Was
zu tun ist
Ressourcengerechtigkeit
- • Bei der heutigen Ressourcenproblematik geht es nicht nur um Stoffe, Materialien und deren (noch) verfügbare Mengen, sondern auch um Fragen ihrer Verteilung und damit um eine zentrale Gerechtigkeitsfrage.
- • Die Ökosysteme stehen bereits unter enormem Druck. Ein Weiter-so bei steigender Weltbevölkerung verschärft die ökologischen Probleme.
- • Innovationen haben ein riesiges Potenzial für Lösungen – ein naiver Technikoptimismus hilft jedoch nicht weiter. Technologische Innovationen müssen von adäquaten Rahmenbedingungen flankiert werden. Deswegen muss es immer um beides gehen: technische und soziale Innovationen.
- • Mehr aus weniger machen: Die Verbesserung der Ressourcenproduktivität ist ein zentraler Lösungsansatz, bei dem allerdings die Gefahr des Rebound-Effekts nicht außer Acht gelassen werden darf. Reine Effizienzmaßnahmen bewirken oft sogar einen Anstieg des Ressourcenverbrauchs, weil es zu kontraproduktiven Neben- und Rückkopplungseffekten wie einer Verlagerung und Steigerung des individuellen Verbrauchs kommt.
- • Entwicklung und Wohlstand für alle erfordern zahlreiche Innovationen, dazu neue Produktions- und Konsummuster, eine innovative Art zu bauen, eine globale Verkehrswende, neue Wasser- und Abfallkonzepte.
Für uns Europäer sind die gewaltigen Dimensionen der Agrarproduktion in Südamerika kaum fassbar. Zwei Stunden lang flog ich in Argentinien mit dem Flugzeug nur über Sojafelder. Immer weiter – kilometerweit Soja, nichts als Soja, Millionen von Hektar. Eine gigantische Monokultur. Die Flächen werden aus der Luft mit dem Herbizid Glyphosat besprüht. Alles Lebendige geht dabei zugrunde, ob Blumen oder Gräser – nur die Sojapflanzen überleben. Weil sie gentechnisch verändert sind. 90 Prozent der argentinischen Sojaproduktion erfolgen auf diese Weise.
Soja wird genutzt, um Öl, Margarine und Kosmetikartikel zu produzieren. Der überwiegende Teil jedoch, etwa 80 Prozent der weltweiten Sojaernte, geht als Sojamehl in die Tierproduktion, weil die Sojabohne nicht nur Fett, sondern auch viel Eiweiß enthält. Die weltweite Anbaufläche beträgt mittlerweile mehr als 110 Millionen Hektar. Das entspricht etwa der dreifachen Fläche Deutschlands.
Die Sojafelder fressen sich immer weiter in die argentinische Pampa und die Regenwälder hinein. Immer neue Flächen kommen unter den Pflug. Aus einer Landschaft mit hoher Artenvielfalt wird immer mehr eine Monokultur. Argentinien und Brasilien haben natürlich selber ein hohes Interesse an dieser Produktion. Die Einnahmen aus den riesigen Sojaplantagen tragen entscheidend zur Finanzierung der Staatshaushalte bei.
Ich bin auf einem Bauernhof in Bayern groß geworden und mit meinem Vater noch aufs Feld gefahren. Über Jahrhunderte galt in Europa als feste landwirtschaftliche Regel, dass der Boden den Fruchtwechsel braucht, um sich regenerieren zu können. Niemand weiß heute, wie sich 20 Jahre Sojamonokulturen auf die Böden in Südamerika auswirken werden. Möglicherweise kann man diese Flächen in wenigen Jahren gar nicht mehr für die Landwirtschaft nutzen. Die Sojamonokulturen in Südamerika stehen exemplarisch dafür, wie Biodiversität für einen kurzfristigen Profit zerstört wird.
