Konservativ. Warum das gut ist.
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Konservativ. Warum das gut ist.

Ein Appell

  1. 192 Seiten
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Konservativ. Einst in den Medien und Parteien gut vertreten und salonfähig, doch nun? Kaum jemand traut sich noch, sich so zu nennen, weil eine politische Heimat fehlt.Anette Schultner ist offen christlich-konservativ. Nun äußert sich die ehemalige AfD-Politikerin und Ex-Chefin der Christen in der AfD (ChrAfD) erstmals umfassend über ihr politisches Ringen und ihren Parteiaustritt. Ehrlich fragt sie, wer eigentlich noch politisch konservative Werte vertritt und fordert dazu auf, selbstbewusst für diese Werte zu stehen und in Politik und Gesellschaft Standpunkte zu beziehen.

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Kapitel 1

Kirchentagsdiskussion

Bitte um Teilnahme an einer Diskussionsveranstaltung auf einem Podium des Evangelischen Kirchentags 2017 in Berlin: Mitte Dezember 2016 erreichte mich als damalige Bundesvorsitzende der »Christen in der Alternative für Deutschland«, kurz: ChrAfD [sprich: kraft], diese überraschende Einladung durch eine E-Mail von Herrn Dr. Harald Lamprecht, Beauftragter für Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Das Thema lautete: »Streitzeit: Christen in der AfD?«. Diskussionsteilnehmer sollten außer mir dezidierte AfD-Kritiker sein: der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Dr. Markus Dröge, und die Publizistin Dr. Liane Bednarz, die Moderation würde die ZDF-Journalistin Bettina Warken übernehmen. Weder ließen das Thema noch die vorgenannten Namen Zweifel bei mir daran zu, dass es bei der Veranstaltung nicht um einen Austausch im Sinne eines vielleicht partiellen Verstehens der Position des Gegenübers ging. Auch die organisatorisch angestrebte unterschiedliche Redezeitverteilung der Pro- und Kontra-Positionen würde eine Rolle spielen. Hinzu kam, dass sich die bekannte erhebliche politische Linkslastigkeit der heutigen evangelischen Kirche (mehr dazu in Kapitel 5) auf ihren Kirchentagen noch zu potenzieren pflegte: Art der dort angebotenen Veranstaltungen und Publikum bedienten einander größtenteils.
Mich trieb vor allem die Frage um, wie konstruktiv diese Diskussionsveranstaltung werden konnte, und ich war mehr als skeptisch. Insofern dauerte es Tage, bis ich mich zur Teilnahme durchgerungen hatte und zusagte. Letztlich bewegte mich hierzu die Überlegung, dass man sich als AfD-Mitglied nur schwer über kommunikationsbezogenes Ausgeschlossen-Sein in diversen Landeskirchen beschweren konnte, wenn man dann eine solche Möglichkeit verstreichen ließ. Beim Katholikentag 2016 in Leipzig hatte es keinerlei Bereitschaft zur Diskussion mit AfD-Vertretern gegeben.2
Zudem fühlte ich mich persönlich als konservative Christin angesprochen: Wenn es hier die Möglichkeit gab, doch ein wenig mehr christlich-konservative Gedanken auf dem Evangelischen Kirchentag öffentlich anzubringen, auch unter schwierigen Bedingungen, wollte ich diese Chance wahrnehmen.
Der Kirchentag rückte näher und ich fand das viele Aufheben, das um meine dortige Teilnahme auf einem Podium gemacht wurde, kaum noch in Worte zu fassen, völlig absurd. Immer mal wieder meldeten sich Leute bei mir, die belustigt feststellten, dass es, Barack Obama ausgenommen, um keinen Veranstaltungsteilnehmer beim Evangelischen Kirchentag 2017 so einen öffentlichen Wirbel gab wie um mich – parteibedingt. Im September 2016 hatte das Kirchentagspräsidium jedoch beschlossen, dass der Kirchentag sich als ein offenes Forum für faire Debatten über aktuelle Themen in Kirche und Gesellschaft verstehe und niemand nur wegen seines Parteibuches ein- oder ausgeladen würde. In der evangelischen Kirche beziehungsweise seitens der Kirchentagsleitung hatte man sich aufgrund einer gewissen Skepsis gegenüber der AfD vor meiner Einladung darüber hinaus intensiv mit mir und meinen Aussagen beschäftigt und dabei natürlich keine rassistischen oder sonstige menschenfeindlichen Äußerungen gefunden; dieses wurde wohl sogar gutachterlich festgestellt. Nicht mit mir öffentlich zu diskutieren, wäre daher eine reine Ableitung aus meinem damaligen Parteibuch gewesen. Die Kirchentagsleitung blieb deshalb trotz Gegenwind fest in ihrer Einladung.
