Offenbach in Wien
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Offenbach in Wien

Österreichische Musikzeitschrift 5/2017

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  1. 104 Seiten
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Offenbach in Wien

Österreichische Musikzeitschrift 5/2017

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Über dieses Buch

Er gilt als der "Erfinder" der Pariser Operette, ohne den auch die Entstehung und Entwicklung ihrer Wiener Cousine kaum denkbar gewesen wären: Jacques Offenbach. Einen wortgewandten Anhänger fand er in Wiens schärfstem Satiriker Karl Kraus, der Offenbach gar zum einzig wahren Vertreter dieser Gattung erklärte. Befördert wurde der Offenbach-Kult noch durch den Wiener Kulturtheoretiker Egon Friedell, der den Komponisten zur Gallionsfigur einer ganzen Epoche erhob. Im Gegenzug wirkte sich der Ringtheaterbrand 1881 bei einer Aufführung von "Hoffmanns Erzählungen", eine der größten Katastrophen Österreich-Ungarn, auf die Rezeption verheerend aus.

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THEMA

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Cancan-Tänzerinnen auf einem Plakat von Henri de Toulouse-Lautrec, 1895, wikimedia.org

Das Zeitalter Offenbachs

In seinem Essay zu Les Contes d’Hoffmann (1930) blickt der Wiener Publizist Egon Friedell (1878–1938) auf das Frankreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Ein Ausschnitt. Egon Friedell
Fast genau in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gelangte die Hegemonie Europas an Frankreich zurück: durch einen sehr geschickten Mann, der ganz unvermutet, obschon wohlvorbereitet, aus der Kulisse trat. Seine Wahl zum Präsidenten [im Dezember 1848] verdankte er der Angst der besitzenden Klassen vor sozialem Umsturz, die auf eine demokratische Militärdiktatur hindrängte, dem Klerus, zu dem er kluge Beziehungen unterhielt, und dem Napoleonkultus […]. Ein Jahr später errang er die Würde eines Kaisers der Franzosen, wobei er sich auf die gut inszenierte Komödie eines »Plebiszits« stützte. […] In Wahrheit war es die Allianz des Säbels mit dem Geldsack. Frankreich war »durch Gaunerei und Kartätschen gerettet«, wie Victor Hugo in einem schnaubenden Verdammungsgedicht höhnte. Die bürgerlichen Parteien erblickten, woraus sie durchaus kein Hehl machten, im Kaisertum bloß das kleinere Übel.

Kaiser der Franzosen – Napoleon III.

Napoleon III. ist sehr oft mit seinem Oheim verglichen worden, obgleich er mit ihm fast gar keine Ähnlichkeit hatte, höchstens in seiner Verachtung aller »Ideologie«. Otto von Bismarck hat ihn mit einem seiner geistvollen Bonmots »une incapacité méconnue«, ein verkanntes Untalent genannt. […] Durch seine Technik des fortwährenden Improvisierens blendender Projekte von zweifelhafter Sekurität, virtuosen Löcherzustopfens auf ephemere Dauer und verblüffenden Umbuchens des latenten Bankerotts in scheinbare Hochkonjunktur, worin er ebenfalls an die Figur des Glücksritters und Börsenspielers erinnert, erweckte er den Eindruck geheimnisvoller tiefangelegter Berechnung. […]
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Napoleon III. auf einem Ölgemälde von Alexandre Cabanel, um 1865. Bild: wikimedia.org
Was Napoleon III. im Gegensatz zu Bismarck und Camillo Graf Cavour [dem ›Motor‹ der italienischen Einigung] fehlte, war die gerade Linie; er ließ sie auch in der inneren Politik vermissen. Einerseits suchte er seiner Herrschaft den Schein eines demokratischen Regimes zu geben und stützte sie in der Tat auf das Heer, die Masse und die niedere Geistlichkeit, andererseits unterdrückte er durch scharfe Gesetze die soziale Bewegung, durch strenge Überwachung der Presse, der Theater, des Vereinswesens die freie Meinung und durch brutale Wahlbeeinflussung die konstitutionellen Volksrechte. […]
In die unhaltbarsten Widersprüche verwickelte sich der Kaiser durch seinen Klerikalismus […]. Der Schutz, den er dem Kirchenstaat angedeihen ließ, kreuzte sich mit seiner italienischen Unionspolitik [Unterstützung der italienischen nationalen Vereinigung], und durch die Macht, die er der Kirche über Schule und Universität, Literatur und Privatleben einräumte, brachte er sich in Gegensatz zum Liberalismus der allmächtigen Bourgeoisie, die doch das wahre Fundament seiner Herrschaft bildete. In der Tat hat die moderne Plutokratie niemals einen glänzenderen und großartigeren Ausdruck gefunden als unter dem second empire. Napoleon verdient noch weit mehr den Titel eines Börsenfürsten als [der von 1830 bis 1848 regierende Vorgänger, der »Bürgerkönig«] Louis Philippe. Finanzielle Skandalprozesse waren eine alltägliche Sensation unter feiner Regierung. Schon 1852 wurde von den Brüdern Péreire, zwei portugiesischen Juden, die erste moderne Großbank gegründet, der Crédit mobilier, von dem man sagte, er sei die größte Spielhölle Europas. Er machte wilde Spekulationen in allem: Eisenbahnen, Hotels, Kolonien, Bergwerken, Theatern, und nach fünfzehn Jahren gänzlichen Bankerott. Alles in allem genommen, war das Gesellschaftsleben unter Napoleon noch korrupter, zynischer und materialistischer als unter dem Bürgerkönig; es ist eine Art Rokoko des dritten Standes.
Gemäß dem von Napoleon ausgegebenen Stichwort, Frankreich müsste »à la tête de la civilisation« marschieren, schuf zunächst der Seine-Präfekt Haußmann durch großartig angelegte Straßenzüge, Plätze, Gärten, Umbau ganzer Bezirke, prachtvolle Repräsentationshäuser ein neues Paris, als getreues Abbild des zweiten Kaiserreichs; fassadenhaft, künstlich und parvenühaft. 1855 wurde die erste Pariser Weltausstellung veranstaltet, als »revanche pour Londres«, wo vier Jahre vorher auf Anregung des Prinzgemahls Albert die überhaupt erste stattgefunden hatte, noch heute in Erinnerung durch Paxtons Kristallpalast, den ersten Versuch einer Glas-Eisen-Konstruktion. […]
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Groteske Modeerscheinung des 19. Jahrhunderts: Der Reifrock auf einer französischen Fotografie um 1860. Bild: stereoscope.canalblog.com

