1. Die Anspruchsberechtigten
Zunächst ist zu prüfen, wer überhaupt Zugang zu Leistungen nach dem SGB II erhält. Wie andere Sozialleistungen auch, ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende an bestimmte persönliche Voraussetzungen geknüpft.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 11 erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der erwerbsfähige Leistungsberechtigte und nach § 7 Abs. 2 Satz 1 die Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben.
Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nimmt damit im System der Anspruchsberechtigung eine zentrale Rolle ein. Einen direkten Zugang zu den Leistungen der Grundsicherung hat nur derjenige, der selbst in seiner Person alle Voraussetzungen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erfüllt. Personen, auf die das nicht zutrifft, müssen zumindest einer Bedarfsgemeinschaft einer solchen Person zuzuordnen sein, damit sie die Leistungen beanspruchen können. Dies bedeutet, dass ohne den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beansprucht werden können.
Seine Voraussetzungen sind in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 legal definiert. Leistungen erhalten danach Personen, die
nach Nr. 1 das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
nach Nr. 2 erwerbsfähig sind,
nach Nr. 3 hilfebedürftig sind und
nach Nr. 4 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.
1.1. Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte
1.1.1. Die Altersgrenze
Erwerbsfähiger Leistungsberechtigter kann nur sein, wer nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 das 15. Lebensjahr bereits vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht hat.
Die Altersgrenze von 15 Jahren findet sich zum einen in § 36 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), welcher die sozialrechtliche Handlungsfähigkeit regelt. Danach können erst mit Vollendung dieses Lebensalters wirksam Anträge auf Sozialleistungen gestellt und auch entgegengenommen werden. Das SGB I legt damit die grundsätzliche Anspruchsberechtigung für alle Sozialgesetzbücher und damit auch für das SGB II fest.2
Zum anderen findet sich die Altersgrenze im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG). Nach § 5 Abs. 1 JArbSchG ist die Beschäftigung von Kindern verboten. Gemäß § 2 JArbSchG ist Kind, wer noch nicht 15 Jahre alt ist. Kinder dürfen lediglich in Ausnahmefällen und unter einer Reihe von zeitlichen und qualitativen Einschränkungen beschäftigt werden, mithin nicht zu den Bedingungen des „allgemeinen“ Arbeitsmarktes.3 Erst ab dem 15. Lebensjahr ist es mithin rechtlich erlaubt, seinen Lebensunterhalt durch die kontinuierliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu sichern. Da es sich beim Zweiten Buch Sozialgesetzbuch um die Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt, ergibt sich folglich dieses Mindestalter des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.
Auf der anderen Seite ist das Höchstalter des § 7a nicht zu überschreiten. In tabellarischer Form, dem § 235 SGB VI entnommen, kann nach dem Geburtsjahr des Antragstellers das Höchstalter abgelesen werden. Hintergrund ist das Erreichen eines bestimmten Alters, nämlich des Regelrenteneintrittsalters als wesentliche Voraussetzung für den Bezug der Altersrente nach dem SGB VI. Aufgrund der demografischen Entwicklung wurde dieses stufenweise – abhängig von dem Geburtsjahr – angehoben. Begonnen mit dem Geburtsjahr 1947, für das eine Anhebung des Regelrenteneintrittsalters von 65 Jahren um einen Monat vorgesehen ist, bis hin zum Geburtsjahr 1964, ab dem mit 67 Jahren eine Altersrente regulär beansprucht werden kann.
Wenn also mit dem Erreichen des Regelrenteneintrittsalters einer Rente wegen Alters nach dem SGB VI nichts mehr im Wege steht, liegt für den Betroffenen darin eine anderweitige Absicherung des Lebensunterhalts vor, so dass es der Grundsicherung für Arbeitsuchende daneben nicht bedarf. Aber auch wenn ein Anspruch auf Altersrente nicht gegeben ist oder er der Höhe nach nicht ausreicht, erfolgt kein Rückgriff auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, sondern ersatzweise oder ergänzend auf die Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Altersgrenze nach § 7a bzw. § 235 SGB VI kommt dabei nicht wie § 5 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 JArbSchG einem Beschäftigungsverbot gleich. Dem Nachgehen einer Erwerbstätigkeit nach Erreichen des Regelrenteneintrittsalters steht jedem frei. Nur das Risiko, dass der erwirtschafte Verdienst nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht, wird nicht durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II getragen.
1.1.2. Erwerbsfähigkeit
Die Erwerbsfähigkeit als zweite Voraussetzung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist in § 8 Abs. 1 definiert. Erwerbsfähig ist danach, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Hauptkriterium ist mithin die zeitliche Komponente von drei Stunden. Können täglich drei Stunden Arbeitsleistung erbracht werden, gilt die Person als erwerbsfähig. Der Rechtskreis des SGB II ist einschlägig. Können die drei Stunden täglich nicht geleistet werden, fehlt es an der Erwerbsfähigkeit und damit an einer wesentlichen Voraussetzung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Ob eine Leistungsfähigkeit in dem erforderlichen Umfang vorhanden ist, entscheidet sich anhand der weiteren Kriterien der Erwerbsfähigkeit.
Zunächst muss der Hinderungsgrund für eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden in einer Krankheit oder Behinderung liegen. Als Krankheit bezeichnet man jeden regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand, der geeignet ist, die Leistungsfähigkeit herabzusetzen.
Ähnlich definiert sich die Behinderung. Diese liegt nach § 2 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei einer körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigung vor, welche länger als sechs Monate andauert und von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt.
Entscheidend ist ein physisches oder psychisches Unvermögen. Der Hinderungsgrund muss auf einer körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigung beruhen. Andere Hinderungsgründe, wie etwa die Betreuung eines Kindes oder die Pflege eines Angehörigen sind nicht geeignet die Erwerbsfähigkeit zu verneinen. Subjektiv empfinden die Betroffenen es natürlich als unmöglich, zusätzlich noch einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Da diese jedoch objektiv festgestellt wird und die Betreuung oder Pflege nicht zu einer physischen oder psychischen Beeinträchtigung des Betreuenden oder Pflegenden führt, ist die Erwerbsfähigkeit bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen vorhanden. In diesen Fällen geht es vielmehr um die Frage der Zumutbarkeit einer Arbeit im Sinne des § 10. So mag die Betreuung eines Kindes unter 3 Jahren die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 unzumutbar machen, das hat im Regelfall jedoch keine Auswirkungen auf den Umfang der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit.
Der Begriff der Erwerbsfähigkeit umfasst bereits nach dem allgemeinen Verständnis in Abgrenzung zur herkömmlichen Arbeitsunfähigkeit nur Beeinträchtigungen von gewisser Schwere. Angelehnt an den zu § 43 SGB VI entwickelten Begriff der Erwerbsunfähigkeit, kommt diese nur in Betracht, wenn innerhalb eines Prognosezeitraumes von sechs Monaten nicht mit einer Genesung zu rechnen ist. Die Definition der Behinderung enthält bereits in § 2 Abs. 1 SGB IV den Zeitraum von einem halben Jahr als Beurteilungsgrundlage.
Das Ausüben einer Erwerbstätigkeit in einem Umfang von drei Stunden täglich muss zudem unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes möglich sein. Unter den üblichen Bedingungen ist das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, das heißt unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt.4 Hierzu g...