Die größten Täuschungen der Geschichte
eBook - ePub

Die größten Täuschungen der Geschichte

  1. 256 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Die größten Täuschungen der Geschichte

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Johannes Seiffert entführt seine Leser unterhaltsam, spannend und mitunter provokativ ins weite Feld der bewussten Fälschungen und Umdeutungen von historischen Begebenheiten bis hin zur regelrechten Lüge, um die Geschichtsschreibung in eine bestimmte Richtung zu lenken. Anhand von über 30 exemplarischen Fällen entschlüsselt er Mythen und Mythologien von der Regierungszeit Friedrichs II. des Großen über Geheimnisse und Geheimes rund um die Staatengründungen der DDR und der Bundesrepublik bis hin zu aktuellen Ereignissen, wie den Kriegen im Irak, in Afghanistan und anderorts, und bringt so Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Irreführungen ans Tageslicht. Johannes Seiffert deckt die Lügen auf, betrachtet kritisch angeblich unumstößliche Tatsachen und analysiert, wie es wirklich gewesen ist. Zeitgeschichte, die sich spannender als jeder Krimi liest!

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Die größten Täuschungen der Geschichte von Johannes Seiffert im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus History & History Reference. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2016
ISBN
9783958415300
Auflage
1
Thema
History
Tod John F. Kennedys in Dallas am
22. November 1963
Gerade noch fuhr der leutselig lächelnde John F. Kennedy mit seiner Autokolonne in einer offenen Limousine mittags durch Dallas, winkte den jubelnden Menschen an der Dealey Plaza zu. Zwei Stunden später war der Präsident tot und Lyndon B. Johnson als sein Nachfolger vereidigt. Der gewaltsame Tod des US-Präsidenten hat den Lauf der Weltgeschichte verändert. Er ist bis heute von zahlreichen Merkwürdigkeiten und Unklarheiten umgeben, die »wirkliche Wahrheit« bis heute nicht vollständig ans Licht gekommen. Lassen Sie uns gemeinsam die bekannten Fakten und die prominentesten Theorien zu Tatablauf und Hintergründen unter die Lupe nehmen.
Zunächst das Geschehen in Kurzform: John F. Kennedy, 35. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, besuchte am 22. November 1963 die texanische Stadt Dallas auf einer Wahlkampfreise (1964 standen Präsidentenwahlen an, Kennedy wollte sich eine zweite Amtszeit sichern). Während eines Autokorsos durch die Stadt wurde der 46-jährige Kennedy mittags um genau 12.30 Uhr von Gewehrschüssen tödlich getroffen. Als Tatverdächtigen verhaftete die Polizei wenige Stunden später einen jungen, etwas verstörten Mann namens Lee Harvey Oswald, der wiederum zwei Tage später von dem bekannten Mafioso und Nachtclubbesitzer Jack Ruby erschossen wurde. Ruby erhielt eine langjährige Haftstrafe und starb hinter Gittern an Krebs, ohne jemals seine Auftraggeber genannt zu haben. Die von Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson eingesetzte und mit der Untersuchung des Attentats beauftragte Warren-Kommission kam zu dem Ergebnis, bei Oswald habe es sich um einen Einzeltäter gehandelt. Genau dies ist bis heute umstritten. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Verschwörungstheorien zum Kennedy-Mord. Diese wurden begünstigt durch die Tatsache, dass die Aufklärung des Mordfalls von Beginn an eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen, von »merkwürdigen« Versäumnissen und haarsträubenden Fehlern der Ermittlungsbehörden, Ärzte und Untersuchungskommissionen war. Für die öffentliche Meinung innerhalb und außerhalb der USA besteht heute kein Zweifel mehr daran, dass Kennedy einer Verschwörung zum Opfer fiel.
