Die Sage von Trojas Fall
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Die Sage von Trojas Fall

  1. 180 Seiten
  2. German
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Die Sage von Trojas Fall

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Denn Gaia sprach durch viele Stunden, und was sie erzählte, war die Geschichte der Welt. Sie zählen zu den großen Geschichten der Weltliteratur: die Sage von Prometheus - dem Titanensohn, der die Menschen erschuf -, die vom legendären Kampf um Troja und die über die Jahre dauernden Irrfahrten des Odysseus. Auch Franz Fühmanns Nacherzählungen der antiken Stoffe sind längst Klassiker: bestens lesbar, fantasievoll, spannend. Texte von herausragender Qualität, die nun in Neuausgaben erscheinen, kongenial illustriert von der Trägerin des Deutschen Jugendliteraturpreises, Susanne Janssen. Fulminant!

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Information

Verlag
Hinstorff
Jahr
2011
ISBN
9783356017496

Der Groll Achills

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Der Streit der Könige

Als Chryses, der Priester des blauhaarigen Apollon, aus der Betäubung erwacht war, in die ihn der Raub seiner Tochter gestürzt hatte, wand er eine Lorbeerranke, das Zeichen der Unverletzlichkeit, das Herolden und Gottesdienern zukam, um seinen Priesterstab, trug an Gold und Schmuck zusammen, was er in dem ausgeplünderten Städtchen noch vorfand, und machte sich auf den weiten Weg zu den Griechen. Dort angekommen, warf er sich Agamemnon zu Füßen und flehte ihn an, ihm die Tochter auszulösen. Agamemnon aber, von Habsucht besessen und auch in den Liebreiz der Chryseïs vergafft, entriss dem Priester die mitgeführten Lösegüter und wies ihn mit Schmähworten aus dem Haus. »Wage nicht, dich jemals wieder hier blicken zu lassen und um das Mädchen zu jammern, störrischer Alter«, so herrschte er ihn an, »ein nächstes Mal würden dich weder Stab noch Lorbeer vor einem Strafgericht schützen!«
Chryses wandte sich wortlos ab und ging trauernd an der Küste zu seiner zerstörten Heimatstadt zurück, und über das Brausen der Wogen hin sandte der Vater flehende Worte zu Apollon und beschwor ihn, den Frevel zu rächen, der seinem Tempel und Priester widerfahren war. »Erhabener Gott der Bogenkunst, des Gesangs und des Feldbaus, o Apollon Smintheus, der du die schädlichen Mäuse und Ratten vertilgest«, so betete der Alte, »höre auf mein Flehen und sende, nie Fehlender, deine Pfeile ins Heer der Ruchlosen, dass sie schändlich verenden wie Ungeziefer, das man mit den Füßen zertritt!«
Apollon hörte seinen Priester flehen, und als er dann den ausgeraubten, verwüsteten Tempel erblickte, runzelte er voll Zorn die Brauen, versah seinen Köcher mit gefiederten silbernen Pfeilen und eilte vom schneebedeckten Olymp zur Erde hinab. Unsichtbar, ein düsterer Schatten im Abenddämmern, so schritt er durchs Lager der Griechen, jedoch die Pfeile in seinem Köcher klirrten, und die Männer, an denen er vorüberging, kam Grauen an. Hinter den Schiffen ließ der rachedürstende Gott sich auf einem Hügel nieder, legte den ersten Pfeil auf die Sehne, spannte sie und sandte das Geschoss in den Leib eines streunenden Hundes. Das Tier fiel auf der Stelle in den Staub und heulte vor Schmerzen, seine Nüstern und Lefzen wurden trocken und schwarz wie Teer, und dort, wo das unsichtbare Geschoss in seinen Körper eingedrungen war, stülpte sich eine harte Beule, die bald aufbrach und einen stinkenden Eiter entleerte, aus dem Leib. Wenig später starb das Tier, doch da heulte schon wieder ein Hund auf und dann auch ein Pferd und dann ein Maultier, und schließlich wälzten sich die ersten getroffenen Krieger im Straßenstaub. Die Pest war ins Lager der Griechen eingebrochen. Pfeil um Pfeil ließ Apollon vom Bogen schnellen, und wen immer er traf, den raffte die Seuche hinweg: Hunde, Maultiere und Pferde zuerst, dann Krieger um Krieger und schließlich auch einen Königssohn. Darum berief, als alle Opfer und Gebete die wütende Verderbnis nicht einzudämmen vermocht hatten, Achilles eine Versammlung des ganzen Heeres zu den Schiffen und gebot dem Priesterpropheten Kalchas, dem die Unsterblichen die Gabe verliehen hatten, verborgene und künftige Dinge zu erspähen, ungescheut kundzutun, welchen Gott man erzürnt habe und was getan werden müsse, seinen Groll zu stillen.