Schließlich war der Tag der Veranstaltung da. Vor der Kirche war aus Sicherheitsgründen reichlich Polizei präsent und eine große Menschentraube stand davor, die in der stattlichen Sophienkirche keinen Einlass mehr gefunden hatte. Wie ich hinterher erfuhr, hatte dort kurz zuvor eine Bibelarbeit mit Manuela Schwesig stattgefunden und die meisten der Teilnehmer waren gleich sitzen geblieben. Von mehr als einer Seite hörte ich später, dass zu unserer Podiumsdiskussion nur noch etwa fünfzig Leute von draußen hinzukommen konnten, was ich sehr schade fand. Presse war reichlich da, zwischen Podium und erster Reihe saßen und standen in einem Halbkreis die Kameraleute.
Drinnen begrüßten mich herzlich Herr Dr. Lamprecht und Mitdiskutantin Liane Bednarz, Bischof Dröge war deutlich verhaltener. Die Moderatorin Frau Warken hatte im Vorfeld des Kirchentages schon telefonisch einzelne Eingrenzungen für die Diskussion vorgenommen, die sie nun ergänzte. Außer beim Eingangsstatement sollten wir unsere Antworten unbedingt kurz halten. Wir durften nicht direkt miteinander diskutieren, sondern nur sie als Fragestellerin ansprechen. Im ersten Teil würde sie Fragen stellen, im zweiten würden ausgewählte Fragen, die das Publikum zuvor auf Zettel schreiben konnte, zur Beantwortung verlesen werden. Eigentlich sollte es immer eine Antwortrunde geben, wenn nötig wollte Warken aber auch Rückfragen stellen.
Mag sein, dass zuvor bei manchem die Sorge vor einem nicht kalkulierbaren Diskussionsverlauf bestand. Das Gesprächskorsett, von dem die Zuhörer natürlich in dem Maße nichts wussten, war jedoch erheblich, ließ viel zu wenig echte Diskussion zu und sollte leider manche interessante Ergänzung und Vertiefung verhindern.
Dennoch möchte ich hier eine Zusammenfassung des Gesprächs geben, da darin diejenigen Themen angesprochen werden, die mir am wichtigsten erscheinen. Gleichzeitig möchte ich die Vertreter anderer Positionen selbst zu Wort kommen lassen.
Zu Beginn der zweistündigen Diskussion erkundigte sich Frau Warken nach unserem jeweiligen christlichen Menschenbild. Konsens bei uns allen war, dass wir den Menschen als Ebenbild Gottes sehen und er daher eine Würde hat und wertvoll ist. Frau Bednarz war es in politischer Hinsicht wichtig, dass eine Partei, die sich christlich nennt oder ihre christlichen Grundsätze betont, Menschen nicht nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen unterscheidet, sondern universalistisch denkt. Das macht für sie das konservativ-politisch-christliche Denken in Deutschland aus. Ich erklärte, dass jeder Mensch gottgewollt und von ihm geliebt ist, schließlich hat Gott die Haare jedes Menschen gezählt und ihn wunderbar im Mutterleib gebildet (Lukas 12, 7; Psalm 139, 13). Bischof Dröge sieht die Seligpreisungen als besonders wichtig an: Selig ist der Mensch, der sich für Frieden, für Gerechtigkeit und für Versöhnung einsetzt und der den Nächsten liebt. Er versteht darunter vor allem den Nächsten, der einem fern ist und bei dem es Schwierigkeiten bereitet, ihn zu lieben. Diese beiden Elemente machen für Dröge das Menschenbild aus: die gleiche Würde aller und der Ruf Jesu Christi, sich verantwortlich in diese Welt hineinzubegeben, um dafür zu kämpfen, dass die gleiche Würde jedes einzelnen Menschen geachtet wird.
