daher diesem wichtigen Aspekt gewidmet, der gemäß Abb. 1.3 die Gestaltung von Apparaten und Komponenten (z. B. Pumpen, Ventile, Rohrleitungen, Fittings usw.) sowie die Errichtung von Anlagen umfasst. Während zunächst in allen Industriezweigen traditionsgemäß die verfahrenstechnische Auslegung, die optimierte Fertigung und Montage, die funktionsgerechte Gestaltung sowie Aspekte der Steuerung und Automation Ziele einer auf Qualität ausgerichteten Produktion sind, kommen im Bereich von Lebensmittel- und Pharmaindustrie ebenso wie in der Biotechnologie spezielle Anforderungen nach einer Gestaltung unter hygienischen Gesichtspunkten hinzu. Ausführliche Untersuchungen, begleitet von praktischen Erkenntnissen, haben gezeigt, dass in vielen üblichen Anlagenkonzepten sowie in der Gestaltung von Apparaten und Bauteilen potenzielle und akute Gefahren durch Infektionen und Kontaminationen für Produkte zu sehen sind, wenn in diesem Bereich nicht auf hygienegerechte Ausführung geachtet wird. Aus dieser Anforderung lässt sich die Konsequenz ableiten, dass alle produktberührten Komponenten- und Anlagenteile sowie zum Teil – z. B. bei offenen Prozessen in Reinräumen – auch die Umgebung nach entsprechenden Hygienekriterien zu dimensionieren und zu gestalten sind. Für Bereiche, die nicht produktberührt sind, gelten entsprechende Anforderungen in abgeschwächter Form.
Abb. 1.3 Einflüsse auf die Qualitätssicherung im Anlagenbau unter Einbeziehung von Hygienemaßnahmen.
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Als Konsequenz ergibt dies zunächst eine Herausforderung für den Apparate- und Anlagenhersteller, der für die Entwicklung neuer Konzepte sowie die Gestaltung hygienegerechter Konstruktionen verantwortlich zeichnet. Ein hygienisches Gesamtkonzept kann nur dann erfolgreich sein, wenn er sich möglicher Kontaminationsquellen innerhalb von Produktionsanlagen sowie im direkten Einflussbereich bewusst wird und sie soweit wie möglich durch konstruktive Maßnahmen auszuschalten versucht. Da er vor allem in mikrobiologischen Fragen nicht geschult ist, benötigt er die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch mit dem Produkthersteller oder Anwender. In vielen Fällen werden daher heute vom Anlagenbetreiber Lastenhefte erstellt, die dem Anlagenhersteller die notwendigen Anforderungen transparent machen sollen. Am Ende des Entwicklungsprozesses sollte eine Designqualifizierung oder -validierung stehen, die Hygienic Design zu einem der Hauptgesichtspunkte macht. Im Ergebnis soll dadurch ein nicht unerheblicher Beitrag zur Erreichung einer optimalen Produkthygiene im Rahmen des Verbraucherschutzes geleistet werden, um den Gehalt an produktverderbenden oder gesundheitsgefährdenden Mikroorganismen sowie an toxischen Stoffen innerhalb der Anlagen und damit in allen Stufen der Produktion zu minimieren.
In Teilbereichen der hygienegerechten Gestaltung wurden sowohl vonseiten der Industrie als auch der Wissenschaft bereits in einem sehr frühen Stadium Untersuchungen über grundlegende Einflüsse und die notwendigen konstruktiven Konsequenzen durchgeführt, da Anlagenhersteller im Behälter-, Rohrleitungs- und Komponentenbereich an objektiven Prüf- und Beurteilungsmethoden interessiert waren. Aus diesem Grund wurden einfach handhabbare Testmethoden entwickelt, überprüft und angewandt, die hygienische Schwachstellen erkennen lassen. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse und der damit verbundenen Erfahrungen konnte auf der einen Seite in einigen Industriezweigen der Zulieferindustrie ein erheblicher Fortschritt erzielt werden. Auf der anderen Seite war durch Mitwirkung von Fachleuten in nationalen und internationalen Gremien ein entscheidender Einfluss auf die Entwicklung von Regelungen und Normen möglich. Insgesamt entstanden durch grundlegende Untersuchungen, die zum Teil durch Versuche mit neuen mikrobiologischen Testmethoden an ausgeführten Konstruktionen unterstützt wurden, eine Reihe von Veröffentlichungen auf dem Gebiet des Hygienic Design. Mittlerweile befasst sich diese Disziplin international mit der Aufgabe, auf wissenschaftlicher Basis allgemeingültige Kriterien zu entwickeln und entsprechende Hygieneanforderungen in Normen oder gesetzlichen Regelungen zu verankern.