Die Mode der Halbwelt

Die beiden Göttinnen, zu denen das Zeitalter betete, waren die Frau und die Börse. Und der Geist des Geschäfts vermischt sich mit dem Geist der Geschlechtlichkeit: das Geldverdienen wird Gegenstand einer fast sinnlichen Inbrunst und die Liebe eine Geldangelegenheit. Zur Zeit der französischen Romantik war das erotische Ideal die Grisette, die sich verschenkt; jetzt ist es die Lorette, die sich verkauft. An die Stelle des genre roccaille (»Gesindels«) trat das genre canaille (»Schurken«), ein frecher Einschlag in Kleidung und Sprache, der es fast unmöglich machte, die sogenannten anständigen Frauen von den Dirnen zu unterscheiden. Man bevorzugt grell kontrastierte, schreiende Farben, auch für die Frisur: feuerrote Haare sind sehr beliebt. Im Rokoko war es bon ton, sich als Schäferin zu gerieren, im Zeitalter des Cancans und der Schönen Helena wurde es chic, Halbwelt zu kopieren. Der Modetypus ist die grande dame, die die Kokotte spielt. Die bevorzugten Stoffe waren, außer Seide und ihren zum Teil neuen Appretierungen wie Taft, Moiré, Gaze, allerhand luftige, zarte, duftige Gewebe wie Krepp, Tüll, Mull, Tarlatan, Organdy: die Bourgeoisie spielt Fee. 1856 tauchte der Reifrock in einer neuen, von der Kaiserin erfundenen Form auf, die die Rosshaarwülste durch eingelegte Stahlfedern ersetzte und ihn dadurch sehr leicht machte. Zu Anfang der sechziger Jahre war er so enorm weit, dass die Witzblätter behaupteten, die Pariser Straßenerweiterung sei seinetwegen durchgeführt worden. Dieses groteske Kleidungsstück diente im zweiten Empire ebensowenig wie im Rokoko der Verhüllung, vielmehr war es Sache einer ausgebildeten Technik, durch geschickte Wendungen die Dessous zu zeigen; der Cancan erfüllte diesen Zweck in ausschweifender Weise. Nur geschieht hier, was man dort mit graziöser Schlüpfrigkeit tut, mit massiver Fleischlichkeit. […]
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Hervé, der Begründer der opéra bouffe, um 1870. Bild: wikimedia.org

