Morgen werden wir 100
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Morgen werden wir 100

Wie unser langes Leben gelingt

Lynda Gratton, Andrew Scott, Christa Prummer-Lehmair, Rita Seuß

  1. 384 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Morgen werden wir 100

Wie unser langes Leben gelingt

Lynda Gratton, Andrew Scott, Christa Prummer-Lehmair, Rita Seuß

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Über dieses Buch

Alle Statistiken bestätigen es: Uns erwartet ein deutlich längeres Leben als die Generationen vor uns. Es wäre daher leichtsinnig, an dieser Tatsache und ihren Auswirkungen vorbeizusehen, mahnen die britischen Wissenschaftler Lynda Gratton und Andrew Scott. Denn wenn wir mit diesem langen Leben klug und planvoll umgehen, wird es ein wirkliches Geschenk.Wie aber können wir, als Individuen und als Gesellschaft, mehr aus unserem langen Leben machen? Indem wir den Dreischritt von Ausbildung, Arbeit und Rente überwinden und neue Lebensphasen definieren. Indem wir flexible Pläne entwerfen und uns Experimentierfreude und die Bereitschaft, immer wieder neue Entscheidungen zu treffen, bewahren.Gratton und Scott zeigen in praxisnahen Szenarien, wie in Zukunft unsere Arbeitswelt, Finanzplanung, Gesundheitsvorsorge und unser Privatleben aussehen könnten. Denn älter zu werden heißt heute nicht mehr, auf Optionen zu verzichten, sondern neue Wahlmöglichkeiten zu entdecken.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783896845405