Der seit drei Jahren amtierende, von einer äußerst wohlwollenden Presse begleitete, jugendlich wirkende Präsident hatte auf der Reise nach Dallas seine Traumfrau Jackie dabei (das Weiße Haus wurde während seiner Präsidentschaft als »Camelot« bezeichnet, also als der legendäre Hof des Sagenkönigs Artus, mit dem er gern verglichen wurde aufgrund seines strahlenden Lachens und seines gewinnenden Wesens). Die heute bekannte Geschichte seiner schon früh zerrütteten Ehe, die zu diesem Zeitpunkt nur noch öffentlich bestand, seiner Sex- und Medikamentensucht, der Rolle von »Big Money« während seiner Präsidentschaft, seiner im Grunde äußerst konservativen Präsidentschaft, seiner Vorliebe fürs Militär lagen damals noch im Dunkeln. Der Empfang durch die Bevölkerung von Dallas war überwiegend freundlich, obwohl Texas als konservativ geprägter Bundesstaat kein »Kennedy-Staat« war und er mit vielen seiner Thesen und Wahlkampfreden hier im konservativen Milieu stark angeeckt hatte. Tatsächlich gab es in diesem Milieu Gruppierungen, die Kennedy offen feindselig gegenüberstanden. Doch die Stimmung an diesem Tag wurde davon nicht beeinflusst, die Menschen jubelten Kennedy und seiner in den Klatschgazetten zu einem Wunder an Eleganz und Lebenskunst hochstilisierten Frau zu. Kennedy hatte seine Frau gezielt mitgenommen, um durch sie positiv zu punkten. Dallas galt damals wie heute als »Brutstätte des rechtsextremen Konservatismus«. Eine besonders lautstarke Gruppierung namens »Ermittlungsausschuss frei und amerikanisch denkender Bürger« schaltete am Tag seines Besuchs eine großformatige Zeitungsanzeige, in der Kennedy vorgeworfen wurde, er habe die Monroe-Doktrin gegenüber Moskau aufgegeben und damit amerikanischen Interessen massiv geschadet. Das war eine Anspielung auf die Kuba-Politik des Präsidenten, die nach Schweinebucht und Kuba-Krise, als der Dritte Weltkrieg unmittelbar bevorzustehen schien, deutlich zurückhaltender geworden war. Ein Flugblatt wurde entlang der Strecke verteilt, dass Kennedy per Steckbrief wegen Hochverrats gesucht werde.
Wenige Tage zuvor war ein geplanter Autokorso Kennedys durch Miami abgesagt worden, weil dem FBI konkrete Anhaltspunkte für ein Attentat vorlagen. In Dallas waren die Sicherheitsvorkehrungen dennoch auffallend schwach: Gerade einmal 350 Polizisten verteilten sich entlang der kilometerlangen Autokorso-Strecke. Von seiner Leibwache waren nur 28 Secret-Service-Agenten nach Dallas beordert worden, zwölf begleiteten die Autokolonne selbst. Deren Route führte durch die gesamte Innenstadt von Dallas bis zum Messegelände, wo Kennedy eine Wahlkampfrede halten wollte. Thema der Rede war die Fortsetzung des militärischen Engagements der USA in Vietnam, durch das sich Kennedy als zuverlässiger Hüter amerikanischer Interessen weltweit positionieren wollte. Anders als in Tampa (Florida), das Kennedy wenige Tage zuvor besuchte, waren auf den Hausdächern entlang der Strecke keine Polizei-Scharfschützen postiert. Kennedy fuhr in einem 1961er Lincoln Continental X-100 mit offenem Verdeck. Auf ausdrücklichen Wunsch des Präsidenten fuhren in der Limousine nur zwei Leibwächter mit, einer als Chauffeur und einer auf dem Beifahrersitz. Die übrigen Personenschützer des Secret Service fuhren in gesonderten Fahrzeugen vor und hinter der Präsidenten­limousine.
Außer Kennedy und seiner Frau saßen noch der äußerst konservative, Kennedy nicht gerade freundschaftlich verbundene texanische Gouverneur John Connally, dessen Frau Nellie sowie der Fahrer William Greer und ein Sicherheitsbeamter, beide vom Secret Service, mit im Wagen. Knapp vier Kilometer vor dem Ende der »Schaufahrt« rollte die Wagenkolonne die Houston Street hinunter, bog dann auf die Dealey Plaza ein und fuhr direkt auf das texanische »Schulbuchlager« zu, um dort ein weiteres Mal abzubiegen. Um exakt 12.30 Uhr Ortszeit fielen drei Gewehrschüsse. Nach der später amtlich anerkannten Einzelprojektil-Theorie der Warren-Kommission (siehe unten) ging der erste Schuss fehl, die zweite Kugel durchschlug Kennedys Hals, Connallys Brust, Handgelenk und Oberschenkel. Connally fiel seitlich auf den Schoß seiner neben ihm sitzenden Frau. Da Kennedy wegen seiner Rückenprobleme ein Korsett trug, musste er aufrecht sitzen bleiben. Der dritte Schuss traf ihn in den Kopf und verletzte den Präsidenten schwer. Jackie Kennedy kletterte auf das Heck der Limousine, der Secret-Service-Agent Clint Hill, der inzwischen auf den Wagen aufgesprungen war, schob sie in ihren Sitz zurück. Der Fahrer, der nach dem zweiten Schuss abgebremst hatte, um sich nach dem Präsidenten umzusehen, beschleunigte nun den Wagen, um ihn aus der Schusslinie zu bringen.