»Ich will es dir sagen, Sohn des Peleus«, erwiderte Kalchas, »jedoch du musst mir versprechen, mich zu beschützen, denn mein Spruch wird einen Mächtigen sehr erregen!« Achilles versprach dies, und Kalchas erklärte, Apollon plage das griechische Heer ob des Frevels an seinem Priester Chryses; Agamemnon möge die geraubte Jungfrau mit einem reichen Sühnegeschenk ihrem Vater nach Chryso zurücksenden, dann werde Apollon wohl von seinem Strafgericht lassen und gnädig sein.
Als Agamemnon dies hörte, fuhr ihm die schwarze Galle ins Blut, und sein Herz kochte auf wie ein brodelnder Kessel. »Du Unglücksseher«, so fuhr er den Priester an, »du Unheilsprophet, der du noch nie ein gedeihliches Wort für mich und mein Haus ausgesprochen, du faselst auch jetzt nur daher, um mir zu schaden! Du weißt sehr wohl, dass Chryseïs mir teuer ist und dass ich im Sinn habe, sie neben mein Eheweib Klytaimnestra zu stellen! Neid spricht aus dir, sonst gar nichts, und voll Hass und Gift sind deine Worte! Doch um des Volkes willen mag nach deinem Spruch geschehen; ich will Chryseïs herausgeben, doch es ist dann nur recht und billig, dass mir, zum Ersatz, ein andres Beutegut als Ehrengeschenk zugesprochen wird, denn wie käme ich dazu, als einziger den Schaden davonzutragen!«
»O höchst ruhmvoller und höchst habgieriger Feldherr«, erwiderte Achilles, »woher sollte dieses Ehrengeschenk denn genommen werden? Wir sind doch seit vielen Jahren davon abgekommen, einen Teil der Beute als Gemeineigentum aufzubewahren! Was wir aus Chryso gebracht, ist längst verteilt, und was dem Einzelnen gehört, ist sein Eigentum, und keiner, auch du nicht, kann es ihm jemals wieder nehmen! Schicke dich also so lange drein, Agamemnon, bis wir Troja erobert haben; das Volk wird dir dann sicher einen dreifachen Anteil gewähren und dich fürstlich für den geringen Verlust entschädigen!«
Die Krieger riefen ihr zustimmendes Wort, allein Agamemnon erwiderte heftig: »Ich kenne deine Schläue und Durchtriebenheit, Achilles, du hast ja nur vor, mich um meinen Anteil zu prellen! Nichts da von morgen und übermorgen! Heute, jetzt, sofort will ich mein Beutestück, und wenn es das Volk mir nicht zusprechen mag, so gehe ich hin und nehme es mir mit eigener Hand! Vielleicht nehme ich den Anteil des Ajax oder den des Odysseus oder vielleicht auch deinen eigenen, Peleussohn, und du wirst die Hand nicht wider mich heben! Doch jetzt ist keine Zeit, darüber zu schwätzen! Wählt zwanzig Ruderer, zieht ein Schiff ins Meer und stattet es reichlich mit Opfergaben aus, ich will meinetwegen die Jungfrau samt den Sühnegeschenken an Bord bringen, das Schiff aber mag dann ein andrer nach Chryso steuern, Odysseus oder Ajax oder Idomeneus, was kümmert mich das, darüber soll Achilles befinden, der ja Befehlshaber der Flotte ist!«
