Sisi und ihre Familie
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Sisi und ihre Familie

  1. 208 Seiten
  2. German
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Sisi und ihre Familie

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Über dieses Buch

Die Person und das Schicksal Kaiserin Elisabeths strahlen bis heute eine große Faszination aus. Aufgewachsen in Bayern kam sie schon mit 16 Jahren an den kaiserlichen Hof nach Wien, wo ihr bisher freies und frohes Leben eine dramatische Wendung nahm. Wichtige Stützen, Wegbegleiter, aber auch Gegner fand sie in ihrer Familie. Die spannendsten und tragischsten Lebensgeschichten hat die Erfolgsautorin Sigrid-Maria Größing recherchiert und zusammengetragen.

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Information

EINE FRAU ZWISCHEN PFLICHT UND LEIDENSCHAFT

Sisis jüngste Schwester Sophie Charlotte
»Das öfter wiederholte Hinausschieben der Hochzeit hat eine für uns so ungünstige Stimmung hervorgerufen, und zu so unangenehmer Rede Anlass gegeben, dass, da es sich nicht länger mit Sophies Ehre vertrüge, er (Herzog Max in Bayern) den König unterthänigst bitten müsse, entweder den Termin in den letzten Tagen des Novembers einzuhalten, oder das vor mehr als acht Monaten an uns gerichtete Verlangen um Sophies Hand als ungeschehen betrachten zu wollen, wobei er ihn durchaus nicht drängen wolle, diese Verbindung einzugehen, denn es war nie unsere Absicht, ihm unsere Tochter aufzudrängen.«
Als Marie, die Mutter des bayerischen Königs Ludwig II., den Brief der Herzogin in Bayern Ludovika las, mit der sie herzliche Freundschaft verband, wusste sie, dass der Herzog in Bayern gewillt war dem König ein Ultimatum zu stellen. Und wie es schien, hatte Max, der Vater der schönen Sophie Charlotte, allen Grund für sein Vorhaben. Denn wie ein Bräutigam, der seine Braut liebte und begehrte, hatte sich ihr Sohn in den letzten Monaten wahrlich nicht verhalten. Was die Mutter bisher als Exaltiertheit und Eigentümlichkeit bei Ludwig in ihrer mütterlichen Liebe entschuldigt hatte oder nicht wahrhaben wollte, sahen fast alle, die mit dem König näheren Kontakt hatten, mit ganz anderen Augen. Und wenn sie ehrlich war, musste sich Marie schweren Herzens eingestehen, dass es während der stundenlangen Musikabende, die ihr Sohn mit Charlotte gemeinsam verbrachte, wo ausschließlich musiziert wurde, niemals zu einer noch so kleinen intimen Geste, schon gar nicht zu einem leidenschaftlichen Kuss gekommen war, was man von einem verliebten Brautpaar hätte erwarten können. Er nannte sie »Elsa«, die hehre reine Frau, wie sie Richard Wagner in seinem »Lohengrin« auf die Opernbühne gestellt hatte, und sie bezeichnete ihn als Heinrich, als treuen Beschützer Elsas vor allem Ungemach, der es niemals wagen würde, mehr für die Dame zu empfinden als brüderliche Liebe. Waren das wirklich die richtigen Voraussetzungen für eine glückliche Ehe?
Viele Zweifel waren schon längst in Königin Marie wachgerufen worden, wenn sie die jungen Leute betrachtete, die zunächst wie füreinander bestimmt zu sein schienen: Ihren ungewöhnlich attraktiven Sohn, den jungen König, bei dessen Anblick nicht nur die Mädchenherzen höher schlugen, und seine schöne Braut Sophie Charlotte, die schon so manchem Bewerber wie Philipp, dem Herzog von Württemberg, oder dem portugiesischen Prinzen Louis die kalte Schulter gezeigt hatte. Besonderen Staub hatte allerdings die Weigerung Sophies aufgewirbelt, als es ernsthafte Gespräche mit dem Bruder des österreichischen Kaisers Ludwig Viktor gegeben hatte. Es war die Idee der beiden Mütter Ludovika und Sophie gewesen, die jungen Leute miteinander zu verkuppeln. Da aber Ludwig Viktor alles andere als ein gut aussehender Mann war, der noch dazu als übles Tratschmaul und Intrigant am Wiener Kaiserhof verschrien war, weigerte sich Sophie Charlotte vehement, diesem Bruder des Kaisers die Hand fürs Leben zu reichen. Dabei waren ihr die sonstigen Eigenschaften des Erzherzogs gar nicht bekannt, denn die allseits kursierenden Gerüchte über seine Neigung zu Damen und Herren waren nicht bis an ihre jungfräulichen Ohren gedrungen.
