1. Einleitung
Mofas und geschwindigkeitsbeschränkte KKR erfreuen sich in der heutigen Gesellschaft großer Beliebtheit und stellen insbesondere mit Blick auf die Urbanisierung städtischer Ballungsräume ein probates Mittel zur Überwindung kleinerer Distanzen dar.
Grund für den regen Zuspruch solcher Kfz sind sicherlich die niedrigen Betriebs- und Instandhaltungskosten sowie die zahlreichen Begünstigungen mit Blick auf das Fahrerlaubnis- und Zulassungsrecht. Hierdurch wird jedoch nicht nur der erfahrene Verkehrsteilnehmer in die Zielgruppe möglicher Fahrzeugführer eingeschlossen, sondern auch vor allem jüngere Personen, die neben den fehlenden finanziellen Möglichkeiten auch nicht über das Mindestalter zum Erwerb einer Fahrerlaubnis verfügen. Der Umstand von der Befreiung zur Fahrerlaubnispflicht lässt allerdings erkennen, dass es sich hierbei in aller Regel um keine geübten Verkehrsteilnehmer handelt, sondern vielmehr um Personen, die ihren ersten Kontakt mit dem motorisierten Straßenverkehr ausüben.
Aufgrund dieser mangelnden Fahrpraxis hat der bundesdeutsche Gesetzgeber die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Mofa und geschwindigkeitsbeschränkten KKR eng gestrickt. Trotz der eindeutigen rechtlichen Vorgaben kommt es nicht selten vor, dass Mofas bzw. KKR mit einer bbH von nicht mehr als 25 km/h zur Erzielung höherer Geschwindigkeiten in ihrer technischen Beschaffenheit manipuliert werden und in der Folge erhebliche Gefahren für den Fahrzeugführer und weitere Verkehrsteilnehmer zu erwarten sind.
Die inhaltlichen Bestimmungen der vorliegenden Lektüre konzentrieren sich schwerpunktmäßig auf verkehrsrechtliche Bestimmungen, die für eine umfangreiche Begutachtung einspuriger und fahrerlaubnisfreier Kfz (Mofas, Leichtmofas, E-Bikes und geschwindigkeitsbeschränkte KKR) erforderlich sind.
2. Europarecht
Der europäische Gesetzgeber erkannte bereits frühzeitig den zunehmenden technologischen Fortschritt in der industriellen Fertigung von zweirädrigen Kfz und die damit einhergehende Notwendigkeit einer grenzüberschreitenden gemeinsamen Verkehrspolitik. Zur Verwirklichung dieser Zielsetzungen bedient sich der europäische Gesetzgeber in regelmäßiger Eigenschaft seiner Möglichkeit zum Erlass von Verordnungen (inkl. Durchführungsverordnungen), Richtlinien (inkl. Durchführungsrichtlinien) und sogenannten Rahmenbeschlüssen. Hierbei ist zu beachten, dass Verordnungen auf europäischer Ebene nach Art. 288 UA 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten und somit keiner Umsetzung in nationales Recht bedürfen.1 Eine Richtlinie ist hingegen für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel (Art. 288 UA 3 AEUV). Beschlüsse sind in allen ihren Teilen verbindlich, entfalten jedoch nur Wirksamkeit für die jeweiligen Adressaten (Art. 288 UA 4 AEUV).
2.1 Fahrerlaubnisrecht
Zu Beginn der Harmonisierung des europäischen Fahrerlaubnisrechts wurden KKR mit einem Hubraum von weniger als 50 cm3 und einer bbH von nicht mehr als 45 km/h nach Maßgabe der Definition zum Kraftrad im Sinne der Richtlinien 80/1263/EWG2 und 91/439/EWG3 von der einheitlichen Gestaltung gemeinsamer Fahrerlaubnisklassen ausgeschlossen. In Anbetracht der obigen Begriffsdefinition unterlagen KKR – und somit einhergehende Mofas und geschwindigkeitsbeschränkte KKR – weiterhin der nationalen Gesetzgebung über die Einteilung und Festlegung etwaiger Fahrberechtigungen.
