Die größte Agentur der Welt
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Die größte Agentur der Welt

Anleitung zum Post-Fake-Marketing

  1. 220 Seiten
  2. German
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Die größte Agentur der Welt

Anleitung zum Post-Fake-Marketing

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Über dieses Buch

Wir sind echt ´ne Marke!Wir alle sind gemeint – wir, die namenlose Mega-Agentur aus Experten und Spezialisten. Mit unserem geballten Sachwissen und schier unbegrenzten Erfahrungsfundus. Kein Unternehmen der Welt kann mit uns mithalten. Wir testen Produkte und Dienstleistungen und machen sie groß.Wie werden Marken eigentlich zu Marken? Spontane Antwort: hauptsächlich durch Werbung. Dieser Konnex freut die Marketingprofis. Sind sie doch immer noch verliebt in den Gedanken, dass ihre Ideen einem Markenprodukt zum Durchbruch verhelfen. Sie zeigen die Produktwelt von ihrer allerbesten Seite, erzählen pausenlos vom richtigen und guten Leben und versprechen, Wünsche zu erfüllen, die vielleicht so noch gar nicht existieren. Und weil ihre Bilder so schön, die transportierten Versprechungen so verlockend sind, kaufen die Leute. So weit, so einfach.Bis jetzt: Denn wenn es so einfach ginge, warum stößt Werbung dann heute auf so wenig Beachtung und Akzeptanz? Und das, obwohl sie noch nie so viel Geld, so viel Raum und Zeit verschlungen hat wie in diesen lärmenden Tagen. Genau in diese Parade fährt Hermann Sottong. Der Marken- und Organisationsentwickler dreht das Spiel. Er zeigt, dass es die Alltagsdiskurse und Verständigungsprozesse der Konsumenten und Nutzer sind, die aus einem x-beliebigen Angebot eine Marke mit Aufmerksamkeitswert machen.Im Klartext: Wir, die Konsumenten, sind die eigentlichen Markenmacher. Und damit könnten wir die aufgeblasene PR- und Werbewelt eigentlich in den Ruhestand schicken.

