O Fortuna - Musikalische Glücksverheißungen
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O Fortuna - Musikalische Glücksverheißungen

Österreichische Musikzeitschrift 06/2016

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  1. 104 Seiten
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O Fortuna - Musikalische Glücksverheißungen

Österreichische Musikzeitschrift 06/2016

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

»Das Glücke kommt selten per Posta zu Pferde«, komponiert Telemann im 18. Jahrhundert. Und es ist nicht herbeizuzwingen. Alle jagen ihm nach, »das Glück rennt hinterher« (Brecht/Weill, Dreigroschenoper).Die Sehnsucht danach durchzieht die Texte der Schlager wie die der Opern und das Unglück ist eine treue Begleiterin seit Monteverdis "Orfeo". Musik kann pauschales Versprechen und Stimulanz sein. Das Glück stellt sich im Winkel des stillvergnügten Streichquartetts ebenso ein wie im Konzerthaus oder beim Rock-Event, bei der Suche nach dem musikalisch Exquisiten oder beim Klangexperiment in einer ungenutzten Fabrikhalle.Das Glück ist flüchtig. – Manchmal aber verweilt es und die Musik hilft ihm dabei.

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THEMA

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Glücks-Splitter

Habakuk Traber

Alle rennen nach dem Glück – Theologen, Ärzte, Dichter, Denker, Ratgeber- und Almanach-Schreiber, Lebenswisser und Lifestyle-Blogger. Die Musik darf in diesem Wettbewerb nicht fehlen. Lange war sie sogar als Nummer 1 gesetzt. Sie bringt Glück, schafft Glück, simuliert Glück, verspricht Glück. Sie ist ein Glück. Selbst am Gegenpol des beflügelnden Hochgefühls tut sie ihre Wirkung. Gibt es ergreifendere Darstellungen von Unglück und Leid als die Lamenti der Ariadne, des Orpheus oder der Dido, welche die Geschichte der Oper durchziehen, seit die Gattung existiert? Selbst die blasse Schönheit von Glucks Orpheus-Klage »Che farò senza Euridice« rührt, denn die Musik trauert, hat aber die Idee des Glücks nicht aufgegeben. Warum bewegen die Passionen Johann Sebastian Bachs auch säkulare Gemüter bis heute? Weil sie das größte Unglück behandeln, das die Schriftreligionen kennen: die Gottverlassenheit.
Dürfte man nur ein Beispiel für Glück in der Musik nennen, dann käme wohl Robert Schumanns Schöne Fremde in die engere Wahl, jenes Lied, das die erste Hälfte des Eichendorff-Liederkreises op. 39 abschließt. Der Gesang endet aus einem Aufschwung mit den Worten: »Es redet trunken die Ferne | wie von künftigem, großem Glück«, und mündet in ein Klaviernachspiel im großen Ton, mit ausgreifendem Melos in sonorer Mittellage, alles in der entrückten Tonart H-Dur, die Wagner für die Liebesszene in Tristan und Isolde wählte, und die bis zu Alexander Skrjabin und Olivier Messiaen als Medium des spirituellen Glücksversprechens diente. Schumann versieht sie allerdings mit einer harmonischen Mollausweichung, als wolle er andeuten, dass zum Glück immer auch der Schatten seines Gegenbilds gehört. Sein Glück bleibt faktisch unfassbar, es leuchtet aus zeitlicher und räumlicher Ferne herüber, ereignet sich eher als Erwartung denn als Erfüllung.
Das Klaviernachspiel in op. 39,6 verdichtet ein zwei Jahre älteres Klavierstück, Glückes genug, Nr. 5 der Kinderszenen. Es gehört zum Vorhergehenden, Bittendes Kind, und wirkt auch nur in dieser Verbindung richtig.
Schumann lenkt die Suche nach Urerfahrung des Glücks in die Kindheit – »und mit Recht«, wie Hermann Hesse ein Jahrhundert später meinte, »denn zum Erleben des Glücks bedarf es vor allem der Unabhängigkeit von der Zeit und damit sowohl von der Furcht wie von der Hoffnung.« Die Musik bietet sich als Medium an, denn so sehr sie Kunst in der Zeit ist, so sehr sie Affekte wie Furcht oder Erwartung auslösen und transportieren kann, so sehr lebt sie als Wirklichkeit nur im Augenblick, in der Intensität des Hier und Jetzt, in der Vergänglichkeit, flüchtig wie das Glück. Immer wieder werden Kindheit und Glück verknüpft, in Lortzings Zaren-Arie (»Sonst spielt ich mit Szepter…«), in Kierkegaards philosophisch-musikalischen Reflexionen, und auch in der Nachmoderne, etwa in Claude Viviers Lonely Child, Traum-Reflexionen über das Glück des Kindes, über das Gefühl einer Zeit außerhalb der Zeit und über das Glück des schönen Klangs jenseits harmonischer Konventionssysteme.
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Nie wieder wird das Glück so umittelbar erfahrbar wie in der Kindheit. Laughing Children with a Cat, Ölgemälde von Judith Leyster, 1629. Bild: wikiart.org