Frau Warken fragte mich daraufhin, ob »jeder Mensch« für mich tatsächlich »jeder Mensch« oder »jeder Christ« bedeutet, und fragte mich im Folgenden außerdem nach meiner Einstellung zur Hilfe für den Fremden, den Nächsten. Mir war klar, dass es ihr eigentlich um meine Einstellung zu Migranten ging, daher ging ich in meiner Antwort darauf ein. Natürlich hat jeder Mensch die gleiche Menschenwürde, nicht nur jeder Christ. Das bedeutet aber nicht, dass jeder Mensch auf der Welt alles machen kann, was er will. Jeder Staat hat das Recht, sein Staatswesen zu regulieren. Wenn ich morgen in die USA reise, habe ich dort nicht die gleichen Rechte, die jeder US-Amerikaner hat. Meine Antwort sprach außerdem das Elend in der Welt an. Ich finde es wichtig, dass man etwas dagegen unternimmt, aber ich bin der Ansicht, dass Völkerwanderungen und am Ende die Entwurzelung von Hunderten von Millionen kein Ziel der Nächstenliebe sein können.3
Unruhe, Zwischenrufe und eine latent aggressive Stimmung bei Teilen des Publikums, besonders jenen, die optisch erkennbar zum Antifa-Milieu gehörten, waren die ganze Zeit geradezu greifbar im Raum, schwollen jetzt aber immer mehr an. Zu keinem Zeitpunkt der Veranstaltung hätte ich, trotz Polizei und dem Veranstaltungsort in einer Kirche, darauf wetten wollen, dass sich die Diskussion wirklich über zwei Stunden bis zum Ende würde führen lassen. Einerseits erforderte die von Anfang an aufgeladene Situation eine gewisse Behutsamkeit und gleichzeitig machte sie das wirklich persönliche und sensible Eingehen auf aus dem Publikum geäußerte Empfindungen unmöglich. Das bedauerte ich wirklich sehr.
Als Antwort auf meinen Beitrag sagte Bischof Dröge: »Es gibt in der Bibel die ganz lange Tradition, dass die Gläubigen aufgerufen werden, die Fremden, die unter ihnen leben, zu achten, anzunehmen und sie so zu behandeln wie sich selbst, weil auch das Volk Israel fremd gewesen ist und diese Erfahrung gemacht hat. Aus dieser sozialen Tradition, die wirklich auch die Rechte gerade des Fremden achtet, die ganz tief fundiert ist in dem Menschenbild, das wir alle beschrieben haben, ist ja auch der moderne Staat entstanden, der keine Unterschiede mehr macht zwischen Menschen. Deswegen setzen wir Christen uns ein für einen Staat, in dem jeder leben darf, gleich welcher Religion, welcher Kultur. Er muss sich natürlich an die Rechte bei uns, an unser Grundgesetz, an unsere Gesellschaftsform halten; aber wir können keine Unterschiede machen.«
(Ich erhielt nicht die Gelegenheit, auf diesen Beitrag zu antworten. Daher möchte ich hier kurz den Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman zitieren: »Es ist eine Sache, eine freie Einwanderung für Menschen, die bei uns arbeiten wollen, zu ermöglichen, aber es ist etwas anderes, eine freie Einwanderung zu Sozialleistungen zu ermöglichen. Wenn man einen Sozialstaat hat, wenn man einen Staat hat, in dem jedem Einwohner ein bestimmtes Mindesteinkommen oder ein bestimmter Mindest-Lebensunterhalt versprochen wird, ganz gleich ob er arbeitet oder nicht, etwas dazu beiträgt oder nicht, dann ist das tatsächlich unmöglich.«4 Friedman ist in keinster Weise jemand, der Fremde hasst, er heißt sie sogar in seinem Land willkommen. Aber er sieht, dass es unmöglich ist, jeden, der einreisen möchte, mit einem Grundeinkommen zu versorgen, denn die staatlichen Mittel sind nicht unerschöpflich. Konsequent zu Ende gedacht bedeutet eine freie Einwanderung zu Sozialleistungen eine deutliche Kürzung der Sozialleistungen für alle, »die schon länger im Land leben«, und letztlich das Ende des Sozialstaats.)
