Von der Uni ins wahre Leben
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Zum Karrierestart für Naturwissenschaftler und Ingenieure

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Über dieses Buch

Examen bestanden, Zeugnis in der Tasche, aber wie geht es weiter? Universitaten und Hochschulen bilden Naturwissenschaftler und Ingenieure in ihren jeweiligen Bereichen optimal aus - in Bezug auf Wissen und Fachkompetenz. Doch werden Akademiker oft nicht oder nur unzureichend auf andere Themen wie Teamfahigkeit, betriebswirtschaftliche und soziale Belange, Unternehmensstrukturen und Fuhrungsaufgaben vorbereitet, die fur den beruflichen Erfolg ebenfalls relevant sind.
Was sollte man am ersten Tag am neuen Arbeitsplatz auf jeden Fall tun und was besser lassen? Wie verhalt man sich, wenn es im neuen Team nicht auf Anhieb klappt, und weshalb scheint es mit den Kunden standig Missverstandnisse zu geben? Welche betriebswirtschaftlichen Kenntnisse sind unerlasslich und welche kulturellen Fallstricke lauern in einer zunehmend globalisierten Arbeitswelt? Wo liegen uberhaupt die personlichen Starken, welche Zweige in einem Unternehmen passen zu den ganz eigenen Vorlieben und Fahigkeiten? In kompakter, vergnuglicher Form, anhand von zahlreichen Beispielen, vermittelt dieser Ratgeber die notwendigen Schlusselkompetenzen, mit denen Berufseinsteiger und Mitarbeiter, die aufsteigen wollen, ihren Weg ins und durchs Berufsleben finden.

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Information

Verlag
Wiley-VCH
Jahr
2012
ISBN
9783527661114

Teil I

Das Rüstzeug oder: Die Kompetenzen, die ich habe – und was ich sonst noch so alles bräuchte

Sie stehen vor einer Entscheidung. Vor der Entscheidung, was Sie zumindest für die nächsten Jahre Ihres Lebens machen wollen, vielleicht für den ganzen Rest. Sie haben sich ausbilden lassen, vielleicht in Deutschland, vielleicht in einem Auswärtssemester oder gar länger irgendwo anders auf der Welt, und Sie haben viel gelernt. Dennoch hat Ihnen niemand vor Beginn des Studiums eine spätere Anstellung fest versprochen, es sei denn, Sie kommen aus einem der familiengeführten Unternehmen und Ihre Familie hat Sie eine bestimmte Ausbildung machen lassen, die Sie später einmal beruflich nutzen sollen. Sie haben also Ihr Studium gemacht, ganz einfach, weil es Sie interessiert und weil es Ihnen entspricht, weil es Ihnen liegt. Das hat mit Ihren Kompetenzen zu tun.

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Ingenieure und Naturwissenschaftler mit einzigartiger Startposition