Erst mit Ausarbeitung und Entstehung der 3. EG-Führerscheinrichtlinie (2006/126/EG4) erkannte der europäische Gesetzgeber die Notwendigkeit einer harmonisierten Fahrerlaubnisklasse für KKR, die den Anforderungen der Richtlinien 92/61/EWG bzw. 2002/24/EG gerecht wurde. Zur Verwirklichung dieser Vorgaben wurde eine eigenständige Fahrerlaubnisklasse AM geschaffen, die mitunter zweirädrige Kfz mit einer bbH von bis zu 45 km/h und einem Hubraum von nicht mehr als 50 cm3 erfasst. Betrachtet man nun die europäische Begriffsdefinition zum KKR, so wird schnell ersichtlich, dass Mofas sowie geschwindigkeitsbeschränkte KKR aufgrund ihrer technischen Beschaffenheit als Unterarten dieser Fahrzeugklasse zu verstehen sind. Entgegen dieser Bestimmungen und zur Wahrung gewisser Besitzstände auf nationaler Ebene hat der europäische Gesetzgeber jedoch nach Art. 4 Nr. 2 (Richtlinie 2006/126/EG) Kfz mit einer bbH von nicht mehr als 25 km/h von der Fahrerlaubnispflicht für KKR ausgenommen. Demnach blieben Mofas und geschwindigkeitsbeschränkte KKR auch nach Umsetzung der Richtlinie 2006/126/EG zum 19.01.20135 in nationales Recht (FeV) weiterhin fahrerlaubnisfrei.
2.2 Typgenehmigungsrecht
Im Rahmen einer innereuropäischen Betrachtung etwaiger Bau- und Betriebsvorschriften von zweirädrigen KKR erkannte der europäische Gesetzgeber noch vor Harmonisierung des Fahrerlaubnisrechts, dass die einschlägigen Bestimmungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten erhebliche Diskrepanzen aufwiesen und somit zu unnötigen aber erheblichen Hemmnissen im innereuropäischen Binnenmarkt führten.
Aus diesen Gründen wurde mit Inkrafttreten der Richtlinie 70/156/EWG6 ein gemeinschaftliches Typgenehmigungsverfahren ins Leben gerufen, das die Produktion von Kfz innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft einheitlich und überprüfbar regelt. Hiernach konnte nun ein Mitgliedstaat einem Fahrzeughersteller unter Wahrung europäischer Vorgaben über die technische Beschaffenheit des betroffenen Fahr zeugs eine Betriebserlaubnis für einen Fahrzeugtyp oder die Bauartgenehmigung für Bauteile erteilen, die sogleich auch einen Anspruch auf Zulassung in jedem Mitgliedstaat der Gemeinschaft erhob.
Aufgrund einer Vielzahl von speziellen und auch abweichenden Bestimmungen zu vierrädrigen Kfz wurde das Typgenehmigungsverfahren für Krafträder mit Inkrafttreten der Richtlinie 92/61/EWG7 aus der vorgenannten Richtlinie ausgegliedert. In diesem Zusammenhang musste der europäische Gesetzgeber jedoch erkennen, dass es aufgrund zahlreicher Begriffsdefinitionen zum KKR in den Mitgliedstaaten zu Unklarheiten im Typgenehmigungsverfahren gekommen ist und daher eine einheitliche Festlegung etwaiger Tatbestandsmerkmale unumgänglich erschien. Zur Behebung dieser Problematik wurde nach Art. 1 II der Richtlinie 92/61/EWG erstmals der Begriff des Kleinkraftrades einheitlich für den Europäischen Wirtschaftsraum gefasst und auf das Typgenehmigungsverfahren angewandt.
Bedingt durch zahlreiche technische Neuerungen in der Produktion von zweirädrigen Kfz und zur Wahrung eines barrierefreien Binnenmarktes wurde die Richtlinie 92/61/EWG mit Umsetzung der Richtlinie 97/24/EG8 durch weitere Bau- und Betriebsvorschriften (z. B. Reifen, Beleuchtung, Rückspiegel, Geräuschpegel) ergänzt. Darüber hinaus hat man in dieser Richtlinie erstmals ausgewählte ECE-Regelungen mit den im Anhang der Richtlinie 97/24/EG genannten Bestimmungen gleichgesetzt, um den Zugang der Produktion von zweirädrigen Kfz zu Drittländern erleichtern zu können.