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Information

Werbung oder:
Vom Versprechen zu Versprechungen
Werbung ist die »Selbstorganisation von Torheit«.
Niklas Luhmann 20
»In vielen Fällen gilt es, mittels kreativer Marketingaktivitäten und Kommunikationsmittel einer Marke einen nicht direkt vorhandenen, imaginären Mehrwert zu verpassen.«
Uwe Munzinger 21
Werbung nervt!
Die Fluchtbewegung hat schon lange eingesetzt. Die Menschen meiden Werbung, wehren sich gegen sie, ignorieren sie, blockieren sie. Werbung ist Müll. Werbung ist Belästigung. Werbung ist versuchter Diebstahl. Sie stiehlt unsere Zeit, unsere Aufmerksamkeit. Werbung stört. Die Verbraucher werden »auf offener Straße oder daheim auf dem Sofa, beim Zeitunglesen, während einer Unterhaltung, beim Bier oder während sie einen Film ansehen, von wildfremden Leuten angefallen […], die an ihr Geld wollen und überall dazwischenquatschen und die ihnen dafür wahllos Autos, Lebensversicherungen, Schokoriegel, Uhren, Turnschuhe, Shampoos oder Milchprodukte andrehen wollen, zu jeder Tages- und Nachtzeit«.22 Der Werber Rainer Baginski rechnete vor, dass sich die Zahl der Werbebotschaften vom Jahr 1965 bis zum Jahr 2000, als er dies schrieb, auf 2000 pro Tag erhöht hat – und befürchtet an gleicher Stelle, es könne alles noch viel schlimmer kommen. Und er hat recht behalten: Schon ein Jahr später sprach man von 3000 Werbeimpulsen pro Tag, im Jahr 2013 wurden sie auf 13 000 Werbebotschaften täglich beziffert.
Man braucht nur einmal seinen »Konsumentenrollator« durch einen Supermarkt zu schieben und hat seine Tagesdosis an Botschaften – Verpackungen, Plakate, Videospots sorgen dafür – schon fast erreicht. Nicht nur physisch, beim Wegbringen des Altpapiers oder beim täglichen Ausmisten des E-Mail-Accounts müssen wir Werbung als Müll entsorgen. Unser armes Gehirn ist den ganzen Tag damit beschäftigt, semiotische Äußerungen werblicher Art, die etwas für uns völlig Bedeutungsloses als außerordentlich relevant erscheinen lassen wollen, zu filtern, zu bewerten, zu selegieren. Absurd und völlig paradox ist dabei, dass ausgerechnet Marken uns helfen, in diesem wahrhaften shit-storm nicht ganz die Orientierung zu verlieren.
Das ist bereits ein erster Hinweis auf die schizophrenen Tendenzen, die sich mit dem Phänomen Werbung verknüpfen. Wie Umfragen zeigen, glauben viele Menschen einerseits, ohne Werbung könne die Wirtschaft nicht funktionieren, andererseits sind wir alle genervt von Werbung. Wenn Meinungsforscher wissen wollen: »Welche Art von Werbung nervt Sie am meisten?«, dann zeigt bereits die Fragestellung, was die Stunde geschlagen hat. Ganze Häuserzeilen in unseren Städten flehen unübersehbar mit Stickern an den Briefkästen: Lasst uns mit dem Mist in Ruhe. Warum die ganze Diskussion um Adblocker, wenn die Menschen wirklich so werbeaffin wären, wie manche repräsentativen Umfragen uns glauben machen wollen?
Soweit erkennbar gibt es noch keine ernst zu nehmende Metastudie, die die vielen Umfragen zum Thema Werbeakzeptanz genau unter die Lupe genommen hätte. Die Variationsbreite hinsichtlich der Messungen, wie viel Prozent der erwachsenen Bevölkerung Werbung »nervig«, »erträglich« oder gar »angenehm« finden, ist jedenfalls enorm. Ist der Auftraggeber die Werbeindustrie, fallen die Ergebnisse in ihrem Sinne deutlich positiver aus als bei anderen Studien.
Und wenn noch so viele Studien veröffentlicht werden, die die Frohbotschaft verkünden, dass Konsumenten mit Vergnügen Werbung sehen und hören: Jeder Werbeprofi, mit dem man redet, gibt offen zu, dass Werbung nervt und dass kein vernünftiger Mensch Werbung will. Es ist ja gerade die Herausforderung seines Berufs, trotz dieses grundsätzlichen Widerstandes der Konsumenten deren Deckung zu durchdringen und einen möglichst entscheidenden Treffer landen zu können. Werbung ist Kampfsport. Und es gibt in ihm nur wenige Regeln, die zudem ständig umgangen werden. Alles, was in diesem Kampf als Waffe tauglich erscheint, wird eingesetzt: Über lange Zeit wunderten sich Menschen, warum ihr Fernseher während der Ausstrahlung von Werbespots deutlich lauter zu werden schien, obwohl sie die Fernbedienung nicht angerührt hatten. Die einfache Antwort: Der Ton von Werbevideos wird komprimiert und damit tatsächlich als lauter wahrgenommen. Als man erkennen musste, dass Werbepausen gleich als TV-Pausen für »Sinnvolleres« genutzt wurden, erfand man das Auszählen: Nur noch so viele Sekunden, bis der Film weitergeht, du willst doch wohl nix verpassen! Und der Digitaldruck beschert uns Plakate in Dimensionen, die man nicht mehr ausblenden kann. Das Ideal der Werber wäre wohl, den Verbraucher durch eine Art Ludovico-Technik so wehrlos zu machen wie Alex in Clockwork Orange, um ihn dann mit den eigenen Botschaften permanent traktieren zu können. Weil das nicht erlaubt ist, muss Werbung uns umwerben: Sie versucht es mit Witz, mit Humor, mit Storytelling, mit Erotik, mit Sex, mit Glamour, Prominenz, Stars und Sternchen, mit lebenden und historischen Vorbildern – mit allen Mitteln der Kunst, mit Rhetorik und Ästhetik, mit Klassik und mit Moderne. Deshalb nennen sich Werber gerne »Kreative«. Und tatsächlich gibt es kaum Ausdrucksmittel und Uminterpretationen von Geschichten, die Werbern nicht einfielen – nur, um in immer neuen Varianten immer und immer wieder das Gleiche zu kommunizieren.