Was wir können …

Kompetenzen haben Sie viele, die meisten witzigerweise schon in Ihrem Elternhaus erlernt. Bis zu unserem dritten Lebensjahr entwickeln wir viele unserer kognitiven Fähigkeiten, wir lernen räumlich zu sehen, oder wir lernen es nie wieder in unserem Leben. Es werden emotionale Weichen gestellt, wir entwickeln viele unserer späteren Verhaltensmuster. Manche davon dürften genetisch bedingt sein, andere wiederum sind erlernt. Werden erlernt nach dem Prinzip von Ermunterung oder Bremsen, durch die Bereitschaft, etwas auszuprobieren und auch mit dem Scheitern umzugehen. Vielleicht haben Sie schon einmal kleine Kinder gesehen, die hingefallen waren und sich zu ihrer Betreuungsperson umgedreht haben: Wenn die locker bleiben und nichts sagen, stehen Kinder oft ohne Tränen auf und machen weiter, selbst wenn sie bluten; wenn hingegen eine erschrockene Reaktion kommt und zu Hilfe geeilt wird, dann setzt ein Gebrüll ein, auch wenn das Knie nicht blutet, ganz nach dem Motto: „Sage mir, wie ernst es ist …“ Wir lernen in diesem Alter, uns auf unsere Umwelt einzustellen, sie auf uns wirken zu lassen, aber auch auf sie einzuwirken. Dabei wird unser Aktionsradius immer größer, unsere das Verhalten bestimmenden Grundkompetenzen stehen aber schon nach wenigen Jahren und können dann kaum noch verändert werden.
Ob Sie vor dem Fernseher groß wurden oder Bücher lasen, ob Sie ein Instrument spielen oder aber im Sportverein waren, ob Sie sich in der Kirche engagiert haben, beim Roten Kreuz oder der Feuerwehr, ob Sie den Keller gesprengt haben oder Bilder malten, Sie haben dabei – ganz nebenbei – Kompetenzen erlangt, die Ihnen nicht nur durch die Schulzeit geholfen haben, diese Kompetenzen haben Sie bereits geprägt und die Prägung werden Sie nicht mehr loswerden, Sie werden sie teilweise sogar einmal weitergeben an Ihre eigenen Kinder.
Vielleicht erinnern Sie sich auch noch dunkel an Ihren Biologieunterricht, in dem Sie von Genotypen und Phänotypen gesprochen haben, also dem, was wir in unseren Genen mit uns mitschleppen und was wir durch unsere Umgebung gelernt haben. Dann kam das human genome project, die Entschlüsselung unserer Gene und das Verstehen, was die alles mit uns machen. In der Folge werden wir immer stärker mit Informationen versorgt, was alles Teil unserer Gene ist: Anfälligkeit für Krankheiten, unser Aussehen vor der Anbringung von dekorativer Kosmetik oder dem Skalpell des Schönheitschirurgen, aber auch ganze Verhaltensmuster, wie zum Beispiel, dass wir heute wissen, dass es Spiegelneuronen in uns gibt, die uns befähigen, die Mimik unserer Gesprächspartner zu spiegeln und so zu vermitteln, dass wir den Anderen verstehen: Wir können mit anderen lachen, weinen, Grimassen schneiden. Vieles davon ist nicht erlernt, sondern steckt in uns drin, ist Teil unserer Natur.
Dabei können wir unsere genetisch bedingten Merkmale nur begrenzt beeinflussen, denn keiner von uns kann viel an seinem Aussehen ändern, an seinem Körperbau, an seiner Haar- und Augenfarbe, es sei denn, wir greifen auf die Errungenschaften der modernen Chemie und Medizin zurück. In unseren Genen stecken aber auch weit mehr Informationen und Verhaltensmuster, als wir uns heute träumen lassen, denn auch der Umgang mit Gefahren, die Kreativität, ja sogar unsere Intelligenz ist ganz entscheidend von unseren Genen geprägt und nicht nur von der Erziehung. Es gab und gibt zwar Lehrmeinungen, die das permanent negieren und behaupten, dass alle Menschen in der Geburt sich gleichen. Selbst unsere geschlechtliche Ausprägung, sprich ob wir Mann oder Frau sind, sei das Ergebnis eines Lernprozesses und somit steuerbar. Somit sei jeder zu allem befähigt sei, wenn er nur die gleichen Chancen hätte, aber gehen Sie bitte davon aus, dass das Unsinn ist. Wenn Sie mit solchen Ideen konfrontiert werden, fragen Sie einfach mal, wie viele Kinder Ihr Gesprächspartner hat. Unsere Altvorderen waren da schon klug, als sie das Sprichwort schufen: „Willst du das Kind heiraten, schaue dir die Eltern an.“
Je mehr Kinder ein Mensch hat, desto klarer erkennt er, dass bereits mit der Geburt ein ziemlich komplett ausgestatteter Mensch das Licht der Erde erblickt hat, den die Eltern noch einige Jahre begleiten dürfen, der aber nicht ein unbeschriebenes Buch mit leeren Seiten ist. Mindestens die Hälfte der Geschichte ist schon geschrieben. Seit das menschliche Genom entschlüsselt wurde, hat sich für die Biologen ein wahres Schatzkästlein geöffnet: Endlich können wir hier über die in der Vergangenheit oft phänomenologische Beschreibung hinausgehen und Zusammenhänge wesentlich präziser beschreiben, als es noch vor wenigen Jahren möglich war. Wann das Auswirkungen auf moderne Erziehungstheorien haben wird, ist offen, gut ist aber, dass wir nun immer besser verstehen, wie viel von unseren Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Limitierungen schon mit unserer Zeugung in uns gelegt wurde und was wir wirklich durch Erziehung beeinflussen können. Das bedeutet nicht, dass damit die Bereitschaft zu Anstrengung enden sollte, aber wir sollten für uns akzeptieren, dass wir, wenn wir den Körperbau eines Hammerwerfers haben, im Schulsport nie eine eins bekommen können, da dort Leichtathletik, nicht Schwerathletik unterrichtet wird. Das ist noch einleuchtend, weil wir die Unterschiede im Körperbau sehen können. Die gleichen Unterschiede gelten aber auch in unserer intellektuellen Grundausstattung, nur kann man die nicht sehen. Dennoch sind sie da, und das ist gut: Wir brauchen keine Welt, die nur Weltmeister im 100-m-Lauf beherbergt. Wir brauchen die Vielfalt der Begabungen und Fähigkeiten. Damit haben wir aber auch zu akzeptieren, dass wir es unser ganzes Leben lang mit Menschen zu tun haben, die ganz anders gestrickt sind als wir. Um dennoch eine Art gesellschaftlichen Konsens darüber zu bekommen, was jeder können sollte und welches Maß an gemeinsamem Wissen man voraussetzen darf, haben dazu geführt, dass Standards gesetzt wurden, die zu bestimmten Schulabschlüssen führen. Dabei gibt es Fächer, die uns mehr oder weniger liegen. Die, die uns liegen, fallen uns leicht zu lernen, darin sind wir gut, sie unterstützen also unsere Grundkompetenzen, andere fallen uns schwer, weil wir sie nicht so ausgeprägt in unserem Grundrepertoire haben.

