Der Briefwechsel [1959]
VEB Hinstorff Verlag Rostock
Schröderplatz 2 – Fernruf 4441
3. Dezember 1959 | Brigadetagebuch1 |
Herrn
Franz Fühmann
Strausberger Platz 1
Berlin C 2
Sehr verehrter Herr Fühmann!
Wie Ihnen mein Chef2 schon schrieb, habe ich mich mit Werner Schröder3 in Verbindung gesetzt, um zu erkunden, ob die Brigade ein Tagebuch führt und welcher Art es ist.
Wahrscheinlich kann ich Ihnen nur mitteilen, was Sie schon von Werner Schröder selbst erfahren haben. Er führt ein Tagebuch, das jedoch infolge seines nackten Aufzählungscharakters eines näheren Kommentars bedarf, den er im übrigen gern und ausführlich gibt. Inzwischen hat er noch einige seiner Kumpel beauftragt, eine Chronik der Brigade zu schreiben. Diese Chronik soll bis zu Ihrem Eintreffen in Warnemünde4 fertig sein. Mehr kann man, scheint mir, nicht verlangen. (Hoffentlich plaudere ich kein Geheimnis aus, da es vielleicht eine Überraschung für Sie sein soll.)
Daß sich die Brigade auf Ihren Besuch freut, brauche ich demnach nicht mehr zu betonen. Übrigens nicht nur die Louis-Fürnberg-Brigade, sondern auch die Mitarbeiter des Hinstorff Verlages. Von unserem Kollegen Reich soll ich Ihnen herzliche Grüße übermitteln. Ich bin gern bereit, wenn Sie es wünschen, nähere Auskünfte bei der Brigade einzuholen.
Mit freundlichen Grüßen Kurt Batt (Dr. Batt)
[1964]
Dr. Kurt Batt
Rostock, 23. April 1964
Erich-Mühsam-Straße 18
Herrn
Franz Fühmann
Strausberger Platz 1
Berlin NO 18
Lieber Herr Fühmann,
in einem Punkt möchte ich doch Hans Mayer5 widersprechen, wenn er nämlich behauptet, Sie könnten keine Essays schreiben.
Beweis: Ihr Artikel im ND,6 der im übrigen nicht nur gedanklich, sondern vor allem auch stilistisch die Herzensergießungen Ihrer Kollegen etwas bedenklich erscheinen läßt.
Da über solche und andere Fragen von Belang auch schon Sankt Lichtenberg7 nachgedacht hat, möchte ich Ihnen ein Exemplar meiner Ausgabe schicken.
Herzlichst
Ihr Kurt Batt
Franz Fühmann
Berlin NO 18
Strausberger Platz 1
30. 4. 64
Lieber Herr Dr. Batt,
endlich Lichtenberg!8 Seien Sie bedankt! Wenn ein Buch nötig und längst überfällig gewesen ist, dann dies. Ich freu mich, dass Sie sich an diese Arbeit gemacht haben.
Was Ihre Meinung über meine essayistische Begabung angeht, so werden Sie nicht nur mit Hans Mayer,9 sondern auch mit Ihrem Chef10 in Konflikt kommen.
Hoffentlich sehen wir uns bald einmal wieder.
Mit herzlichem Gruss
Ihr
Franz Fühmann
[1965]
VEB Hinstorff Verlag Rostock
Schröderplatz 2
Ruf 4441
DN Rostock 1865
Herrn
Franz Fühmann
Strausberger Platz 1
1018 Berlin
Sehr geehrter Herr Fühmann, | 29. 1. 1965 |
es ist durchaus wahrscheinlich, daß Sie Sitzungen, Tagungen und ähnlichen liebenswerten Erfindungen nicht geneigt sind, aber wir haben auch gar nicht die Absicht, Sie zusätzlich zu belasten, wir wollen uns vielmehr zweimal jährlich mit Ihnen und einigen anderen literaturverständigen Damen und Herren über unsere Verlagsarbeit und die gegenseitige Zusammenarbeit unterhalten. Und wenn eine solche Gesprächsrunde offiziell den Titel Verlagsbeirat trägt, so soll das – und dies dürfen wir Ihnen versichern – doch nicht heißen, daß Sie hinfort für uns die Arbeit übernehmen. Vielmehr glauben wir, daß für Sie und für uns ein zwangloses Gespräch im Kreise von acht oder zehn Autoren, Kritikern und Verlagsleuten so nutzlos nicht sein wird.