Fünf Minuten später traf die Präsidentenlimousine in der Notaufnahme des Parkland Memorial Hospitals ein. Die fahle Hautfarbe, die fehlende Reaktion der Pupillen auf Lichtreize deuteten schon auf einen todesähnlichen Zustand hin, noch schlug das Präsidentenherz jedoch. Gleichzeitig traten große Mengen Blut und Hirnmasse aus der klaffenden Kopfwunde aus. Eine genauere Untersuchung der Wunde fand nicht statt. Vermutlich war Kennedy bereits bei der Einlieferung hirntot. Gegen 13 Uhr wurde er von den Ärzten offiziell für tot erklärt. In einer improvisierten Pressekonferenz gab der Pressesprecher des Präsidenten den Tod Kennedys bekannt. Nach texanischem Recht hätte der Leichnam nun für die weiteren Untersuchungen in Dallas bleiben müssen. Secret-Service-Agenten und Jackie Kennedy setzten jedoch durch, dass er zur Obduktion ins Bethesda Naval Hospital bei Washington geflogen wurde. Lyndon B. Johnson wurde an Bord des Flugzeugs als 36. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt.
Im Bethesda Naval Hospital obduzierten drei Ärzte von acht Uhr abends bis Mitternacht Kennedys Leichnam. Der Bruder des Präsidenten, Justizminister Robert F. Kennedy, und Jackie Kennedy waren im Krankenhaus anwesend und warteten auf den Abschluss der Untersuchungen. Aus diesem Grund unterblieben mehrere Standardprozeduren wie eine Kopfrasur zur Freilegung der tödlichen Wunde oder ein Vergleich der Einschusslöcher in Körper und Kleidung, denn diese war in Dallas geblieben. Auch ein Abgleich der Ergebnisse mit denen des Park­land Hospitals fand nicht statt. Im Unterschied zu den Ärzten in Dallas kam man im Naval Hospital zu dem Schluss, dass die beiden Schüsse Kennedy von hinten getroffen hatten, und fand auch die Einschusslöcher an Kennedys Hals und Kopf. Drei Tage später wurde John F. Kennedy auf dem Nationalfriedhof Arlington beigesetzt.
Unmittelbar nach dem Attentat waren Sicherheitskräfte zum Schulbuchlager gerannt, in dessen Fenster einige Passanten und Besucher den Schützen gesehen haben wollten. Andere rannten in die entgegengesetzte Richtung, zu einem Grashügel am Rand des Platzes, weil sie glaubten, die Schüsse seien von dort gekommen. Sie suchten auf dem angrenzenden Parkplatz und dem Eisenbahngelände dahinter nach dem oder den Attentätern. Die Polizisten stießen in einem abgestellten Güterwaggon auf drei »Landstreicher«. Diese wurden festgenommen, nach drei Tagen aber wieder freigelassen. Der Attentäter, Lee Harvey Oswald, ein 24-jähriger Ex-Marine und Gelegenheits­arbeiter, befand sich zu diesem Zeitpunkt noch im Schulbuchlager, wo er seit knapp einem Monat beschäftigt war. In der Kantine des Gebäudes wurde er von einem Polizisten kontrolliert. Oswalds Vorgesetzter Roy Truly bezeugte, dass Oswald zur Belegschaft gehörte, und so konnte der Attentäter das Gebäude verlassen, bevor es von Sicherheitskräften abgeriegelt wurde. Er lief mehrere Blocks zu Fuß, bestieg dann einen Omnibus, der jedoch wegen des Verkehrsstaus in der gesamten Innenstadt nicht vorankam. Daher stieg er nun in ein Taxi, das ihn in der Nähe seines Wohnsitzes in Oak Cliff absetzte, einem Vorort von Dallas. Gegen 13 Uhr kam Oswald in seiner Wohnung an, gerade rechtzeitig, um im Radio die Nachricht vom Tod des Präsidenten zu hören.