Im zweiten Teil, in dem das Publikum Fragen einreichen konnte, griff Bettina Warken das bereits genannte Thema »Nächstenliebe« noch einmal auf und fragte, ob man als Christ alle Menschen gleich lieben und behandeln müsse und die Nächstenliebe gleichzeitig die Liebe zum nächsten Fremden sei.
Bischof Dröge erklärte, dass das, was als christlich bezeichnet wird, sich an Jesus Christus festmachen müsse. Seiner Meinung nach sei das vor allem das, was Jesus in der Bergpredigt (Matthäus 5-7) gesagt hat. Das sei zwar ein hoher Anspruch, aber auch ein Orientierungspunkt, an dem wir uns ausrichten sollen: »Da ist sehr deutlich, dass er mit seiner Feindesliebe absolut zugespitzt hat, dass es im christlichen Verständnis der Liebe nicht primär darum geht, das, was mir sowieso schon wertvoll ist, nämlich ich selbst, meine Familie, meine Heimat, meine Tradition, zu lieben, wertzuschätzen und zu unterstützen, was ich natürlich alles darf und soll. Aber das spezifisch Christliche, was der Botschaft Jesu entspricht, ist, genau da einen Schritt weiter zu gehen und denjenigen zu lieben, der erst einmal schwierig ist, der fremd ist, der in Not ist. Das hat Jesus mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter sehr deutlich gemacht. Da hat er jemanden als Beispiel für Nächstenliebe gebracht, der gar nicht so richtig zum Volk Israel gehörte. Er hat also deutlich gemacht: Nicht hier in meinem Heimatvolk finde ich die richtige Liebe, sondern erstaunlicherweise bei ganz anderen.« Seinen Grundgedanken unterstützte Dröge mit einem Verweis auf Dietrich Bonhoeffer und dessen Buch »Nachfolge«.
Warken griff den Gedanken an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter auf, in dem der Fremde dem Einheimischen half, und fragte mich: »Ist es spezifisch christlich, nicht nur den Nächsten, die Familie, die Heimat, sondern auch den Fremden zu lieben?«
Ich erklärte, wie ich darüber denke. Zum einen ist es selbstverständlich, dass wir das lieben, was uns nahe ist: die Familie, die Freunde, die Menschen um uns herum. Das Gesetz der Nächstenliebe sagt nicht: »Liebe jeden Menschen auf der Welt wie dich selbst«, sondern: »Liebe den Nächsten wie dich selbst.« Ich sagte weiter: »Ich bin davon überzeugt, dass Gottes Wort eine tiefere Logik hat. Ein ›Liebe jeden Menschen auf der Welt wie dich selbst‹ wäre nicht logisch, weil es nicht funktionieren würde.«
(Aufgrund der Zeit konnte ich diesen Gedanken nicht weiter ausführen. Wer könnte schon jetzt, in voller Konsequenz, alle Menschen auf der Welt lieben, wie er sich selbst liebt – und sich gemäß dem daraus entstehenden Anspruch dann auch persönlich verhalten? Beim Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10, 25-37) begegnet jemand einem Verletzten, dringend Hilfesuchenden, übernimmt persönliche Verantwortung, zunächst selbst, und als das nicht mehr geht, bezahlt er die weitere Hilfeleistung für den Fremden aus eigener Tasche. Es ist diese persönliche Großherzigkeit, die den Samariter barmherzig wirken lässt. Man kann die Nächstenliebe, zu der man sich selbst herausgefordert sieht, nicht bequem ersatzweise bei anderen erzwingen und sich dafür auf die Schulter klopfen.)