1. Kapitel:
Leben: Das Geschenk eines langen Lebens

Denken Sie für einen Augenblick an ein Kind, das Sie kennen. Vielleicht Ihre achtjährige Schwester oder zehnjährige Tochter, einen Neffen oder einen Nachbarsjungen. Sie sehen die kindliche Begeisterung und Lebensfreude: ein Leben, losgelöst von Verantwortung und Verpflichtungen. Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass trotz des globalen Wandels Kinder überall auf der Welt noch diese lebensbejahende Kraft besitzen – und natürlich denken Sie dabei an Ihre eigene Kindheit.
Aber Sie sehen auch, wie sehr sich eine heutige Kindheit von Ihrer eigenen unterscheidet, denn viele technische Innovationen, die Sie erstaunen und verwundern, scheinen Kindern selbstverständlich und intuitiv und mühelos zugänglich zu sein. Doch nicht nur die Kindheit, auch das Leben, das diese Kinder führen werden, wenn sie erwachsen sind, wird anders sein als früher. Ein Parameter dieses Erwachsenenlebens ist in Abbildung 1.1 dargestellt. Die Grafik zeigt die demografische Berechnung der wahrscheinlichen Lebenserwartung. Wenn das Kind, an das Sie gerade gedacht haben, in den Vereinigten Staaten, in Kanada, Italien oder Frankreich geboren ist, hat es eine 50-prozentige Chance, mindestens 104 Jahre alt zu werden. Wenn es in Japan geboren ist, kann man sogar von atemberaubenden 107 Jahren ausgehen.
Es ist Ihnen sicher nicht schwergefallen, an ein achtjähriges Kind zu denken. Aber richten wir nun den Blick auf eine andere Altersgruppe. Wie viele 100-Jährige kennen Sie? Vielleicht gar keinen. Oder vielleicht haben Sie eine Großmutter, die 100 Jahre erreicht hat. Doch schon die Tatsache, dass Sie so wenige 100-Jährige kennen und verständlicherweise stolz sind auf die, die Sie kennen, zeigt, wie ungewöhnlich ein so hohes Alter ist. Um diesen Unterschied zwischen Achtjährigen und 100-Jährigen zu verstehen, wollen wir die Prognosen in Abbildung 1.1 mit Daten aus der Vergangenheit vergleichen. Für ein 1914 geborenes Kind betrug die Wahrscheinlichkeit, 100 Jahre alt zu werden, 1 Prozent – und genau hier liegt der Grund, warum 100-Jährige heute noch relativ selten sind. Ihre Chancen standen einfach schlecht. Abbildung 1.1 zeigt auch, dass im Jahr 2107 ein 100-Jähriger keine Seltenheit mehr sein wird, sondern Normalität. Weit über die Hälfte der Achtjährigen, die Sie heute kennen, werden dann noch am Leben sein.
Für diesen außergewöhnlichen Anstieg der Lebenserwartung ist jedoch nicht ein einzelner Kausalfaktor verantwortlich, und es trat auch nicht ein plötzlicher Umbruch ein. Vielmehr gab es in den vergangenen 200 Jahren einen kontinuierlichen Zuwachs an Lebenserwartung. Laut den besten derzeit verfügbaren Daten stieg seit 1840 die Lebenserwartung um drei Monate pro Jahr. Das bedeutet eine Steigerung von zwei bis drei Jahren alle zehn Jahre. Abbildung 1.2 dokumentiert diese atemberaubende Entwicklung seit den 1850er Jahren. Das Erstaunlichste ist die Konstanz dieses Zuwachses über diesen Zeitraum hinweg. Wenn wir die jährlich weltweit höchste durchschnittliche Lebenserwartung betrachten (Demografen sprechen von Best-Practice-Lebenserwartung), zeigt sich tatsächlich ein geradliniger Anstieg. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Nichts deutet darauf hin, dass sich dieser Trend abschwächen wird. Man kann also davon ausgehen, dass er sich in Zukunft fortsetzen wird. Ein 2007 in Japan geborenes Kind hat also eine Chance von 50 Prozent, 107 Jahre alt zu werden. Inzwischen hat sich diese Chance weiter erhöht, sodass ein 2014 in Japan geborenes Kind eine 50-prozentige Chance hat, nicht 107, sondern 109 Jahre alt zu werden.
Wenn die heute Achtjährigen gute Aussichten haben, 100 Jahre alt zu werden, was ist mit den Jahrgängen dazwischen? Was bedeutet diese Prognose für Sie? Die einfache Antwort lautet: Je jünger Sie heute sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie länger leben werden. Werfen wir erneut einen Blick auf Abbildung 1.2 und betrachten den Verlauf dieses Wandels. Seit 1840 stieg die Lebenserwartung um zwei bis drei Jahre pro Jahrzehnt. Wenn also ein 2007 geborenes Kind eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit hat, 104 Jahre alt zu werden, hat ein Kind, das zehn Jahre früher geboren ist (1997), eine 50-prozentige Chance, 101 oder 102 Jahre alt zu werden; noch ein Jahrzehnt früher (1987) sind es 98 bis 100 Jahre; für 1977 sind es 95 bis 98, für 1967 92 bis 96, und selbst für die 1957 Geborenen sind es 89 bis 94 Jahre und so weiter.
