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Einleitung
Zwei wesentliche Trends sind im Bereich der Analytik festzustellen. Immer niedrigere Konzentrationsbereiche noch sicher analytisch zu erfassen, ist eine der Forderungen. Zum anderen erhöht sich die Anzahl der zu bestimmenden Stoffe in einem rasanten Tempo. Beide Entwicklungen sind besonders im Bereich der Umweltanalytik erkennbar. Schätzungen gehen davon aus, dass von den mehr als 12 Millionen bekannten chemischen Verbindungen ca. 100 000 Stoffe ein akutes Gefährdungspotenzial für die Umwelt darstellen.
Viele dieser Komponenten können noch in äußerst geringen Konzentrationen Biosysteme schädigen, wie am Beispiel einiger hoch toxischer Verbindungen in Abb. 1-1 aufgeführt ist.
Dieser Sachverhalt rechtfertigt die Weiterentwicklung der Analytik mit dem Ziel, immer niedrigere Konzentrationsbereiche zu erfassen.
Der Gesetzgeber unterstreicht diese Forderung durch die Festlegung strengerer Richt- und Grenzwerte für gefährliche Stoffe, die sich sehr oft an den Bestimmungsgrenzen der instrumentellen Analysenverfahren orientieren.
Wie Abb. 1-2 verdeutlicht, erhöht sich der Arbeitsaufwand in der Umweltanalytik mit der Anzahl der zu bestimmenden Parameter und der Herabsetzung von Bestimmungsgrenzen stark. Den Zusammenhang zwischen der theoretisch möglichen Komponentenanzahl beim entsprechenden Konzentrationsbereich und der wahrscheinlich vorhandenen Einzelstoffe hat Kaiser in einer grafischen Darstellung (Abb. 1-3) aufzuzeigen versucht.
Der Umweltanalytiker muss deshalb instrumentelle Analysenverfahren einsetzen, die es trotz einer Vielzahl von Störkomponenten ermöglichen, die gesuchte Substanz mit ausreichender Empfindlichkeit und Selektivität zu bestimmen. Besonders die spektrometrischen und chromatographischen Analysentechniken haben wegen ihrer hohen Selektivität und Nachweisempfindlichkeit einen beachtlichen Stellenwert in der Umweltanalytik erlangt. Diese instrumentellen Analysenverfahren haben sich in den letzten drei Jahrzehnten rasant weiterentwickelt, was sich auch in einem exponentiellen Anstieg der Anwendungsliteratur niederschlägt [1-1].
Ziel dieses Buches ist es, die wichtigsten Einsatzbereiche der Spektrometrie und Chromatographie in der Umweltanalytik aufzuzeigen. Wegen des umfangreichen Stoffes muss jedoch in vielen Fällen auf aktuelle und geeignete weiterführende Literatur verwiesen werden.
Neben der Analytik mit Probenahme und Probenvorbereitung werden auch weitere wichtige Faktoren wie
– Laborgestaltung,
– Managementstrategien für Umweltlabore,
– Umweltgesetzgebung,
– Untersuchungsstrategie,
– Auswahlkriterien für Analysenverfahren,
– Vor-Ort-Analytik,
– Analytische Qualitätssicherung (AQS),
– Labordatenverwaltung sowie
– Interpretation und Dokumentation von Analysendaten
mit eingebunden, da diese Bereiche ganz wesentlich zu einer leistungsfähigen Analytik und zum Erfolg eines Umweltlabors beitragen.
Literatur
[1-1] H. Hein: Datenbank Umweltanalytik, Literatur-Datenbank für spektrometrische und chromatographische Methoden. Verlag Hoppenstedt GmbH, Darmstadt 1998.
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Laborgestaltung
In einem Labor für Umweltanalytik wird eine Vielzahl von Proben auf ihre Gefährlichkeit für den Menschen und sein biologisches Umfeld hin untersucht.
Chemische, physikalische, biologische und mikrobiologische Untersuchungsverfahren sind erforderlich, um in den Matrices
– Wasser,
– Boden, Sedimente, Abfälle und
– Luft
die breite Palette an
– toxischen,
– kanzerogenen und
– mutagenen Stoffen sowie
– pathogenen Mikroorganismen
zu bestimmen.
