Einheit der Prozessrechtswissenschaft?
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Einheit der Prozessrechtswissenschaft?

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Einheit der Prozessrechtswissenschaft?

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Über dieses Buch

Tagung Junger Prozessrechtswissenschaftler am 18./19. September 2015 in Köln Das E-Book Einheit der Prozessrechtswissenschaft? wird angeboten von Richard Boorberg Verlag und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Wiederaufnahmegründe, Prozesskostenlast, Prozessführung, Prozessführungspraxis, Prozesstaktik, Richtervorbehalte, Strafverfahrensrecht, Massenmedien, Beweiserleichterung, Verwaltungsprozess

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783415057425
Auflage
1
Thema
Jura

Die Schiedsvereinbarung als unvollkommener Vertrag?
Zum Rügeerfordernis des § 1032 Abs. 1 ZPO

Reinmar Wolff
I. Herkömmliches Verständnis
II. Verwerfungen
1. Mindere Verbindlichkeit der Schiedsvereinbarung
2. Abweichende Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung
3. Unzureichende Rechtfertigung des Einredeerfordernisses
a) Vertragliche Aufhebung oder Aussetzung der Schiedsvereinbarung
b) Prozessökonomie und Vertrauensschutz gegenüber dem Kläger
c) Größere Gefährlichkeit von Schiedsvereinbarungen
4. Praktische Unzulänglichkeiten
III. Lösungen
1. Schiedsvereinbarung als unvollkommener Vertrag
2. Auslegung des § 1032 Abs. 1 ZPO als nicht abschließende Vorschrift
a) Das Konzept
aa) Schiedsvereinbarung als bindender Vertrag
bb) Schiedsvereinbarung als von Amts wegen zu berücksichtigender Vertrag
b) Kein Leerlaufen des Rügeerfordernisses nach § 1032 Abs. 1 ZPO
c) Verpflichtung aus Art. II Abs. 3 UNÜ
d) Parallele zu § 1040 Abs. 2 ZPO
e) Gleichlauf mit Gerichtsstandsvereinbarungen
f) Wille des Gesetzgebers
IV. Ausblick

I. Herkömmliches Verständnis

Mit der Schiedsvereinbarung unterwerfen die Parteien ihre Streitigkeiten der Entscheidung durch ein Schiedsgericht (§ 1029 ZPO). Die Schiedsvereinbarung begründet die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (s. § 1040 ZPO) und schließt gleichzeitig die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte aus. Eine dort erhobene Klage wird als unzulässig abgewiesen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt (§ 1032 Abs. 1 ZPO).
Nach herkömmlichem Verständnis berücksichtigt das Gericht nicht von Amts wegen, ob die Parteien über den Streitgegenstand eine Schiedsvereinbarung geschlossen haben.1 Das gilt auch dann, wenn das Gericht Kenntnis von einer solchen Vereinbarung hat, etwa weil sie in dem Vertrag enthalten ist, den eine Partei dem Gericht vorgelegt hat.2 Die Schiedseinrede soll vielmehr neben der Einrede der fehlenden Prozesskostensicherheit (§§ 110 ff. ZPO) und der Einrede der fehlenden Prozesskostenerstattung nach Klagerücknahme (§ 269 Abs. 6 ZPO) zu den wenigen Prozesseinreden gehören, also nur auf Einrede hin berücksichtigt werden.3 Prozesseinreden durchbrechen die Regel, dass Sachurteilsvoraussetzungen im Zivilprozess von Amts wegen zu prüfen sind.4 Zur Klageabweisung kommt es daher nur, wenn der Beklagte aus dem Umstand, dass die Parteien eine Schiedsvereinbarung über den Streitgegenstand geschlossen haben, Rechte herleitet.5
Es entspricht nicht nur gefestigtem, sondern auch tradiertem Verständnis, eine zwischen den Parteien geschlossene Schiedsvereinbarung nur einredeweise zu berücksichtigen. Das deutsche Recht maß der Schiedsvereinbarung als exceptio pacti bereits lediglich auf Einrede des Beklagten Wirkungen zu,6 bevor die CPO-Novelle 1898 die Schiedseinrede in den Kreis der prozesshindernden Einreden aufnahm (§ 274 Abs. 2 Nr. 3 CPO).7 Die Vereinfachungsnovelle 1976 verschob die Schiedseinrede ins Schiedsverfahrensrecht (§ 1027a ZPO), verlangte aber weiterhin eine Berufung des Beklagten auf den Schiedsvertrag. Die Schiedsverfahrensnovelle 1998, die das UNCITRAL-Modellgesetz zur internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit (ModellG) in nationales Recht umsetzte, schuf den heutigen § 1032 Abs. 1 ZPO nach dem Vorbild des Art. 8 Abs. 1 ModellG. Nach dieser Vorschrift bedarf es ebenfalls einer Einrede („if a party so requests“); eine Berücksichtigung von Amts wegen wurde bei den Beratungen zum Modellgesetz erwogen, aber letztlich abgelehnt.8 Vielmehr hielten die Modellgesetzgeber insoweit an der Regelung des Art. II Abs. 3 des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UN-Übereinkommen, UNÜ) fest („at the request of one of the parties“).9 Auch während der Beratungen zum UN-Übereinkommen wurde erörtert, die Schiedsvereinbarung von Amts wegen zu berücksichtigen. Eine zunächst in den Entwurfstext aufgenommene Regelung, die dies ermöglicht hätte,10 wurde später jedoch ohne Gegenstimmen wieder daraus entfernt.11