Ich habe auch gesehen, wie die argentinische Sojaernte auf gigantische Schiffe verladen wird, deren Zielhäfen in Nordamerika, Europa und China liegen. Ein kleinerer Prozentsatz der Sojabohnen wird zu Agrartreibstoff verarbeitet, der überwiegende Teil aber geht in die Tierproduktion. Soja ist die Futtergrundlage für Milliarden von Schweinen, auch und gerade in Ländern, deren Böden zu wenig für die industrielle Fleischproduktion hergeben. Gewaltige Mengen Biomasse werden in Südamerika verschifft und in andere Teile der Welt transportiert. Dort wird die pflanzliche Nahrung von Tieren aufgenommen und anschließend wieder an die Natur zurückgegeben, nämlich in Form von Gülle, woraus sich wiederum hohe Nitrat- und Stickstoffbelastungen ergeben, nicht nur für die Böden, sondern auch für das Grundwasser. Langfristig kommt so die globale Nährstoffbilanz dauerhaft aus dem Gleichgewicht. Die Produktion in fernen Ländern wird losgelöst von den natürlichen Grundlagen wie Boden und Wasser vor Ort.
Das Beispiel Soja zeigt, dass der Mensch mit seiner heutigen Wirtschaftsweise, die nicht nachhaltig ist, der Natur langfristig massiv schadet. Der Regenwald wird geplündert. Biomasse wird massenhaft und global verschoben – ohne Rücksicht auf das Funktionieren der regionalen Ökosysteme. Fruchtbarer Boden wird für kurzfristige Erträge zerstört, langfristige Schäden werden achselzuckend hingenommen.
Die Zukunft muss anders aussehen: Die Globalisierung darf insbesondere nicht dazu führen, dass unser Konsum und unsere Art zu leben an anderen Stellen der Welt zu einer Zerstörung der Ökosysteme führen, für die niemand aufkommt. Wir sollten die Globalisierung dort vorantreiben, wo es sinnvolle Synergieeffekte gibt. Wo das nicht der Fall ist, sollten wir nationale und regionale Strukturen nutzen. Wir müssen unser Leben und unseren Konsum wieder in Einklang mit den Grenzen des Planeten bringen. Vor allem sollten die Regionalbezüge der Landwirtschaft wieder gestärkt werden. Eine gegebene Fläche kann nur eine bestimmte Menge an Tieren ernähren. Folgt man diesem Grundsatz, werden der Fleischproduktion automatisch regionale Grenzen gesetzt. Die Bindung der Produktion an die Fläche würde helfen, regionale Landwirtschaft und bäuerliche Familienbetriebe zu stärken und zu erhalten und Massentierhaltung ohne ausreichend Grund und Boden – und damit auch nicht vertretbare Güllemengen – zu verhindern.
Der Boden, der Regenwald, die Ozeane und die Süßwasserreservoire – alles ist endlich. Viele Ökosysteme sind mittlerweile aus ihrem empfindlichen natürlichen Gleichgewicht geraten. Die Ozeane sind überfischt, die Atmosphäre ist zur Müllkippe für CO2 und andere Klimagase geworden, auf allen Kontinenten fallen die Grundwasserspiegel, Tag für Tag gehen fruchtbare Böden verloren, die Abholzung schreitet voran.
Das Konzept des ökologischen Fußabdrucks hilft, zu ermitteln, ob ein Einzelner, ein Unternehmen oder eine Gesellschaft einen Umwelt- beziehungsweise Ressourcenverbrauch aufweist, der als ökologisch nachhaltig bezeichnet werden kann – oder eben nicht. Die Grundfrage lautet: Wie viel Natur haben wir – wie viel nutzen wir? Die Maßeinheit des ökologischen Fußabdrucks ist die biologisch aktive Fläche, zum Beispiel ein Acker, eine Weide oder ein Wald. Wie viel von diesen Flächen wird benötigt, um uns zu ernähren, zu kleiden, für Unterhaltung zu sorgen oder für Mobilität, und nicht zuletzt, um unsere Abfälle zu beseitigen?
