Kaleidoskop Kluge
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Kaleidoskop Kluge

Alexander Kluges Fortsetzung der Kritischen Theorie mit narrativen Mitteln

  1. 451 Seiten
  2. German
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Kaleidoskop Kluge

Alexander Kluges Fortsetzung der Kritischen Theorie mit narrativen Mitteln

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Über dieses Buch

Alexander Kluge, so die These dieser außergewöhnlichen Studie, befreit die Kritische Theorie aus ihrer diskursiven Verschanzung der letzten Jahrzehnte und verknüpft sie auf ästhetische wie bildungsphilosophische Weise wieder mit Gesellschaft. Dabei arbeitet Kluge, wie Christoph Streckhardt zeigt, im Grunde nach vier Prinzipien: Entschleunigung, Subjektivierung, konstellative Darstellung sowie kooperative Gegenproduktion. Mit allen Freiheiten eines multimedial agierenden Erzählers gelinge es ihm darüber hinaus, auch die theoretischen Grundlagen insbesondere die Walter Benjamins und Theodor W. Adornos weiterzuentwickeln.Die Studie wird eingerahmt von zwei exklusiven Interviews mit dem "Hofpoeten" der Frankfurter Schule. Zusätzlich gewährt sie spannende Einblicke in bislang unveröffentlichtes Material wie verlagsinterne Protokolle aus dem Siegfried Unseld Archiv (Deutsches Literaturarchiv Marbach) oder die Briefkorrespondenz zwischen Kluge und Adorno aus dem Theodor W. Adorno Archiv (Berliner Akademie der Künste). Als ein Novum in der Kluge-Forschung erläutert sie zudem in einem etwa 30-seitigen lexikon-untypischen Kluge-Lexikon zentrale Schlüsselbegriffe und -motive.Der Autor war mit diesem Buch für den "Opus Primum", den Förderpreis der VolkswagenStiftung für die beste wissenschaftliche Nachwuchspublikation des Jahres 2016 nominiert.

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1 Thekengespräch in der Cinémathèque

