Achtung Satire!
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Achtung Satire!

Österreichische Musikzeitschrift 03/2017

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  1. 104 Seiten
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Achtung Satire!

Österreichische Musikzeitschrift 03/2017

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Über dieses Buch

"Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt", heißt es bei Joachim Ringelnatz. Zum Dampfablassen eignet sich dabei besonders die humoristische Form der Satire, die den menschlichen Verfehlungen sämtlicher Lebensbereiche den Spiegel vorhält. Auch in der Musikwelt begegnet sie uns, meist in textgebundenen Gattungen wie der Oper, der Operette sowie Kunst- und Kabarettliedern. Ist die Musik also überhaupt per se zu Satire fähig oder nur im Kontext anderer Kunstdisziplinen wie der Literatur, der bildenden Kunst oder dem Film? Und was kann genuin musikalisch sein an musikalischer Satire?

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THEMA

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Jean-Jacques Grandville, Notengemälde, um 1840, abgedruckt in: Karl Storck, Musik und Musiker in Karikatur und Satire, Oldenburg 1910

Satire in der Musik oder die Kunst der bissigen Gleichzeitigkeit

Bedarf es immer eines Textes, um Satire in der Musik zu schaffen? Kann Musik aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades und damit ihres Mangels an konkreten Bedeutungsinhalten nicht nur sehr unbeholfen parodistische Wirkungen generieren? Und was ist Satire überhaupt? Maria Goeth
Die Beantwortung der letzten Frage ersparen sich beinahe alle Musiklexika, indem sie den Begriff »Satire« gar nicht erst behandeln. Eine Ausnahme macht das Österreichische Musiklexikon, das einen längeren Eintrag zu »Satire/satirisch« anbietet, nur um gleich im ersten Satz klarzustellen, dass sich Satire im Grunde genommen gar nicht exakt definieren lässt: »In der Musik fehlt eine genaue gattungsmäßige Bestimmung der Satire zugunsten der durch besondere Kompositionsweisen erzielten satirischen Prägung oder Färbung unterschiedlicher Gattungen; eine strenge Trennung von der Parodie ist nicht immer möglich.«1 Leider hilft auch die Literaturwissenschaft nicht erschöpfend weiter. Satire sei keine Gattung, sondern eine Bezeichnung für »von aggressiv-ironischer Rhetorik geprägte ästhetische Werke«2, für die »abwertende Darstellung von Personen, Ständen, politischen Positionen, sozialen Verhaltensweisen oder Weltanschauungen mit ästhetischen Mitteln«3. Nun, was die beiderseits betonte »ästhetische« Komponente betrifft, sollte Musik ja geradezu prädestiniert sein zur Satirenbildung, ist sie als Kunstgattung doch per se Gegenstand der Lehre vom Schönen.
Komplizierter als mit der Ästhetik verhält es sich mit den von den zitierten Autoren eingeforderten Elementen der Parodie oder Ironie, die ihrerseits eng mit den Sphären des Humors in Verbindung stehen. Dass Musik – auch ohne Text – humoristisch sein kann, dürfte inzwischen einigermaßen unstrittig sein. Ihre Möglichkeiten dazu sind mannigfaltig: Sie reichen vom humoristischen Einzelton wie Haydns vielbeschworenem Paukenschlag – eigentlich einem Tutti-Schlag – in seiner Sinfonie Nr. 94, bis hin zu humoristischen Großwerken wie Mozarts rund zwanzigminütigem Sextett Ein musikalischer Spaß, das diverse gängige Spielfehler von Laienmusikanten parodiert. Musik bietet einen reichhaltigen Fundus an Manipulationsmöglichkeiten zur Humorproduktion, sofern man musikalischen Humor als aktive Strategie von Komponisten versteht, ihre Hörer potenziell zum Lachen zu bringen.

