Viertes Kapitel:
Zulässigkeit einer Kennzeichnungspflicht
Zunächst soll geprüft werden, ob die Einführung einer Kennzeichnungspflicht auf Bundesebene und bayerischer Landesebene rechtlich zulässig wäre. Dafür wird untersucht, welche normativen Grundlagen für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht in Betracht kommen, um sodann die Rechtmäßigkeit einer darauf aufbauenden Pflicht zu überprüfen.
A. Normative Grundlage einer Kennzeichnungspflicht
Als Rechtsgrundlage einer Kennzeichnungspflicht könnte eine eigens verabschiedete gesetzliche Grundlage (mit eventuell darauf aufbauenden Verwaltungsvorschriften), eine selbständige Verwaltungsvorschrift oder eine Dienstvereinbarung dienen. Daneben könnten auf Bundesebene auch eine Rechtsverordnung i. S. d. Art. 80 Abs. 1 GG oder eine Satzung in Betracht kommen. Allerdings scheidet Letztere aus, da diese nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Regelung ihrer Selbstverwaltungsangelegenheiten erlassen wird196 und es sich bei der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt und der Polizei des Deutschen Bundestages nicht um organisationsrechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten in Form der Körperschaft, der Anstalt oder der Stiftung des öffentlichen Rechts197 handelt. Auch auf die Einführung der Kennzeichnungspflicht mittels Rechtsverordnung auf Bundesebene wird in vorliegender Arbeit nicht eingegangen: Grundsätzlich erscheint dies zumindest hinsichtlich der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts möglich, da es sich bei der Rechtsverordnung um Rechtsnormen handelt, die gem. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG u. a. von einem Bundesminister, und damit auch von dem Bundesinnenminister als Dienstherrn der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts, erlassen werden können. Bezüglich der Polizei des Bundestages ist dies dem Bundestagspräsidenten als Dienstherrn gem. Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG ausweislich des Wortlauts des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG nicht möglich, da dieser danach nicht Ermächtigungsadressat ist.
Argumente gegen die Einführung einer Kennzeichnungspflicht mittels Rechtsverordnung scheinen jedoch der Regelungsadressat und -gegenstand zu sein: So sind Rechtsverordnungen entweder direkt an den Bürger gerichtet, sogenannte legislative Rechtsverordnungen, oder wirken zumindest mittelbar im Rahmen sogenannter administrativer Rechtsverordnungen: Diese werden von der Verwaltung zur einheitlichen Behandlung einer Vielzahl von gleichgelagerten Fällen in Vollzug gesetzlicher Vorschriften erlassen198. Letztlich zeigt sich schon darin, dass es sich um Regelungen handelt, die in erster Linie der Konkretisierung der formellen Gesetze mit Außenwirkung dienen. Bei der Kennzeichnungspflicht würde es sich jedoch primär um eine Regelung im Innenverhältnis zwischen Dienstherr und Beamten handeln, der nur (wenn überhaupt) sekundär Außenwirkung zukommt199. Dies unterstreicht auch die gängige Abgrenzungsregelung von der Rechtsverordnung zur Verwaltungsvorschrift: Beide sind zwar der Exekutive zuzurechnen, jedoch wirkt die Verwaltungsvorschrift (zunächst) nur verwaltungsintern, während die Rechtsverordnung mit Außenwirkung ausgestattet ist und daher für die Bürger unmittelbar gilt200. Die Kennzeichnungspflicht wäre jedoch gerade nicht an den Bürger, sondern an die Beamten gerichtet, weshalb die Rechtsverordnung nicht passend hinsichtlich des Regelungsadressaten und -gegenstandes erscheint.