Nach diesen Worten erhob sich Agamemnon und wollte die Ratsversammlung auflösen; Achill aber sah ihn mit einem finsteren Blick an und sagte drohend: »Du Unverschämter, auf nichts sinnst du als auf deinen eigenen Vorteil! Es ist ein Wunder, dass dir überhaupt noch einer der Achaier gehorcht! Freiwillig, um dir und deinem Bruder gefällig zu sein, und nicht Ilions wegen habe ich meine Myrmidonen in den männermordenden Krieg geführt; kein Troer hat mir ein Leid angetan oder auch nur ein einziges Stück Vieh geraubt, denn so viel Land und Meer hat Zeus zwischen unsere Völker geschoben, dass wir für alle Zeiten in Frieden miteinander leben können! Nur um Menelaos und dich zu rächen, du Schändlicher, habe ich mein Volk vor Trojas Tore gebracht, und nun drohst du mir meine wohlerworbene Beute zu entreißen! Ausgerechnet du und ausgerechnet mir! Ich trage jedes Mal die härteste Kampflast und bin immer im dichtesten Getümmel zu finden, indes du dich aus allen Gefahren heraushältst und im Lager herumlungerst; kommt es aber zur Teilung der Beute, schleppst du den Löwenanteil weg, während ich, vom Kampf erschöpft, mich willig mit wenigem begnüge. Aber des bin ich nun satt! Ich werde meine Flotte rüsten und mit meinem Volk nach der Heimat zurückkehren; du magst ja sehen, wie du ohne mein Schwert zu Ruhm und Reichtum kommst!«
»So flieh nur, flieh, du Feigling!«, schrie Agamemnon aufgebracht, »mir bleiben hier Helden und wackere Kämpfer genug, um Troja zu nehmen! Froh sein werden wir alle, wenn wir dich nicht mehr ertragen müssen! Schon längst bist du mir der verhassteste aller Gekrönten geworden, immer nur liebst du Zank und Streit und Zwietracht und Stänkerei! Geh denn mit deinen Myrmidonen, geh und geh schnell, wir werden dir keine Träne nachweinen! Doch damit du begreifst, wer du vor mir bist, werde ich mit eigener Hand die schöne Briseis von deinem Zelt fort auf mein Nachtlager führen, und du wirst nicht wagen, mir, deinem Feldherrn, zu trotzen, du störrischer Wicht!« Da entflammte Achilles in Wut, seine Augen glänzten in gelbem Fieber, und er griff nach dem Schwert und hätte es aus der Scheide gerissen und dem Widersacher durch die Brust gestoßen, wäre Athene nicht vom Olymp auf die Erde geeilt, des Helden Groll mit heimlichen Worten zu beschwichtigen und ihm dreifache Beute zu versprechen, wenn er sich jetzt mäßige.
So stieß denn Achilles das Schwert in die Scheide zurück, seine Zunge aber vermochte er nicht mehr zu zügeln. »Du Trunkenbold mit der Ehre eines Hunds und dem Mut eines Hasen«, schrie der Pelide, »nie hast du in der Schlacht deinen Mann gestanden, immer nur hast du andere ins blutige Treffen geschickt, völkerfressender König, doch länger wirst du nicht mehr an mir gefrevelt haben! Höre also, Hundsfott: So wahr dies mein erzgeschäftetes Zepter nimmermehr grünen kann wie lebendiges Holz, so wahr werden Achill und sein Volk nicht mehr gegen Ilion ziehen, und wenn Hektor dein ganzes Heer wie Asseln zermalmt, werde ich ihm vom Bord meines Schiffs aus freudigen Beifall klatschen!