Der stetige Anstieg der Lebenserwartung, den Abbildung 1.2 zeigt, verdankt sich einer Vielzahl von Entwicklungen. Der erste substanzielle Zuwachs geht auf die rückläufige Kindersterblichkeit zurück. Für die Menschen in den Industrieländern ist heute kaum mehr vorstellbar, was für eine furchtbare Geißel die Kindersterblichkeit war. Die Schriftsteller des viktorianischen England haben eindringlich davon erzählt. Im Roman Der Raritätenladen stirbt die kleine Nell im Alter von 14 Jahren. In Jane Eyre bricht im Internat Lowood eine Typhusepidemie aus, und Helen stirbt in den Armen ihrer besten Freundin Jane. Das war keineswegs außergewöhnlich.
Charles Dickens und Charlotte Brontë erzählten vielmehr von alltäglichen Ereignissen, die sie in ihrem Lebensumfeld beobachteten. Ab den 1920er Jahren war hauptsächlich der Rückgang der Säuglings- und Kindersterblichkeit für den in Abbildung 1.2 dargestellten Anstieg der Lebenserwartung verantwortlich. Ansteckende Krankheiten wie Tuberkulose, Pocken, Diphtherie und Typhus, denen Nell und Helen zum Opfer fielen, wurden allmählich besiegt. Der Staat ergriff innovative Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge, die Ernährung verbesserte sich, und die Menschen lernten, gesünder zu leben.
Der zweite große Zuwachs an Lebenserwartung verdankt sich der erfolgreichen Bekämpfung chronisch-degenerativer Krankheiten im mittleren und höheren Lebensalter, vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Autoren des 20. Jahrhunderts schrieben nun zwar nicht mehr über die Tragödie der Kindersterblichkeit, aber sie selbst wurden von den chronischen Krankheiten ihrer Zeit heimgesucht. Sir Arthur Conan Doyle, der Schöpfer von Sherlock Holmes, starb 1930 im Alter von 71 Jahren an Lungenentzündung. Ian Fleming, der Schöpfer von James Bond, starb 1964 mit 56 Jahren an einem Herzinfarkt. Eine frühzeitige Diagnose, effiziente Therapien und Aufklärung besonders zu den Risiken des Rauchens trugen maßgeblich zur Verbesserung der Gesundheit bei. Dem Nobelpreisträger und Ökonom Angus Deaton zufolge begann dieser epidemiologische Übergang, als tödliche Krankheiten »aus Darm und Brust von Kindern in die Arterien älterer Menschen« wanderten.3
Der nächste größere Zuwachs an Lebenserwartung wird der Bekämpfung altersbedingter Krankheiten zu verdanken sein. Tatsächlich ist die Lebenserwartung älterer Menschen bereits heute deutlich gestiegen. 1950 lag in England die Wahrscheinlichkeit, dass ein 80-jähriger Mann stirbt, bei 14 Prozent, heute sind es nur noch 8 Prozent. Für einen 90-Jährigen sank diese Wahrscheinlichkeit von 30 auf 20 Prozent. 100 Jahre zu erreichen, war so selten, dass dieses hohe Alter in vielen Ländern auf besondere Weise gewürdigt wurde. In Japan zum Beispiel wurden 100-Jährige mit einem sakazuki beschenkt, einem silbernen Sake-Service. Als diese Tradition 1963 eingeführt wurde, gab es lediglich 153 Japaner, die 100 Jahre alt waren; im Jahr 2014 waren es mehr als 29.350. Im Vereinigten Königreich erhielt jeder 100-Jährige eine persönliche Glückwunschbotschaft von der Queen. Vor zehn Jahren organisierte eine einzige Person den Versand dieser Glückwunschkarten, heute sind es sieben, weil die Zahl der Karten um 70 Prozent gestiegen ist. Ein Blick auf Abbildung 1.2 erlaubt die Prognose, dass der Bedarf an sakazuki und Glückwunschkarten in Zukunft noch erheblich steigen wird. Tatsächlich wurde in Japan diese Tradition im Jahr 2015 wieder abgeschafft.
Für diesen Zuwachs an Lebenserwartung lässt sich eine Vielzahl von Kausalfaktoren nennen: eine bessere Gesundheit und eine bessere Ernährung, eine bessere medizinische Versorgung und eine bessere Bildung, technologischer Fortschritt, eine bessere Sanitärversorgung und ein höheres Einkommen. Demografen streiten darüber, welcher dieser Faktoren entscheidend ist. Falls überhaupt ein Konsens existiert, spiegelt er sich vielleicht am besten in dem einflussreichen Aufsatz von Samuel Preston. Nach seiner Einschätzung sind steigende Einkommen und eine bessere Ernährung für rund 25 Prozent des Zuwachses an Lebenserwartung verantwortlich. Noch wichtiger jedoch erscheinen ihm Innovationen im öffentlichen Gesundheitswesen wie die Bekämpfung von Krankheitserregern, Medikamente und Schutzimpfungen.4 Die staatliche Gesundheitsförderung und Gesundheitserziehung spielen eine Schlüsselrolle. Man denke nur an Kampagnen, die das Risiko des Rauchens für die Lebenserwartung ins öffentliche Bewusstsein hoben.