Aus einem persönlichen Gespräch vom 27. April 2013 während der mehr als einmonatigen Filmschau Alexander Kluge Rétrospective – Prospective. Odyssée Cinéma der Cinémathèque française vom 24. April bis 3. Juni 2013 in Paris stammen die nun folgenden Seiten.
Wenn nun in diesem geschichtsträchtigen Institut ganze sechs Wochen lang jeden Tag Kluges große Kinofilme wie auch kleine Minutenfilme gespielt werden, werden nicht nur besondere Einschnitte der Geschichte, die in seinen Filmen behandelt werden, in die Gegenwart geholt und mit dieser konfrontiert, auch tote Filmarbeit wird durch seinen Namen und die Namen, die ihn umgeben, stimuliert und wiederbelebt – die Bewegungen der Nouvelle Vague und des Neuen Deutschen Films sind schließlich Schwestern. Sofort blitzen Namen wie Godard und Langlois auf. Zudem wird die Cinématèque nicht von ungefähr „Gedächtnis des Kinos“ genannt. Oder ist das nur ein nostalgisches Gefühl und in Wirklichkeit herrschen längst institutionelle „Trägheitsverhältnisse“? Mindestens zwei Dinge sprechen sofort dagegen, zumindest formal: Wenn man allein sieht, wie oft das Institut seinen Ort in der Stadt gewechselt hat (übrigens immer intra muros und immer in Reichweite zur Seine), dürfte es immer wieder neue Impulse ausgelöst haben. Das derzeitige Gebäude jedenfalls ist ohne Frage ein besonderes. Entworfen hat es Frank Gehry. Ich musste an ein Gebäude von ihm in Prag denken, vor allem weil ich es mit dem bekannten Marx-Zitat verbinde: Es heißt „Das tanzende Haus“ („Man muss die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen zwingen.“). Das konnte ich Alexander Kluge leider nicht mehr sagen, denn dann ging es weiter für ihn mit dem Programm. In einer der „Pausen“ nahm er sich die Zeit für ein Gespräch, das wir einige Monate später dann am Telefon fortsetzten.
Es ist ordentlich was los an diesem Tag im Café und Restaurant der Cinémathèque, das mit der „51“ die Hausnummer im Namen trägt. Uns umgibt ein lautes Gemurmel aus Französisch, Deutsch, Englisch, fremde Gesprächsfetzen sind zu vernehmen, fließen mit ein, Leute kommen und gehen, stehen oder sitzen, essen, trinken, diskutieren, lachen, Musik dudelt, Gläser klirren. Es ist eine lebendige und ungezwungene, eine urbane Atmosphäre, eben: ein Thekengespräch.
  • Kluge: […] Wenn Sie mir noch einmal kurz in Erinnerung rufen könnten, an was Sie genau arbeiten?
  • CS:
    Gern. Ich beschäftige mich in meiner Arbeit mit Ihrem Werk aus einer philosophischen Perspektive heraus, weil meines Erachtens, und für mich unverständlich, eine solche vollkommen fehlt. Ich bin davon überzeugt, dass einem dadurch etwas Entscheidendes entgeht. Konkret gesagt, geht es mir um Kritische Theorie – und zwar als Erzählung. Meine Arbeit wagt den Titel: „Die Fortsetzung Kritischer Theorie mit epischen Mitteln.“
  • Kluge: Das ist ein sehr schöner Titel, den Sie da gewählt haben. Vielleicht besser „narrativ“. Obwohl, „episch“ können Sie auch sagen.
  • CS:
    An dieser Stelle bin ich mir auch unsicher. Ich will die Verwandtschaft zum epischen Theater so gern dabei haben, auch wenn das natürlich nicht der einzige Verwandtschaftsgrad Ihrer Arbeit ist und gleichzeitig ist der Begriff auch irreführend, weil er so viel bedeutet, weil er anderes ausschließt, was ich nicht ausschließen möchte. Mit „episch“ meine ich nicht Buddenbrooks, sondern natürlich eher Brecht. Wiederum ist es ja keine Moralveranstaltung, hier habe ich eher Verfremdungseffekte, Multimedia oder den Einsatz von Musik im Sinn …
  • Kluge: Sie verfolgen da einen richtigen Gedanken. Das Thema, Philosophie mit Erzählung zu begleiten, ist ein Uraltthema der Kritischen Theorie. Wenn man eine Enzyklopädie je neu schreiben würde, müsste man sie mindestens in sechs oder sechzehn Sprachen und in Dialekten gleichzeitig schreiben. Man müsste sie in einer plebejischen Ausdrucksweise und in einer individuellen gleichzeitig schreiben. Und das Cross-Mapping davon, diese Differenz davon, ist die wirkliche Information und die Enzyklopädie, also die Spannung.