Kurz nach dem Attentat gab die Polizei bereits eine Personenbeschreibung des mutmaßlichen Attentäters durch, den mehrere Zeugen am Fenster des Schulbuchlagers gesehen haben wollten. Oswald verließ nach wenigen Minuten seine Wohnung erstaunlicherweise wieder (obwohl die ein perfektes Versteck für die nächsten Stunden abgegeben hätte) und lief Richtung Bahnhof, um die Stadt per Zug zu verlassen. Ein Polizist hielt Oswald an. Nach kurzem Wortwechsel erschoss Oswald den Polizisten und floh. Die Polizei nahm die Verfolgung auf und stellte Oswald in einem Kino. Weil er sich widersetzte, kam es zu einer kurzen Rangelei, bei der Oswald im Gesicht verletzt wurde. Vor dem Kino standen Hunderte wütender Menschen, die Oswald lynchen wollten, da sie glaubten, die Polizei habe ihn wegen des Kennedy-Attentats und nicht wegen des Mordes an dem Streifenpolizisten festgenommen.
Bei der Durchsuchung des Schulbuchdepots fand die Polizei im fünften Stock ein Gewehr Marke Mannlicher-Carcano (Italien) aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, mit Zielfernrohr, daneben lagen drei Patronenhülsen. Auf der Waffe fand sich ein Handballenabdruck Oswalds (aber keine Fingerabdrücke von ihm). Die ballistische Untersuchung des Projektils, das Connallys Oberschenkel verletzt hatte, ergab Übereinstimmungen mit dem Gewehrlauf. Gewehr und einen Revolver hatte Oswald in den Monaten zuvor unter dem Alias »Alek Hidell« per Post bestellt. Oswald selbst – mittlerweile im Hauptquartier der Polizei in Dallas angekommen – wurde vom FBI und der Polizei unter chaotischen Umständen vernommen. Protokolle wurden nicht angefertigt, die Presse hatte freien Zutritt zum Polizeigebäude. Oswald stritt konsequent jede Verwicklung in den Anschlag ab und rief, man wolle ihn zum »Sündenbock« machen.
Die Polizei beschloss zwei Tage später, Oswald vom Hauptquartier ins Bezirksgefängnis von Dallas zu überstellen. Obwohl erste Morddrohungen bereits eingegangen waren, wurde der Termin gegenüber der Presse bekanntgegeben. Am Sonntag, den 24. November 1963, gegen halb zwölf mittags begaben sich die Wachen mit ihm in die Tiefgarage des Polizeihauptquartiers, wo sich auch Jack Ruby aufhielt. Ruby rief: »Du hast meinen Präsidenten getötet, du Ratte«, und feuerte vor laufenden Fernsehkameras auf Oswald, der mit einem Bauchschuss ins Parkland Memorial Hospital gebracht wurde, wo er kurz darauf starb. Ruby wurde ein halbes Jahr später zum Tode verurteilt. Noch während er auf seinen Berufungsprozess wartete, starb er Anfang Januar 1967 an einer »Lungenembolie«. Angeblich hatte er geschossen, um der von ihm verehrten Jackie Kennedy eine Zeugenaussage im Prozess zu ersparen. Zudem habe er den Verdacht, hinter der Ermordung des Präsidenten stecke eine jüdische Verschwörung, entkräften wollen.
Der Tod des Präsidenten traf die Öffentlichkeit wie ein Schock. Im In- und Ausland äußerten Politiker ihre tiefe Betroffenheit. In Westberlin versammelten sich am 25. November 250.000 Menschen vor dem Rathaus Schöneberg, wo Kennedy wenige Monate zuvor seine »Ich bin ein Berliner«-Rede gehalten hatte. Der Westberliner Bürgermeister Willy Brandt, seit langem Amerika herzlich verbunden, sagte, eine Flamme sei erloschen für alle Menschen, die auf einen gerechten Frieden und auf ein besseres Leben hofften, die Welt sei an diesem Abend ärmer geworden. Eine noch im November 1963 durchgeführte Umfrage ergab, dass in Amerika große Scham darüber vorherrschte, dass »so etwas in unserem Land geschehen« konnte. Nur ein knappes Drittel der Amerikaner glaubte laut Umfragen zu diesem Zeitpunkt an eine Alleintäterschaft Oswalds, wie sie die Mainstream-Presse propagiert hatte. Die Zweifel beruhten unter anderem auch darauf, dass der Täter Oswald so kurz nach der Tat durch Ruby erschossen worden war. Man vermutete, Oswald habe mundtot gemacht werden sollen.
