Kaiserschnitt heilsam verarbeiten
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Kaiserschnitt heilsam verarbeiten

Die Prä- und perinatal basierte Spieltherapie© nach Thurmann

  1. 129 Seiten
  2. German
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Kaiserschnitt heilsam verarbeiten

Die Prä- und perinatal basierte Spieltherapie© nach Thurmann

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Über dieses Buch

Die Auswirkungen einer Kaiserschnitt Entbindung auf das Kind werden oft unterschätzt. Manchmal entsteht ein seelisches Trauma, das therapeutisch bearbeitet werden kann. Die Prä- und perinatal basierte Spieltherapie© nach Thurmann setzt beim kindlichen Erleben an: Das Spiel schafft einen geschützten Raum, in dem das Kind das Geschehene verarbeiten und neue Lösungswege erproben kann. Nach einer Einführung in die prä- und perinatale Psychologie erläutert Ilka-Maria Thurmann typische Verläufe und Problemstellungen, die sich in ihrer 20-jährigen therapeutischen Praxis verdichtet haben. Die sieben Grundmuster, die sich herauskristallisieren, illustriert sie durch eigens für Kinder geschriebene "Kaiserschnitt-Geschichten", die den therapeutischen Zugang erleichtern.Eine einzigartige Hilfe nicht nur für KindertherapeutInnen, sondern auch für Hebammen, PädagogInnen, ÄrztInnen und Eltern. Mit Vorworten von Sven Hildebrandt und Gabriele Meyer-Enders.

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Information

Verlag
Mabuse
Jahr
2016
ISBN
9783863212605

IIIDIE GEBURT IM SPIEGEL DER PRÄNATALEN ERFAHRUNGEN

Die Geburt als Verdichtung aller vorgeburtlichen Erlebnisse ist eine universelle, einzigartige und zutiefst prägende Ur-Erfahrung, die alle Menschen weltweit verbindet. Sie ist der individuelle Übergang von der intrauterinen in die extrauterine Welt.
In Bezug auf die Geburt hat die Pränatalzeit eine besondere Bedeutung. Biographisches, wie Fehlgeburten oder Missbrauch und vorgeburtliches Erleben, zeigt sich oft im Ablauf der Geburt. Themen wie vorgeburtliche Ablehnung, gesundheitliche Probleme, Stress durch äußere Einflüsse, eine künstliche Befruchtung, Ängste, ein früher Zwillingsverlust oder Bindungsprobleme spiegeln sich häufig in einer komplikationsreicheren Geburt wider, die nicht selten im Kaiserschnitt endet.
Emerson beschäftigt sich, wie auch Chamberlain, Verny und viele andere Experten, in seinem Artikel „Geburtstrauma: Psychische Auswirkungen geburtshilflicher Eingriffe“ mit den Prägungen durch die Geburt und den möglichen Folgen von Kaiserschnitt-Entbindungen, und er beschreibt die Bedeutung von prä- und perinatalem Schock. (Vgl. Emerson in: Janus/Haibach, 1997, 2014) Die Folgen sind heute unbestritten. Allerdings hat dieses Wissen in der Praxis bisher noch kaum Eingang gefunden.
Ein Beispiel dafür ist die geplante Sectio, wenn das Baby, weil es vorher nicht geweckt wurde, aus dem Schlaf gerissen und in einem energetischen Schockzustand geboren wird. Hier spielen laut Emerson die neurologischen Prozesse für die Prägungen, die im Gehirn stattfinden eine entscheidende Rolle. (Vgl. Emerson in: Janus/Haibach, 1997, 2014)

