Paradoxien
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Paradoxien

Aus dem Englischen von Andreas Simon dos Santos

  1. 256 Seiten
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Paradoxien

Aus dem Englischen von Andreas Simon dos Santos

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Paradoxien zwingen uns dazu, die Prämissen unserer Überlegungen zu hinterfragen und gegebenenfalls einer strengen Prüfung zu unterziehen. Dennoch oder gerade deshalb fürchten sich die meisten Menschen vor diesen scheinbar unabschließbaren, rekursiven Gedankengängen. Dass das nicht sein muss, zeigt Margaret Cuonzo anhand einiger wirksamer Strategien, Paradoxien anzugreifen, und einer neuen Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad einer Paradoxie zu bestimmen. Darüber hinaus macht sie deutlich, wie wichtig Paradoxien und ihre Lösungen für die Wissenschaft sind, und dass Paradoxien und der Umgang mit ihnen auch Spaß machen kann.

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Information

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EIN NEUER WEG, ÜBER PARADOXIEN UND IHRE LÖSUNG NACHZUDENKEN

1.1Einleitung: Die intuitive Grundlage der Paradoxie

Wir haben bereits drei Möglichkeiten angesprochen, Paradoxien zu definieren: 1.) als Reihe widersprüchlicher Aussagen, die jede für sich wahr erscheint;10 2.) als Argument mit scheinbar annehmbaren Prämissen und anscheinend triftiger Argumentation, jedoch mit offenkundig falscher Schlussfolgerung;11 und 3.) als »unannehmbare Schlussfolgerung, die durch einen scheinbar annehmbaren Gedankengang aus scheinbar annehmbaren Prämissen abgeleitet ist«.12 Man beachte, wie oft hier die Wörter »erscheinen«, »scheinbar« und »anscheinend« vorkommen. Selbst in der weitesten Definition, die auch Bilder und dergleichen einschließt, bergen Paradoxien inmitten scheinbar unproblematischer Bestandteile Konflikte. Paradoxien zwingen uns, neu zu überdenken, wie wir die Dinge sehen, weil sie aufdecken, dass sich zwei oder mehr alltägliche Auffassungen widersprechen, und uns mit der Nase darauf stoßen, dass uns eine scheinbar makellose Argumentation in einen Widerspruch oder einen offenkundigen Irrtum verstricken kann. Mit anderen Worten, Paradoxien zwingen uns infrage zu stellen, ob unser intuitives Verständnis der Welt wirklich zutrifft. Das Wort Paradox setzt sich aus den altgriechischen Wörtern für »gegen« oder »jenseits« (para, παρά) und »Erwartung« oder »Meinung« zusammen (doxa, δόξα). Der griechische Ausdruck betont somit das kontraintuitive, das heißt unserer Intuition zuwiderlaufende Wesen der Paradoxie. Paradoxien hängen also ganz wesentlich mit unseren Intuitionen zusammen.
Nehmen wir zum Beispiel ein Problem aus der Biologie, das sogenannte Paradoxon der Anreicherung. Intuitiv würde man meinen, dass es einer Population von Raubtieren besser ergeht, wenn sich das Nahrungsangebot für ihre Beute erhöht. Denn mehr Nahrung für die Beute heißt ja, dass sich diese vermehrt und damit auch für die Räuber mehr Beute herausspringt. Folglich sollte sich mit der wachsenden Menge der Beute gleichfalls die Population der Räuber kräftig vermehren. Tatsächlich aber geschieht zuweilen das genaue Gegenteil.13 Eine Zunahme der verfügbaren Nahrung für Kaninchen in einem gegebenen Gebiet kann zum Beispiel zu einem überreichen Kaninchenangebot führen und die Population der Räuber – sagen wir, Wölfe – ansteigen lassen, bis die Wolfspopulation untragbar groß wird und wieder zusammenbricht. Mehr Nahrung für die Kaninchen kann also letztlich zu einer Bedrohung der Wolfspopulation werden. Am Beispiel der Paradoxie der Anreicherung wird deutlich, dass uns unsere gewöhnlichen Intuitionen – in diesem Fall, dass ein größeres Nahrungsangebot und damit auch mehr Beute immer gut für die Räuber ist – in die Irre führen können und nicht immer mit den beobachtbaren Fakten in Einklang zu bringen sind. Mehr ist eben nicht immer mehr, zumindest nicht im Fall von Räubern und Beute.14
Paradoxien zwingen uns infrage zu stellen, ob unser intuitives Verständnis der Welt wirklich zutrifft.
Das Anreicherungsparadoxon korrigierte im Lichte neuer Fakten eine Annahme, die wir intuitiv für plausibel gehalten hatten, sodass sich eine unerwartete Schlussfolgerung ergab. Mit diesem Ergebnis konfrontiert, mussten wir unsere Intuitionen darüber, was gut für eine Population ist, infrage stellen, und daraus erwuchs ein Fortschritt in Form neuer Modelle der Räuber/Beute-Beziehung.15 Durch die Infragestellung unserer am tiefsten verwurzelten Intuitionen gelangen wir also häufig auf neue Wege, über unsere Grundbegriffe nachzudenken, und verstricken uns, ironischerweise, in weitere Paradoxien.
»Intuition« wurde vielfach definiert, etwa als das, was uns unmittelbar als wahr erscheint, als spontanes mentales Urteil darüber, was wir in einer bestimmten Situation sagen würden, oder als nicht-inferentielle, das heißt basale, nicht abgeleitete Überzeugung.16 Nach einer neueren Definition aus der Kognitionswissenschaft sind Intuitionen unmittelbare Urteile, die entstehen, wenn wir vertraute Elemente in einer neuen Situation wiedererkennen.17 Es ist für mich in diesem Augenblick intuitiv offensichtlich, dass ich Text in einen Laptop eingebe, dass Mord unmoralisch ist, dass Dreiecke drei Seiten haben, dass das graubraune Knäuel, das sich hinter dem Computer zu schaffen macht, Coco die Katze ist und so weiter. Meine Überzeugungen über diese Dinge sind mir ziemlich unmittelbar präsent, ich musste sie nicht erst aus einer Reihe von Annahmen folgern; sie kamen spontan und ohne Vorüberlegung. Trotzdem ist es gar kein so leichtes Unterfangen, Intuition zu erklären. Wenn sich ein Weg fände, nicht nur die intuitiven Anteile einer Paradoxie zu fassen, sondern darüber hinaus zu quantifizieren, in welchem Ausmaß ein Teil eines Paradoxons intuitiv ist, kämen wir zu einem besseren Verständnis der Natur der Paradoxien.