Es war für Ludovika nicht leicht gewesen, ihre Schwester Sophie in Wien, die alles so schön eingefädelt hatte, zu beruhigen – ein Leben lang hatte sie sich nicht aus dem Dunstkreis der starken, erfolgreichen Schwester lösen können. Immer aufs Neue schrieb sie ihr devote Briefe, in denen sie sich für die Weigerung ihrer Tochter entschuldigte und um Vergebung bat: »Es hat mir viele Thränen gekostet, ein solcher Schwiegersohn wäre ein Glück für mich gewesen. Ich sehe meinen Trost darin, dass es Gott mit dir, du viel geprüfte Schwester, gut meint, wenn nicht auch noch eine zweite meiner Töchter in die Hofburg einzieht. Vielleicht hätte Sophie trotz ihrer gewiss guten Eigenschaften, deine Erwartung nicht in Allem entsprochen, und der liebe Gott führt dir eine vorzüglichere zu, die dich und deinen guten Ludwig glücklich macht, wie ihr beide es verdient.« – Für den »guten Ludwig« fand sich allerdings weder in naher noch in fernerer Zukunft eine Ehefrau!
Aber so wie Ludwig Viktor aus vielerlei Gründen für die schöne Marie Charlotte nicht in Frage kam, so war auch König Ludwig II. von Bayern trotz seiner körperlichen Makellosigkeit nicht der geeignete Ehemann. Ludwig wäre wahrscheinlich von sich aus nie auf die Idee gekommen, um die Hand der attraktiven »Cousine« anzuhalten. Es waren die Umstände, die ihn unter Zugzwang gesetzt hatten. Schon als Kind war er, wenn er mit seinen Eltern in Schloss Berg am Starnberger See weilte, in der Familie des Herzogs ein und aus gegangen, hatte mit den fröhlichen Kindern in Possenhofen begeistert gespielt und war in den Jahren zu einem gern gesehenen Gast geworden. Dabei bewunderte er besonders Elisabeth von ganzem Herzen, er betete sie wie ein überirdisches Wesen an und war glücklich, wenn er ein paar Stunden in ihrer Gegenwart verbringen konnte. Später, als sie älter waren, konnte er seine Verehrung Sisi gegenüber, die schon etliche Jahre mit dem Kaiser von Österreich verheiratet war, für alle sichtbar zum Ausdruck bringen, ohne Gefahr zu laufen, dass sich aus seinem Verhalten irgendwelche Konsequenzen ergeben würden. Denn Elisabeth, die er bei ihren Besuchen in der bayerischen Heimat mit Rosen nahezu überschüttete, stand in dem Ruf, die schönste Frau ihrer Zeit zu sein.
Was Ludwig bei seinen engen Kontakten zur herzoglichen Familie nicht bedachte, war die Tatsache, dass in Possenhofen noch eine unverheiratete Tochter lebte, die es galt, in nächster Zeit an den Mann zu bringen. Und da ihre beiden älteren Töchter Elisabeth und Sophie einen Kaiser und einen König geheiratet hatten, lag für Ludovika der Gedanke nahe, den König von Bayern intensiv ins Visier zu nehmen, noch dazu, als sie erfahren hatte, dass sich zwischen Ludwig und Sophie Charlotte eine eifrige Korrespondenz entwickelt hatte. Was die Mutter jedoch nicht wissen konnte, war die Tatsache, dass sich der König und das junge Mädchen in ihren Schreiben hauptsächlich über die Musikdramen von Richard Wagner austauschten, denn auch Sophie Charlotte entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer regelrechten »Wagnerianerin«, was in der Familie nicht allzu gern gesehen wurde. In einem geheimen Schreiben klagte das junge Mädchen dem Meister ihr Leid: »In unserem Hause kann ich Sie durchaus nicht sehen, denn leider muss ich Ihnen offen gestehen, dass mir meine Familie alles in den Weg legt, um eine Zusammenkunft mit Ihnen zu verhindern, und ich gezwungen bin, heimlich und ohne deren Wissen meinen Wunsch zu erfüllen. Nur in der Wohnung meines ältesten Bruders ist es möglich und dahin muss ich Sie bitten zu kommen. Er und seine Frau werden für Alles sorgen, auf deren guten Willen und Verschwiegenheit dürfen wir uns verlassen …«
Für Ludovika schienen die Voraussetzungen günstig, dass aus Ludwig und Sophie Charlotte ein Paar werden könnte, und auch Herzog Max, der die Pläne seiner umtriebigen Gemahlin meist mit großer Skepsis betrachtete, hatte diesmal keine gravierenden Einwände. Man fasste den Plan, dass Carl Theodor, ein Bruder Sophies, beim König anfragen sollte, ob dieser Heiratsabsichten hege, da der regelmäßige Briefwechsel ansonsten die Herzogstochter kompromittieren könnte.