« Mit diesen Worten erhob sich der junge König und schmetterte sein Zepter auf die Erde, und auch Agamemnon sprang auf, und das weitere Schmähen hätte gewiss nicht unblutig geendet, wäre es dem weisen Nestor nicht gelungen, den aufgepeitschten Sinn der beiden Hadernden so weit zu sänftigen, dass sie einander wenigstens einen ehrenvollen Abgang gewährten. »Er ist ja einer der besten Lanzenwerfer, das muss ich schon zugeben«, erklärte Agamemnon, »aber soll es ihm darum erlaubt sein, seinen Feldherrn derart ungezügelt zu beleidigen?« – »Meinethalben mag ihm Briseis gehören«, murrte Achilles, »mir ist wenig an ihr gelegen, sie ist träg und stumpf, also soll er sie haben! Allein«, so fuhr der Pelide, erneut vom Zorn übermannt, fort, »er möge sich ja nicht erdreisten, außer Briseis auch nur eine Mantelspange aus meinem Besitz anzutasten, meine Lanze würde sonst seinen Leib nicht verfehlen!«
Mit diesen Worten gingen die beiden auseinander; Agamemnon hieß seine Krieger ein Schiff für Chryseïs rüsten und reich mit Sühnegütern beladen, und Achilles gebot seinem Herzensfreund Patroklos, der ihm so lieb wie ein leiblicher Bruder war, Briseis ins Haus Agamemnons zu führen. Dann schritt der Held hinunter ans Meer, setzte sich auf einen Felsblock inmitten der Brandung und weinte laut ob seiner Schmach, denn zu jener Zeit schämten sich die Helden ihrer Tränen ebenso wenig wie ihrer nackten Lust. Dies Jammern und Schluchzen hörte die Meergöttin Thetis, die seit ihrer Trennung von Peleus in einer Grotte aus Muscheln tief unter der salzigen Flut ihr Leben verbrachte. Sie stieg aus dem Meer, setzte sich auf den Felsblock und tätschelte sanft die im Zorn verkrampfte Hand ihres lieben Sohnes. »Weh mir unseligen Mutter«, so seufzte Thetis, »dass ich das einzige Kind, das mir geblieben, so in Tränen aufgelöst sehen muss! So kurz ist dein Leben, Söhnchen, und ach, so tränenvoll und erfüllt von Gram. Ich weiß, welch schreiendes Unrecht dir widerfahren ist; du jammerst mich sehr, und ich will zu Zeus gehn und mein Knie vor ihm beugen und ihn um Beistand bitten, obwohl ich mir durch solch heimliches Tun den Zorn der Götterkönigin Hera zuziehen werde! Zwar weilt der hohe Gebieter jetzt bei den Äthiopiern, die ihn zu einem Gastmahl geladen haben, doch nach drei Tagen kehrt er zurück, dann fahre ich zum Olymp auf und bitte ihn, deine Schmach zu rächen. Bis dahin, mein Kind, entzieh dich dem Kampf und bleib auf den Schiffen!« So sprach Thetis, dann versank sie in der gekräuselten Flut. Achilles erhob sich und sah, wie ein Schiff Agamemnons mit Chryseïs an Bord durch die Startrinne ins Wasser gezogen wurde, und da wusste er, dass der Oberbefehlshaber ihm Briseis genommen, und er wiederholte seinen Schwur. Dann ging er zu seinen Kriegern und verbot ihnen, was immer auch geschehe, am Kampf der Griechen teilzunehmen. »Und wenn sie zertreten werden wie Schaben und Läuse, wir werden keinen Finger für sie krümmen«, so redete er, »sie haben geduldet, dass der Lumpenkönig meine Beute geraubt hat, also sollen sie dafür Buße bluten!« So sprach Achill, den die Geschichtsschreiber den herrlich strahlenden Helden nennen, dann begab er sich mit seinem Lieblingsfreund Patroklos zum Morgenmahl.