Sollte man dennoch davon ausgehen, dass hier der Staat den Beamten in seiner Stellung als Bürger trifft und damit eine Außenwirkung vorliegen würde, so wäre weiterhin gem. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG Voraussetzung, dass eine Ermächtigungsgrundlage für die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung im Bereich der Bundespolizei und des Bundeskriminalamts besteht, die auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügen muss. Nachdem eine solche Grundlage erst geschaffen werden müsste, ergibt sich kein einfacherer Weg im Vergleich zur Schaffung einer Kennzeichnungspflicht mittels Gesetzes oder Verwaltungsvorschrift, weshalb diese theoretisch zulässige Möglichkeit im Folgenden nicht näher behandelt wird.
Dies gilt ebenso für die Einführung einer Kennzeichnungspflicht auf bayerischer Landesebene: Auch dort können gem. Art. 55 Nr. 2 Satz 2 und 3 BV die Staatsregierung und die einzelnen Staatsministerien Rechtsverordnungen201 erlassen, die ebenfalls im Unterschied zu Verwaltungsvorschriften auf die Außenwirkung gegenüber Bürgern zielen202, eine derzeit nicht bestehende Verordnungsermächtigung, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt ist, voraussetzen203 und damit hier nicht in Frage kommen. Ebenfalls kommt eine Regelung mittels Satzung mangels rechtlicher Selbstständigkeit204 und gesetzlicher Ermächtigung205 der Polizei im Freistaat Bayern nicht in Betracht. Damit wird im Folgenden die Einführung einer Kennzeichnungspflicht mittels Gesetzes, Verwaltungsvorschrift oder Dienstvereinbarung behandelt.
I. Bundesebene
1. Verabschiedung eines Gesetzes
Auf Bundesebene können im polizeilichen Bereich durch den Bund gesetzliche Regelungen in Bezug auf die Bundespolizei gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG im Bundespolizeigesetz und in Bezug auf das Bundeskriminalamt gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 und Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG im Bundeskriminalamtsgesetz getroffen werden. Hinsichtlich der Polizei des Deutschen Bundestages stellt sich die Situation etwas anders dar: Nach Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG übt der Bundespräsident die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages aus, weshalb er damit Dienstherr und eigenständiger Normgeber der Polizei des Deutschen Bundestages ist206. Dies bedeutet, dass er zur Regelung dieser Materie Dienstvorschriften erlassen kann, wie er dies mit der Dienstanweisung für den Polizeivollzugsdienst des Deutschen Bundestages (DA-PVD) und den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Präsidenten des Deutschen Bundestages zum Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (AVV UZwG-BTPr) getan hat207. Dies bedeutet aber auch, dass er keine gesetzliche Regelung hinsichtlich einer Kennzeichnungspflicht erlassen kann. Allerdings stellt sich dieses Problem ebenfalls bei den Befugnissen, die in Grundrechte der Bürger eingreifen und deshalb aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Regelung bedürfen. Hier behilft man sich damit, die gesetzliche Ermächtigung bereits in Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG zu sehen (und damit in Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG ausnahmsweise eine Kompetenz- und zugleich Befugnisnorm), und genügt dem Bestimmtheitsgrundsatz, indem zur Konkretisierung auf die übereinstimmenden Befugnisse der Länder und der Bundespolizei zurückgegriffen werden darf208. Damit wäre auch indirekt eine formell-gesetzliche Grundlage im Hinblick auf die Polizei des Deutschen Bundestages möglich.