Egal, wo wir geboren sind, wir werden länger leben

Es ist bemerkenswert, dass alle Daten in Abbildung 1.1 und 1.2 aus den reicheren Industrieländern stammen. Von den heute in Entwicklungsländern geborenen Kindern können sehr viel weniger damit rechnen, 100 Jahre alt zu werden. Langfristig jedoch werden dieselben Kräfte, die in den Industrieländern für eine höhere Lebenserwartung gesorgt haben, in den Entwicklungsländern denselben Effekt erzielen. Mit steigenden Einkommen, einer besseren Ernährung und Gesundheitsversorgung ging in der westlichen Welt die Kindersterblichkeit zurück. Dieses Phänomen lässt sich heute weltweit beobachten. Ärmere Länder starten zwar mit einer geringeren Lebenserwartung als reiche Länder, aber die Zuwachsraten sind dieselben.
Nehmen wir als Beispiel Indien, wo die Lebenserwartung im Jahr 1900 24 Jahre betrug – gegenüber 49 Jahren in den Vereinigten Staaten. 1960 war die Lebenserwartung in den Vereinigten Staaten auf 70 Jahre gestiegen, in Indien dagegen nur auf 41 Jahre. Die Kluft zwischen diesen beiden Ländern hatte sich also vergrößert. Als jedoch Indien wirtschaftlich erfolgreicher wurde, verringerte sich diese Kluft. 2014 betrug in Indien die durchschnittliche Lebenserwartung 67 Jahre, und den demografischen Prognosen der Vereinten Nationen zufolge wird sie mit einer Quote von etwa zwei Jahren pro Jahrzehnt weiter steigen. Indien startet also zwar mit einer geringeren Lebenserwartung als die Vereinigten Staaten, aber die Steigerungsrate verläuft parallel. Dasselbe gilt für viele andere Länder der Erde: Das 100-jährige Leben wird zu einem globalen Phänomen, auch wenn die reichen Länder diese Schwelle zuerst überschreiten.

Werden wir ewig leben?

Wenden wir uns nun erneut Abbildung 1.2 zu und stellen uns vor, die Kurve gehe immer weiter nach oben. Vielleicht fragen Sie sich, ob bei einer Steigerungsrate von zwei bis drei Jahren pro Jahrzehnt irgendwann eine Obergrenze erreicht sein wird. Die Mehrheit der heute in der westlichen Welt geborenen Kinder kann damit rechnen, über 100 Jahre alt zu werden. Aber warum sollte es an diesem Punkt aufhören? Warum nicht 150, 200 oder noch älter?
Wie in den meisten wissenschaftlichen Debatten gibt es auch hier viele gegensätzliche Ansichten, doch im Mittelpunkt steht meistens die Frage, ob es für das menschliche Leben eine natürliche Obergrenze gibt, und wenn ja, wo sie liegen könnte.5 Die Pessimisten argumentieren, die Ernährung sei heute bereits optimal und die Säuglings- und Kindersterblichkeit erfolgreich bekämpft; heute seien es Zivilisationskrankheiten, eine sitzende Lebensweise und die zunehmende Fettleibigkeit, die einen weiteren Zuwachs der Lebenserwartung verhindern.
Andere sind optimistischer und meinen, die Bildung werde – neben technologischer Innovation – auch in Zukunft ein Motor für eine weitere Steigerung der Lebenserwartung sein. Historisch betrachtet haben Bildung, technologischer Fortschritt, eine frühzeitige Krankheitsdiagnose und effizientere Therapien die alten Grenzen der Lebenserwartung durchbrochen. Warum sollte das nicht so weitergehen?
Tatsächlich gibt es unter diesen Optimisten einige, die, fast schon verstiegen, behaupten, es gebe für das menschliche Leben keine natürliche Grenze und der wissenschaftliche und technologische Fortschritt werde zu einer Lebenserwartung von vielen Hundert Jahren führen.
Das ist die Ansicht von Ray Kurzweil, der bei Google ein Team zur künstlichen Intelligenz leitet. In seinem Buch, das er zusammen mit seinem Arzt Terry Grossman geschrieben hat6, entwickelt er eine Drei-Brücken-Strategie für eine Lebensspanne von mehreren Hundert Jahren. Die erste Brücke ist die Befolgung evidenzbasierter medizinischer Ratschläge, um das eigene Leben so weit zu verlängern, bis die zweite Brücke erreicht ist und man von der bevorstehenden medizinisch-biotechnologischen Revolution profitieren kann. Die dritte Brücke sind Nanotechnologie und künstliche Intelligenz, die auf molekularer Ebene sämtliche Teile eines alternden Körpers nachbauen und damit ersetzen können. Diesen Optimisten der Altersforschung zufolge lassen sich die natürlichen Grenzen des Lebens sehr viel weiter ausdehnen, als es bisher vorstellbar ist.
Die Antwort auf die Frage, welcher dieser Denkansätze richtig ist, hat weitreichende Konsequenzen. Abbildung 1.2 legt nahe, dass wir eine Obergrenze, wenn es sie überhaupt gibt, nicht so schnell erreichen werden. Die Best-Practice-Lebenserwartung würde sich stabilisieren, wenn ein Höchststand erreicht wäre. Die Grafik jedoch zeigt, dass die Kurve wie in den vergangenen 200 Jahren weiter nach oben geht. Die Autoren dieses Buches neigen zur Ansicht der gemäßigten Optimisten. Wir gehen davon aus, dass sich der Anstieg der Lebenserwartung bei 110 oder 120 Jahren abzuschwächen beginnt. So genau kann das freilich niemand wissen. Wichtig für uns ist aber, dass die Idee eines 100-jährigen Lebens keine Science-Fiction ist und keine wilde Spekulation und dass 100 Jahre auch keine Höchstgrenze sind, die nur ein paar wenige Glückliche erreichen. Die Frage ist gerade deshalb so spannend, weil es stichhaltige Belege dafür gibt, dass heute geborene Kinder bedeutend älter werden als 100 Jahre.
Und noch einen – eher technischen Aspekt – gilt es bei der Diskussion über die höhere Lebenserwartung zu berücksichtigen. Die Prognosen darüber, wie alt ein Mensch tatsächlich werden kann, sind sehr widersprüchlich, nicht zuletzt aufgrund unterschiedlicher Modelle zur Berechnung der künftigen Lebenserwartung.
Für die Prognose der Lebenserwartung eines achtjährigen Kindes müssen die Demografen dessen Sterberisiko mit zunehmendem Alter berücksichtigen. Von welcher Lebenserwartung sollte man bei einem heute Achtjährigen ausgehen, wenn er 55 Jahre alt sein wird (und damit das derzeitige Durchschnittsalter der Autoren dieses Buches erreicht hat)? Hat das Kind, wenn es in 47 Jahren 55 ist, dieselbe Lebenserwartung wie wir heute? Oder sollte man davon ausgehen, dass die Lebenserwartung eines heute 55-Jährigen in den kommenden 47 Jahren infolge einer besseren Bildung und der weiterentwickelten Gesundheitstechnologie zusätzlich steigen wird?
Die Antwort darauf führt natürlich zu sehr unterschiedlichen Schätzungen. Wenn Demografen davon ausgehen, dass der Achtjährige mit 55 dieselbe Lebenserwartung hat wie wir heute, benutzen sie das Rechenverfahren der Perioden- oder Querschnittsanalyse (das die durchschnittliche Lebenserwartung der...