… und was wir lernen

Wir sind aber auch in einer Gesellschaft groß geworden, die uns gelehrt hat, „was man macht und was nicht.“ Wir haben gelernt, wie wir einander die Hand geben, wir haben gelernt, mit Messer und Gabel zu essen, wir haben gelernt, dass bei uns das Glas bei einem gedeckten Tisch auf der rechten Seite steht und wie man ein Weinglas hält. Wir haben gelernt, auf welcher Seite der Straße die Autos fahren und dass Herdplatten heiß sein können. Wir haben Lesen und Schreiben gelernt und nutzen es hoffentlich auch. Wir haben gelernt, Dinge und Menschen schön oder hässlich zu finden, wir haben gelernt, was wir lustig finden und was nicht. Wir haben gelernt, uns in fremden Sprachen auszudrücken, Wir haben gelernt, wie diese Erde aufgebaut ist, wir haben Rechnen gelernt und uns mit Differenzial- gleichungen beschäftigt, wir durften im Unterricht singen, malen, Sport betreiben und wir haben festgestellt, dass nicht alles zu uns passt und uns Freude macht. Danach kam eine ganz persönliche Entscheidung.
Dann haben Sie sich für ein Studium entschieden. Das ist insofern wichtig, weil Sie hier Einfluss auf Ihr weiteres Leben genommen haben in einer Ausprägung, wie es Ihnen vielleicht zunächst noch gar nicht klar geworden ist, weil Sie sich zwar positiv damit auseinander gesetzt haben, aber vielleicht nicht abgrenzend nach dem Motto: Was ich nicht will – und was bedeutet es, wenn ich nicht genau weiß, was ich nicht will.
Alle diese Fähigkeiten, die Sie teilweise in sich drin haben, kommen einfach daher, dass Sie die Eltern haben, die Sie haben, in der Umgebung groß geworden sind, in der Sie groß wurden, und die Bildung genossen haben, die Sie hatten. Sie sind dabei erwachsen geworden und haben angefangen, Ihr Leben selbstbestimmt zu leben. Dann haben Sie sich für ein technisches Studium entschieden. Das war eine klare und bewusste Entscheidung (hoffen wir mal), die Sie aufgrund verschiedener Aspekte getroffen haben. Vielleicht haben Sie sich einfach für das Fach interessiert, vielleicht haben Sie sich überlegt, dass man besonders gute Aussichten auf eine spätere Anstellung hat, vielleicht gab es ein Vorbild im Umkreis, bei dem Sie gesagt haben, so möchten Sie auch einmal werden, vielleicht …
… spekulieren wir hier zu viel über Ihre Gründe, und Sie haben ganz andere gehabt. Das ist gut möglich, denn wir liegen mit unseren Spekulationen meist falsch. Wichtig ist aber, warum Sie sich für das entschieden haben, was Sie gemacht haben, denn nur wenn Sie das wissen, dann können Sie auch verstehen, was Ihre Motivatoren sind, die Dinge, die Sie interessieren und antreiben. Wenn Sie sich darüber genauer Rechenschaft abgelegt haben, werden Sie sich und Ihre Motive besser kennen lernen. Doch dazu später mehr. Lassen Sie uns noch etwas bei Ihren Kompetenzen verweilen.