»Wahnsinn der Beine«

Galopp und Cancan, die beiden wildesten Tänze, die es gibt, gelangten, schon früher erfunden, erst jetzt zur vollen Herrschaft und letzten Extremität, während von Wien aus der Walzer durch Lanner und Johann Strauß Vater und Sohn seinen Siegeszug antrat. Über den Cancan schrieb die Pariser Tänzerin Rigolboche, die zu ihrer Zeit eine Weltberühmtheit war: »Man muss in einem bestimmten Augenblick und ohne zu wissen, warum, düster, melancholisch und trübsinnig sein, um mit einem Male wahnsinnig zu werden, zu rasen und zu toben, ja, man muss im Notfalle all dies zu gleicher Zeit tun. Man muss, mit einem Wort, rigolbochieren. Der Cancan ist der Wahnsinn der Beine«. Die Menschheit ist von einer wahren Tanzwut ergriffen; auch auf der Bühne dominiert das Ballett, durch schreiende Ausstattungskünste und verwirrenden Massenaufwand zur »Féerie« gesteigert, und drängt sich als breites Zwischenspiel in die Oper. Die ureigentümliche Schöpfung des Zeitalters aber ist die Operette. Dies war ursprünglich die Bezeichnung für das Singspiel des achtzehnten Jahrhunderts: man sprach, im Gegensatz zur grand opéra, von »kleinen Opern«, die in Form und Inhalt anspruchsloser, sich von dieser vor allem durch den Wechsel von Gesang und Dialog unterschieden: es waren im wesentlichen Lustspiele mit Musikeinlagen. Das neue Genre, deren Begründer Hervé ist [Louis Auguste Florimond Ronger, 1825–1892 ], nannte sich opéra bouffe, während es vom Publikum den charakteristischen Namen »musiquette« erhielt.

Zaubermeister der Operette

Sein großer Zaubermeister ist Jacques Offenbach, der zuerst mit Einaktern hervortrat (auch das Singspiel war ursprünglich einaktig). 1858 erschien Orphée aux enfers, 1864 La belle Hélène, 1866 Barbe-Bleue, La vie parisienne, 1867 La grande-duchesse de Gérolstein. In diesen Werken, erlesenen Bijous einer komplizierten Luxuskunst, ist, ähnlich wie dies Antoine Watteau für das Paris des Rokoko vollbracht hat, der Duft der ville lumière zu einer starken haltbaren Essenz destilliert, die aber um vieles beißender, salziger, stechender geriet. Sie sind Persiflagen der Antike, des Mittelalters, der Gegenwart, aber eigentlich immer nur der Gegenwart, und im Gegensatz zur Wiener Operette, die erst eine Generation später ihre Herrschaft antrat, gänzlich unkitschig, amoralisch, unsentimental, ohne alle kleinbürgerliche Melodramatik, vielmehr von einer rasanten Skepsis und exhibitionistischen Sensualität, ja geradezu nihilistisch. Dass Offenbach, unbekümmert um psychologische Logik und künstlerische Dynamik, eigentlich nur »Einlagen« bringt, wie ihm oft vorgeworfen worden ist, war ebenfalls nur der Ausfluss eines höchsten, nämlich ästhetischen Zynismus, einer Freigeisterei und Selbstparodie, die sogar die Gesetze der eigenen Kunst verlacht. Dass er aber auch ein tiefes und zartes Herz besaß, würde allein schon die Barkarole seines letzten Werkes beweisen, der Contes d’Hoffmann, in denen die deutsche Romantik der Vorlage, durch die Raffinade der Pariser Décadence verkünstelt und veredelt, ein wundersam ergreifendes Lied anstimmt. Hier klagt der Radikalismus des modernen Weltstädters um die verschwundene Liebe: die Frau ist Puppe oder Dirne; die wahrhaft liebt, eine Todgeweihte. […]
Damals war das Bürgertum als Klasse der Zukunft im sittlichen und geistigen Aufstieg, jetzt ist es eine fette schillernde räuberische Sumpforchidee, an der Veredlungs- und Rettungsversuche höchst deplaziert wirken. //
Dieser Text entstand für das Programmheft einer Max Reinhardt-Inszenierung von Contes d’Hoffmann an der Berliner Staatsoper 1930. Er rekurriert teilweise auf die Offenbach-Lesungen, die Karl Kraus veranstaltete (siehe S. 41ff.), und sollte als Initialzündung der 1937 im Pariser Exil entstandenen richtungsweisenden Monographie Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit von Siegfried Kracauer (1889–1966) gelesen werden. Für diesen Abdruck wurden der Text gekürzt, die französischen Zitate übersetzt und die Orthographie modernisiert. – Am 16. März 1938 statteten zwei SA-Männer Friedells Wiener Wohnung in der Gentzgasse 7, 3. Stock, im 18. Bezirk einen ›Besuch‹ ab. Während sie mit der Haushälterin sprachen, sprang Friedell aus einem der Fenster. Er soll zuvor die Passanten gewarnt haben mit dem Ruf: »Treten Sie zur Seite!«.

THEMA

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Bild aus: Hadamowsky/Otte, Die Wiener Operette, Wien 1947

Wie Jacques Offenbach in Wien bekannt wurde

Die frühe französische Operette im Spiegel der Wiener Presse

Offenbachs erste Aufführungen in Wien ließen nicht vermuten, dass sich die Stadt zu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. IMPRESSUM
  4. Liebe Leserinnen und Leser,
  5. INHALT
  6. OFFENBACH IN WIEN
  7. NACHRUFE
  8. NEUE MUSIK IM FOKUS
  9. RESPONSE
  10. EXTRA
  11. BERICHTE
  12. REZENSIONEN
  13. DAS ANDERE LEXIKON
  14. NEWS
  15. ZU GUTER LETZT