2. Regelung durch eine Verwaltungsvorschrift
Würde keine eigens für die Kennzeichnungspflicht geschaffene Rechtsgrundlage vom Gesetzgeber erlassen, so könnte diese Pflicht möglicherweise auch mittels einer Verwaltungsvorschrift geregelt werden. Verwaltungsvorschriften stellen abstrakt-generelle Regelungen dar, die von übergeordneten Stellen in der öffentlichen Verwaltung an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete ergehen und dazu dienen, die Organisation und das Handeln der Verwaltung näher zu bestimmen209. Dabei existieren unterschiedliche Begrifflichkeiten für derartige Verwaltungsvorschriften: So werden diese bezeichnet als „Richtlinien“, „(Rund-)Erlasse“, „Rundschreiben“, „Dienstanweisung“, „Geschäftsanweisung“, „Verfügung“, „Anordnungen“, „Grundsätze“ oder „Verwaltungsordnung“210. In der vorliegenden Arbeit wird der Terminus „Verwaltungsvorschrift“ als Oberbegriff verwendet, da sich sachlich keine Änderungen bei der Verwendung des ein oder anderen Begriffs ergeben. So wurde vom Polizeipräsidenten in Berlin eine Geschäftsanweisung über das Tragen von Namensschildern erlassen211, in Rheinland-Pfalz hat der Innenminister per Rundschreiben die Kennzeichnungspflicht geregelt und die Begriffe „Dienstanweisung“ und „Geschäftsanweisung“ werden ebenfalls synonym behandelt212. Verwaltungsvorschriften könnten im vorliegenden Fall einerseits auf einer formell-gesetzlichen Grundlage beruhen, aber auch andererseits ihren Ursprung im Verwaltungsrecht selbst haben.
Dabei darf jedoch der Aspekt der Beteiligung des Personalrats nicht vernachlässigt werden: Ist eine Beteiligung in Form der Mitbestimmung erforderlich und wird diese vom Personalrat nicht gem. § 69 Abs. 1 BPersVG erteilt, so hängt die Geltung der Verwaltungsvorschrift von der Entscheidung der Einigungsstelle gem. § 69 Abs. 4 Satz 1 BPersVG ab213. Wird die Zustimmung durch einen bindenden Beschluss der Einigungsstelle auch nicht ersetzt und setzt der Dienstherr die Verwaltungsanweisung um, so ist diese mitbestimmungswidrige, den Beamten belastende Maßnahme unwirksam214, was einer faktischen „Vetoposition der Personalvertretung“215 entspricht. So kam es in Berlin nach der Verweigerung der Zustimmung und der Ersetzung derer durch die Einigungsstelle zu einem personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren, infolgedessen das VG Berlin den Antrag auf Feststellung der Verletzung von Mitbestimmungsrechten und der Rechtswidrigkeit des Beschlusses der Einigungsstelle allerdings zurückgewiesen hat216. Aufgrund der sich hier zeigenden Praxisrelevanz und der Erheblichkeit bei der Entscheidung, in welcher Form eine Kennzeichnungspflicht eingeführt werden könnte, soll im Folgenden auch auf diesen Problemkreis eingegangen werden.
a) Beteiligungsrechte
aa) Anwendbarkeit des Bundespersonalvertretungsgesetzes
Die Bundespolizei wird gem. § 1 Abs. 1 BPolG in bundeseigener Verwaltung geführt und ist im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums angesiedelt. Damit fällt diese als Teil der Verwaltung des Bundes gem. § 1 BPersVG in den Anwendungsbereich des BPersVG. Dies gilt ebenso für die Beamten des Bundeskriminalamts, da dieses ebenfalls der Verwaltung des Bundes zuzurechnen ist, wie sich aus Art. 87 Abs. 2 GG i. V. m. § 1 Abs. 1 BKAG ergibt. Darüber hinaus können Regelungen durch den Bundestagspräsidenten in Bezug auf die Polizei des Bundestages gem. Art. 40 Abs. 2 Satz 1 GG getroffen werden, die der Bundestagsverwaltung und damit ebenso der Bundesverwaltung angehört217. Das Bundesvertretungsgesetz ist demzufolge auch hier anwendbar.
Allerdings könnte die Anwendbarkeit gem. § 85 Abs. 1 Nr. 6 a) BPersVG für die Bundespolizei eingeschränkt sein, da eine Beteiligung der Bundespolizeipersonalvertretung bei Anordnungen für Polizeivollzugsbeamte, durch die Einsatz oder Einsatzübungen geregelt werden, nicht stattfindet. Wenn es sich bei der Kennzeichnungspflicht um eine Regelun...