König Ludwig geriet zunächst außer sich, als er von diesem Ansinnen hörte, entschloss sich aber doch einzulenken. Herzogin Ludovika hatte nämlich, gekränkt und beleidigt von der negativen Reaktion Ludwigs, ihrer Tochter jeglichen weiteren Kontakt mit dem König verboten. Wenn Ludwig auch keine körperlichen Gefühle Sophie entgegenbrachte, so konnte und wollte er doch auf ihre Anwesenheit nicht ganz verzichten. Er schrieb ihr deshalb folgende Zeilen, voller Schwärmerei, aber ohne Leidenschaft: »Meine geliebte Sophie! Die Knospe, die unbewusst (als Freundschaft) in meiner Seele keimte, ist aufgegangen: ist Liebe zu dir, meine teure Sophie, innige, aufrichtige, ungetheilte Liebe … Willst du meine Gattin werden? Genossin meines Thrones? Königin von Bayern? Ich glaube fest und sicher: Wir werden miteinander glücklich werden …« Natürlich benachrichtigte der König seinen angebeteten Freund Richard Wagner von dem für ihn so bedeutsamen Schritt: »Dem teuren Sachs teilt Walther selig mit, dass er sein treues Evchen, dass Siegfried seine Brünhilde fand!«
Es konnte nicht allzu lang dauern, da begann Ludwig seinen Schritt aus tiefstem Herzen zu bereuen, denn nicht nur, dass er immer mehr die Zusammenkünfte mit seiner Braut vermied, verschob er auch den Termin für die geplante Hochzeit stets aufs Neue – sehr zur Beunruhigung der zukünftigen Schwiegereltern. Seine anders geartete Natur musste in ihm schreckliche Vorstellungen von der Hochzeitsnacht hervorrufen. Aber letztlich war es seiner Mutter zu verdanken, dass die Eheschließung der beiden, die zu einer Katastrophe geführt hätte, noch rechtzeitig abgeblasen wurde. Ihr waren durch Ludovikas Brief die Augen geöffnet worden. Königin Marie bat den Sohn um ein Gespräch, das sicherlich viele intime Details ans Licht brachte. Am Ende erklärte sich Ludwig II. bereit, einen Schlussstrich unter die Affäre zu ziehen und sich von Sophie zu trennen. Wahrscheinlich fiel nicht nur ihm ein Stein vom Herzen, sondern auch den Eltern der »verschmähten Braut«.
Der Abschiedsbrief König Ludwigs an seine »Elsa« überraschte niemanden mehr:
»Meine geliebte Elsa!