Bezogen auf die Weltgemeinschaft sind die Ergebnisse eindeutig. Derzeit benötigt die Menschheit mehr als eineinhalb Planeten, um so zu leben, wie sie es tut – vorausgesetzt, sie will die CO2-Anreicherung der Atmosphäre und den drohenden Klimawandel durch biologische Sequestrierung verhindern. De facto leben wir also bereits von der Substanz beziehungsweise nehmen wir den schleichenden Klimawandel hin. Diese Übernutzung – oder wie Wissenschaftler sagen overshoot – ist mit dem Überziehen eines Kontos vergleichbar. Man kann eine Weile von Krediten leben, aber irgendwann ist es endgültig vorbei, und es folgt der Bankrott. Die ökologischen Trägersysteme kollabieren, was zwar nicht das Ende der Erde bedeutet, aber eine immer empfindlichere Einschränkung unserer Möglichkeiten. Wenn das Grundwasser aufgebraucht ist und selbst die stärksten Pumpen nichts mehr fördern können, dann ist auf den Feldern, die mit Grundwasser bewässert werden, keine landwirtschaftliche Produktion mehr möglich.
Das bedeutet wiederum nicht, dass es keine landwirtschaftlichen Erzeugnisse mehr gibt. Es gibt sie nur nicht mehr von diesen betroffenen Anbauflächen. Unsere Möglichkeiten schränken sich immer mehr ein. Generell gilt dabei aber dennoch: Wer genügend Geld hat, kann sich noch lange viele Dinge leisten und hat immer noch eine Wahl. Wenn es in der Supermarkt-Kühltruhe keine Schollen mehr gibt, dann gibt es stattdessen Pangasius, der von irgendwoher eingeflogen wird. Allerdings gibt es für den, der kein Geld hat, weder Schollen noch Pangasius. Zwar sagt das alte Sprichwort der Indianer: »Geld kann man nicht essen«. Es heißt aber auch: »Wer Geld hat, bekommt den letzten Fisch.«
Um noch einmal daran zu erinnern: Etwa 20 Prozent der Menschen auf dem Planeten nutzen 65 Prozent der Ressourcen, und zehn Prozent der Weltbevölkerung verfügen über 90 Prozent des Eigentums. Dass dies von vielen als Ungerechtigkeit empfunden wird und irgendwann zu Aggressionen, Widerstand und sogar Bürgerkriegen führen kann, muss eigentlich niemanden verwundern.
Bereits heute lebt die Menschheit mit knapp acht Milliarden Menschen ökologisch über ihre Verhältnisse. Zwei Milliarden Menschen bilden die globale Mittelschicht, viele wollen dorthin, wo die Wohlhabenden bereits sind, und Jahr für Jahr kommen weitere 80 Millionen Menschen hinzu. Ein Weiter-so mit zehn, vielleicht sogar zwölf Milliarden Menschen zum Ende dieses Jahrhunderts ist nach allem, was wir heute wissen, nicht möglich – und führt unweigerlich in den ökologischen Kollaps.
Was also tun in diesem vom Menschen geprägten Zeitalter, dem Anthropozän? Lassen wir eine Welt entstehen, in der jeder nur an die eigenen Bedürfnisse denkt, an den eigenen Vorteil, an das eigene Land? Wird »Nach uns die Sintflut« zu unserem Motto? Oder versuchen wir, in internationaler Kooperation eine humane Welt für alle, eine gerechte Welt, eine Welt in Balance, im Einklang mit der Natur zu schaffen?
Die Menschheit steht an einer Weggabelung. Wir sind die erste Generation, die den Planeten mit ihrem Konsum- und Wachstumsmodell an den Rand des Abgrunds führen kann. Wir sind aber auch die erste Generation, die über das Wissen, die Technik und die Innovationen verfügt, um eine Klimakatastrophe zu verhindern und eine Welt ohne Hunger und Epidemien zu schaffen.
Es ist unsere Entscheidung. Schaffen wir einen Paradigmenwechsel und stellen unserem heutigen Konsum- und Wachstumsmodell eine neue globale Verantwortungsethik entgegen, dann können wir die bestehenden Herausforderungen – Hunger, Klimaschutz, Gerechtigkeit – meistern. Ressourcenge...