Die Startposition

Sie haben in Ihrem Studium unglaublich viele Erfahrungen gemacht: Sie haben sich mit der Mathematik beschäftigt und sowohl gelernt, was die zweite Ableitung einer Formel bedeutet, als auch, wie man sie ausrechnet. Sie haben Integrale berechnet, Sie haben vielleicht Hyperflächen berechnet, Programme selber geschrieben oder benutzt. Sie haben vielleicht im Labor gestanden und Chemikalien zusammengerührt – und die Experimente sogar überlebt. Und Sie haben gelernt, genug Gottvertrauen zu entwickeln, dass Sie nicht nur die eigenen Experimente überlebt haben, sondern auch die Ihrer Kommilitonen. Sie haben vielleicht Mäuse seziert und den Ekel überwunden, ein totes Tier aufzuschneiden, oder gar die Scheu überwunden, ein Tier zu töten. Sie sind durch die Wälder gegangen und haben alles angefasst, was auf dem Boden lag, vielleicht auch das eine oder andere nun wirklich ekelige Häufchen. Sie haben vielleicht Maschinen gezeichnet und konstruiert und gelernt, wie man mit der geeigneten Software Zeichnungen machen kann, die neue Gebäude, Maschinen, Automobile oder was auch immer darstellen. Sie haben gelernt, schon aus der Zeichnung heraus die Sollbruchstellen zu erkennen oder zu bestimmen, wie viele Kilometer Kabel durch ein Automobil gezogen werden, obwohl das gute Stück doch nur wenige Meter lang ist. Sie haben sich in ersten kleinen Projekten in die Forschung und Entwicklung eingebracht und haben so Ihre Scheine gemacht. Sie haben sich Stück für Stück fachliche Kompetenzen angeeignet auf einem weltweit sehr hohen Niveau. Deutsche Hochschulen sind noch immer weltweit begehrte Ausbildungseinrichtungen und Menschen, die sich in Deutschland haben technisch oder naturwissenschaftlich ausbilden lassen, haben sehr gute Chancen auf den Arbeitsmärkten dieser Welt.
War das alles, was Sie in Ihrem Studium gelernt haben? Die Scheine gemacht, das Wissen verinnerlicht und abrufbar, noch geringe Erfahrung, aber doch schon erkennbar? Mehr nicht? Doch, da ist noch mehr:

Sortieren können – wie logisch wir doch sind

Sie haben sich so ganz nebenbei in vielen weiteren Disziplinen fortgebildet, ganz ohne es zu merken. Fangen wir mal mit dem Thema Logik an:
Sie haben ganz von Beginn an vorausgesetzt, dass es eine Ihrem gewählten Fach eigene Logik gibt, die Sie erlernen konnten. Sie sind davon ausgegangen, dass wir es mit einer Schöpfung zu tun haben, die bestimmten Regeln unterliegt, die Sie studieren können. Sie haben sich ganz selbstverständlich daran gewöhnt, dass es Maßeinheiten wie Meter, Zoll, Fuß, Kilometer und so weiter gibt und dass wir, wenn wir die Länge in Meter messen, in der Regel zum gleichen Ergebnis kommen werden.
Sie haben auch vorausgesetzt, dass wir bestimmte Ordnungsprinzipien benötigen, mit denen wir arbeiten können, Sie haben aber auch gelernt, dass es doch Unterschiede zwischen den Disziplinen gibt. Diejenigen unter Ihnen, die ein oder zwei Semester lang mal eine andere Disziplin lernen mussten, haben meist schmerzhaft erfahren, dass die gewohnten Grundlogiken nicht immer passen. Ob nun der angehende Chemiker sich mit gekoppelten Pendeln in der Physik beschäftigt oder mit elektrischen Schaltungen, ob der angehende Arzt sich mit den Wundern der Chemie auseinandersetzen soll, oder der kommende Ingenieur die mathematischen Grundlager der Ballistik erlernt, obwohl er doch den Wehrdienst verweigerte: Die Logiken, die wir in unserer Disziplin lernen, sind nicht überallhin übertragbar und führen oftmals zu Verwerfungen. Was es heißt, eine 4 × 4-Matrix zu haben und zu nutzen, kann für den Chemiker bedeuten, dass er vier Proben jeweils auf vier Reagenzgläser aufteilt, um dann weitere Experimente zu machen. Für den Ingenieur kann es eine Rechenaufgabe bedeuten, mit der letztlich ein zweidimensionales Problem beschrieben wird, für den Biologen können es Untersuchungen zum Wachstum von Zellkulturen in verschiedenen Milieus sein, letztlich ist es aber in jedem Fall die Beschreibung einer Systematisierung, auch wenn gleiche Begriffe in unterschiedlichen Disziplinen unterschiedliche Bedeutungen haben.
Diese Feststellung ist insofern wichtig und relevant, weil wir uns damit davon verabschieden müssen, dass unsere Logik jeder teilt und dass die Begriffe, die wir verwenden, eindeutig sind. Ein Spinner kann jemand sein, der verrückte Ideen hat, ein Angelzubehör oder Teil einer technischen Ausrüstung. Auf einer Tafel haben wir geschrieben, an ihr gegessen oder sie als Gebirgstyp im Erdkundeunterricht kennen gelernt. Eine Matrix kann ein Rechenbeispiel sein, ein Vlies, auf dem irgendetwas untergebracht wird, oder auch eine Ansammlung von Zellen. Es kann also passieren, dass wir in unserer inhärenten Logik und Sprache Dinge benennen, die unsere Gesprächspartner als ebenfalls logisch bezeichnen, allerdings aus einer anderen Logik heraus, einfach, weil die gleichen Wörter andere Begriffe beinhalten.

Grundannahmen

In Einem allerdings sind wir uns dennoch stillschweigend alle einig:
Wir gehen alle davon aus, dass wir es mit einer geordneten Schöpfung, einem Kosmos, zu tun haben, also dem Gegenteil von Chaos (auch wenn unsere Schreibtische manchmal anderes vermuten lassen). So haben wir beispielsweise nie infrage gestellt, dass Experimente oder Messungen wiederholbar sind, ja, sogar wiederholbar sein müssen. Wenn wir sauber gearbeitet haben, dann werden unsere Experimente oder Berechnungen immer zum gleichen Ergebnis führen. Sind unsere Experimente oder Berechnungen wider Erwarten einmal nicht wiederholbar gewesen, so haben wir für uns gleich akzeptiert, dass wir uns entweder verrechnet haben oder mindestens einen Parameter noch nicht verstanden haben, der auch zu dem Ergebnis beiträgt. Und weil wir diesen Parameter nicht kannten, haben wir daran gearbeitet, ihn zu verstehen, damit Ergebnisse wieder reproduzierbar sind. Wir haben – um eine extreme Gegenposition zu beziehen – jedenfalls nicht gedanklich zugelassen, dass wir vom Chaos umgeben sind, das keine nachvollziehbaren Regeln hat, sodass wir nicht wissen, ob wir, wenn wir morgen aus dem Haus gehen und uns nach links wenden, nicht auf einmal in Tomatensuppe versinken, um bei einer Wiederholung unseres Laufweges zu explodieren. Das wäre wirkliche eine surreale Welt, in der wir dann lebten, eine, die eher zu einem LSD-Trip passte als in unser normales Weltbild. Solche Einfälle passen einfach nicht zu unserer Grundannahme der Reproduzierbarkeit und der geltenden Gesetze. Sie gelten dann, wenn wir ganz schräge Bücher lesen, die bewusst die Regeln unserer Welt auf die Schippe nehmen. Sie gelten aber nicht in unserem täglichen Leben. Vermutlich haben wir uns darüber bisher auch keine Rechenschaft abgelegt, denn es ist für uns so was von normal, es lohnt einfach nicht, diese Grundlagen festzustellen. Doch, es lohnt, denn nicht jeder muss ja vom Gleichen ausgehen.