Wie damals die Verlobung so auch der Vermählungstag durchaus wie eine Treibhauspflanze gewaltsam gezeitigt werden sollte, so halte ich es für meine heilige Pflicht, jetzt, da noch Zeit ist, dir einige Mitteilungen zu machen. Stets warst du mir von Herzen wert und teuer, ich hänge an dir mit inniger und wahrer und aufrichtiger Zuneigung, ich liebe dich wie eine teure Schwester. Als wir im vorjährigen Sommer uns öfters schrieben, als ich dir theilweise meine Freundschaft, mein Vertrauen gab, drängte deine Mutter zu einer Entscheidung: sie glaubte, ich hätte dich betört, denn an ein bestehen von Freundschaft ohne die eigentliche Liebe glaubte sie nicht. Du erinnerst dich der Antwort, die ich dir damals gab und deiner Mutter durch Gakel erteilen ließ. – Als ich zu meinem tiefen Kummer erfahren musste, wie unglücklich dich dieselbe gemacht hat, dass du fort müsstest, wir niemals mehr uns sehen könnten, wurde ich auf das Tiefste ergriffen, gerührt durch diesen Beweis wahrer Liebe, den du mir gabst; meine Zuneigung für dich steigerte sich, sodass ich mich hinreißen ließ, um deine Hand zu werben. Wenn ich nun alle Vorbereitungen zur Hochzeit treffen ließ, mit dir darüber sprach und schrieb, sie hinausschob, sie doch nicht aufgeben wollte, so geschah dies durchaus nicht, um dich anzuführen … o nein, hintergehen wollte ich dich nicht, ich handelte im festen Glauben, es würde alles zu einem befriedigenden Ende führen. Ich hatte nun Zeit, mich zu prüfen, mit mir zu Rate zu gehen, und sehe, dass nach wie vor meine treue innige Bruderliebe zu dir tief in meiner Seele wurzelt, nicht aber die Liebe, die zur Vereinigung in einer Ehe erforderlich ist. Ich war dir diese Mitteilung schuldig, liebe Elsa, ich bitte dich um die Fortdauer deiner Freundschaft, wenn du mir dein Wort zurückgibst, und wenn wir voneinander scheiden, so bitte ich dich, thun wir das ohne Groll und Bitterkeit; behalte, ich ersuche dich herzlich darum, die Andenken, die du von mir in Händen hast, und gestatte mir, dass ich die von dir erhaltenen behalte. Sie werden mich stets an eine Zeit erinnern, die nie aufhören wird mir teuer zu sein, und an eine liebe Freundin und Verwandte, für deren Glück, das mir sehr wohl am Herzen liegt, ich täglich Gott bitten werde. Solltest du etwa in Jahresfrist niemanden gefunden haben, durch welchen du glaubst, glücklicher zu werden als durch mich, sollte auch dies bei mir der Fall sein, was ich nicht für ganz unmöglich halte, so können wir uns, ja, dann immer noch vereinen, vorausgesetzt, dass du dann noch Lust hast; doch ist es besser, wenn wir voneinander scheiden, und uns nicht durch ein bestimmtes Versprechen für die Zukunft binden, misslich bleibt immer das plötzliche Einmischen deiner Mutter in unsere Angelegenheiten. Möge, dies ist mein innigster Wunsch, der Vater, der über uns allen wacht, dich, meine treu geliebte Elsa, das Glück finden lassen, das du in einem so reichen Maße verdienst. – Und nun, lebe wohl, behalte auch ferner lieb deinem Herzen anhänglichen und treuen Heinrich.
(Willst du so gut sein, deinen Eltern den Hauptinhalt dieses Briefes mitzuteilen?!) Hohenschwangau, 7. Oktober 1867«
Dass der König andere Gründe hatte, die Verlobung zu lösen, als seine sexuelle Abneigung gegenüber dem weiblichen Geschlecht, die schon in kurzer Zeit immer mehr zum Durchbruch kam, ist aus dem Abschiedsbrief nicht ersichtlich. Aus keinem Wort geht hervor, dass Ludwig eventuell von der leidenschaftlichen Affäre seiner Braut mit dem jungen Fotografen Edgar Hanfstaengl erfahren hatte, was für ihn Grund genug gewesen wäre, sein Versprechen zurückzunehmen.
Sophie Charlotte hatte sich nämlich, nur kurze Zeit nach der offiziellen Verlobung mit dem König von Bayern, bis über beide Ohren in diesen jungen Mann verliebt, den sie noch als halbes Kind zusammen mit seinem Vater kennen gelernt hatte. Franz Hanfstaengl, der in München einen ausgezeichneten Ruf als Fotograf besaß, war seit vielen Jahren Mitglied der legendären Tafelrunde von Herzog Max, wo sich Künstler und Sänger aus allen gesellschaftlichen Schichten zum geselligen Beisammensein trafen, wo gedichtet, gesungen und bei fortgerückter Stunde so manches Maß Bier über den Durst getrunken wurde.
