Morisco
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Morisco

  1. 560 Seiten
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Morisco

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Über dieses Buch

Andreas Lenk ist erfolgreich. Schon nach kurzer Zeit ist aus dem Studenten ein Architekt geworden, der beim Bau einer Großsiedlung eine leitende Funktion einnimmt, sich fast mühelos zu den Privilegierten hocharbeitet. Lenk hat eine Frau, bald zwei Kin- der, ist anerkannt. Und wird doch erkennen müssen, dass sein Leben einer Großbau- stelle mit »beschädigtem Gelände« gleicht.1987 erschien Alfred Wellms »Morisco«, ein Roman, der bald in Vergessenheit geraten sollte. Trotz seiner literarisch hohen Qualität, trotz einer bewegenden Geschichte, die jeden angeht. Denn Morisco erzählt über Träume, von denen sich die Realität immer mehr entfernt. Über Anpassung in große und vermeintlich unumstößliche Abläufe, über Anerkennung im Kleinen und Verkennung im Grundsätzlichen, über gesellschaftliche Mechanismen, die sich in einst grandiose Lebensentwürfe schleichen... Ein fast 30 Jahre junger Roman, der nichts an Aktualität eingebüßt hat.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783356021424
Dritter Teil

ACHTES KAPITEL

36 Wenn man mich verstehen soll (eine, wie ich im Grunde glaube, unberechtigte Erwartung), wenn ich verständlich machen soll, wie ich, wenn auch im Laufe zahlreicher Lebensjahre erst, jenen Zustand endgültig erreichte, mit dem mir ganz normal erscheinenden Besitz der beiden Existenzen, verlustig meiner Einsamkeit also, aus der ich hätte schöpfen können (weiß ich, jedoch vielleicht zu einem Nutzen), so darf ich in der Schilderung auf Einzelheiten nicht verzichten – so geringfügig und alltäglich sie auch sind, ja auf Klischees, die einen Eigenwert gar nicht enthalten; man verstehe mich recht: es geht mir nicht um ein Poem.
Es war die untere Etage einer Villa in der Ahornstraße, einer Villa »Wilhelminischen Stils«, in die wir eines Tages unsere Möbel trugen; vor den Fenstern eine Terrasse, dann der große Vorgarten, über den wir alleine verfügen würden, der eine gußeiserne, damals dick berostete Umzäunung hatte. Im selben Haus über uns, für sich zurückgezogen, wohnten zwei alte Damen, die heimlich wie Mäuse waren, die wir kaum einmal hörten. Wir gingen durch die fünf sehr hochräumigen Zimmer, um unsere Gegenstände aufzuteilen. Das Klavier trugen wir ins Musikzimmer, das es offenbar einmal gewesen war, das einen halbrunden Erker hatte. Jan hatte sich eine hintere, kleinere Stube ausgesucht, war einsilbig, saß auf seiner Bank, und wenn wir das Zimmer verließen, hörten wir, wie er mit Knu, der blechköpfigen Puppe, sprach, denn er sehnte sich nach dem halbdunklen Boden mit den Pfosten und Schornsteinen, dem kleinen Fenster mit den braunen Schmetterlingen.
Wir verteilten unsere wenigen Möbel auf die Stuben. Wir waren noch unentschlossen, welche Bedeutung wir den einzelnen Räumen geben sollten, stellten die Dinge mehrmals um, trugen sie von der einen in die andere Stube. Anna bestand darauf, daß das neben der Terrasse liegende geräumige Zimmer allein mir gehöre, also trugen wir den Bock und das Reißbrett dort hinein, so daß sie ihren endgültigen Platz erhielten.