1.2Auftritt der subjektiven Wahrscheinlichkeit: Der Grad unserer Überzeugungen

Ein neuer Ansatz in der Wissenschaftsphilosophie zur Bewertung subjektiver Einschätzungen und Überzeugungen eröffnet eben diese Möglichkeit zu einem besseren Verständnis des intuitiven Wesens der Paradoxie. Eine manchmal als »Bayesianer« bezeichnete Gruppe von Wissenschaftsphilosophen bedient sich seit einiger Zeit der sogenannten subjektiven Wahrscheinlichkeit, um mit Hilfe dieses Kriteriums anzugeben, in welchem Maß eine wissenschaftliche Hypothese bestätigt oder widerlegt ist. Die subjektive Wahrscheinlichkeit ist dabei der Grad, in dem ein rationaler Beobachter von etwas überzeugt ist, wobei völligem Unglauben der Wert 0 zugemessen wird, völliger Gewissheit der Wert 1, einem ausgeglichenen Verhältnis von Überzeugung und Unglaube 0,5, einer recht starken Überzeugung 0,7 und so weiter (siehe Tabelle 1).
In Graden der Überzeugung zu denken ergibt Sinn, besonders dort, wo man es mit Ungewissheit der Zukunft gegenüber zu tun hat. Gerade glaube ich zum Beispiel, dass ein eben im Internet bestelltes Geschenk bei meiner Freundin noch rechtzeitig zu ihrem Geburtstag eintreffen wird. Von einer absoluten Gewissheit kann ich nicht sprechen. Weil der Anbieter aber gewöhnlich pünktlich liefert, bin ich mir doch ziemlich sicher, dass es rechtzeitig ankommen wird. Da ich mich nicht für ein garantiertes Auslieferungsdatum entschieden habe, gehe ich allerdings ein gewisses Risiko ein.
Angesichts der Tatsache, dass ich mit dem Webshop, dem Paketdienst und mit den Portiers des Gebäudes, in dem meine Freundin wohnt, Erfahrung habe und noch weitere Details kenne, hat meine subjektive Wahrscheinlichkeit, dass mein Geschenk noch rechtzeitig ankommt, etwa einen Wert von 0,8. Abhängig von einer Reihe weiterer Faktoren könnte diese Zahl jedoch noch nach unten korrigiert werden. Wenn zum Beispiel ein furchtbarer Sturm über der Region aufzöge, würde meine subjektiver Wahrscheinlichkeitswert hinsichtlich der pünktlichen Auslieferung sinken, und falls ich umgekehrt eine E-Mail mit der Mitteilung erhielte, dass die Sendung bereits gestern verschickt wurde, so würde der Grad meiner subjektiven Wahrscheinlichkeit steigen. Die Grade, in denen wir etwas glauben, steigen oder fallen also abhängig von den uns verfügbaren Anhaltspunkten. Am Geburtstag meiner Freundin schließlich wird meine Überzeugung auf den Wert 1 hochschnellen (felsenfeste Überzeugung) oder auf 0 abstürzen (kompletter Unglaube), denn dann werde ich Gewissheit haben, ob mein Geschenk rechtzeitig bei ihr eingetroffen ist.
Tabelle 1Beispiele für subjektive Grade der Überzeugung bei rational Urteilenden
Überzeugungsgrad
Überzeugung
0,0
2 + 2 = 5
0,1
Fleischkonsum ist moralisch akzeptabel.
0,2
Gott existiert.
0,3
Umweltzerstörung ist noch völlig umkehrbar.
0,4
Mein Hund wird ein Alter von 18 Jahren erreichen.
0,5
Das Ergebnis des nächsten Münzwurfs wird »Kopf« sein.
0,6
Die US-Wirtschaft befindet sich im Aufschwung.
0,7
Hillary Clinton wird wieder US-Präsidentschaftskandidatin.
0,8
In fünf Jahren sind die meisten Bücher digitalisiert.
0,9
Rauchen ist schlecht für die Gesundheit.
1,0
2 + 2 = 4