Grenzen des Glücks

Mit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nimmt der Glücks-Klang in der Musik eine eigenartige Wendung. Er zerfällt in Pose und Sehnsucht. Zwei Daten symbolisieren den Riss: die Uraufführung von Wagners Tristan 1865 in München und die deutsche Reichsgründung 1871 in Versailles. In strammen Tönen wurde rund um den Deutsch-Französischen Krieg ein nationales Glück beschworen; es nährte sich vom Unglück der anderen. Hoffmann von Fallerslebens Verse »Blüh im Glanze dieses Glückes | Blühe, deutsches Vaterland!« wurden zur Siegerpose verengt und aufgedonnert. An diesem Aufmarschglück, zu dem sich als Privatvergnügen die Wanderlust gesellte, nahm Anton Bruckner mit seiner Achten Symphonie, ihrem Michel-Scherzo und ihrem Dreikaiser-Meistersinger-Finale als Beobachter teil. Hugo Wolf stellte es in seinem Eichendorff-Lied vom Heimweh in die romantische Dialektik von Heimat und Fremde, ehe er das Stück mit pathetischem Gruß an Deutschland abschloss. Richard Strauss aber antwortete auf die öffentliche Monumentalisierung des Glücks mit drei Tondichtungen: dem Heldenleben, in dem er den Künstler zum wahren Heros erklärt – getreu der Wagner-Devise von 1870: »Dem Weltbeglücker gebührt der Rang noch vor dem Welteroberer«; der Alpensymphonie mit Gipfelglück und Abstiegsgewitter in der Natur; und in der Sinfonia domestica, in der das häuslich-nächtliche Glück bis zum physischen Höhepunkt und der anschließenden Erschöpfung musikalisch ausgekostet wird. Die schärfste Konsequenz aus dem verordneten Glücks-Triumph-Gehabe zog einer, der mit viel Glück den Stalin-Terror von 1936 überstand: Dmitri Schostakowitsch mit dem Finale seiner Fünften Symphonie. Vom Schluss, der sich auf D-Dur ins Endlose zu lärmen droht, meinte er selbst: »Der Jubel ist unter Drohungen erzwungen. […] So als schlage man uns mit einem Knüppel und verlange dazu: Jubeln sollt ihr! Jubeln sollt ihr!« Und natürlich glücklich sein dabei.
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»Ich geh, ich wandre in die Berge«, heißt es im letzten Satz »Abschied« von Mahlers Lied von der Erde. Bild: Dai Jin (1388–1462): Dichtes Grün bedeckt die Frühlingsberge/wikimedia.org
Die Gegentendenz, die Glück als individuelle Sehnsucht betrachtete, reicherte das romantische Erbe mit neuen Trends der Seelenforschung an. Ihr Referenzstück bleibt Wagners Tristan und Isolde. In diesem Musikdrama geht es zwar um Glück und Unglück, um Fülle der Liebe und das Weltgefühl Tod. Aber im ganzen großen Werk taucht das Wort »Glück« nur zehn Mal auf, manchmal in der alten Bedeutung von »Geschick«, manchmal rätselhaft wie in der zweiten Szene des zweiten Akts mit dem »Eifer, der mein Glücke schreckt«, meist aber nur en passant. Die Bedeutung eines verbalen Leitmotivs erlangt es nicht, auch in der Thementabelle der Oper findet sich keine Glücksfigur, dagegen acht Liebesmotive, einschließlich Liebesjubel, -feier und -tod. In den entscheidenden Situationen – der Liebesszene II, 2 und dem Schlussbild – erscheint es einmal enigmatisch, dann als Grußformel. Isolde braucht es in ihrem Schlussmonolog nicht, sie beschwört die »höchste Lust«, die nach Nietzsches späterer Erkenntnis Ewigkeit will. War Glück für das, was Wagner verhandelte, als Kategorie zu eng, zu flüchtig, zu wenig absolut? Fasste es die kosmische Ausbreitung und Verströmung des Ich und seiner Liebe nicht mehr? Es gibt das kleine Glück, die kleine Lust in Wagners Sinn gibt es nicht.
Eine indirekte Antwort auf den Tristan-Absolutismus gab Gustav Mahler mit dem letzten Stück, dem Abschied, aus seinem Lied von der Erde. »Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold!«, heißt es da. Der das singt, ist ein Nachkomme des Wanderers, der seit Schubert durch die Musik des 19. Jahrhunderts zieht: Das Glück der Ungebundenheit, das Wolf in seinem Musikanten-Lied nach Eichendorff preist, erkauft er mit dem Daueraufenthalt in der Fremde, die sich nicht immer so schön wie bei Schumann darstellt. Die Passage vom verfehlten Glück hob Mahler prominent hervor: Sie leitet in dem ausgedehnten Vokal-Symphoniesatz nach einer ausgiebigen Orchester-Durchführung die fragmentierte Reprise ein und führt sie dorthin, wo die Quintessenz aus allen Sätzen des Zyklus gezogen wird. »Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold« – das ist die Bilanz, die den endgültigen Abschied einleitet. Er erinnert an die Legende vom chinesischen Maler, der seine Freunde zu sich rief, um ihnen ein Bild zu zeigen, das ihn lange beschäftigte. Als jene ein Urteil gefasst hatten und es dem Künstler eröffnen wollten, war er verschwunden. Sie entdeckten ihn schließlich auf seinem eigenen Bild, wie er den Weg die Anhöhe hinauf (»Ich geh, ich wandre in die Berge«, heißt es bei Mahler) zu einem Haus ging, die Tür öffnete, den Getreuen ein letztes Abschiedszeichen gab und dann die Pforte hinter sich verschloss. Das letzte, vielleicht das wahre Glück des Künstlers ist das eigene Werk, die eigene Schöpfung.
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Prometheus bringt den Menschen das Feuer und die Fähigkeit zum Glück. Ölgemälde von Heinrich Füger, um 1820. Bild: wikimedia.org