Ich erinnere mich, wie wir plötzlich alles stehenließen und noch einmal durch die Räume gingen und daß wir Besitz von ihnen ergriffen und wir uns ganz unerwartet erleichtert fühlten. Wir sprachen das nicht aus, aber wir atmeten auf, weil wir uns von T. E., ihren Ratschlägen, ihren Erfahrungen, von den Neuigkeiten, die sie unaufhaltsam, unerschöpflich von der Straße mitgebracht hatte, befreit empfanden. Wir sprachen nur gut über T. E., sagten, daß sie uns jetzt sehr fehlen werde, aber wir dachten daran, wie sie uns immer mehr auf die Haut gerückt war, wir ihre Fürsorge hatten kaum noch ertragen können und wie lästig uns ihre Eifersüchteleien, die fortwährenden Anspielungen auf unsere neuen Freunde in der letzten Zeit gewesen waren.
»Ob Puschkin uns einmal besuchen wird?«
»Ich glaube nicht.«
Wie uns auch die Abende mit Puschkin immer unerträglicher geworden waren, wir seine fatalistische Lebensneugier gründlich haßten.
»Das war immer ein Leben, wenn Puschkin kam, eine Flasche Rotwein aus der Tasche zog.«
Aber Anna vermied es, Josef zu erwähnen, und ich wußte, daß sie vor allem doch an Josef dachte.
Angesichts der leeren Wohnung, der gardinenlosen Fenster, des vollkommen verwahrlosten Gartens vor der Terrasse erblickten wir in allem einen Anfang. Denn die Fesseln des Menschen sind seine Gewohnheiten, sagten wir uns. Nein, es war durchaus richtig, daß wir jetzt einen Strich unter das bisherige Leben ziehen wollten.
An jenem Abend, erinnere ich mich, nahmen wir Jan die blechköpfige Puppe weg. Jan war eingeschlafen, wir zogen die Puppe vorsichtig aus seinen Händen, denn die Puppe, so sagten wir uns, würde ihn nur immer an das alte Haus erinnern. Anna und ich hatten die Puppe nie gemocht, der hier und da die Farbe vom Gesicht abplatzte, so daß sie nur ein Auge hatte, einen fehlerhaften Mund.
Am nächsten Morgen verfolgten wir, wie Jan nichts sagte, überall die Puppe suchte. »Ach laß doch diese alte Puppe«, sagten wir; aber er suchte während des ganzen Tages, antwortete nur einsilbig, suchte in allen Stuben; und als wir am Abend vor ihm saßen, blickte er uns vorwurfsvoll und mit Gewißheit an. »Aber es ist doch Knu«, stieß er heraus. Wir trösteten ihn, wir waren ganz betroffen und trugen ihn durch die Stuben, und am nächsten Morgen kaufte ihm Anna eine neue Puppe. Jedoch: Jan rührte sie nicht an. Wir konnten den Jammer gar nicht mehr ertragen, waren hilflos, wußten uns keinen Rat. Und am Abend gaben wir Jan die häßliche, blechköpfige Puppe wieder.
37 Anna hatte schon in den nächsten Tagen sich des Gartens angenommen, grub und wühlte mit ihren Händen in der harten Erde, grub meterhohe Beifußstauden aus; wir konnten nirgendwo eine Fuhre Mist auftreiben, denn die Erde, sagten wir uns, brauchte vor allem anderen jetzt eine Düngung; dann war Anna in den Zoo gegangen, und eines Tages brachte man auf einem Lastkraftwagen Elefantenmist, der mit faustgroßen Steinen vermengt war, der sich nur schwer in die Erde graben ließ. Man hatte ja alles verkommen lassen. Sonntags bürsteten wir den Rost vom Zaun, schafften fünfeinhalb Felder, die ich hiernach mit Rostschutzfarbe strich.