Hier ist zwar von »subjektiver« Wahrscheinlichkeit die Rede, trotzdem handelt es sich nicht um ein völlig subjektives Maß, weil dem Konzept die Annahme zugrunde liegt, dass der Urteilende rational ist. »Ihre ›subjektive‹ Wahrscheinlichkeit«, so erläutert Richard Jeffrey, »ist nichts, was völlig beliebig aus der Luft gegriffen wäre; es ist Ihr Urteil, wie es sein sollte angesichts Ihres aktuellen Informationsstands und dem, was Sie als Informationsstand anderer ansehen, selbst wenn Sie es nicht für ein Urteil halten, das alle auf die Gefahr hin teilen müssen, in der einen oder anderen Weise Recht oder Unrecht zu haben.«18 Es mag zwar einen gewissen Spielraum hinsichtlich des Grads der vernünftigen Überzeugung geben, die Urteilenden werden jedoch von Regeln der Rationalität und den ihnen zu Verfügung stehenden Informationen beschränkt. Zum Beispiel wird ein rational Urteilender, mit einer widersprüchlichen Aussage konfrontiert, nicht auf eine subjektive Wahrscheinlichkeit von 1 kommen, ein Wert, der völlige Gewissheit angibt. Noch würde er einem Widerspruch eine Wahrscheinlichkeit von 0,6 zumessen. Natürlich gehen Menschen nicht durchs Leben, indem sie ihren Überzeugungen numerische Wahrscheinlichkeiten zuweisen, doch wenn man sie fragt, wie sicher sie sich einer Sache sind, können sie in der Regel angeben, ob sie etwas eher für wahrscheinlich als unwahrscheinlich halten (größer als 0,5), für beinahe sicher (0,9) oder mit einer anderen Wahrscheinlichkeit einschätzen.
Mit Hilfe der subjektiven Wahrscheinlichkeit können wir angeben, wie wir einzelne Teile von Paradoxien – ja sogar Paradoxien als Ganze – intuitiv beurteilen. Je intuitiver eine Aussage in einem Paradox, desto höher ihre subjektive Wahrscheinlichkeit. Und wenn wir widersprüchliche Schlussfolgerungen erhalten, wissen wir, dass ein Teil der Paradoxie eine subjektive Wahrscheinlichkeit von 0 haben muss. Im Fall der tiefsten Paradoxien haben wir Prämissen mit extrem hoher subjektiver Wahrscheinlichkeit und einer Schlussfolgerung, der wir den Wert 0 – oder einen geringfügig darüberliegenden Wert – zumessen würden. Wir können also einstufen, wie tief eine Paradoxie ist, indem wir uns der subjektiven Wahrscheinlichkeit als Maß bedienen. Schauen wir uns zur Verdeutlichung an, wie verschiedene subjektive Wahrscheinlichkeiten kombiniert werden.
Wenn ich fest überzeugt bin, dass mein Geschenk rechtzeitig zum Geburtstag meiner Freundin eintreffen wird (0,8) und ganz fest daran glaube, dass es ihr gefallen wird (0,9), dann ist die subjektive Wahrscheinlichkeit, dass beides eintreten wird, die kombinierte Subjektivität beider Überzeugungen. Da die Wahrscheinlichkeit, dass beides eintreten wird, geringer ist als jene, dass sich eine einzelne der Überzeugungen bewahrheitet, wäre die kombinierte subjektive Wahrscheinlichkeit beider geringfügig niedriger als die jeder einzelnen und ließe sich am besten berechnen, indem man die beiden Wahrscheinlichkeitsgrade multipliziert.19 Wenn ich die beiden Werte 0,8 und 0,9 miteinander malnehme, erhalte ich 0,72. Ich glaube somit, dass meine Chancen, dass mein Geschenk ankommt und Gefallen findet, ziemlich gut stehen. Warum M...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über den Autor
  3. Zum Buch
  4. Titel
  5. Impressum
  6. Widmung
  7. Inhalt
  8. Vorwort
  9. Einleitung: Steckt in Paradoxien der Wurm?
  10. 1 Ein neuer Weg, über Paradoxien und ihre Lösung nachzudenken
  11. 2 Wie man Paradoxien löst
  12. 3 Das verlorene Paradox? Über Erfolg (und Misserfolg) der Paradoxie-Lösungen
  13. Konklusion
  14. Glossar
  15. Bibliografie
  16. Weiterführende Lektüre
  17. Anmerkungen
  18. Register
  19. Kontakt zum Verlag