Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots
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Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots

Eine literarische Suchbewegung

  1. 550 Seiten
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Das Erzählwerk Cécile Wajsbrots

Eine literarische Suchbewegung

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Über dieses Buch

Die vorliegende Studie ist die erste Monographie über das gesamte Erzählwerk Cécile Wajsbrots. Da Wajsbrot mehrfach die Bedeutung von Orten und Räumen für ihr Erzählen betont hat, konzentriert Huesmann seine kontextualisierenden Analysen, in denen er hermeneutische und semiotische Methoden integriert, auf die Aspekte "Raum und Bewegung". Aufgrund persönlicher Konflikte, der Nachwirkungen des II. Weltkriegs, des Holocaust und des Verlustes der Heimat oder aber in der Auseinandersetzung mit der Kunst bewegen sich die handelnden Figuren der inhaltlich und formal ansonsten sehr unterschiedlichen Romane stets in einem Raum zwischen zwei Welten.

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1 Cécile Wajsbrot

Cécile Wajsbrot gehört seit vielen Jahren zu den vielseitigsten und produktivsten Autorinnen und Autoren des extrême contemporain in Frankreich. Durch die Übersetzung einiger ihrer Romane und Erzählungen ins Deutsche1 hat sie auch in Deutschland eine Lesergemeinde gefunden. Gleichzeitig ist sie durch die Übersetzung deutscher Autoren ins Französische zu einer Brückenbauerin zwischen beiden Ländern geworden. Am Anfang einer Beschäftigung mit dem Erzählwerk Cécile Wajsbrots sollte ihr biographischer Hintergrund in dem Maße erhellt werden, in dem dies den Zugang zu ihren Romanen und Erzählungen erleichtert. Dasselbe gilt für ihre literaturtheoretischen, vor allem auch für ihre auf den Roman bezogenen Positionierungen, die sie in einem Essay und in Interviews dargelegt und erläutert hat. Ergänzt werden die Ausführungen durch einen Überblick über den Forschungsstand zum Erzählwerk Cécile Wajsbrots sowie durch Anmerkungen zur Rezeption ihrer Romane in Frankreich und Deutschland.