Komische musikalische Effekte

Neben dynamischen Effekten wie bei Haydn erfreuen sich beispielsweise auch folgende – auf einzelne Elemente der Musik bezogene – Methoden musikalischer Humorkonstruktion4 großer Beliebtheit: Was den Rhythmus betrifft, so lässt sich vor allem mittels dessen stolpernder, torkelnder Anlage der Eindruck von Trunkenheit, Unbeholfenheit oder Unvollkommenheit vermitteln, wie etwa im Menuet alla zoppa (Menuett auf hinkende Art) aus Haydns 58. Sinfonie oder der Imitation watschelnder Enten in Emmanuel Chabriers Villanelle des petits canards. Hinsichtlich der Klangfarbe eignen sich insbesondere solche Instrumente oder Spielweisen von Instrumenten für humoristische Wirkungen, die Assoziationen an (minderwertige) außermusikalische Klänge erwecken, etwa an Tierlaute wie Eselsgeschrei, an Störungen der menschlichen Stimme wie Krächzen oder Röcheln oder an Körpergeräusche wie Rülpsen, Husten oder Furzen – etwa auf dem Fagott imitiert. Melodisch können kontextabhängig insbesondere unerwartet große Sprünge und Pausen – letztere zum Beispiel in Lückentextliedern – komisch wirken; auf die Harmonik bezogen sind es geschickt platzierte Dissonanzen. Schließlich kann auch musikalische Form lustig sein, etwa indem einzelne Melodiefloskeln ähnlich einer Schallplatte mit Sprung immer und immer wieder stupide und ohne Weiterentwicklung wiederholt werden, einzelne Töne überlange Dehnung erfahren oder sich bestimmte Formteile in ihren Proportionen mit ihrer Umgebung reiben – wie beispielsweise in Beethovens Bagatelle op. 20 Nr. 7, wo ein »unangemessen« langer Triller ein Drittel des ganzen, nur 27 Takte umfassenden, Stücks einnimmt. Gerade bei solchen Arten von musikalischem Formhumor kann Übertreibung diagnostiziert werden, ein Stilmittel, das vielfach auch als zentral für den Bau von Satire gilt.
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Von der Parodie …

Lässt sich bei solchen Spielarten musikalischen Humors aber bereits von Satire sprechen? Wohl nicht oder nur sehr bedingt, denn wo wäre die geforderte Aggression, wo die humoristisch geschärften Eckzähne? Auch fehlt zur »abwertenden Darstellung« einer Person oder eines (auch abstrakten) Gegenstands die konkrete Zielscheibe, das »Opfer«. Vereint ein Komponist oder Arrangeur nun einen oder mehrere dieser Einzelstrategien und macht sich damit über einen bestimmten Musikstil, eine musikalische Gattung oder ein konkretes Werk her, so entsteht etwas, was man zumindest schon einmal als »musikalische Parodie«5 bezeichnen könnte: Da »bereichert« Spike Jones etwa Rossinis berühmte Wilhelm Tell-Ouvertüre um Geräuschklänge wie Vogelgezwitscher, Hundegebell, Pistolenschüsse und Gurgelgeräusche oder lässt Camille Saint-Saëns in den Schildkröten aus seinem Karneval der Tiere den berühmten Cancan aus Jacques Offenbachs Orpheus in der Unterwelt in fünffach verlangsamtem Tempo erklingen – jeweils mit klar humoristischer Intention.
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Oft reicht bereits der Kontrast eines bestimmten Werkes mit seinem neu gewirkten »stilistischen Gewand«, um Parodien zu erzeugen. So erklingt im Klavierstück ’s kommt ein Vogel geflogen von Siegfried Ochs das gleichnamige Volkslied im Stile von vierzehn bekannten Komponisten – Bach, Mozart, Chopin, Wagner etc. – oder begibt sich in Franz Schöggls Chorsatz Die launige Forelle Schuberts Kunstlied auf musikalische Reise durch kompositorische Personal-, aber auch durch charakteristische Nationalstile Österreichs, Italiens oder Russlands. Je höher das – subjektiv empfundene – Stilgefälle zwischen Parodieobjekt und neuer Darreichungsform, desto drastischer die Wirkung: So dürfte Hänschen klein im Stile Beethovens plastischer wirken als ein Motiv Mozarts im selben Gewand, da der niedere Stellenwert des Kinderliedes in größerem Kontrast zu der Klangwelt des ehrwürdigen und besonders für seine ernsten Werke gefeierten Komponisten steht.