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
  2. 1. Kapitel: Leben: Das Geschenk eines langen Lebens
  3. 2. Kapitel: Finanzierung: Länger arbeiten
  4. 3. Kapitel: Beruf und Karriere: Die Arbeitswelt
  5. 4. Kapitel: Immaterielle Vermögenswerte: Was nicht für Geld zu haben ist
  6. 5. Kapitel: Szenarien: Mögliche Ichs
  7. 6. Kapitel: Lebensphasen: Neue Bausteine
  8. 7. Kapitel: Geld: Die Finanzierung eines langen Lebens
  9. 8. Kapitel: Zeit: Freizeit als Neuerfindung seiner selbst
  10. 9. Kapitel: Beziehungen: Der Wandel des Privatlebens
  11. Agenda für den Wandel
  12. Packen wir’s an
  13. Anmerkungen
  14. Zu den Autoren
  15. Impressum
Zitierstile für Morgen werden wir 100

APA 6 Citation

Gratton, L., & Scott, A. Morgen werden wir 100 (1st ed.). Körber-Stiftung. Retrieved from https://www.perlego.com/book/1016248/morgen-werden-wir-100-wie-unser-langes-leben-gelingt-pdf (Original work published)

Chicago Citation

Gratton, Lynda, and Andrew Scott. Morgen Werden Wir 100. 1st ed. Körber-Stiftung. https://www.perlego.com/book/1016248/morgen-werden-wir-100-wie-unser-langes-leben-gelingt-pdf.

Harvard Citation

Gratton, L. and Scott, A. Morgen werden wir 100. 1st edn. Körber-Stiftung. Available at: https://www.perlego.com/book/1016248/morgen-werden-wir-100-wie-unser-langes-leben-gelingt-pdf (Accessed: 14 October 2022).

MLA 7 Citation

Gratton, Lynda, and Andrew Scott. Morgen Werden Wir 100. 1st ed. Körber-Stiftung. Web. 14 Oct. 2022.