Die Vielfalt der Probenarten, der große Konzentrationsbereich an zu bestimmenden Parametern aus einer immer umfangreicher werdenden Gefahrstoffpalette und die hierfür erforderlichen Analysenverfahren führen zu einem recht komplexen Aufbau eines Umweltlabors. Die Tätigkeits- und Raumvernetzung eines solchen Laboratoriums ist schematisch in Abb. 2-1 dargestellt.
Die Räume für Verwaltung, Analytik und das dadurch bedingte Umfeld stellen letztlich, wie aus der Abb. 2-1 hervorgeht, ein hochvernetztes System dar, das die Analysenprobe, bei optimaler Gestaltung, wie auf einem Förderband durchlaufen soll. Dazu sind eine entsprechende Raumaufteilung und Organisation notwendig.
Ein Umweltlabor benötigt für seine wirtschaftliche Existenz Analysenaufträge, die durch
– Werbung (Fachzeitschriften, Internet, usw.),
– Abgabe von Angeboten bei Ausschreibungen,
– persönliche Kontakte usw.
erhalten werden.
Die Geschäfts- und/oder Laborleitung muss einen Großteil ihrer Zeit in Besprechungen mit Kunden über den Umfang und die Preisgestaltung der Analytik investieren. Finden diese Besprechungen und sonstige Kundenkontakte im eigenen Hause statt, so ist hierfür ein Besprechungszimmer erforderlich.
Für die Abgabe von Angeboten und die Reaktion auf Preis- und Analytikanfragen wird eine Büroeinheit benötigt, wo mithilfe der modernen Datenverarbeitung allgemeine Preislisten für analytische Leistungen sowie Textbausteine für komplizierte und umfangreiche Angebote vorhanden sein müssen. Eingehende Analysenaufträge werden dann nach Prioritäten bearbeitet, wobei die Verfügbarkeiten von Laborkapazität und Mitarbeitern zu berücksichtigen sind. Der Analysenauftrag ist in eine Untersuchungsstrategie einzubinden, die mit der Festlegung der durchzuführenden Analytik beginnt und mit der Erstellung eines Zertifikates, Gutachtens, usw. endet.
Bei der Festlegung der Analytik ist besonderes Augenmerk auf die gesetzlichen Vorgaben und auf die vorgeschriebenen Analysenverfahren zu legen. Zentraler Bestandteil jeder umweltrelevanten Untersuchung ist der Bereich der Probenahme. Abhängig von der zu untersuchenden Matrix, den darin zu bestimmenden Einzel- und Summenparametern und des vorgegebenen Untersuchungszieles müssen unterschiedliche Techniken bei der Probenahme berücksichtigt werden, siehe auch Kapitel 6 „Probenahme”.
Oft ist auch eine Vor-Ort-Analytik (siehe Kapitel 9 „Vor-Ort-Analytik”) erforderlich, wenn es z. B. um die Erkennung von Altlasten oder Altablagerungen geht. Meistens reichen Screeninganalysen für die Eingrenzung der Gefahrstoffquelle aus, die in mobilen Messwagen durchgeführt werden. Für die Bestimmung einiger Parameter im Labor ist sehr oft im Zusammenhang mit der Probenahme eine Konservierung durchzuführen, siehe Kapitel 7 „Konservierung und Lagerung”.
Der überwiegende Teil der entnommenen Proben wird anschließend in das Labor gebracht und je nach durchzuführender Analytik an die verschiedenen Laborbereiche weitergegeben. Der Aufbau und die Gestaltung dieser Laboratorien sind einer Fülle von gesetzlichen Anforderungen unterworfen. Ausführliche Hinweise sind in den BGR 120 „Richtlinien für Laboratorien” (bisher ZH 1/119 [2-1]) und dem Merkblatt M006 (6/89) „Besondere Schutzmaßnahmen in Laboratorien” [2-2] der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie zu entnehmen.
Besonders im Anhang 2 der BGR 120 „Richtlinien für Laboratorien” wird auf weiterführende
– Gesetze/Verordnungen,
– Unfallverhütungsvorschriften,
– Berufsgenossenschaftliche Regeln, Richtlinien, Sicherheitsregeln, Grundsätze, Merkblätter und andere Stoffe,
– DIN-Normen,
– VDE-Bestimmungen,
– DVGW-Arbeitsblätter,
– andere Schriften
verwiesen.