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung von Hygienefragen dürfen wirtschaftliche Fragen nicht außer Acht gelassen werden. Bei den immer sensibler werdenden modernen Produkten lassen sich trotz allen Sicherheitsbestrebens Probleme nicht völlig vermeiden. Die jährlich veröffentlichten Berichte über Erkrankungen, die z. B. von Lebensmitteln verursacht werdend – im englischen Sprachgebrauch als „foodborne diseases“ bezeichnet –, weisen auf die Problematik hin, die sich von gesundheitlicher Beeinträchtigung bis hin zu hohen wirtschaftlichen Belastungen erstrecken kann. In den USA, wo 1994 der Rat für Agrarwissenschaften und Technik (Council for Agricultural Science and Technology) eine Schätzung durchführte [2], geht man davon aus, dass jährlich zwischen 6,5 und 33 Millionen Menschen durch Mikroorganismen in Lebensmitteln erkranken und etwa 9000 daran sterben. Für einige Menschen ergeben sich lediglich Beschwerden oder längere Ausfallzeiten im Beruf, andere – vor allem Kinder oder ältere Menschen – erleiden häufig dauerhafte Schäden. Die jährlichen Kosten in Form aller möglichen Beeinträchtigungen bis hin zu verminderter Arbeitsfähigkeit und medizinischen Aufwendungen werden jährlich auf Summen in Milliardenhöhe geschätzt. Im Jahr 1996 wurde z. B. in den USA eine Summe zwischen 20 und 37 Milliarden Dollar beziffert, die für Rückrufaktionen von Produkten bis hin zu bekannt gewordenen Erkrankungen von kontaminierten Lebensmitteln herrührten. Die Schätzung besagt weiterhin, dass etwa ein Viertel der genannten Summe, d. h. etwa 5–9 Milliarden Dollar, auf nicht ausreichend hygienegerecht gestaltete Anlagen, Komponenten und Räumlichkeiten zurückzuführen sind. In Europa ist nach Schätzungen in Großunternehmen und Konzernen in etwa von gleich hohen Beträgen auszugehen. Hinzu kommt, dass im gesamten Bereich eine nicht zu unterschätzende Grauzone vorliegt, da nur gemeldete oder aktenkundig gemachte Probleme erfasst und abgeschätzt werden können. Auch lassen sich die ideellen Beeinträchtigungen, die zu einem allgemein verminderten Absatz von Produkten betroffener Industrieunternehmen führen können, kaum beziffern.
Aus positiver Sicht deutet dies auf ein enormes wirtschaftliches Potenzial für mögliche Verbesserungen, vor allem auch in der hygienegerechten Anlagengestaltung hin, dessen man sich bewusst sein sollte, um es sinnvoll zu nutzen und erhöhten Aufwand bei Verbesserungen zu begründen. Nicht zu vernachlässigen ist dabei der Beitrag zur Umweltentlastung, der aus der Minimierung von Reinigungsaufwand und Produktkontamination während der Produktion durch hygienegerecht gestaltete Anlagen resultiert. Auch dadurch sind zunehmend gesamtwirtschaftlich erhebliche Kosteneinsparungen zu erzielen. Ein zielgerichtetes Kostenmanagement muss daher nicht nur Produkt und Herstellungsprozess, sondern auch das Hygienic Design der Produktionsanlage und umweltschonende Gesichtpunkte umfassen.

2

Gesetzliche Regelungen

Durch die Europäische Union hat sich in den vergangenen Jahren ein Wandel der Strukturen sowie der Verantwortlichkeit ergeben, mit dem eine Rechtsangleichung in den einzelnen Ländern verbunden ist. Nach Einführung des gemeinsamen Binnenmarktes im Jahr 1993 ist der größte Wirtschafts- und Sozialraum der Welt mit über 490 Mio. Einwohnern entstanden (Stand Anfang 2007). Der Abbau von technischen Handelshemmnissen, d. h. die technische Rechtsangleichung, ist bereits seit der Gründung der Europäischen Union im Jahre 1975 ein wesentlicher Bestandteil der Realisierung des europäischen Binnenmarktes. Unterschiedliche Vorschriften, Normen sowie Prüf- und Zulassungsverfahren hemmten in einzelnen Ländern den freien Warenverkehr. Nach den als „Primärrecht“ bezeichneten europäischen Verträgen, die die Grundprinzipien der Gemeinschaft wiedergeben, stellt das „abgeleitete Recht“ eine wichtige Quelle des gemeinschaftlichen Rechts dar [1]. Zu ihm gehören zum einen Verordnungen, die allgemeine Geltung für alle Mitgliedstaaten besitzen und in allen ihren Teilen verbindlich sind. Zum anderen umfasst es Richtlinien, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, um Rechtsvorschriften anzugleichen. Richtlinien binden die Mitgliedstaaten im Hinblick auf das zu erreichende Ziel. Im Rahmen der Harmonisierung wird jedoch die Wahl von Form und Mitteln freigestellt, mit denen die gemeinschaftlichen Ziele in den einzelnen Ländern verwirklicht werden. Ein Beispiel des Prinzips der strukturellen Entwicklung von Regelungen und dazugehörigen Normen soll Abb. 2.1 verdeutlichen. Gesetze, Regelungen, Verordnungen, Regeln und Normen folgen einer Hierarchieordnung, deren Prinzip in Abb. 2.2 dargestellt ist. Sie bestimmt sowohl die Verbindlichkeit und Gültigkeit der Aussagen als auch die Anpassungsmöglichkeiten durch Änderungen. Allerdings stellen alle rechtlichen Regelungen nur eine Momentaufnahme dar, die im Laufe der Zeit ständig verändert und aktualisiert wird. Dabei sollen im Folgenden nur solche gesetzlichen Anforderungen angeführt werden, die sich unmittelbar oder mittelbar auf die reinigungsgerechte Gestaltung (Hygienic Design) von Räumlichkeiten, Anlagen oder Geräten auswirken.