Das bestehende Typgenehmigungsverfahren für zweirädrige Kfz der Europäischen Gemeinschaft (basierend auf den Richtlinien 92/61/EWG und 97/24/EG) wurde im Jahre 2002 aufgrund zahlreicher Neuerungen in den Verwaltungsvorschriften und zur Gewährleistung einer gewissen Übersichtlichkeit neu strukturiert. Aus diesen Gründen, und zur Abgrenzung zu den Richtlinien 2007/46/EG (vierrädrige Kfz) und 2003/37/EG (land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen), hat die Europäische Gemeinschaft zum 18.03.2002 die Richtlinie 2002/24/EG9 erlassen, die sogleich auch zur Aufhebung der Richtlinie 92/61/ EWG führte. Im Rahmen der Neustrukturierung des Typgenehmigungsverfahrens erfolgte hier auch erstmalig eine Klassifizierung von zwei- und dreirädrigen Kfz mit Hilfe einer Buchstaben-Ziffern-Kombination (z. B. Klasse L1e). Darüber hinaus erkannte man die steigende Bedeutung von Fahrrädern mit elektromotorischem Hilfsantrieb im Straßenverkehr und gliederte sogenannte Fahrräder mit Trethilfe („Pedelecs“) vom Typgenehmigungsverfahren aus. Die europäischen Vorgaben aus der Richtlinie 2002/24/EG wurden in Deutschland mit Inkrafttreten der Verordnung zur Neuordnung des Rechts der Erteilung von EG-Genehmigungen für Kfz und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-FGV)10 in nationales Recht umgesetzt.
Letztendlich wurden die Vorgaben zum Typgenehmigungsverfahren in der EU mit Bekanntgabe der Verordnung (EU) Nr. 168/201311 neu strukturiert und erfuhren mit Inkrafttreten zum 01.01.2016 ihre vollständige Umsetzung. Zeitgleich wurden die vorgenannten Richtlinien zum Typgenehmigungsverfahren von zweirädrigen Kfz (z. B. 2002/24/EG, 97/24/EG, 95/1/EG) vollständig von den einschlägigen Ausführungen in der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 ersetzt.
3. Fahrerlaubnisrecht
3.1 Mofas und Kleinkrafträder bis 25 km/h
3.1.1 Fahrrad mit Hilfsmotor (Mofa)
Bei dem Fahrzeugbegriff „Mofa“ handelt es sich um eine nationale Besonderheit in der Bundesrepublik Deutschland, die im europäischen Fahrerlaubnisrecht keine gesonderte Berücksichtigung findet. Hiernach werden Mofas zwar aufgrund ihrer bbH nach Maßgabe der europäischen Richtlinie 2006/126/EG (Art. 4 Nr. 2) von der Fahrerlaubnispflicht ausgenommen, allerdings findet sich in diesen Bestimmungen keine eigenständige Begriffsdefinition wieder.
Der bundesdeutsche Gesetzgeber hingegen hat solche Fahrzeuge bereits mit Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der StVZO vom 23.04.1965 von der Fahrerlaubnispflicht ausgenommen und in seiner jetzigen Ausgestaltung nach § 4 I S. 2 Nr. 1 FeV mit folgenden Tatbestandsmerkmalen versehen:
Einspurige Fahrräder mit Hilfsmotor – auch ohne Tretkurbeln –, wenn ihre Bauart Gewähr dafür bietet, dass die Höchstgeschwindigkeit auf ebener Bahn nicht mehr als 25 km/h beträgt (Mofas); besondere Sitze für die Mitnahme von Kindern unter sieben Jahren dürfen jedoch angebracht sein.
Das Tatbestandsmerkmal der Einsitzigkeit wurde mit Inkrafttreten der 11. VO zur Änderung der FeV am 28.12.201612 aus der Legaldefinition zum Mofa gestrichen und bildet nunmehr kein fahrerlaubnisrechtliches Klassifizierungsmerkmal. Hintergrund dieser Verfahrensweise ist, dass das europäische Typgenehmigungsrecht keine „Einsitzigkeit“ für KKR in der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 vorsieht und hierdurch ein nicht vertretbarer Wertungswiderspruch zwischen den in § 4 I S. 2 Nr. 1b FeV genannten Kfz mit EG-Typgenehmigung (siehe Punkt 3.1.3) und den auf nationaler Ebene typgenehmigten Mofas hervorgerufen wurde. Folglich ist nun auch die nichtamtliche Kommentierung zur Beschaffenheit von Sitzen in „§ 35a StVZO alt“ zu vernachlässigen, wonach die Sitzbanklänge eines Mofas auf 450 mm beschränkt wurde.13
Unter Berücksichtigung der nun vorliegenden Tatbestandsmerkmale könnte der in der Le...