Die Laborgestaltung ist auf die durchzuführende Analytik und deren Schwerpunkte abzustimmen. Dieser Sachverhalt erfordert einen hohen Planungsaufwand, da zukünftige Entwicklungen im Bereich Umweltanalytik mit zu berücksichtigen sind. Hinweise auf räumliche Grundanforderungen sind aus der Abb. 2-1 zu ersehen.
Die Datenflut eines solchen Labors muss sinnvoll kanalisiert werden, um rechtzeitig alle Analysenergebnisse für eine Interpretation zur Verfügung zu haben.
Ein wohldurchdachtes und auf Erweiterung konzipiertes Labor-Informations-Management-System (LIMS) muss ebenfalls mit in die Laborplanung eingebunden werden.
Büros und Schreibplätze für die Mitarbeiter, die notwendigen und per Gesetz geforderten Sozialräume, Besprechungszimmer und ein Erste-Hilfe-Raum sind weitere Forderungen an eine sinnvolle Laborgestaltung.
Literatur
[2-1] BGR 120 „Richtlinien für Laboratorien” (bisher ZH 1/119), Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Fachausschuss „Chemie”, Oktober 1993, aktualisierte Fassung 1998. www.hvbg.de. (Anmerkung: Der gesamte Umfang der aktualisierten Fassung 1998 lässt sich von der „Datenbank BG-Vorschriften” herunterladen.)
[2-2] Merkblatt M006 (6/89), Besondere Schutzmaßnahmen in Laboratorien. Hrsg.: Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, Jedermann-Verlag, Mittelgewannweg 15, 69123 Heidelberg-Wieblingen.
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Managementstrategien für Umweltlabore
Die Aufgaben, die Laborleiter bzw. Labormanager in einem Labor für Umweltanalytik wahrnehmen, sindvielschichtig. Abbildung 3-1 veranschaulichtrecht deutlich, welchen Sachzwängen, Pflichten und Aufgaben der Leiter des Labors ausgesetzt ist [3-1], [3-2].
Im Wesentlichen sind es
– gesetzliche Vorgaben,
– Labororganisation,
– Forderungen der Auftraggeber und
– Managementaufgaben usw.
die seine Arbeitszeit beanspruchen.
Die Bedeutung, die seiner Tätigkeit im Bereich Umweltanalytik zukommt, ist aus der Abb. 3-2 ersichtlich.
Legislative (Gesetzgebung) und Exekutive (staatliche Überwachung) können nur funktionieren, wenn umweltrelevante Emissionen (Abgabe von Schadstoffen) und Immissionen (Schadstoffaufnahme) durch Umweltanalytik kontrollierbar sind. Aus dieser Tatsache kristallisiert sich immer mehr die Bedeutung heraus, die dem Umweltanalytiker zukommt. Er muss die „Schiedsrichterfunktionen” bei der Umsetzung von Umweltrecht übernehmen, da rechtliche Entscheidungen sehr oft nur mit Hilfe von analytischem Datenmaterial möglich sind. Die daraus resultierende Verantwortung für seinen Tätigkeitsbereich erfordert in hohem Maße eine entsprechende Qualifikation und permanente Weiterbildung. Für den Laborleiter reicht es heute nicht mehr, dass er die entsprechenden Analysenmethoden kennt und selbst durchführen kann. Immer mehr muss er sich mit organisatorischen, sicherheitstechnischen, entwicklungs- und investitions- aber auch personalbezogenen Problemen auseinander setzen. Hierbei darf er auch nicht die Firmenpolitik und Konkurrenzsituation außer Acht lassen. Der Umweltanalytiker kann letztlich nur dann erfolgreich sein, wenn er die Bereiche Selbstmanagement (Ich-Bereich), Team- und Beziehungsmanagement (Du-Bereich) und Labormanagement (Sachbereich) in der richtigen Ausgewogenheit beherrscht. Dieser Zusammenhang ist in der Abb. 3-3 grafisch dargestellt [3-3], [3-4].
3.1 Selbstmanagement
Spezialisten für besondere Aufgaben, Gruppen-, Abteilungs- und Laborleiter benötigen für ihre tägliche Arbeit im Umweltlabor e...