… zur Satire

Besonders dann, wenn bestimmte Stile, Gattungen oder Werke mit außermusikalischen Bedeutungen verknüpft sind, können deren Parodien bissig und aggressiv wirken, zu Satiren werden. Kirchenmusik ist oft mit der ganzen Sphäre von religiöser Erfüllung bis religiösem Fanatismus aufgeladen, Nationalhymnen illustrieren Nationalstolz bis Nationalwahn und Märsche symbolisieren Kriegseifer und Kriegskatastrophe. Alle drei Arten von Musik sind deshalb für Parodie und Satire beliebt. In Maurizio Kagels Zehn Märschen um den Sieg zu verfehlen torkeln die Soldaten durch permanente Synkopen und Akzentverschiebungen regelrecht übereinander. Kaum besser würde es den Truppen im Armeemarsch 606 aus Hindemiths Minimax ergehen: Hier wird der Marsch nicht nur statt von den üblichen strahlenden Blechblasinstrumenten von einem Streichquartett interpretiert – wobei zu allem Überfluss auch noch ein Ventil der vom Cello repräsentierten Kontrabasstuba »eingefroren« ist –, das Heer purzelt auch noch in permanenten Wechseln zwischen 3/4-, 4/4-, 5/4- und 3/2-Takten übereinander. Im Faschingsschwank aus Wien liefert Robert Schumann nicht nur eine rhythmisch bizarre Version der Marseillaise, sondern spottet auch der Zensur – war das französische Kampflied doch zu dieser Zeit offiziell verboten. Parodien von Kirchenmusik sind vor allem in der Vokalmusik beliebt, dort aber auch vielfach ohne Textbeigabe funktionsfähig, etwa in den Quodlibets der Renaissance, in denen profane Volkslieder mit weihevollen Sakralgesängen überlagert wurden. Manchmal erlangen selbst kurze Motive oder gar Einzelakkorde eine so starke Bedeutung, dass Satirebildung damit möglich wird: Das meistparodierte Vierton-Motiv der jüngeren europäischen Musikgeschichte ist der Anfang von Beethovens 5. Symphonie, seit langem das musikalische Schicksalssymbol schlechthin; der meistparodierte Einzelklang ist Wagners Tristan-Akkord, der grenzenlose Liebe ausdrückt. Insgesamt steht die Musik also in ihrem Reichtum, auch rein instrumental parodistische und satirische Wirkungen erzeugen zu können, den anderen Künsten nicht nach.
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Entlarvung durch Kombination

Doch Musik besitzt auch eine außergewöhnliche Fähigkeit zur Gleichzeitigkeit, über die auf andere Weise nur noch die Bildende Kunst verfügt, indem sie in einem einzelnen Bild viel Heterogenes zu vereinen vermag. Unterschiedliche Melodieschichten lassen sich ohne Störung der Gesamtharmonie übereinanderlegen, wie in besagten Quodlibets. Allein solche Schichtungen heterogenen Materials können satirisch sein, indem etwa ein Friedenslied mit einem Marsch kombiniert wird. Vielleicht besonders interessant sind jedoch Arrangements von Musik mit Text, in denen beide Komponenten für sich genommen noch nicht unbedingt parodistisch sind, sich die satirische Wirkung jedoch im intertextuellen Zusammenspiel entfaltet. Ein Beispiel dafür ist schwarzer Humor, wie er sich in der Gattung des Wienerlieds und etwa bei Georg Kreisler findet: Während die Musik heiter, sorglos, glückselig tänzelt, erzählt der Text von Gewalt, Verbrechen und Mord. D...

Inhaltsverzeichnis

  1. UMSCHLAG
  2. TITEL
  3. IMPRESSUM
  4. VORWORT
  5. INHALT
  6. ACHTUNG SATIRE!
  7. EXTRA
  8. NEUE MUSIK IM DISKURS
  9. BERICHTE AUS WIEN
  10. BERICHTE AUS ÖSTERREICH
  11. BERICHTE AUS DEM AUSLAND
  12. REZENSIONEN
  13. DAS ANDERE LEXIKON
  14. NEWS
  15. ZU GUTER LETZT
  16. WERBUNG