Besonders in Europa wurden in der Presse bald Zweifel an der Alleintäterthese laut. In Großbritannien wurde ein Who-Killed-Kennedy-Komitee gegründet, dem Bertrand Russell, der Verleger Victor Gollancz und der Historiker Hugh Trevor-Roper angehörten. Der Mord an Kennedy wurde generell als historische Zäsur empfunden. Die negativen Seiten der US-Politik wurden nun stärker Gegenstand der Berichterstattung in Europa, von den Rassenunruhen über die Morde an Martin Luther King und Robert Kennedy, den Vietnamkrieg bis hin zur Watergate-Affäre. Parallel zum zunehmend negativ eingefärbten Amerikabild entstand ein immer stärker alles andere überdeckender Kennedy-Mythos, der den Präsidenten zu einer Lichtgestalt machte. Noch 2003 erklärte eine Mehrzahl der Amerikaner Kennedy zum größten amerikanischen Präsidenten seit Abraham Lincoln. Gleichzeitig verstärkten sich mit den Jahren die Zweifel an der Einzeltäterthese. Kennedys Witwe Jackie hatte kurz nach der Tat ihre Verwunderung darüber geäußert, dass ein »alberner, kleiner Kommunist« ihren Mann ermordet haben sollte. Die Zeitschrift Esquire listete schon 1966 sechzig verschiedene Verschwörungstheorien zum Kennedy-Attentat auf. Die Zweifel wurden noch verstärkt, als der im September 1964 vorgelegte Bericht der Warren-Kommission kein plausibles Tatmotiv des »Einzeltäters« Oswald benennen konnte. Die mittlerweile unüberschaubare Zahl von Verschwörungstheorien zum Kennedy-Mord hängen natürlich mit der Prominenz dieses Verbrechens und dem weitverbreiteten Glauben an Fälschungen und Manipulationen von Beweisen zusammen.
Unmittelbar nach dem Attentat auf Kennedy übernahm die US-Bundespolizei FBI die Ermittlungen. Am 9. Dezember 1963, nur 17 Tage nach dem Attentat, wurde der Ermittlungsbericht des FBI veröffentlicht. Darin wurde offiziell mitgeteilt, dass drei Schüsse abgefeuert worden seien. Der erste habe Kennedy in den Rücken getroffen, der zweite Connally, der dritte sei der tödliche Kopftreffer gewesen. Einer der Gründe für das FBI, die Untersuchung (und damit die öffentliche Diskussion über den Fall) möglichst rasch zu beenden, bestand darin, dass das FBI befürchtete, in diesem Zusammenhang in schlechtes Licht zu geraten. Nicht nur hatten das FBI und die anderen Geheimdienste der USA das Attentat nicht verhindern können. Zusätzlich stellte sich heraus, dass ein FBI-Agent bereits in den Wochen vor dem Attentat Informationen über Oswald gesammelt hatte, aber keinerlei Gefahr für den Präsidenten erkannt haben wollte. Oswald war als angeblich »bekennender Marxist«, der von 1960 bis 1962 in der Sowjetunion gelebt hatte, ins Fadenkreuz des FBI geraten. Eine Beschwerde Oswalds über die »Nachstellungen des FBI« und weitere Unterlagen wurden nach Oswalds Ermordung vernichtet.