II. Verwerfungen

Die Schiedsvereinbarung nur einredeweise zu berücksichtigen führt zu dogmatischen Verwerfungen (unten 1, 2), die sich nicht schlüssig erklären lassen (unten 3) und die Rechtspraxis vor Probleme stellen (unten 4).

1. Mindere Verbindlichkeit der Schiedsvereinbarung

Das Erfordernis einredeweiser Geltendmachung stellt die Verbindlichkeit der Schiedsvereinbarung in Frage. Denn auf der einen Seite kommen die Parteien in der Schiedsvereinbarung überein, ihre Streitigkeiten der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen. Dass ein Schiedsgericht entscheiden soll, schließt umgekehrt notwendig mit ein, dass der Rechtsstreit nicht vor die staatlichen Gerichte zu bringen ist. Dieser Vereinbarung wird gemeinhin verfügender Charakter beigemessen; sie ändert die Zuständigkeiten also unmittelbar, ohne dass es eines weiteren Umsetzungsakts bedürfte.12 Auf der anderen Seite sollen die staatlichen Gerichte gleichwohl zuständig bleiben, wenn die Schiedseinrede nicht oder nicht rechtzeitig erhoben wird (§ 1032 Abs. 1 ZPO).
Das verleiht der Schiedsvereinbarung eine eigentümliche Sonderstellung: Gewöhnlich tritt der Erfolg eines Rechtsgeschäfts ein, weil die Parteien ihn gewollt haben. Bei der Schiedsvereinbarung dagegen hängt der Eintritt des Erfolgs, den die Parteien gewollt haben, von einer (zeitlich nachfolgenden) rechtzeitigen Rüge ab. Offenbar kommt der Schiedsvereinbarung eine schwächere Wirkung zu als anderen Parteiabreden, die nicht im Ernstfall noch einmal der Bestätigung durch Erhebung einer Einrede bedürfen.
Gekrönt wird diese Eigentümlichkeit noch dadurch, dass der Schiedsvereinbarung neben ihrem verfügenden Charakter auch (schuldrechtliche) Verpflichtungen zugemessen werden, die nicht unter dem Vorbehalt einer späteren Rüge stehen. Wer entgegen einer Schiedsvereinbarung Klage zu einem US-amerikanischen Gericht erhebt, verletzt nach überwiegender Auffassung seine aus der Schiedsvereinbarung erwachsende Pflicht, den Rechtsstreit nicht vor die staatlichen Gerichte zu bringen.13 Er schuldet seinem Vertragspartner daher nach dortigem Prozessrecht nicht erstattungsfähige Verfahrenskosten als Schadensersatz.14 Warum aber soll die verfügende Wirkung hinter der verpflichtenden zurückbleiben? Warum also verletzt der Kläger in jedem Fall eine vertragliche Pflicht, wenn er Klage zu einem staatlichen Gericht erhebt, während dieses Gericht, das aufgrund derselben Schiedsvereinbarung unzuständig ist, dies nur im (ungewissen) Fall einer Rüge des Beklagten erkennen wird?15