III.1 Die vier Geburtsstadien und ihre jeweiligen Prägungen

William Emerson und der Körpertherapeut Franklyn Sills haben vier Geburtsphasen (Stadium 1a, 1b sowie 2a und 2b, 3a und 3b und 4) erarbeitet, die nicht exakt mit der medizinischen Einteilung übereinstimmen. Sie orientierten sich an der Lage des Schädels des Kindes im Verhältnis zum mütterlichen Becken.
Das Stadium 1 entspricht dem Geburtsbeginn. Dabei wird die Zeit ab den ersten Kontraktionen, die bereits zwei Wochen vorher beginnen können, mit einbezogen. Im Stadium 1a ist der Muttermund noch fest verschlossen und die heftiger werdenden Wehen drücken den Schädel des Kindes (Occiput und Os parietale) gegen den Muttermund. Stadium 1b: Der Muttermund öffnet sich und der Schädel geht hinab, aber der Durchtritt wird durch die Position der Sitzknochen schnell wieder gestoppt.
Erlebt das Kind hier starken, körperlichen Druck, Schmerz, Ängste oder Wut(!), ohne dass es einen fühlbaren Fortschritt gibt, können hier, neben dem persönlichen Charakter, überschießende Reaktionen und Ungeduld ihren (nachvollziehbaren) Ursprung haben. Dazu passt das Bild des Autobahn-Rasers, der um jeden Preis eine freie Bahn braucht oder des Kindes, das mit jeder Warteminute unruhiger und ärgerlicher wird.
Im 2. Stadium findet die Rotation des Kindes statt, wobei 2a den Anfang und 2b das Ende der Drehung bezeichnet. Hier „kämpft“ das Kind um den Weg, d. h., es wird dabei in eine Richtung gedrückt, in die es sich dreht, auch ein Hin-und-Her ist möglich. Im Verlauf dieser Phase ist es wichtig, ob und wie leicht der Kopf des Kindes durch das Becken tritt. Das hängt von der jeweiligen Beckenform, von der exakten Kindslage und von Frequenz und Druck der Wehen ab. In dieser wichtigen Phase kann es zu einer Nabelschnurumschlingung kommen. Gleichzeitig ist hier der Punkt der Geburt, an dem das Kind, symbolisch gesehen, das Alte, zum Beispiel auch den Zwilling, hinter sich lässt und sich dem Neuen zuwendet.
Nicht selten finden Komplikationen in dieser „Entscheidungsphase“ ihre Entsprechungen in akuten Stress-Mustern sowie im äußeren Verhalten des Kindes (oder des Erwachsenen). Typisch sind Phänomene, sich extrem häufig zu verfahren, insbesondere beim Finden einer unbekannten Weg-Strecke oder Probleme in zu treffenden großen wie kleinen Entscheidungen (Auswahl von Essen, Kleidung usw., Dyskalkulie, Diktate, Anfahrten). Das Thema, das sich dahinter verbirgt, ist das schnelle Treffen von Entscheidungen unter (Zeit-)Druck. Das daraus entstehende Stress-Muster, das für die meisten Betroffenen als sehr quälend empfunden wird, kann sie manchmal wie kopflos erscheinen lassen.
Im 3. Stadium geschieht der Durchtritt des Kindes, (der Schädel ist im Verhältnis zum mütterlichen Becken anterior oder posterior), wobei im 3a-Stadium der Kopf noch nicht zu sehen ist. Das Baby ist bereits gedreht und das Gesicht wird entweder gegen die Symphyse (Sterngucker-Kind) oder gegen die Wirbelsäule und das Steißbein gedrückt. Im Stadium 3b ist zuerst nur der Schädel, später der Kopf zu sehen, anschließend folgt der Körper. Diese letzte Geburtsphase ist für Mutter und Kind während der Spontangeburt sehr anstrengend. Beide haben oft keine Kraft mehr. So kann ein notwendiger Kaiserschnitt zwar wie eine Rettung oder „Erlösung“ sein, und verhindert gleichzeitig das Beenden aus eigener Kraft, was sich als Muster tief verankert. Darüber hinaus wird das Baby „sichtbar“ und präsentiert sich, symbolisch wie real, der Welt. Dieses Muster zeigt sich häufig in Form von starker Verunsicherung in Situationen des Neubeginns (Kindergarten, Schule, neue Gruppe oder Arbeitsstelle).
Zum 4. Stadium gehören alle Vorgänge, die unmittelbar nach der Geburt stattfinden. Dieses Stadium ist für alle Neugeborene sehr sensibel! Besonders für Frühgeborene, bei denen häufig die lebensrettenden Maßnahmen mit traumatischen Erlebnissen verbunden sind und für Kaiserschnitt-Kinder, für die ein gutes „Ankommen“, besonders wichtig ist. Anders als in der Klinik-Routine üblich, brauchen die Neugeborenen vor allem Zeit und Ruhe sowie ein körperlich sanftes Umgehen, damit keine negativen Erfahrungen in Bezug auf Körperkontakt zurückbleiben. Nur so kann Vertrauen entstehen.
Das exakte Wissen über mögliche psychologische Auswirkungen als Reaktion auf einen Geburtsverlauf mit vielleicht teilweise als traumatisch erlebten Prägungen während der Eröffnungsphase (1), der Drehung des Kindes (2), während der Austrittsphase (3) und innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Geburt (4) ist für eine erfolgreiche Therapie unabdingbare Voraussetzung.
Das gilt für die Geburtseinleitung ebenso wie für die Gabe einer PDA oder für eine Nabelschnur-Umschlingung mit Sauerstoffmangel. Insbesondere bei dem sekundären, ungeplanten Kaiserschnitt ist der genaue Zeitpunkt des Eingriffs aus therapeutischer Sicht ebenso wichtig wie die prägenden Erfahrungen in den ersten 72 Stunden nach der Geburt.

