1. Einführung
1.1 Der Unterschied zwischen Strategie und Taktik
Die erste Auflage dieses Buches wurde von verschiedenen Rezensenten als Buch über Sicherheitsstrategien bezeichnet. Das ist ehrenvoll, aber nicht ganz korrekt. Strategische Ansätze spielen zwar eine Rolle, der Praktiker aber hat eher mehr mit taktischen Aspekten zu tun. Es erscheint dem Autor daher angeraten, einmal den Unterschied von Strategie und Taktik mit einfachen Worten zu erläutern.
Von der Kriegsführung zur Unternehmensführung
Der Begriff Strategie kommt aus dem altgriechischen „strategós“. Es bezeichnete den obersten Kriegsherrn, gewissermaßen „den ganz oben“. Seine Aufgabe war weniger die Planung der einzelnen Schlacht, sondern die Kriegsführung insgesamt. Und da fängt es mit dem Begriff an, schwierig zu werden. Spricht man doch auch vom guten Strategen, wenn man den meint, der einzelne Schlachten plant und gewinnt. Und das ist nicht falsch. Wir verstehen heute darum unter Strategie überwiegend, die Ziele festzulegen, die mit den gegebenen Möglichkeiten erreichbar erscheinen. In die Sicherheitsarbeit des Unternehmens übertragen ist Strategie gewissermaßen mit den Zielen des Unternehmens zur Erreichung eines definierten Sicherheitsniveaus zu vergleichen, der Planung des Feldzuges Sicherheit.
Das beginnt bei den Unternehmenszielen und Unternehmensleitlinien und mündet dann in die Schutzziele und ihre Operationalisierung. Und damit sind wir dann auch schon bei der Taktik. Der Begriff stammt ebenfalls aus dem Altgriechischen. Er bezeichnet die Kunst, das Heer zielführend aufzustellen und einzusetzen.
Insofern gilt: Strategie = Setzung von Zielen langfristiger und übergeordneter Art; Taktik = Operationalisierung der strategischen Ziele, indem sie auf die Arbeitsebene in Einzelschutzziele und Subziele heruntergebrochen werden sowie die methodischen Möglichkeiten (Sicherheitsmaßnahmen), diese Ziele zu erreichen. Der Unterschied lässt sich mit Ziel und Weg verkürzt kennzeichnen.
1.2 Planung oft unsystematisch und konzeptionsarm
An einem konkreten Beispiel wird deutlich gemacht, welche Mängel in die Planung einfließen können, wenn Sicherheits- und Verfügbarkeitsaspekte nicht rechtzeitig berücksichtigt werden. Aber auch Office-Logistik – mehr als einfache Büroorganisationsplanung – spielen eine vielfach nicht rechtzeitig beachtete Rolle.
Vorwegnahme von Entwicklungsvarianten
Hinzu kommt, dass Neubauvorhaben oft für den augenblicklichen Zweck geplant und errichtet werden. Es fehlt vielen Beteiligten und auch Führungskräften der Denkansatz, sich vorzustellen, wie sich das Unternehmen hinsichtlich seiner Bedürfnisse verändern kann. Gefordert ist nicht der Blick in die Zukunft, sondern die Phantasie, sich Entwicklungsvarianten für das Haus vorzustellen, um es so flexibel zu gestalten, dass es künftigen organisatorischen Veränderungen gerecht werden kann.
Dass jedes Gebäude in seinem Lebenszyklus erheblichen Nutzungsänderungen unterliegt, wird oft nicht ausreichend berücksichtigt. Und: wir leben in einem Zeitalter des Schlagwortmanagements in der Bürokultur. Großraumbüros, die ja einmal das zukunftsorientierte Allheilmittel der Büroplanung waren, waren zukunftsorientiert ohne Zukunft. In verschiedenen Gebäuden wurden – ganz klassisch in einem Unternehmen in Gütersloh – inzwischen im Zentrum der Großräume Innenhöfe abgesenkt und Gruppen- und Einzelbüros geschaffen. Homeoffice-Philosophien ziehen sog. Open Space Offices nach sich. Wechselnde Schreibtischbelegung in großen Gruppenräumen mit dem Charakter von Legebatterien. Inzwischen gibt zu dieser „neuen“ Entwicklung erste Feldstudien, die nachweisen, dass in Open Space Offices wegen des hohen Störfaktors die Produktivität der Mitarbeiter um gut 15% abnimmt.