Wir möchten Sie deshalb sehr herzlich zum Freitag, dem 19. 2., 11.00 Uhr in den Verlag einladen. Es wäre sehr freundlich, wenn Sie uns bis dahin eine kurze Nachricht zukommen ließen.
Mit freundlichen Grüßen
(Konrad Reich) | (Dr. Kurt Batt) |
Verlagsleiter | Cheflektor |
Umgezogen: Jetzt Kröpeliner Straße 25
3. 2. 65
Liebe Annaliese Bloom,11
bitte machen Sie doch den Spass mit und legen Sie Ihrem Chef die beiliegenden Briefe in folgender Reihenfolge auf den Tisch:
1.) Mit Anrede: Sehr geehrter Herr Reich, sehr g. H. Dr. B.
2.) –„– Lieber Konrad Reich
3.) –„– Hochzuverehrender Herr Konrad Reich
4.) –„– Lieber Konrad.
Sie bekommen auch, wenn ich wieder ins Ausland fahre, eine extraschöne Briefmarke von mir.
Mit herzlichem Dank
Ihr
[Franz Fühmann]
An die
Herren des Hinstorff-Verlages | 3.2.65 |
Rostock
Kröpeliner Strasse 25
Sehr geehrter Herr Reich,
sehr geehrter Herr Dr. Batt,
obwohl Ihr freundliches Schreiben,12 in dem Sie, mich gütigst zur Mitarbeit in Ihrem hochgeschätzten Verlagsbeirat einladend, meine geringen Verdienste über Maß und Gebühren zu schmeicheln die Güte haben, in einem von ähnlichen Schriftstücken bemerkens- und anerkennenswert abweichenden, liebenswürdig-frischen, ja man wäre beinah versucht zu sagen amüsant-kecken Ton, den man auch sonst an den Unterzeichnern zu rühmen sich nicht aus falschen Bedenken entsagen meinen zu müssen glauben solle, gehalten ist, einem Ton also – und ich bitte hier, an dieser sicher nicht unwichtigen Stelle, dem Gelenk zwischen zwei Gedanken gewissermassen, wieder neu ansetzen zu dürfen – dem man eine gewisse suggestive, zur Mitarbeit reizende, ja gleichsam – und dies ist, wie anders dies manchen weniger Einsichtigen auch scheinen möge bei weitem nicht zu viel gesagt – beflügelnde Kraft nicht minder zubilligen muss als der so überaus angenehmen, herzerquickenden Aussicht, zweimal im Hingang jener kurzen und doch für das Leben eines tätigen Menschen gar nicht weit genug zu spannenden Periode, die durch das Vollenden des Umlaufs des dritten Planeten unseres Solarsystems um sein Muttergestirn schon den ältesten, von den Mythen beginnender Kulturen noch wie vom Schleier der Maya13 umrauschten Völkern des nah genannten und dennoch uns müden Abendländern so fernen Ostens astronomisch und damit auch für alle andern Bezirke des Menschengeistes bindend genugsam charakterisiert worden ist und von profanen Nachfahrn gemeinhin ein Jahr genannt wird, mit freundlichen agilen, gewisslich liebenswerten, ihre Existenz dem selbstlosen Wirken auf den humanitär noch so wenig durchwärmten Gebieten der Kritik und des Verlagswesens verschrieben habenden oder, um jene, dem lateinischen Ohr durchaus noch elegante, dem etwas zungenplumper geratnen Nachzeichner dieser klassisch-reinen Gedankenvergeistigung hingegen etwas – fast ist man versucht zu sagen: täppischer wirkenden Wendung durch eine auch unserm akustischen Sinngefüge gefälligeren zu ersetzen: geweihten Männern und Frauen an einem Tisch, der, woran keiner zu zweifeln ein Recht hat, den Vorstellungen des Hausherrn füglich als runder schon vorschwebt, zusammenzusitzen und über die Belange e...