III.2 Geburtskomplikationen im Vorfeld zum Kaiserschnitt (Einleitung, NS, PDA)

Eine Geburt beginnt natürlicherweise mit Wehen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass das Kind selbst bereit ist. Bei jeder eingeleiteten Geburt ist es das zumindest auf der Seelenebene noch nicht. Das zeigt sich erfahrungsgemäß im späteren Verhalten, und wirkt, zumindest aus diesem Blickwinkel, wie ein lang anhaltender Protest zu einem deutlich verspäteten Zeitpunkt.
Dem sekundären Kaiserschnitt, der als Spontangeburt beginnt, gehen oft unterschiedliche Interventionen wie PDA, Wehen hemmende oder -fördernde Mittel voraus, deren Dosierung auf das Körpergewicht der Mutter ausgerichtet ist.
Erwachsene beschreiben in ihren Regressionen, dass ihre Mutter oder sie selbst wie im Nebel sind, und dass sie sich verloren fühlen. Auch das Vertrauen des Babys in die eigene Intuition oder das Gefühl für das richtige Timing kann gestört sein. Zeitgerechtes Handeln (zu früh, zu spät), Antworten, Denken und Reagieren fällt den Betroffenen (Kindern wie Erwachsenen) oft schwer oder ist nicht möglich. Besonders in akuten Krisen kann es sich in Form von Blackouts, Bewusstseinseintrübungen oder in mentalen „Lähmungen“ zeigen.
Akute Luftnot durch Nabelschnurumschlingungen, die eine Sectio erforderlich machen, prägen sich tief ein. Die natürliche Vorwärtsbewegung der Geburt kann dauerhaft mit Schmerz oder lebensbedrohlichen Erfahrungen assoziiert sein und im Leben mit hoher Ambivalenz oder einer Hemmung, die nächsten Schritte anzugehen, verbunden sein.
Auch mechanisch-körperliche Reaktionen können bei Stress optisch deutlich sichtbar werden, z. B. an den Schläfen als Abdruck der Geburtszange oder als Nabelschnur-Spuren am Hals.
Insgesamt ist die Liste der langfristigen Auswirkungen lang – und individuell. Dazu gehören Bindungsstörungen, Entwicklungsverzögerungen oder verschiedenste Verhaltensauffälligkeiten. Diese können von Ängsten, Aggressionen bis hin zu hyperaktiven Bewegungsmustern reichen.
Traumatisches Erleben einzelner Phasen führt häufig zu unbewussten „Re-Inszenierungen“. Insbesondere psychische Erlebensmuster werden nach Sectio oder anderen Komplikationen durch Auslösesituationen und unfreiwillige Veränderungen oft aktiviert. Bei Kindern sind dies die markanten Situationen des Wechsels (Kindergarten, Grund- oder weiterführende Schule, Umzüge, das neue Geschwisterkind, Verlust oder Trennungen). Schaut man auf „Mikro-Situationen“ lassen sich Verzögerungen sogar beim Verlassen des Hauses finden.
Die Ursache in Bezug zur Geburt zu setzen, benötigt manchmal schier detektivischen Spürsinn! (Siehe Kapitel III.3) Auch Kontrollzwänge oder Vermeidungsverhalten können zur Geburt assoziiert sein, z. B. wenn vor dem Verlassen des Hauses alles „fertig“ sein muss. (Ein Klient brauchte dazu allein ca. fünf Stunden.) Viele Kinder benötigen morgens nicht selten zwei Stunden oder mehr. Nur aus diesem Blickwinkel wird z. B. die extreme Langsamkeit als Vermeidung des Umgebungswechsels (Geburt) nachvollziehbar.
Interventionsfreie Geburten sind mit inzwischen nur noch ca. 7 % selten geworden. (Schücking, 2006) Gerade bei Schnitt-Entbindungen fällt mir auf, wie häufig es bereits im Vorfeld zu Störungen kommt. Professionelle Geburtsbegleiterinnen (Doulas) könnten hier ebenso Abhilfe schaffen wie mehr Wissen, Sensibilität und Fortbildungen.