Vieles ist anders, seit wir in der Ahornstraße wohnen, die Gerüche, die Geräusche. Vor allem aber unsere Gespräche in der Nacht:
»Ich muß dich etwas fragen, Anna. Was hieltest du davon, wenn ich doch ein altes Haus entwerfen würde?«
»Hast du mit Benjamin gesprochen?«
»Ja, er hatte mich angerufen, daß ich zu ihm kommen sollte.«
»Du sagtest immer, daß du es nie machen würdest.«
»Es handelt sich um eine Lücke in der Charlottenstraße. Es gibt zwei Lücken, aber es ist die neben dem Pelzgeschäft.«
»Dann ist es ja ein großes Haus.«
»Es hatte einen Doppelgiebel, ja, ein großes Haus. Unten war eine Durchfahrt.« Ich nenne, was ich über das Haus erfahren habe. »Wir würden vierundzwanzigtausend Mark bekommen, wenn ich es machte«, sagte ich.
»Hast du schon unterschrieben?«
»Der Vertrag ist fix und fertig. Das Haus soll wieder einen doppelten Giebel haben, ebenso eine Einfahrt für den Hof … Nein, ich hab nicht unterschrieben.«
Wir vermißten das Anschlagen der Uhren von den Türmen, dem Dom, der Moritzkirche, aber wir sagten uns das nicht.
»Ich mag das an dir, daß du so bist.«
»Das ist keine Architektur«, sagte ich, »das wäre Historismus; es würde mich einfach nicht reizen, Anna.«
Nach einer Weile sagte sie:
»Und wenn du es nun doch entwerfen würdest?«
Ihre Frage entrüstete mich gar nicht, denn ich hatte selbst schon den Gedanken hin und her bewegt. Offen gesagt, ich trug ihn schon seit einer Woche mit mir herum.
»Wenn ich es machen sollte, so würde ich es niemals des Geldes wegen machen.«
»Ich weiß, daß du es nicht wegen des Geldes machen würdest. Aber du hast noch niemals ein Haus entworfen, das man auch gebaut hat.«
»Ja, noch nicht ein einziges.«
Wir schwiegen und dachten darüber nach.
»Wenn du es nicht entwirfst, dann zeichnet es ein anderer an deiner Stelle.«
»Gewiß.«
»Man kann ja nicht immer die beiden Lücken in der Charlottenstraße lassen.«
»Du glaubst also, daß ich es machen sollte?«
»Ich weiß es nicht, vielleicht solltest du es machen.«
Nach einer Pause:
»Nein, Anna, ich sollte es wohl doch nicht machen.«
Wir wurden uns nicht schlüssig, kamen aber immer wieder auf denselben Punkt zurück: daß das Haus ein anderer entwerfen würde.
»Schließlich ist es nichts Unrechtes, ein ›fast barockes Haus‹ zu projektieren.«
»Im Grunde nicht, im Grunde ist gar nichts dabei.«
Solche Gespräche etwa. Wir liebten es, in die Dunkelheit zu blicken, unseren Sätzen nachzuhorchen. Wir lebten wie auf einer Insel, kannten noch niemanden in der von Bäumen überschatteten, sehr stillen Straße; wir wußten auch noch nicht, ob wir zu den Nachbarn in Verbindung treten sollten, grüßten freundlich, wenn wir uns trafen, waren jedoch zurückhaltend.
Und eines Nachts sagte Anna, daß sie in einer der Spinnereien gewesen wäre. Mich überraschte das nicht. Obwohl wir nicht wieder darüber gesprochen hatten, hatte ich doch gewußt, daß das Anna sehr beschäftigte.
»Hast du dich angemeldet?«
»Ich fange in der nächsten Woche an.«
»Als Spinnerin?«
»Ja, als Spinnerin.«
Nach einer langen Pause fragte ich:
»Was machen wir mit Jan?«
Er gehe in den Kindergarten, sagte Anna, Ira habe ihr einen Platz verschafft.
Anna hatte das alles schon geregelt, war inzwischen dort gewesen und hatte sich den Kindergarten angesehen, sie redete auf einmal ganz begeistert von den kleinen Tischen, den kleinen Betten. Es sei wirklich ein guter Kindergarten und wäre, was ja nicht unwichtig sei, nur zehn Minuten von unserem Haus entfernt. Anna hatte das alles alleine entschieden, aber, wie gesagt, überraschen tat es mich nicht. Ja, wenn man alles bedächte, sagte ich, vielleicht wäre es sogar gut für Jan, wenn er nun unter Kinder käme.