Gut, dass wir Sachen zweimal machen können, oder?

Durch die Grundannahme der geltenden naturwissenschaftlichen Regeln haben wir selbstverständlich akzeptiert, dass Dinge wiederholbar sind und wir mit unserem Handeln diesen Regeln unterworfen sind. Wir haben gelernt, logisch darin zu denken und zu handeln. Wenn wir durch ein Experiment feststellen, dass irgendetwas geschieht, wenn wir etwas machen, und das auch reproduzierbar ist, dann können wir versuchen, daraus Regeln abzuleiten, die dann vielleicht auch übertragbar sind. Und wenn wir etwas übertragen konnten und das auch bestätigt ist, können wir eine Theorie aufstellen, die bis zum Beweis des Gegenteils gilt. So etwas nennt man dann wissenschaftliches Arbeiten. Dabei wissen wir allerdings auch, dass wir bis heute nicht alles begriffen haben, sodass es sein kann, dass einiges sich morgen doch ändert. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel geben:
Stellen wir uns vor, wir sind ein Volk, das auch nur ansatzweise noch nicht verstanden hat, wie unser Sonnensystem funktioniert. Jeden Morgen geht die Sonne auf, jeden Abend geht sie unter. Nun haben wir eine Theorie, die besagt, dass wir ab dem Sonnenuntergang die ganze Nacht über eine Trommel schlagen müssen, bis die Sonne morgens wieder aufgeht. Wenn wir das nicht machen, geht die Sonne nicht mehr auf. Generationen haben schon die Trommel geschlagen, und siehe da – die Sonne ging immer wieder auf. In einer Kausalkette können wir also lückenlos belegen, dass die Theorie stimmt, bis eines Tages jemand kommt, der sagt, dass das alles ganz großer Quatsch sein könnte und es lohnte, die Theorie zu hinterfragen: So beschließen sie alle, mal eine Nacht nicht zu trommeln, und wenn die Sonne nicht wieder aufgeht, dann könnte man ja noch immer trommeln, damit sie wiederkäme. Wir werden Stimmen hören, die davor warnen, auf das gewohnte Trommeln zu verzichten, denn wenn jetzt die Dauer einer Nacht nicht getrommelt wird und wir dann wieder anfangen – wer kann denn heute mit Sicherheit sagen, dass es gelingen wird, wieder einen Tag herbei zu trommeln, oder ob wir nicht in ewiger Finsternis versinken werden, weil die Sonne es uns übel nimmt, dass wir nicht getrommelt haben und nun beleidigt woanders scheinen geht. Bei solchen, die eben fleißig trommeln. Nach langen Debatten trauen wir uns nun doch und probieren es mal aus, wie es sich ohne Trommeln schlafen lässt.