In diesem Bereich sind die gesetzlichen Regelungen zum Teil sehr unübersichtlich, da sie von der Zielrichtung her ursprünglich meist Hygienemaßnahmen für die Herstellung mikrobiologisch sensibler oder reiner, qualitativ hochwertiger Produkte mit definierten Haltbarkeits- bzw. Reinheitsanforderungen betreffen. Außerdem haben sich die nationalen und internationalen Gesetze bezüglich Produkthaftung und -sicherheit in den letzten Jahren deutlich geändert. Das eigenverantwortliche Handeln der Unternehmen, die Qualifikation der Mitarbeiter sowie deren kontinuierliche Fort- und Weiterbildung sind in den Vordergrund gerückt. Die produktbezogene Betrachtungsweise hat im Endeffekt den Zweck, den Verbraucher zu schützen. Maßgebende Regelungen in dieser Hinsicht waren ursprünglich im europäischen Bereich z. B. für die Lebensmittelindustrie die Lebensmittelhygienerichtlinie [2] sowie die nationale -verordnung [3].
Abb. 2.1 Grundlagen und Strukturen gesetzlicher Regelungen und beauftragter Normung.
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Abb. 2.2 Pyramide der hierarchischen Ordnung im gesetzlichen Bereich.
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Neue einheitliche EU-Regelungen umfassen das sogenannte Lebensmittelhygienepaket, bestehend aus der Basisverordnung [4] und den Verordnungen (EG) Nr. 852/2004 [5], VO (EG) Nr. 853/2004 [6] und VO (EG) Nr. 854/2004) [7], dessen Hygienevorschriften den Grundsatz der hygienischen Sicherheit „Vom Acker bis zum Teller“ verwirklichen und auch Kontrollen abdecken sollen.
Abb. 2.3 Grundlagen der Lebensmittelhygienerichtlinie und die harmonisierte Lebensmittelverordnung.
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Im Lebensmittelbereich stehen außerdem weit zurückreichende rechtliche Regelungen der EU bezüglich Materialien und Gegenständen zur Verfügung, die dazu bestimmt sind mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen [8–10]. Sie dienen zusammen mit den Regelungen für Lebensmittelhygiene als Grundlage für zusätzliche nationale Gesetze wie das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) [12], das das frühere LMBG [11] abgelöst hat. Einen vereinfachten Überblick über die Zusammenhänge im Nahrungsmittelbereich gibt Abb. 2.3.
Für die Pharmaindustrie wurde die erste Richtlinie [13] für eine „Good Manufacturing Practice – GMP“ 1991 in Kraft gesetzt. Im Jahr 2001 entstand ein Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel mit jeweils angepassten Ergänzungen [14] sowie 2003 eine neue „Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für die Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfapparate“ [15].
Die Gestaltung von Anlagen unter hygienischen Aspekten, d. h. Hygienic Design, wurde in der Vergangenheit von der Idee her als notwendiges und vorteilhaftes Grundprinzip für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie sowie die Biotechnologie erkannt, das wesentlich dazu beiträgt, Reinigung und Desinfektion sicherer, einfacher und kostengünstiger zu machen sowie zur Umweltentlastung beizutragen. In den letzten Jahren entstand daher in den genannten Indust...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Series Page
  3. Title Page
  4. Copyright
  5. Vorwort
  6. 1: Einleitung
  7. 2: Gesetzliche Regelungen
  8. 3: Bedeutung der Normung
  9. 4: Leitlinien und Empfehlungen von Organisationen
  10. 5: Risikobewertung und Kontrollkonzepte für Maschinen, Apparate und Anlagen
  11. 6: Allgemeine Grundlagen
  12. 7: Konstruktionsmaterialien und Hilfsstoffe
  13. 8: Festlegung hygienerelevanter Konstruktionsbereiche
  14. 9: Grundlegende Gesichtspunkte der hygienegerechten Gestaltung
  15. 10: Grundlegende Konstruktionselemente
  16. 11: Abschließende Aspekte zu hygienegerechtem Konstruieren
  17. Literatur
  18. Stichwortregister