Das große, das tragische Glück

Die Linie, die von Tristan ins 20. Jahrhundert führt, streift Mahler nur und landet bei anderen Komponisten, die wie jener nach 1933 verfemt waren: bei Franz Schreker und seiner Oper Der ferne Klang, bei Alexander Zemlinsky und seinem König Kandaules, bei Arnold Schönberg und seinen Monodramen Erwartung und Die glückliche Hand. Diese spielen in den finsteren Verliesen und Verstecken des Glücks, die Suche nach ihm gerät zur Tragödie. Die Frau der Erwartung stolpert im dunklen Wald über die Leiche des Geliebten; in der Glücklichen Hand hockt sich das erstrebte Glück als Fabeltier dem Mann ins Genick und belehrt ihn: »Musstest du’s wieder erleben? – Und suchst dennoch! Und quälst dich! – Und bist ruhelos!« – In Zemlinskys Oper lässt die sagenhaft schöne Königin Nyssia, die von Kandaules gegen ihren Willen vor anderen entschleiert wird, ihren Mann vom Fischer Gyges ermorden und macht diesen dann zum Herrscher; in ihrer vielleicht stärksten Arie singt sie: »Ich bin wie das Glück: das Glück verwelkt, wird es entschleiert.« – Im Fernen Klang verlässt der Protagonist, ein Compositeur, seine Geliebte, um sich als Künstler zu verwirklichen und den magischen Klang zu finden, der ihm vorschwebt, und den er doch nicht fassen kann. Erst als er zu seiner Liebe zurückkehrt (beide sind inzwischen körperliche und seelische Wracks), findet er ihn, den Inbegriff seines Glücks, kurz vor dem letalen Ende. Ein Zeitgenosse Schrekers entdeckte den Zauberklang leichter als sein virtueller Kollege in der Oper: Alexander Skrjabin komponierte seinen Promethée mit all dem Überschwang, der auch das Licht in die Komposition einbezog, aus einem »mystischen Akkord«. Prometheus war es, der nach der antiken Sage den Menschen die Fähigkeit zum Glück schenkte, und für Skrjabin bedeutete es das reine Glück, dass seine Schöpferkraft aus ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. O Fortuna Musikalische Glücksverheißungen
  7. Nachruf
  8. Extra
  9. Fokus Wissenschaft
  10. Neue Musik im Diskurs
  11. Berichte … aus Wien
  12. Berichte … aus Österreich
  13. Berichte … aus dem Ausland
  14. Rezensionen
  15. Das andere Lexikon
  16. News
  17. Zu guter Letzt
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