Die Grenze: Wo fängt Werbung an?
Produkte und Dienstleistungen müssen auf Märkte, und sie müssen dort wahrgenommen werden können. Marketing ist der Fächer der Möglichkeiten, diese Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wenn auf unseren Märkten Marken emergieren, sind wir alle immer daran beteiligt, und das nicht nur als Marktteilnehmer und Konsumenten, sondern auch als Bürger, Kommentatoren, Kommunikatoren. Die Informationen, die der Marken-Owner zu seinen Angeboten in unterschiedlichen Kontexten und Medien hierbei zur Verfügung stellt – sei es über Herkunft und Verarbeitung von Materialien, über die Branche, den Markt, über sich, seine Überzeugungen, seine Geschichte, sein Unternehmen –, sollten als Grundlage der Kommunikation mit den Kunden aus guten Gründen »echt« sein, kurz: Er sollte nicht lügen.
Nicht lügen sollte er nicht lediglich aus ethischen Gesichtspunkten heraus, sondern schlicht im eigenen ökonomischen Interesse. Denn besser denn je sind solche Äußerungen heutzutage zu überprüfen. Bewusst falsche Information zu Angeboten wird unter den heutigen Bedingungen von klassischen, elektronischen und sozialen Medien schnell entlarvt, und noch sehr viel schneller verbreitet sich eine solche Nachricht, ohne dass dazu noch die Massenmedien gebraucht würden. Große Skandale sind in der Regel Skandale um die bewusste und nachprüfbare Täuschung von Verbrauchern auf dieser Ebene der Information. Niemand dagegen muss hierzulande befürchten, dafür verklagt zu werden, dass er in der Werbung das Blaue vom Himmel herunter versprochen und sein Produkt mit Träumen vom guten Leben, von Schönheit, Glück, Jugend, Sicherheit, Liebe und Erfüllung gekoppelt hat.
Unsere Kultur straft Lügen ab – auch im Marketing. Aber offenbar gilt dies nicht für Werbung: Und zwar nicht deshalb, weil man hier ungestraft lügen könnte, sondern weil Werbung als eine Gattung angesehen wird, die offenkundig gar nicht lügen kann, deren Botschaften von vornherein als nicht wörtlich zu nehmende klassifiziert werden. Und so ist die Einhaltung eines Markenversprechens eben in keiner Weise einklagbar. Wer auch immer BMW dafür zur Rechenschaft ziehen wollte, dass bei ihm die »Freude am Fahren« ausgeblieben ist, würde sich im besten Fall lächerlich machen. Die Enttäuschung bliebe ganz seine Sache.
Im Paradigma der Kommunikationsmöglichkeiten des Marken-Owners – also im Marketing – existiert eine entscheidende qualitative Grenze. Sie markiert den Übergang zwischen realitätsbezogenen und hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes intersubjektiv nachprüfbaren Äußerungen und solchen, auf die dies nicht zutrifft. Jenseits dieser Grenze beginnt das weite Reich der Werbung.
Semiotischer Exkurs: Kommunikation, »Realität« und Werbung
Ein Zeichen, so die Semiotik, steht nie nur für sich und seine Bedeutung allein, es steht in Bezug zu einer Realität in dem Sinne, dass es immer auch auf etwas außerhalb seiner selbst verweist. Diese Bezeichnungsfunktion nennen die Semiotiker »Referenz«, und das, worauf mit dem Zeichen verwiesen wird, ist der »Referent«. So weit, so gut: Immer wenn wir mit Gesten und Worten auf etwas Bestimmtes in unserer Umgebung hinweisen, geht die Sache glatt: »Vorsicht, Auto!« Der Referent scheint dabei jeweils klar: Der BMW, der mit 90 Stundenkilometern auf uns zurast, ist im Kontext bekannt, identifizierbar und in der Situation durchaus real. Was aber ist, wenn jemand sagt: »Ich mag keine Autos.« Ist dann die Gesamtmenge aller existierenden Pkws der Referent von Autos? Oder: »Die Werbung hat die Welt nicht besser gemacht.« Geht es dabei um die Gesamtmenge aller Marketingaussagen aller Zeiten? Oder um die Menschen, die diesen Beruf ausüben? Die Branche? Alles zusammen? Und was ist mit der Bezeichnung von Phänomenen, deren Existenz oder Identität zweifelhaft ist: Einhörner, Zauberer, Romanfiguren, Gott? Worauf beziehen sich Wörter wie »Liebe«, »Humor«, »Dummheit«?
Kinder glauben vielleicht eine Weile an die reale Existenz von Einhörnern, später verliert sich dieser Glaube. Was ist dann aber der Referent? Ändert sich die Realität selbst oder lediglich unsere Vorstellung von ihr? Und ein eingefleischter Platoniker oder ein radikaler Konstruktivist wird mit den Referenten ohnehin nichts anfangen können: Alles nur Ideen, wird der eine sagen, alles nur Konstruktionen unseres Gehirns – das Gehirn selbst eingeschlossen –, der andere. Wie dem auch sei: Fest steht, dass wir erst mithilfe von Zeichen und ihrem Gebrauch in die Lage versetzt sind, über Phänomene zu kommunizieren, die denkbar sind, ohne deshalb gleich auch »sein« zu müssen. Die Sprache befreit uns vom Korsett des Ontologischen und führt uns ins unbegrenzte Reich der Optionalität.
Entsprechend haben Semiotiker vorgeschlagen, den Referenten als ein geistiges Ding zu definieren...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Einleitung
  3. Keine Marke ohne Zeichen: Die Semiotik der Marke
  4. Das Markenzeichen
  5. Was ist eine Marke?
  6. Marken und Emotionen
  7. Markendiskurse oder: Wie wir Konsumenten Marken machen
  8. Der Owner und seine Marke
  9. Werbung oder: Vom Versprechen zu Versprechungen
  10. Die Zukunft der Marken in der digitalen Kultur
  11. Über den Autor
  12. Impressum