»Der Unterschied zur Nächstenliebe ist, dass diese den Menschen persönlich anspricht. Wenn wir uns persönlich Menschen zuwenden und ihnen helfen, wenn wir persönlich sagen: ›Ich will eine verfolgte Familie hierherholen, ich will das finanzieren und sie unterstützen. Ich übernehme die Verantwortung‹, wäre das barmherzig und großmütig. Mich stört jedoch, dass die Kirche erwartet und eigentlich sogar mit ein bisschen Druck durchsetzen will, dass der Staat das im großen Maße macht. Die Kirche wirft Leuten, die dies kritisch sehen, einen Mangel an Nächstenliebe vor. Nächstenliebe ist aber etwas zutiefst Persönliches und kann nicht staatlich verordnet werden.«
Bischof Dröge war es hiernach wichtig, zu betonen, dass es nicht darum ginge »die ganze Welt zu lieben« und nach Deutschland zu holen. Er betonte, dass die Kirche sich auch für die Bekämpfung der Fluchtursachen einsetze und es Christen wichtig sei, dass in allen Weltgegenden ein menschenwürdiges Leben möglich ist.
Zurück zum ersten Teil der Diskussion. Diese befasste sich noch mit den Themen Flüchtlinge und Migration und kurz mit dem AfD-Strategiepapier. Dann ging es um Familienpolitik und Gender-Mainstreaming.
Familienpolitik bzw. ein traditioneller Familienbegriff sind konservative Herzensthemen, denn jenseits von linken Utopien basiert das Bewahren einer vitalen Gesellschaft auf dem Schutz ihrer kleinsten zukunftsfähigen Keimzelle: der Familie. Daher machte ich deutlich, dass für mich Familienwerte und die traditionelle Familie wichtig sind. Das heißt nicht unbedingt, dass es nicht auch andere Kombinationen des Zusammenlebens geben kann, die wertvoll sind. Aber das Ideal, gerade auch um Kinder aufzuziehen, ist die traditionelle Familie. Die Gender-Ideologie wird von konservativen Christen sehr kritisch gesehen.
Bischof Dröge erwiderte, dass die EKD und die katholische Kirche die Familie als eine gute, eine optimale Form des Zusammenlebens ebenfalls stützen würden. Gleichzeitig könne man aber nicht sagen, dass die klassische Familie die einzig würdige Form sei, zu leben. In Bezug auf andere sexuelle Prägungen sagte er: »Wir müssen auch Formen finden, dass Menschen mit einer anderen Prägung die christlichen Werte leben können: die Verantwortung füreinander, die Treue zueinander. Das ist etwas, das im Moment in unserer evangelischen Kirche in sehr verantwortlicher Weise getan wird. Das entspricht ganz genau dem christlichen Menschenbild.«5
Liane Bednarz erklärte, dass das traditionelle Familienbild für Konservative, insbesondere für konservative Christen, sehr wichtig sei, gerade beim Thema Abtreibung und generell beim Lebensschutz. Aber auch andere Themen würden im Moment nicht politisch repräsentiert: »Die CDU ist in die Mitte gewandert; gerade das Thema Abtreibung hat da keinen besonders großen Stellenwert, jedenfalls im Moment. Ich verstehe, dass das für konservative Christen ein Problem ist, für mich übrigens auch. Auch ich bin gegen Abtreibung.« Bednarz war der Ansicht, dass man das Thema Gender-Mainstreaming durchaus kritisch sehen könne, aber sie fand übertrieben, »was die AfD daraus macht«. Sie kritisierte die Bezeichnung »Gender-Ideologie«, da Gender-Mainstreaming zunächst einmal die Gleichstellung von Mann und Frau ist. Bei der Gender-Diversity geht es um sexuelle Vielfalt und den Abbau von Diskriminierung. Bednarz erwähnte auch die Gender-Studies an den Universitäten und die Haltung der AfD dazu: Da die AfD dahinter eine Ideologie sehe, wolle sie nicht, dass dies weiter staatlich gefördert wird. Bednarz sagte, dieser Ansatz sei nicht liberal und eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Bettina Warken richtete eine weitere Frage an mich: »Wie ist das mit christlichen Positionen vereinbar, wenn führende AfD-Mitglieder dafür sorgen, dass es Positionen in der AfD gibt, die in erster Linie völkisch und ausgrenzend sind? Wie kommen Sie als Christin damit zurecht?«