    Wenn Sie z.B. das russische Wort für Liebe nehmen, oder für Wasser nehmen, oder Sie nehmen das russische Wort für Haut – das heißt „Leder“; aber das Chagrinleder bei Balzac ist etwas anderes als „Haut“ und „Leder“ sich zueinander verhält. D.h. Sie würden hier eine Differenz in die Sprache kriegen und damit würde Philosophie überhaupt ihr Ausdrucksfeld haben. Man kann nicht versuchen, in Hochsprache Philosophie allein einzufangen. Auch Hegel schreibt ja offenkundig schwäbisch und Adorno schreibt eine Kunstsprache, die aber ganz schön frankfurterisch ist. In der Hinsicht ist also die Begleitung von Philosophie und die Vernetzung von Philosophie mit Erzählung mehr als die Beispiele zur Philosophie. Sondern man muss also jeden Gedanken 17 Mal erzählen, so wie das im Talmud auch üblich ist, also gewissermaßen einen Kreis machen um das, was unaussprechbar ist.
  • CS:
    Einkreisen, umzingeln, bis man es begreifen kann.
  • Kluge: Richtig. Um sozusagen die Gravitation zu spüren, die in einem Gedanken, einer verdichteten Haltung steckt. Und dies jetzt für die Kritische Theorie zu machen, würde u.a. bedeuten, dass Sie bei Walter Benjamin, bei seinem Passagen-Werk, überlegen: Wie können wir, meinetwegen, ausgehend vom 21. Jahrhundert das 20. Jahrhundert in eine Inventarliste, so wie das Passagen-Werk das ja macht mit dem 19. Jahrhundert, kleiden? Wie können wir vom 22. Jahrhundert aus, das ja mit Gewissheit irgendwie kommt, das 21. Jahrhundert bereits im Vorgriff, weil wir im Grunde das Bedürfnis haben, schnell zu sein, einfangen? Und dann würden Sie sehen, die Frage „Was ist die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts?“…
  • Beide:
    Paris.
  • Kluge: Was wäre die Hauptstadt des 21. Jahrhunderts? Ich weiß gar nicht, ob das eine Stadt wäre, das kann etwas anderes sein.
  • CS:
    Das Internet vielleicht.
  • Kluge: Vielleicht. Vielleicht wäre es eine Beziehung zwischen etwas. Aber Lagos ist es nicht. Und Moskau auch nicht. Und Berlin auch nicht.
    Wenn die Dominanz des Eisens nicht so sichtbar ist heute … Es ist wichtig, aber der Eifelturm, die transsibirische Eisenbahn – das ist alles Eisen. Während heute z.B. selten werden: Indirektheit und Silizium, und an die Stelle treten. Und die haben ja ganz andere Beziehungen als festgefügtes Eisen. Und das müsste man jetzt weiterentwickeln: CERN ist eine Riesenmaschine, sie würde Ihnen mit Sicherheit auffallen. Die Maschinerie Weltall, die jetzt erforscht werden kann, die dunkle Materie, die dunkle Energie, würden in die Institutionenlehre gehören. Auf diese Weise würde man jetzt die erzählerische Erfindung des Passagen-Werks fortsetzen. Das ist schon Narration at it’s best: die offene Form. Aber wie transkribiert man das in unser Jahrhundert und dessen Erfahrung?
  • CS:
    Genau. Und das kann vielleicht nicht die Philosophie oder die Philosophie nicht alleine machen. Die Philosophie erklärt ja, verallgemeinert gesprochen, in Begriffen, die Literatur erklärt in sprachlichen, der Film in bewegten Bildern …
  • Kluge: Und jetzt müssen Sie alles das, einschließlich übrigens nach Adorno der Musik, die ja eine Kommentarfunktion hat … Wenn etwas nach alter Weise tönt, will ich das hören. Wenn Keppler eine Himmelsmusik schreibt, möchte ich wissen, was das ist. Anders gesagt: Alle Formen des Ausdrucks lassen sich nochmals verbinden, um Kerngedanken der Kritischen Theorie auszudrücken, zu umkreisen, also zum gravitativen Zentrum der Kritischen Theorie Planeten, Monde und Planetoiden zu erzeugen. Und das würde dann weiter bei Sohn-Rethel bedeuten, dass Sie die Ableitung des Apriori und des Denkens aus der ökonomischen Praxis noch einmal in Erzählung nachvollziehen.
  • CS:
    Das erreicht mehr Menschen.
  • Kluge: Ganz viel mehr. Und sowas macht man auch nicht alleine. Aber man muss, wie bei den Brüdern Grimm, bereits Erzähltes überprüfen, ob es Kritische Theorie wiedergibt. Das ist eine Sammlung fremder Erzählung, die genauso dazugehören könnte. Es kommt erst Horkheimer und dann kommt Adorno. Jede dieser Erzählungen von denen lässt sich in dieser Weise fortsetzen – zu mehreren. Und dass ich das tue, ist ganz sicher, also das kann ich Ihnen garantieren.
  • CS:
    Und deshalb löst es bei mir eine Verwunderung aus, dass das nirgendwo in der Literatur, in der Forschung angekommen ist. Ihr Name steht nicht bei der Kritischen Theorie und Sie sagen ja selbst …
  • Kluge: Ja, aber das ist egal. Ob wo was steht, ist egal. Aber trotzd...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. „Kunst der Gegenwart.
  6. Vorwort
  7. Forschungsstand, Arbeitsmethoden und Aufbau
  8. 1 Thekengespräch in der Cinémathèque
  9. 2 Die Fortsetzung der Kritischen Theorie mit narrativen Mitteln
  10. Leuchtfeuer Philosophie
  11. Kluge-Lexikon
  12. Siglen und Quellenverzeichnis
  13. Dank
  14. Fußnoten