Der Streit auf dem Olymp

Drei Tage waren vergangen, die Pest war erloschen, all ihre Opfer waren verbrannt und die Vorbereitungen zum letzten Sturm auf Ilion zu Ende gediehen, da kehrte Zeus, der Göttervater, der den Blitz und den Donner in seiner Linken trägt und auf dessen rechter Schulter ein riesiger Adler horstet, vom Gastmahl bei den dunkelhäutigen Äthiopiern zum Olymp zurück und setzte sich, ehe er den Götterpalast betrat, nach einer alten Gewohnheit auf eine Felsnase des Gipfels, um gelassen und belustigt das wimmelnde Treiben der ameisenkleinen Menschlein anzuschauen. Dies wusste Thetis, und so hatte sie Zeus denn vor dieser Felsnase erwartet, und als er nun nahte, warf sie sich vor ihm zu Boden nieder, umschlang, wie Schutzflehende es zu tun pflegen, mit ihren weichen Armen seine Knie und bat, sich an ihn schmiegend, den Allmächtigen mit beschwörend-schmeichelnden Worten, ihr liebes, so früh dem Tod bestimmtes Kind zu rächen und den Griechen so lange den Sieg zu verweigern, bis Agamemnon dem beleidigten Achill Genugtuung gegeben habe. Zeus sah voll Wohlgefallen auf die schöne Bittende zu seinen Füßen; doch als sie geendet, saß er lange und schwieg, und seine Stirn war von tiefen Falten gefurcht. Eine Stunde hielt Thetis dies Schweigen aus, dann begann sie erneut zu sprechen und den Allwaltenden zu bedrängen, doch der Götterkönig verwies ihr verärgert die Rede und sagte voll Unmut: »Du weißt doch genau, Thetis, dass ich Hera versprochen habe, den Achaiern zu helfen, und nun quälst du mich, sie um deines Achills willen zu verderben! Ich habe mit Hera Zank und Streit wahrhaftig genug, du kennst ihre Eifersucht und ihre Launen, und nun bürdest du mir noch weitere Sorgen auf! Geh drum, eh die Argwöhnische dich erspäht, ich will deine Bitte überdenken; jeder anderen Himmlischen hätte ich sie rundweg abgeschlagen; dir aber, die du immer treu zu mir gehalten hast, will ich sie vielleicht gewähren, doch hoffe ich, Schöne, dass du dich dafür erkenntlich zeigst!«
Bei diesen Worten jubelte Thetis’ Herz; sie glitt wie ein Mondstrahl in das schimmernde Meer hinunter, und Zeus betrat den Götterpalast. Alle Unsterblichen erhoben sich von ihren Sitzen, ihn ehrenvoll nach Gebühr zu begrüßen; Hera aber war die Heimlichkeit der Thetis nicht entgangen, und so empfing sie ihren Gemahl mit düsterer Miene. »Was hast du wieder für Vertraulichkeiten«, zischte sie ihm beleidigt zu, »willst du mich denn nicht, wie es mir zukommt, in deine Geschäfte einweihen? Immer handelst du hinter meinem Rücken, das ist unerträglich! Oder sinnst du etwa darauf, mich mit diesem ältlichen Meerwesen, der verstoßenen Frau eines Sterblichen, zu betrügen?«
So sprach die hocherhabne göttliche Königin, die oberste aller unsterblichen Frauen, vor denen die Völker einst fromm ihre Knie beugten, allein Zeus entgegnete ihr grob, sie möge sich ja nicht in seine Angelegenheiten mischen; wenn er ihr etwas enthüllen wolle, werde er dies aus freien Stücken tun und sie als erste Vertraute vor allen anderen heranziehen; was aber seine Geheimbeschlüsse angehe, so möge, dies rate er gut, auch das Ehweib sich nicht erfrechen, sie auszukundschaften, es werde ihr sonst übel ergehen! Zeus hatte dies mit solchem Nachdruck gesprochen, dass Hera beschloss, einen Pflock zurückzustecken. »Ferne liegt es mir, in deine Pläne zu dringen«, so sprach sie, »es geht mir nur darum, dass dich diese zudringliche Alte nicht beschwatze und dir etwa das Wort abpresse, um ihres halsstarrigen Achilles wegen den Griechen zu schaden, die uns beiden doch allzeit die köstlichsten und reichsten Opfer bringen!«.