Man kann ja Gebäude so planen, aber man muss sicherstellen, dass sie reversibel sind; also auch andere Nutz- und Belegungsmöglichkeiten bis hin zu Einzelbüros gestatten, ohne das Haus auf den Rohbau „zurückveredeln“ zu müssen.
Kontinuierliche Umorganisation
Noch nie haben sich Unternehmen – große wie kleine – strukturell so schnell, so intensiv und so nachhaltig verändert. Das Schlagwortmanagement zeigt Konsequenzen: „Lean Management“ führte zur Verschlankung der Organisationen. Konsequenz: partiell geringerer Platzbedarf. „Synergetic Management“, das Konzernsynergien nutzen wollte, führte zu Konzentrationen und damit zu partiellem Flächenwachstum, da die Wissensträger an Standorten konzentriert werden sollten. Hinzu kamen Zukäufe von Unternehmen, die fehlendes Konzernwissen ergänzen sollten. Typisches Beispiel war Mercedes. Gründung von Debis und Zukauf von AEG, Dornier, Telenorma uvam. sollten DEN High-Tech-Konzern schaffen. Mit fürchterlichen Blessuren. Inzwischen macht man wieder eigene Rechenzentren (Rück-Sourcing), hat sich von zahlreichen Beteiligungen getrennt und organisiert weiter um.
Auch andere Konzerne haben sich komplett gewandelt. Nehmen wir die Chemische und die Pharmaindustrie. Durch Gründung und Verselbstständigung von Sparten entstanden neue Unternehmen, die an die Börse gingen und mit ihrer früheren Mutter nichts mehr zu tun haben. Entstanden sind komplette Umnutzungen der Standorte in Campuskonzepte. Keine Hauptverwaltung passte mehr in die neuen Konzepte. Nachnutzungen nur mit Kompromissen und großem Aufwand. Es ist ein Unterschied, wenn ein Gebäude zur ausschließlichen Alleinnutzung errichtet wurde und auf einmal 12 Unternehmen als eigenständige Mieter hat. Kaum ein Zutrittskontrollsystem ist im Vorfeld darauf ausgelegt gewesen, denn Planung in Dimensionen der Mandantenfähigkeit gab es nur vereinzelt.
Und genau darum geht es. Sog. mandantenfähige Planung tut Not. Sie stellt sicher, dass ein Objekt oder ein Campus auch in kleinteiligere Nutzungseinheiten umgewidmet werden kann. Dafür muss man Eventualitäten vordenken.
Einiges steht dem in der Praxis entgegen:
Die Entscheidung für eine Neuplanung basiert auf einem Eigenbedarf. „
Wir brauchen eine neue Produktionsstraße für…,
wir brauchen eine neue Hauptverwaltung,
wir brauchen ein neues Rechenzentrum etc. Für das
WIR wird geplant und budgetiert. Eigentlich müsste jede Vorüberlegung eines Projektes gleich die Fragestellung beinhalten „Was machen
wir mit dem Haus, wenn
wir es nicht mehr brauchen oder: wenn wir es nicht mehr so brauchen und wenn wir es in Teilen vermieten wollen, wenn wir ein anderes Wir sind?“
Gefährdung des werterhaltenden Bauens
Ein weiteres großes Problem, welches systematisch-werterhaltendes Planen und Bauen auf Dauer gefährdet, ist die übliche Architekten-Wettbewerbspraxis. Der Bau steht als Kunstwerk im Vordergrund. Das Prinzip „form follows function“ wird zum Lippenbekenntnis mit Lügencharakter. Dem leisten die Wettbewerbsvorgaben der Bauherrn noch Vorschub, indem Flächenprogramme ohne infrastruktur-technische Detailanforderungen vorgegeben werden, und Wettbewerbsentwürfe von Architekten daher oft ohne – oder nur mit marginaler – haustechnischer Konzeption erarbeitet werden. Bei großen Projekten hat sich – das muss der Autor zugeben – dies etwas geändert unter dem Druck der Energieeffizient-Forderung....