»Ich glaube auch, daß es besser für ihn ist. – – – Sie stellen sehr viel an mit den Kindern. Sie haben dort einen guten Hausmeister, und zur Faschingszeit machen sie Kinderfasching, und die Kinder verkleiden sich.«
»Ich habe doch nichts dagegen, ich sage ja auch, daß es besser für ihn ist.«
Und ich erinnere mich, wie wir an einem frühen Morgen alle drei das Haus verließen, Jan hatte eine gelbe Tasche um, und es ging ihm, was Anna und mich völlig überraschte, nicht schnell genug, in den Kindergarten zu gelangen. Er hatte auch Knu ohne ein Zögern zurückgelassen, ging uns nun voraus und war stolz, daß er die gelbe Tasche trug. Ich sah, wie enttäuscht Anna war, als er sich unter die fremden Kinder stellte und den Kontakt zu ihnen aufnahm, denn wir hatten geglaubt, daß er verängstigt und scheu sein würde. Davon war keine Spur. Wir konnten das nicht begreifen. Anna lachte immerfort, um gegen die Tränen anzugehen. Als wir gingen, ihm seinen Namen zuriefen, sah er nur kurz zu uns auf, wandte sich dann aber wieder den Kindern zu, die um ihn standen. Dabei hatten wir nur wenig auf Jan eingeredet, hatten ihm nur gesagt, daß er jetzt schon groß sei, daß er mit den großen Kindern spielen werde.
Wir gingen stumm die Straße entlang, dann verabschiedeten auch wir uns, jeder ging seinen Weg. »Du darfst dich nicht umsehen, Anna, wenn du gehst.« Ich selbst blieb stehen und sah ihr nach, sah, wie sie entschlossen die Straße überquerte und sich unter die Passanten mengte, die zur Haltestelle strebten.
38 Später brachte meistens ich Jan in den Kindergarten, denn dies lag auf meinem Weg. Und kam ich rechtzeitig von meiner Arbeit, war nicht von einer Sitzung aufgehalten worden, was später jedoch leider immer häufiger geschehen sollte, so holte ich ihn auch am Spätnachmittag wieder ab. Er ging an meiner Hand, erzählte mir alle seine Erlebnisse.
Aber ich erinnere mich, daß er eines Tages nicht mehr in den Kindergarten gehen wollte, daß er verzweifelt weinte und sich mit dem ganzen Körper dagegen sperrte. Nur unsere Unnachgiebigkeit, Annas entschlossener Ton vor allem, brachte es zustande, daß wir das Haus endlich verließen und Jan mir, wenn auch mit Tränen und mit großem Widerwillen, folgte. Aber die Kindergärtnerin, Fräulein Roggentin, klärte mich auf, das sei ein ganz natürlicher Prozeß, die Kinder müßten sich an eine neue Umwelt erst gewöhnen, sagte sie. Eine kleinwüchsige Kindergärtnerin mit braunen Augen. Wir befolgten, was sie uns sagte, auf Jans Widerstreben gar nicht zu hören, und tatsächlich gewöhnte sich Jan an den Kindergarten, hatte dann keinen Widerwillen mehr.
Doch es kam uns oft hartherzig vor, ihn in solcher Frühe wachzurütteln, denn er lag noch tief im Schlaf, wenn wir ihn weckten, schlief, während Anna ihm die Strümpfe anzog, immer wieder ein. So daß wir eines Tages überlegten, ob wir nicht meine alte Mutter zu uns holen sollten. Wir hatten ja die vielen Stuben, und sie lebte jetzt da ganz allein für sich. Dieser Gedanke beschäftigte uns mehrere Wochen. Schließlich fuhren wir zu ihr, um ihr unsere Absicht mitzuteilen. Doch meine Mutter lehnte ab.