»Durch solche Worte, Weib, entfernst du dich von meinem Herzen«, erwiderte der Götterkönig ungeduldig, »ich bin dir in dieser Sache keine Rechenschaft schuldig, und selbst wenn ich den Griechen zu schaden beschlossen hätte – und ich sage dir gradheraus, ich habe es getan –, so ist es noch immer mein königlicher Beschluss und Wille, und du hast ihn schweigend hinzunehmen! Du sollst mich, Aufsässige, nicht lange mehr so wohlmeinend finden!«
Hera bebte bei diesen Worten vor Zorn, denn sie hörte ihre Befürchtung bestätigt, allein sie wagte nichts zu erwidern, und auch die anderen Himmlischen schwiegen betreten ob ihres Königs Groll. Dies Schweigen wiederum brachte Zeus nur noch mehr auf; er nahm es als heimlichen Widerstand und unausgesprochenes Paktieren mit Hera, und er hätte seinen Blitz unter die Unsterblichen geschleudert, wäre nicht Hephaistos, der Gott des Feuers und der Schmiedekunst, gewitzt genug gewesen, sich in gespielter Beflissenheit an seine Mutter Hera zu wenden. »Vergiss nicht, geliebte Mutter«, so sprach er mahnend, »dass du deinem erhabnen Gemahl und Gebieter unbedingten Gehorsam schuldest; beeile dich also, ihn mit schmeichelnden Worten wieder zu versöhnen, denn nichts ist so schrecklich als unsres Königs lohender Zorn. Hat doch«, so setzte der Feuergott fort, »hat doch der Allgewaltige selbst mich, seinen eigenen Sohn, als ich ihm einmal starrsinnig zu widersprechen gewagt habe, an der Ferse gepackt und über seinem Kopf gewirbelt und mit solchem Ungestüm in die Lüfte geschleudert, dass ich den ganzen Tag wie ein Komet den Himmel durchflogen habe und erst mit der sinkenden Sonne auf die Insel Lemnos niedergepurzelt bin, bei welchem Sturz ich mir so elend die Hüfte verrenkt und die Beine zerschmettert habe, dass ich, trotz Apollons Heilkunst, noch heute drum lahme! Nimm also, geliebte Mutter, diesen Becher voll Nektar und leere ihn auf das Wohl unseres Herrschers, und auch ihr anderen Himmlischen, trinkt ihm zu!«
So sprach Hephaistos, und er stellte die Krücken, deren er sich sonst beim Gehen bediente, zur Seite und humpelte mühsam auf seinen schwachen, halblahmen Beinen von Stuhl zu Stuhl und schenkte den duftenden, Unsterblichkeit verleihenden Nektar in goldne Pokale, und als die Götter das erbärmliche Entengehumpel des krückenlosen Krüppels sahen, lachten sie unbändig und schlugen sich brüllend vor Lachen auf die feisten Schenkel und freuten sich ihrer graden, gesunden Glieder, und Zeus und Hera, die Eltern, lachten lauthals mit über den watschelnden Hinkefuß, der da den Einfaltspinsel spielte und doch der klügste und anständigste in dieser verrotteten Runde war. »Das ist mein Werk!«, rief Zeus, der wie ein Wolf prustend bellte; er rang nach Luft und zeigte mit dem Finger nach dem Lahmen und keuchte vor Lachen: »Das ist mein Werk«, schrie er über den Tisch hin, »so habe ich ihn gepackt und so über meinem Kopf gewirbelt und so in die Lüfte geschleudert, dass er wie ein Komet einen ganzen Tag durch den Himmel geflogen und erst mit der sinkenden Sonne auf die Insel Lemnos niedergepurzelt ist!« Der Göttervater wirbelte, da er dies sprach, einen goldenen Pokal über seinem Haupt und wies mit dem Finger auf seinen Sohn und lachte, und die Götter tranken ihm zu, und Hera huldigte ihm, und der Gekränkte war wieder versöhnt. Die Himmlischen schmausten bis zur sinkenden Sonne, und Apollon verschönte ihr Mahl mit Leierspiel und wohllautenden Liedern, in denen er die Heldentaten der Unsterblichen pries. Er rühmte, wie sie die Menschen verwirrt und verführt und betrogen und widereinander gehetzt; er feierte Heras Macht und Athenes listigen Sinn und des Ares unbändige Stärke, am eindringlichsten aber besang er die Allgewalt des Götterkönigs, der alle seine Feinde in den finsteren Tartaros, den Kerker noch tief unter der Unterwelt, geworfen, und Zeus hörte dem Sänger wohlgefällig zu und nickte manchmal zustimmend mit dem Haupt. Als die Sonne dann in der Meerflut versunken war, brach jeder der Götter, Zeus und Hera voran, nach ihren rings auf den Höhen des Olymps gelegenen Wohnstätten auf, nur Hephaistos hinkte müde und erschöpft in seine kunstvoll aus Gold und Silber geschmiedete Burg im Innern der Erde, denn er, der Beherrscher des Feuers, wohnt in den brodelnden glühenden Tiefen, und die rauchenden Vulkane sind Essen seines Göttersit...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Der Apfel der Eris
  5. Der Groll Achills
  6. Das Pferd des Odysseus
  7. Impressum