1.1 Biographischer Hintergrund1

Cécile Wajsbrot wurde 1954 in Paris geboren. Ihre Mutter, deren jüdische Eltern aus Polen stammten, galt zwar als „Ausländerkind“, war aber, da sie in Paris geboren wurde, Französin. Sie überlebte den Krieg im Département Lot-et-Garonne in einem von Nonnen geleiteten Mädchenpensionat. Ihr Vater, der im Alter von 17 Jahren mit seiner Familie aus Polen nach Frankreich emigriert war, fand während der Kriegszeit Schutz in einem Versteck in der Auvergne. Der Großvater mütterlicherseits wurde im Mai 1941 von Beaune-la-Rolande in ein Lager im Loiret verbracht und im Juni 1942 von dort nach Auschwitz deportiert, wo er einige Wochen später starb.
Cécile Wajsbrot hat nach dem Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft zunächst einige Jahre als Französischlehrerin und als Rundfunkredakteurin gearbeitet, bevor sie als freie Schriftstellerin und Übersetzerin deutscher und englischer Autorinnen und Autoren und als Mitarbeiterin der Zeitschriften Autrement, Les Nouvelles littéraires und Le Magazine littéraire einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde.2 Das umfangreiche literarische Werk Cécile Wajsbrots umfasst neben den in dieser Studie vorgestellten und analysierten Romanen und Erzählungen Biographien, Essays, Dialoge und Hörspiele.
Nachdem Cécile Wajsbrot erstmals 1995 bei einer Reise nach Litauen einige Tage in Berlin verbracht hat, erlebt sie fünf Jahre später bei einem eineinhalb Monate dauernden Besuch der Stadt „[…] un véritable coup de foudre“3, der ihr Leben verändern sollte: „J’ai aimé la ville et eu du mal à la quitter au point que j’ai trouvé la solution d’avoir eine zweite Wohnung à Berlin et de pendeln zwischen Paris und Berlin […]“4. Als Stipendiatin des DAAD lebt sie von März 2007 bis März 2008 ein Jahr ununterbrochen in Berlin. Während dieser Zeit und im Jahr 2012 entsteht ein als Berliner Ensemble5 erschienenes, facettenreiches Kaleidoskop literarischer Impressionen, die „[la] réflexion [de C.W.] sur les ravages causés par l’histoire du XXe siècle et, en particulier, sur les lieux de mémoire de la Seconde Guerre mondiale“6 widerspiegeln.
In einem FAZ-Gespräch mit Katharina Narbutovic erklärt Cécile Wajsbrot im April 2008 eine eindeutige Vorliebe für Berlin:
Ich fühle mich in Berlin besser als in Paris. In Berlin lässt es sich freier atmen. In Paris ist der Kulturbetrieb sehr eng, geschlossen, auch narzisstisch. Da denke ich, wenn ich in Frankreich schon außen vor stehe, dann kann ich mich auch noch weiter aus der Stadt zurückziehen.7
Ihr Gefühl, in Frankreich nicht in die Gesellschaft voll integriert zu sein, sondern als Außenseiterin betrachtet zu werden, erklärt sie in dem Gespräch mit Elke Richter und Natascha Ueckmann mit einer Lebenserfahrung, die der ungarische Schriftsteller Imre Kertész in seinem in deutscher Sprache unter dem Titel Ich – ein anderer sinngemäß folgendermaßen zum Ausdruck gebracht habe: „Es ist etwas anderes sich zu Hause heimatlos zu fühlen als in der Fremde, wo man in der Heimatlosigkeit ein Zuhause finden kann.“8 Cécile Wajsbrot erklärt sodann ausführlich, warum diese aphoristische Beobachtung ihr eigenes Lebensgefühl so treffend wiedergibt:
Je me suis toujours sentie un peu étrangère en France, en tout cas pas comme les Français de souche, comme on dit. Donc toujours un peu différente, étrangère alors que je suis née en France, que ma langue maternelle est le français. Si je sens une différence à Berlin, c’est normal parce que je suis vraiment étrangère, je suis réellement une Française à Berlin, une Française en Allemagne. En France, ce n’est pas normal que je ne me sente pas tout à fait française comme les autres. Il est plus confortable que la réalité coïncide avec le sentiment intérieur.9
Unter dem Einfluss der migratorischen Geschichte ihrer Familie und ihrer eigenen Biographie hat sich Cécile Wajsbrot im Laufe ihrer schriftstellerischen Entwicklung in der Auseinandersetzung mit und auf der Suche nach ihren eigenen Wurzeln, ihrer „origine“, immer wieder „zwischen den Welten“ bewegt, ohne dabei der Gefahr zu erliegen, die Perspektive ihres Schreibens auf Einzelschicksale, und sei es ihr eigenes Leben, zu fokussieren. Allerdings wurde für sie wie für viele andere Autorinnen und Autoren mit einem ähnlichen biographischen Hintergrund die eigene oder, wie in ihrem Fall, die durch den Abstand der Generationen nur noch mittelbar erlebte Erfahrung der Migration zu einem bestimmenden Movens ihrer „quête littéraire“ in sehr unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungsräumen.10