III.3 Die Kaiserschnitt-Geburt und ihr möglicher Einfluss

In Bezug auf den Kaiserschnitt alarmieren die beständig hohen Zahlen. Laut Statistischem Bundesamt liegen sie 2014 mit ca. 210.570 Schnitt-Geburten bei 31,8 % (regional zwischen 23,8 % [Sachsen] und 38,1 % [Saarland]), (www.destatis.de).
Professor Beate Schücking kommt nach Befragungen zu Gründen für einen Kaiserschnitt zu folgendem Schluss: „… das bedeutet, bei der Hälfte gibt es keine medizinisch eindeutig begründbare Indikation“. (S. 170, Schücking in: Hildebrandt [Hrsg.], 2014) Sie beschreibt, dass diese „Epidemie“ von der Gesellschaft nicht wahrgenommen wird, ebenso wenig wie die Folgen (Kosten für die Operationen, mögliche Komplikationen, Verringerung der Geburtenrate, verspätet geborene Geschwisterkinder) und die Notwendigkeit, die Sectio-Rate zu senken und dieses Wissen, auch privat, weiterzutragen. Die Hebamme Christiane Schwarz beschreibt eindrucksvoll, wie eine Welt mit 50 % Kaiserschnitt oder mit 90 % interventionsfreien Geburten aussehen könnte. (Vgl. Schwarz in: Hildebrandt [Hrsg.], 2014)
Es ist nicht möglich, von dem Kaiserschnitt zu sprechen, denn auch bei dieser Entbindungsform gilt das Prinzip der Individualität. Jeder Kaiserschnitt ist anders, jede Geschichte ist einzigartig. Natürlich gibt es z. B. bei einer geplanten Sectio ähnliche Abläufe, aber durchaus unterschiedliche Haltungen. So sagte mir die Mutter eines Kindes in Beckenendlage: „Ich wollte einen Geburts-Tag und keinen Liefertermin!“ Und es ist ebenfalls nicht möglich, von dem Kaiserschnitt-Kind oder der Kaiserschnitt-Prägung zu sprechen. Allerdings scheinen einige Themen wie Bindungs-, Ein- oder Durchschlafsymptome sowie (Verlust-)Ängste deutlich gehäuft aufzutreten.
Es geht darum, mögliche Zusammenhänge zwischen einer Kaiserschnitt-Geburt und ihren Folgen für Mutter und Kind sowie für die systemische Familiendynamik zu erkennen und heilsame Verarbeitungsformen zum Wohle aller anzuwenden. Offenbar kann sich dieser Eingriff, je nach Persönlichkeit, pränataler Vorgeschichte oder Dramatik, sehr unterschiedlich auswirken. Genauso individuell sind die Heilungsmuster. Die Liste der denkbaren langfristigen Ausdrucksformen ist lang – und absolut individuell.