In meiner Antwort beschrieb ich, warum ich nach über zwei Jahrzehnten in der CDU/CSU nun Mitglied der AfD war: »Für mich war es, solange ich politisch arbeite, immer wichtig, dass der Konservatismus so etwas wie einen politischen Ansprechpartner, so etwas wie eine Partei hat. … Wir haben jetzt leider die Situation, dass wir schon ziemlich lange so etwas wie eine konservative Repräsentationslücke haben. … Ich war keine Parteisoldatin in der Union, ich bin es auch nicht in der Alternative. Mir war von Anfang an klar, dass es in einer jungen Partei Verwerfungen gibt, die mich nicht nur glücklich machen würden. Denken Sie an die Anfangsgeschichte der Grünen. Es gibt Dinge in der eigenen Partei, die mir wirklich nicht gefallen. Wenn Sie mich googeln, finden Sie eine Fülle von Statements, in denen ich mich zum Beispiel zu Herrn Höcke geäußert habe. … Ja, es gibt eine gewisse Bandbreite in der AfD; das habe ich eben gesagt. Aber es gibt auch einen konservativen Teil, und dieser wird medial völlig negiert. Sie müssen nicht konservativ sein; aber Sie müssen akzeptieren, dass es Konservative gibt, die einen Ansprechpartner haben wollen.«
Ausgehend von einer Publikumsfrage befragte mich Frau Warken zu meinem Verhältnis zur evangelischen Kirche.
Daraufhin erwiderte ich: »Um es ganz grundsätzlich zu sagen: Die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen wünsche ich mir sehr, sehr stark; aber ich wünsche, dass sie ihre Kernaufgabe erfüllt. Ihre Kernaufgabe ist, den Menschen das Evangelium zu bringen; ihre Kernaufgabe ist Mission. Das ist etwas, was ich … am Kirchentag kritisieren muss. Hier findet wahnsinnig viel Politik statt. … den Menschen wird ganz wenig vom Evangelium erzählt. (Lachen) Ich meine, wir sind in Ostdeutschland, wir sind in einer entchristlichten Region, und es wäre die Mammutaufgabe der Kirche – und das müsste ihre größte Sorge sein, wenn sie davon überzeugt ist –, dass sie Menschen, die das Evangelium nicht kennen und Jesus Christus nicht als Erlöser angenommen haben, die also keine Erlösung finden und nicht die Ewigkeit sehen, das Evangelium näherbringt. Aber sie beschäftigt sich wahnsinnig viel mit Politik, und zwar linkspolitisch. Ich meine, es war sogar jemand aus Ihrem Präsidium, der sinngemäß sagte, dass das hier atmosphärisch der Parteitag der Grünen ist. Und das ist ja noch nicht einmal so verkehrt. Die evangelische Kirche ist so ein bisschen wie ein Arm der linken politischen Parteien im vorpolitischen Raum.
(Lachen)
Ich denke, dass das sehr viele konservative Christen so empfinden. Das ist bedauerlich. Viele konservative Christen finden sich in den evangelischen Landeskirchen nicht mehr wieder. Warum? An der Spitze der evangelischen Kirche gibt es viele Leute, die einen...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Über die Autorin
  6. Einleitung
  7. Kapitel 1 | Kirchentagsdiskussion
  8. Kapitel 2 | Was ist Konservatismus und wer sind seine Gegner?
  9. Kapitel 3 | Kindheit
  10. Kapitel 4 | Jugend
  11. Kapitel 5 | Bayerische Jahre
  12. Kapitel 6 | AfD – eine Partei entsteht
  13. Kapitel 7 | Fundamentalopposition oder Realpolitik
  14. Kapitel 8 | Warum wir mutige Konservative brauchen
  15. Epilog
  16. Anmerkungen
  17. Leseempfehlungen