Als parlamentarisches Nachspiel zum Attentat wurde Ende 1963 die Warren-Kommission einberufen, um die näheren Umstände des Anschlags zu untersuchen. Benannt nach ihrem Vorsitzenden Earl Warren, damals Oberster Richter am Supreme Court, umfasste die Kommission neben Warren sechs Mitglieder. Zu ihnen gehörte auffallenderweise mit Allen Welsh Dulles ein ehemaliger Direktor des US-Geheimdienstes CIA, den Kennedy wegen der misslungenen Invasion Kubas 1962 entlassen hatte – jemanden, der damit automatisch »Partei« war, in eine solche Kommission zu berufen, war schon recht merkwürdig. Zu den weiteren Kommissionsmitgliedern gehörten der spätere US-Präsident Gerald Ford sowie der in der BRD wohlbekannte, ehemalige »Hohe Kommissar« für Westdeutschland, John Jay McCloy. Die Kommission stand unter großem Zeitdruck, da ihr Bericht vor der »heißen Phase« des nächsten Präsidentschaftswahlkampfes im Sommer 1964 fertig werden sollte. In 51 Sitzungen wurden mehr als 600 Zeugen befragt und rund 3.000 Beweisstücke begutachtet. Wiederholt Einfluss auf die Ermittlungen nahmen Ford, der den Obduktionsbericht änderte, und Dulles, der unter anderem dafür sorgte, dass die von der CIA geplanten Attentate auf den kubanischen Revolutionsführer Castro nicht thematisiert wurden.
Nach zehnmonatiger Arbeit wurde im September 1964 der rund 900 Seiten umfassende Abschlussbericht veröffentlicht, der sogenannte Warren-Report, im Laufe der nächsten Jahre auch die 26 Bände mit Anhörungsprotokollen und Unterlagen. Die Warren-Kommission befand abschließend, dass Oswald der alleinige Täter gewesen sei und es keine wie auch immer geartete Verschwörung im Hintergrund gegeben habe. Als Motiv konnte die Kommission nur eine »psychische Zerrüttung« Oswalds benennen. Auch Oswalds Ermordung sei keine Verschwörung gewesen, Schütze Ruby habe spontan und allein gehandelt. Die Kommission kritisierte allerdings das »Missmanagement« im Personenschutz von US-Präsidenten (also des damit beauftragten »Secret Service«), der in der Folge deutlich verbessert wurde. Der Warren-Report wurde von Anfang an stark kritisiert. Vor allem die These, dass ein einziges »magisches Projektil« sieben Verletzungen an Kennedy und Connally verursacht haben solle, stieß auf Ablehnung. Zudem sickerte durch, dass die Kommission Hinweisen, die auf mehr als einen Täter deuteten, nicht weiter nachgegangen sei. Auch die Vorgehensweise und Ergebnisse des FBI wurden von der Kommission nicht problematisiert, von den Fotografien und Röntgenaufnahmen, die während der Autopsie angefertigt wurden, lag keine einzige der Kommission vor. Kennedys Nachfolger Johnson lobte den Bericht der Kommission nach der Veröffentlichung, bezweifelte jedoch gegenüber Vertrauten deren Schlussfolgerungen. Johnson vermutete, dass die Ermordung Kennedys mit den geheimen CIA-Attentaten auf ausländische Staatsführer in Verbindung stehe. Aus heutiger Sicht hat die Kommission keine unvoreingenommene, ergebnisoffene Untersuchung des Falles durchgeführt und die Möglichkeit, dass andere Täter im Spiel waren oder Oswald völlig unschuldig sein könnte, mehr oder weniger vorab schon ausgeschlossen.
Zweifel an den Ergebnissen der Warren-Kommission wurden von offizieller Seite erstmals mit den von Staatsanwalt Jim Garrison aus New Orleans im März 1967 angestrengten Untersuchungen geäußert, mit denen er nachweisen wollte, dass das Kennedy-Attentat Ergebnis einer Verschwörung der CIA gewesen sei. Oswald, so Garrisons These, habe zusammen mit dem Piloten David Ferrie, bei dem Oswald als Jugendlicher eine militärische Vorausbildung absolviert hatte, und Clay Shaw, einem undurchsichtigen Geschäftsmann, die Verschwörung ins Leben gerufen, Shaw habe für die CIA gearbeitet. Garrison ließ Shaw wegen Mittäterschaft verhaften und präsentierte im Laufe der Verhandlungen Indizien, die gegen die Alleintäterschaft Oswalds sprachen. Der Staatsanwalt vermutete, dass Oswald im Auftrag der CIA tätig gewesen sei, und zwar innerhalb eine...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Christentum und Katholische Kirche
  3. Nero
  4. Wilhelm Tell und der Rütlischwur
  5. Russland-Bashing und seine Vor-geschichte – »Eyn grobs ungeschikts volck«
  6. Friedrich II. »der Große«
  7. Luther
  8. Bismarck und die Reichseinigung
  9. Alfred Redl
  10. Russische Revolution
  11. Tod John F. Kennedys in Dallas am 22. November 1963
  12. Nachwort