Anders als bei einer natürlichen Spontangeburt, die sich in Ruhe, ggf. über Stunden entwickeln kann, geschieht der Kaiserschnitt abrupt und in kürzester Zeit. Das Baby hat, außer wenn es mental durch die Mutter oder Hebamme darauf eingestimmt wird, keine Chance, sich auf den Wechsel und Kontaktbruch vorzubereiten. Aber auch die Mutter fühlt sich oft emotional abgetrennt. Man spricht nicht umsonst vom „Riss in der Beziehung“, der durch eine bewusste und lange Bonding-Phase unmittelbar und sofort geheilt werden könnte. Darüber hinaus ist der so wichtige und einflussreiche allererste menschliche Kontakt unvermittelt und für das Baby, das die Berührung passiv erdulden muss, unangenehm, da der Chirurg das Baby, wenn er es herauszieht, wirklich festhalten bzw. greifen muss. Vielen betroffenen Menschen sind körperliche Berührungen ein Leben lang unangenehm.
Wahrnehmungsstörungen sind möglich, ebenso wie Defizite in der motorischen Entwicklung beim Laufen, Fahrradfahren, Hüpfen oder selbst beim Anziehen der Strümpfe. Professor Lauff beschreibt außerdem Probleme bei der Augen-Hand-Koordination. Sie bleiben in der Regel lange, d. h. oft bis zum Grundschulbeginn, unerkannt und lassen sich mit Körperübungen leicht aufholen. (Vgl. Lauff, 2003)
Im Verhalten ist die Bandbreite ebenfalls groß. Das kann von ausgeprägter Schlaffheit unmittelbar nach der Geburt, Schreiattacken im Babyalter, von Ängsten und Unsicherheiten, von extremer Langsamkeit oder hoher Risikofreude (Kamikaze-Kinder!) oder Entwicklungsverzögerungen reichen. Auch eine Störung im sogenannten Timing kann vorkommen, d. h. zeitgerechtes Handeln, Antworten, Denken und Reagieren fallen schwer oder sind kaum möglich. Das beinhaltet beide Extreme, d. h. sowohl ungeduldiges, überschießendes Verhalten als auch extreme Langsamkeit, die fast bis hin zu einer energetischen Lähmung reichen kann.
Massives Widerstands- bzw. Vermeidungsverhalten (in Bezug auf Vertrauen, Verbindlichkeit oder im Körperkontakt) und unvermutet starke Reaktionen z. B. auf plötzliche Veränderungen lassen sich in dieser Heftigkeit ohne den erweiterten Blickwinkel auf die individuelle Geburtsgeschichte des Kindes kaum nachvollziehen, wie es das folgende Beispiel illustriert:
Ein 7-jähriges Mädchen hat plötzlich heftig auftretende, unerklärliche Ängste. Ausgelöst sind sie durch zwei Vorfälle: zum einen die Entwendung eines Leergutkastens vom Grundstück sowie ein paar Tage später der Diebstahl eines Autoradios mit zerbrochene...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorworte
  6. I Einleitung
  7. II Die allerfrühesten Hintergründe verstehen
  8. III Die Geburt im Spiegel der pränatalen Erfahrungen
  9. IV Therapeutische Wege bei prä- und perinatalen Traumata
  10. V Hinweise für Therapeuten
  11. VI Ausblick
  12. Anhang