Die Grenzen des Wissens

Nun, das Ergebnis des Experiments können Sie sich vorstellen:
Die in Gedanken gesetzte Gesellschaft könnte dann ruhiger schlafen, ein Dogma weniger, und vielleicht mit mauligen Trommlern, die ihres Status beraubt und arbeitslos sind. Sie sagen, so etwas hat es nie gegeben. Doch. Denken Sie an Ihren Geschichtsunterricht: Bis vor wenigen Jahrhunderten war nach der Vorstellung der Menschen die Erde eine Scheibe, mit ganz klaren Konsequenzen für ihre Nutzbarkeit. Dennoch waren Menschen gebildet und zu guter wissenschaftlicher und handwerklicher Arbeit befähigt. Wir sollten uns also davor hüten, die damalige Zeit mit dem heutigen Wissen arrogant zu verspotten, denn wir leben heute selber in einer Zeit, die in wenigen Generationen einmal eine Zeit sein wird, auf die man zurückblickt und sich vielleicht wundert, wie naiv wir doch damals waren im Umgang mit welchem Wissen auch immer. Es kann uns sogar passieren, dass wir im Zeitalter der Digitalisierung schlagartig Wissen verlieren und die Menschheit in der Erkenntnis zurückwerfen, wenn wir keine Bücher mehr haben und nicht mehr mit geschriebenen und gedruckten Medien umgehen können: Heute schon tun wir uns schwer, digitale Bilder oder Texte der ersten Generationen zu lesen, durch Wechsel der Software können ganze Bibliotheken nicht mehr verfügbar sein, ein in der EDV durchaus als wichtig und relevant erkanntes Thema. Wenn also durch solche Wechsel der Software oder Rechnersysteme ganze Arbeiten nicht mehr zugänglich sind, ist das Wissen verloren und muss neu erarbeitet werden, was vielleicht nicht mehr möglich ist. Das kann dann durchaus demütig machen in Bezug auf die Leistungen früherer Generationen und ihre Leistungsfähigkeit. Es sollte uns aber auch helfen, unsere eigenen Leistungen zu relativieren und uns etwas bescheidener in einen Zeitstrahl einzuordnen, der vor uns war, den wir nun ein paar Jahrzehnte mitgestalten dürfen und der noch lange nach uns sein wird. Die Aussage, die Welt sei eine Kugel, brauchte Zeit, um sich durchzusetzen. Manche Erkenntnisse haben deutliche Konsequenzen, wie die Aussage, die Erde sei eine Kugel: Wenn die Erde eine Kugel war, dann musste es ganz andere Wege nach Indien geben. Christoph Kolumbus griff diese These auf, das spanische Königshaus ermöglichte die Expedition, wir kennen das Ergebnis, aber auch den Irrtum: Kolumbus dachte, er sei in Indien, daher gibt es noch heute die Indianer. Die Konsequenz waren dann ganz andere Wege für Warenströme und die Entdeckung Amerikas, die Besiedelung neuer Landschaften und für Hunderttausende Deutscher, Briten, Franzosen in einer Zeit, in der Europa die eigene Bevölkerung nicht wirklich ernähren konnte, die Chance, in einem neuen Land zu eigenem Land und eigenem Wohlstand zu kommen.
Wir haben also gelernt, unsere Welt mit anderen Augen zu sehen und Fragen zu stellen. Nicht nur die Frage, wieso wir nachts nicht mehr trommeln müssen, sondern auch die Frage, wieso eigentlich Benzin über einen Vergaser gehen muss, bevor man es verbrennt, oder ob nicht eine Einspritzpumpe auch gehen könnte, wieso wir nicht ein bestimmtes Medikament machen können, wieso wir nicht fliegen können sollen, wieso wir nicht zum Mond reisen sollen, wieso wir nicht ein über dreihundert Meter hohes Haus bauen wollen, wieso wir nicht Löcher in die Erde bohren, um Öl zu fördern, wieso wir nicht Telefone bauen, die jeder mit sich führen kann, die auch noch Mails schreiben können, Musik abspielen und vielleicht eines Tages auch Kaffee kochen. Wir haben gelernt, die Generationenfolgen zu berechnen, uns mit Krankheiten und deren Vererbbarkeiten auseinanderzusetzen und zu bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit wir einmal Diabetes bekommen oder an einem Herzinfarkt sterben werden.
Die Art und Weise, wie wir fragen, wird sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit im Laufe unseres Lebens geändert haben. Als Kind hatten wir eine Phase, in der wir unsere Eltern zur Weißglut bekommen haben, indem wir immer „Warum“ fragten. Diese Frage ist ein Spiel und führt in Sekunden an die Grenzen des eigenen Wissens und oft in die Metaphysik. Warum ist die Banane krumm? Weil sie nicht gerade ist. Warum ist sie nicht gerade? Weil sie krumm ist. So eine Schleife...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Series
  3. Title page
  4. Copyright
  5. Vorwort
  6. Einfuhrung
  7. Teil I: Das Rüstzeug oder: Die Kompetenzen, die ich habe – und was ich sonst noch so alles bräuchte
  8. Teil II: Landkarte der Möglichkeiten – was man mit den Kompetenzen so alles anstellen kann (im studierten Fach und anderswo)
  9. Teil III: Und jetzt? – Was sich ab heute ändern sollte, um diese Frage zu beantworten
  10. Teil IV: Was ich will – nicht was man macht
  11. Stichwortverzeichnis