Die Hanfstaengls waren keineswegs unbegütert, Fotografen waren zu dieser Zeit gesuchte Leute und gute Fotografien kosteten ein kleines Vermögen. Daher konnte es sich die Familie leisten, viele Jahre hintereinander den Sommerurlaub auf Schloss Pähl am Ammersee zu verbringen. Da auch Franz Hanfstaengl ein Hauch von Künstlertum umwehte, war Herzog Max auf ihn aufmerksam geworden. Der persönliche Umgang mit dem Herzog in Bayern veranlasste Hanfstaengl, dem Sohn Edgar, der einmal sein Atelier übernehmen sollte, eine mehr als künstlerische Ausbildung zu ermöglichen. Er sollte neben einer gründlichen Einführung in die Kunst der Fotografie auch in der Lage sein, die wirtschaftliche Seite des Unternehmens auf eine solide Basis zu stellen. Deshalb wurde Edgar zunächst nach Stettin und später nach London geschickt, wo er in die Firma Clark eintrat, die beste Beziehungen nach Ostasien unterhielt, da sie ihr Vermögen mit dem Teehandel gemacht hatte. Es dauerte nicht lange, da erkannte man in London, wie flexibel, geschäftstüchtig und verlässlich der junge Münchner war. Unbedenklich sandte man ihn mit Handelsaufträgen bis nach China. Als Edgar nach diesen Lehrjahren nach München zurückkehrte, umgab ihn das Flair eines weit gereisten jungen Mannes, der nicht nur über ein attraktives Äußeres, sondern auch über ein faszinierendes Wesen verfügte. Der Duft der großen weiten Welt, der durch ihn spürbar wurde, betörte die kleine bayerische Herzogstochter, die außer nach Wien noch nirgendwohin gereist war. Edgar Hanfstaengl war nicht mehr der einfache Fotograf, der im Auftrag seines Vaters die Bilder der Reichen und Schönen in den jeweiligen Palais zustellte, er war zum Weltmann geworden, der Sophie unwiderstehlich in seinen Bann zog.
Und damit begann eines der an Tränen reichen Kapitel im Leben von Sophie Charlotte. Ihre Liebe, die sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel bei einem Fototermin im Atelier Hanfstaengl getroffen hatte, konnte keine Chance haben. Zu dieser Zeit war sie schon die Braut des bayerischen Königs und dutzende Augen waren tagaus, tagein auf sie gerichtet. Und doch gelang es den beiden leidenschaftlich verliebten jungen Menschen, da und dort eine Lücke im Protokoll zu finden, die sie für ein kurzes Stelldichein nützten. Glücklicherweise fanden sich auch Vertraute, die Briefe voller Sehnsucht, Leidenschaft, aber auch Hoffnungslosigkeit hin und her brachten. Zu der Zeit, als der Hochzeitstermin für Sophie Charlotte mit dem bayerischen König bereits feststand, schrieb sie folgende Zeilen an Edgar:
»Theurer, Liebster Freund
Wie glücklich war ich als mit N. [Nathalie von Sternbach war eine Hofdame und gleichzeitig Vertraute von Sophie Charlotte, Anm. d. Verf. ] u. [unleserlich] soll werden? Hoffnung gibt es keine für uns. Was bleibt uns – Entsagen. Mit Schaudern blick ic...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über dieses Buch
  3. INHALT
  4. Vorwort
  5. SISI UND IHRE KINDER
  6. EIGENTLICH HÄTTE SIE KAISERIN WERDEN SOLLEN
  7. EIN MANN MIT ZWEI GESICHTERN
  8. EIN HERZOG GEHT NEUE WEGE
  9. VON LIEBE REDEN WIR SPÄTER
  10. EINE FRAU ZWISCHEN PFLICHT UND LEIDENSCHAFT
  11. EIN KÖNIG STOLPERT ÜBER EINE TÄNZERIN
  12. EIN EWIGES RÄTSEL WOLLTE ER SICH SELBER BLEIBEN UND DEN ANDEREN
  13. DIE BAYERISCHE PRINZESSIN SOPHIE
  14. Stammtafel
  15. Ausgewählte Literatur
  16. Impressum