1.2 Grundpositionen Cécile Wajsbrots zur Bedeutung und Funktion des Romans

Cécile Wajsbrot hat sich mehrfach in literaturhistorisch und literaturtheoretisch argumentierender Form zur Bedeutung und Funktion der Literatur geäußert, wobei sie sich im Wesentlichen auf den Roman bezieht.1 Schon 1999 beklagt sie, dass der klassische Begriff der „littérature“ der Vergangenheit angehöre und einer weitgehend sinnentleerten Vorstellung von „écriture“ gewichen sei.2 Sie versäumt nicht, ihre eigenen Vorstellungen von „littérature“ zu entwickeln. Dabei fühlt sie sich einerseits dem literaturgeschichtlichen Erbe verpflichtet, andererseits will sie sich aber auch nicht mit der Beibehaltung alter Strukturen und Erzählungen begnügen, sondern unter Berücksichtigung aller Brüche und neuer Entwicklungen Kontinuität pflegen und Eigenständigkeit leben.3
Den Vorwurf des literarischen und geschichtlichen Kontinuitätsbruchs richtet Cécile Wajsbrot an Theoretiker des Nouveau Roman, namentlich an Nathalie Sarraute und Alain Robbe-Grillet:
[…] Nathalie Sarraute dans l’Ère du soupçon et Alain Robbe-Grillet dans Pour un nouveau roman édifiaient la théorie des villes nouvelles du roman, réfutant toute narration, toute présence d’un récit, de personnages, pour accepter comme seul élément fiable de la littérature, comme base unique sur laquelle elle pourrait reposer, pour n’accepter que le langage.4
Nathalie Sarraute habe „bei vollem Bewusstsein“ (en pleine conscience) die Frage gestellt, wie man nach der Katastrophe des 20. Jahrhunderts noch an die „Menschheit“ bzw. an „Menschlichkeit“ (humanité) und an die den Roman bevölkernden literarischen Figuren glauben könne. Der vor der Katastrophe die Augen verschließende Robbe-Grillet habe im Namen des „Überdrusses und der Langeweile“ (ennui) die „Tyrannei der Sinnhaftigkeit“ (la tyrannie du sens) angeprangert, sich aber nicht im Gefolge Camus’ oder Becketts der Theorie des Absurden, sondern in gewisser Weise der „l’art pour l’art“- Bewegung des 19. Jahrhunderts verschrieben, mithin einer Literaturform „[…] dont l’élégance suprême serait de ne rien dire, de ne rien signifier“5.
Der Kontinuitätsbruch ist indes in einen größeren Rahmen einzuordnen. Die Schriftsteller – und die Intellektuellen – haben sich mit ihrer Haltung des „Wegsehens“, wie C. Wajsbrot 1999 feststellt, lange Zeit lediglich dem „mainstream“ der französischen Gesellschaft angeschlossen. So haben sie die Zeit von 1939 bis 1945, den Schrecken der Naziherrschaft mit der von allgemeinem Schweigen begleiteten systematischen Vernichtung der europäischen Juden, die Okkupation und Kollaboration und ihre Folgen, aber auch den Abwurf der ersten Atombombe von den 50er bis in die 70er Jahre und sogar „[…] jusqu’à aujourd’hui […]“6 ausgeblendet und stattdessen lieber gegen den Einsatz der USA in Vietnam protestiert. Die Autorin mag von der Idee des „péché originel“, der Erbsünde und ihrer Wirkungen, geleitet worden sein, wenn sie feststellt: „Notre scène originelle, c’est Vichy, et comme toute scène originelle, elle gît dans la pénombre d’un inconscient qui ne demande qu’à oublier.“7 Die Erinnerung an den Krieg sei zwar überall – „[…] sur les plaques des immeubles, dans les rues des villes et des grandes capitales, sur le calendrier et sur les monuments aux morts, partout […]“ – 8 gegenwärtig, nicht jedoch in der Literatur. Und wenn sich die zeitgenössische Literatur in Frankreich mit Vichy-hörigen faschistischen Autoren wie Céline oder Brasillach noch immer arrangiere, dann übersehe man geflissentlich die von ihnen vermittelten Inhalte, um sich an ihrem Stil zu delektieren: „[…] il faudrait écouter la musique et non les paroles.“9 Mit ihrer resignierenden Feststellung „Céline est à l’image de la France […]“10 schließlich bringt Cécile Wajsbrot zum Ausdruck, dass ihrer Meinung nach die zeitgenössische Literatur Frankreichs durch eben diese Negation des Inhalts auf die Stufe der reinen „écriture“ herabgesunken ist. Hingegen stehe die Erinnerung an den Krieg in den Literaturen Zentraleuropas, von Deutschland bis Russland
[…] au cœur des romans, au cœur de la réflexion de ceux qui l’ont vécue comme de ceux qui sont nés après, d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Für M.J.A.
  6. Die vorliegende Studie Das ...
  7. Einleitung
  8. ERSTER TEIL (A) CÉCILE WAJSBROT UND DIE BEDEUTUNG VON RAUM UND BEWEGUNG IN DER ERZÄHLENDEN LITERATUR
  9. 1 Cécile Wajsbrot
  10. 2 Darstellung des literarischen Raums
  11. ZWEITER TEIL (B) ANALYSE DER LITERARISCHEN SUCHBEWEGUNGEN IM ERZÄHLWERK CÉCILE WAJSBROTS
  12. 1 Inhaltliche und methodische Entscheidungen
  13. 2 Themenfeld I
  14. 3 Themenfeld II
  15. 4 Themenfeld III
  16. 5 Die kurzen Erzähltexte
  17. DRITTER TEIL (C) ZUSAMMENFASSUNG UND VERTIEFUNG
  18. 1 Vorbemerkung
  19. 2 Entwicklungslinien der räumlichen und ideellen Zielsetzungen der Suchbewegungen
  20. 3 Schlussfolgerungen
  21. ANHANG
  22. Inhaltlich-strukturierte Zusammenfassungen
  23. Literaturverzeichnis
  24. Fußnoten