2. Abweichende Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung

Die Berücksichtigung der Schiedsvereinbarung nur auf Einrede hin verträgt sich außerdem nur schlecht mit der Behandlung derogierender Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Gerichtsstandsvereinbarung teilt den verfügenden Charakter der Schiedsvereinbarung,16 schließt also ebenso wie die Schiedsvereinbarung die Zuständigkeit des derogierten Gerichts unmittelbar aus. Anders als diese ist sie aber von Amts wegen zu beachten.17
Die Auswirkungen dieses konstruktiven Unterschieds ebnet freilich § 39 ZPO in vielen Fällen ein. Danach wird das derogierte Gericht zuständig, wenn der Beklagte rügelos zur Hauptsache mündlich verhandelt. Auch der schiedsgebundene Beklagte muss die Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache erheben. Wer als Beklagter rügelos zur Hauptsache verhandelt, kann daher im Ergebnis weder den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung noch den einer Schiedsvereinbarung einwenden.18
In der Säumnis des Beklagten zeigen sich dagegen die Unterschiede der fristgebundenen Einrede und der Zuständigkeitsbegründung infolge rügeloser Einlassung: Der säumige Beklagte verhandelt nicht mündlich zur Hauptsache, so dass § 39 ZPO keine Zuständigkeit begründet. Das derogierte Gericht muss die Gerichtsstandsvereinbarung, die beispielsweise in dem streitgegenständlichen, vom Kläger vorgelegten Vertrag enthalten ist, von Amts wegen beachten und die Klage durch sog. unechtes Versäumnisurteil abweisen.19 Enthält der vom Kläger vorgelegte Vertrag statt einer Gerichtsstands- eine Schiedsvereinbarung, so fehlt es an der Erhebung der Einrede des säumigen Beklagten vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache. Das Gericht wird die (im Übrigen zulässige und begründete) Klage mangels erhobener Einrede deshalb nicht nach § 1032 Abs. 1 ZPO abweisen, sondern ein Versäumnisurteil erlassen.
Bemerkenswert ist, dass auch die Berücksichtigung von Gerichtsstandsv...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. Der Schutz der Verfahrensgrundrechte in sog. Bagatellstreiten – prozessuale Einheit im Zivilverfahren und Impulse des französischen Rechts
  7. Straftheoretisch fundierte (Medien-)Öffentlichkeit
  8. Das Fehlurteil im Strafprozess – Zum Begriff und zur Häufigkeit
  9. Die Unterschiede der Wiederaufnahmegründe in den verschiedenen Rechtsgebieten – Ausfluss divergierender Rechtskraftbegriffe?
  10. Präventive Richtervorbehalte und deren nachträgliche Kontrolle
  11. Dispositions- und Verhandlungsgrundsatz im Spannungsverhältnis zum (europäisierten) materiellen Recht
  12. Informalisierte Entscheidungsfindung? Außergesetzliche Instrumente in Wirtschafts(straf)verfahren
  13. Zur unterschiedlichen Bedeutung des Beweisrechts bei der richterlichen Tatsachenermittlung nach der VwGO und der StPO
  14. Zur Anwendung ausländischen Rechts im Zivil- und Strafprozess
  15. Die Unterscheidung von Tat- und Rechtsfrage im Prozessrecht
  16. Lassen sich die verschiedenen zivilrechtsprozessualen Figuren der Beweiserleichterung zu einem (lückenlosen) System der Beweiserleichterung zusammenfügen?
  17. Der Finanzgerichtsprozess als besondere Prozessart des öffentlichen Rechts
  18. Grenzen der Revisibilität? Zur Frage der Zulässigkeit richterlicher Beurteilungsspielräume im Strafrecht
  19. Die Suche nach der Wahrheit und das Ziel der Gerechtigkeit in den unterschiedlichen Prozessordnungen – rechtsphilosophische Überlegungen zum Prozessrecht
  20. Verfahren vor NS-Scheingerichten
  21. Die Prozesskostenlast des Unterliegenden – Einheit und Vielfalt des Prozess(kosten)rechts?
  22. Das Recht auf rechtliches Gehör im Zivilprozess – ein Desiderat für das universitäre Curriculum
  23. Einheit und Vielheit der Verfahrensrechtswissenschaft(en): Einsichten der Rechtswissenschaftstheorie
  24. Gesetzlichkeitsgrundsatz und ungleichartige Wahlfeststellung Zum verfassungsrechtlichen Gebot des eindeutigen Schuldspruchs
  25. Normatives Vorverständnis im Verwaltungsprozess
  26. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung – Eckstein oder Stolperstein der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der EU?
  27. E pluribus unum – das private Verfahrensrecht der Fußballverbände als Schmelztiegel der staatlichen Prozessrechte
  28. Was ist gutes Strafverfahrensrecht? Bausteine einer Strafverfahrensrechtsetzungslehre
  29. Einheit des Beweismaßes: Soll im Straf- und Zivilprozessrecht das gleiche Beweismaß gelten?
  30. Die Verfahrensstruktur des Strafprozesses als unüberwindbares Hindernis für ein inkorporiertes Abspracheverfahren
  31. Die Prozessführungspraxis im Sog der Massenmedien – rechtlicher Rahmen und ethische Fragen prozessbegleitender Medien- und Öffentlichkeitsarbeit
  32. Die „funktionsdifferente Handhabung“ des Verfassungs- und Verfahrensrechts in Zivilprozess und sozialgerichtlichem Verfahren am Beispiel des § 227 ZPO
  33. Misstrauen im Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts – zum Haftgrund der Fluchtgefahr bei EU-Bürgern mit Wohnsitz im EU-Ausland
  34. Die Schiedsvereinbarung als unvollkommener Vertrag? Zum Rügeerfordernis des § 1032 Abs. 1 ZPO
  35. Aktuelle Anfragen an medienbezogene Zeugnisverweigerungsrechte
  36. Verzeichnis der Autoren und Herausgeber