Sie sagte, daß sie es wegen Jan gerne machen würde, doch es sei unser Leben, und wir müßten es uns selbst einrichten. Sie war sehr gealtert, hatte ein müdes, gütiges Gesicht. Aber du würdest es doch nicht beeinträchtigen, sagten wir. Doch, sagte sie, sie würde es beeinträchtigen. Sie dächte viel an uns, jeden Tag, für sie wäre es gut, an uns zu denken. Anna umarmte meine Mutter. Es wäre auch, weil wir die vielen Stuben hätten, sagten wir, und sie es bei uns jetzt besser haben würde. Aber wir spürten plötzlich, daß wir meine Mutter nicht würden umstimmen können, und hörten auf, hiervon zu sprechen. Nicht wahr, aber du kommst uns doch besuchen, sagten wir. Danach gingen wir zu Annas Eltern, blieben noch einen Tag im Kantorhaus.
An einem Wintermorgen hatten wir Jan in einen Harlekin verkleidet, wir waren zeitiger als sonst aufgestanden, doch es belebte ihn auf einmal sehr, als er sich vor den Spiegel stellte, die großen Lippen im Gesicht, das eine weiße Maske hatte. Senkrecht über jedes Auge hatten wir einen schwarzen Strich gezogen. Er war vollkommen verändert. Stand in seiner lustigen Hose, seiner bunten Jacke und vollführte Bewegungen, die uns stutzig machten.
Wir gingen durch den Schnee, und von überallher kamen vermummte Gestalten, gestiefelte Kater, Seeräuber, Prinzessinnen. Allein Jan hatte hartnäckig darauf bestanden, ein Clown zu sein.
Eine bunte Gesellschaft, die sich den Schnee abklopfte, in den Kindergarten drängte. Rohrbach, der Hausmeister, war selbst in einen Kapitän verkleidet, er hatte über Nacht das ganze Haus verwandelt, Kulissen aufgestellt, Wälder, Burgtürme und einen weißen Dampfer.
Doch eine Besprechung hatte mich aufgehalten, so daß ich abends sehr verspätet in den Kindergarten kam. Es traf so unglücklich zusammen, denn ebenso hatte Anna im Anschluß an ihre Arbeit eine Versammlung gehabt, die sie nicht hatte versäumen dürfen. »Er ist gerade eingeschlafen«, sagte Rohrbach, er empfing mich auf der Treppe. Jan schlief zwischen allerlei bunten Papieren, hölzernen Gerüsten, seine Maske war sehr verwischt; die anderen Kinder waren lange schon gegangen.
An jenem Abend erzählte mir der Hausmeister kleine Geschichten über Jan, daß er ein Spaßmacher sei, der Komödiant unter den Kindern, der sie alle unterhalten habe. Die Kinder hätten im Kreis um ihn gestanden, und es wären ihm immer neue Übertreibungen und Clownerien eingefallen, Gebärden und Bewegungen. Er hätte sich eine Decke um die Schultern geschlagen und wäre sodann als Zauberer erschienen, der aus dem Meer gestiegen sei.
Mich verwunderte das alles sehr. »Da ist er überhaupt nicht für sich allein?« fragte ich.
Der Hausmeister erzählte mir, wie der Tag abgelaufen sei. Nein, die Kinder würden Jan sehr mögen. Oftmals wären es ganz konfuse Sätze, mit denen er sie unterhalte, Satzstücke, die er irgendwo und irgendwann gehört habe. »Was wollen Sie, Herr Treppenhirsch, daß ich mich setze in den Ofen eines Känguruhs?« Ja, solche Sätze. Was er auch immer von sich gab, es fand den Beifall aller, die ihn hörten. Aber Jan, so sagte er, brauche auch das Fürsichsein. Heute wäre es dieser abnorme Tag gewesen, sonst aber wäre Jan schon nach ein paar Stunden für sic...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Erster Teil
  5. Zweiter Teil
  6. Dritter Teil
  7. Vierter Teil
  8. Impressum