Der Tunnel
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Der Tunnel

  1. 160 Seiten
  2. German
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Über dieses Buch

Der gefeierte Maler Juan Pablo Castel ist ein Mörder. Im Gefängnis legt er schonungslos dar, wie ihm seine Leidenschaft für die mit einem Blinden verheiratete María zum Verhängnis wurde."Der Tunnel" ist "der" existentialistische Roman nicht nur der argentinischen, sondern der gesamten lateinamerikanischen Literatur – Vergleiche mit den großen Werken eines Jean-Paul Sartre, Albert Camus oder auch Max Frisch sind durchaus angebracht.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783803142191

IX

Am nächsten Tag stand ich bereits frühmorgens am Eingang der Compañía T. Die Angestellten gingen alle hinein, aber sie erschien nicht. Es war also klar, dass sie nicht hier arbeitete, obwohl die schwache Hoffnung blieb, dass sie krank geworden war und mehrere Tage lang nicht ins Büro ging.
Außerdem blieb die Möglichkeit, dass sie etwas zu erledigen hatte, sodass ich mich entschloss, den ganzen Morgen lang im Café an der Ecke zu warten.
Ich hatte schon jede Hoffnung aufgegeben (es war so gegen halb zwölf), als ich sie aus dem Eingang zur Untergrundbahn kommen sah. Furchtbar erregt, sprang ich mit einem Satz auf und ging ihr entgegen. Als sie mich sah, blieb sie stehen, als ob sie plötzlich versteinert wäre. Offensichtlich hatte sie mit einer solchen Erscheinung nicht gerechnet. Es war merkwürdig, aber zu wissen, dass mein Verstand mit eiserner Härte gearbeitet hatte, flößte mir ungewohnte Energie ein. Ich fühlte mich stark, ich war von männlicher Entschlossenheit erfüllt und zu allem fähig. Das ging so weit, dass ich sie fast brutal am Arm packte und wortlos mit mir durch die Calle San Martín in Richtung Plaza zerrte. Sie schien willenlos zu sein und sagte kein einziges Wort.
Als wir etwa zwei Straßen weit gegangen waren, fragte sie:
»Wohin bringen Sie mich?«
»Zur Plaza San Martín. Ich muss viel mit Ihnen besprechen«, entgegnete ich, während ich entschlossen weiterging und sie am Arm mitzog.
Sie murmelte etwas bezüglich der Büros der Compañía T., aber ich schleppte sie weiter mit mir und hörte überhaupt nichts von dem, was sie zu mir sagte. Ich fügte nur hinzu:
»Ich muss viele Dinge mit Ihnen besprechen.«
Sie leistete keinen Widerstand. Ich kam mir vor wie ein angeschwollener Fluss, der einen Zweig mit sich reißt. Wir kamen zu dem Platz, und ich suchte nach einer abgelegenen Bank.
»Warum sind Sie davongelaufen?«, war das Erste, was ich sie fragte. Sie sah mich mit jenem Ausdruck an, den ich schon am Tag zuvor bemerkt hatte, als sie zu mir sagte »Ich denke ständig daran«. Es war ein seltsamer Blick, fest, durchdringend, er schien von weit hinten zu kommen. Dieser Blick erinnerte mich an etwas, an ähnliche Augen, aber ich konnte mich nicht entsinnen, wo ich sie gesehen hatte.
»Ich weiß nicht«, antwortete sie endlich. »Auch jetzt wollte ich wieder davonlaufen.«
Ich drückte ihren Arm.
»Versprechen Sie mir, dass Sie nie wieder weglaufen werden. Ich brauche Sie, ich brauche Sie sehr«, sagte ich zu ihr.
Sie sah mich wieder an, als ob sie mich erforschte, sagte aber nichts dazu. Dann richtete sie ihren Blick auf einen entfernt stehenden Baum.
Im Profil erinnerte sie mich an nichts. Ihr Gesicht war schön, hatte aber etwas Hartes. Das Haar war lang und kastanienbraun. Körperlich wirkte sie nicht viel älter als sechsundzwanzig, aber es war etwas an ihr, das ein gewisses Alter suggerierte, etwas, das einem Menschen eigen ist, der viel erlebt hat. Keine weißen Haare oder irgendeines jener rein materiellen Anzeichen, sondern etwas Unbestimmtes, sicherlich geistiger Art. Vielleicht der Blick, aber inwieweit kann man behaupten, dass der Blick eines menschlichen Wesens etwas Körperliches ist? Vielleicht die Art, wie sie die Lippen zusammenpresste. Obwohl der Mund und die Lippen körperliche Faktoren sind, sind die Art, wie man sie zusammenpresst, und gewisse Falten auch geistige Elemente. In jenem Augenblick konnte ich nicht genau sagen, und auch jetzt könnte ich es nicht, was es schließlich war, das diesen Eindruck eines gewissen Alters hervorrief. Ich denke, dass es auch die Art gewesen sein könnte, wie sie sprach.
»Ich brauche Sie sehr«, wiederholte ich.
Sie antwortete nicht. Sie sah weiterhin den Baum an.
»Warum sagen Sie nichts?«, fragte ich sie.
Ohne ihren Blick von dem Baum abzuwenden, entgegnete sie:
»Ich bin niemand. Sie sind ein großer Künstler. Ich sehe nicht, wozu Sie mich brauchen könnten.«
Ich schrie sie grob an:
»Ich sage Ihnen, dass ich Sie brauche! Verstehen Sie mich?«
Immer noch auf den Baum blickend, flüsterte sie:
»Wozu?«
Ich antwortete nicht gleich. Ich ließ ihren Arm los und wurde nachdenklich. Tatsächlich, wozu? Bis zu diesem Moment hatte ich mir die Frage nicht klar gestellt, hatte vielmehr einer Art Instinkt gehorcht. Mit einem Stöckchen begann ich, geometrische Figuren auf die Erde zu zeichnen.
»Ich weiß nicht«, murmelte ich nach einer ganzen Weile. »Noch weiß ich es nicht.«
Ich dachte angestrengt nach und ließ mit meinem Stöckchen immer kompliziertere Zeichnungen entstehen.
»Mein Kopf ist ein dunkles Labyrinth. Manchmal werden ein paar Gänge von einer Art Blitz erhellt. Nie weiß ich ganz genau, weshalb ich gewisse Dinge tue. Nein, das ist es nicht …«
Ich kam mir recht dumm vor. Keinesfalls war dies meine Art. Ich strengte mich sehr an und überlegte: Dachte ich etwa nicht vernünftig nach? Im Gegenteil, mein Gehirn arbeitete ständig, wie eine Rechenmaschine. Hatte ich beispielsweise gerade in dieser Geschichte nicht Monate damit zugebracht, nachzudenken, Hypothesen aufzustellen und abzuwägen und sie zu sortieren? Und hatte ich María schließlich nicht gewissermaßen dank meiner logischen Fähigkeiten gefunden? Ich fühlte, dass ich der Wahrheit nahe war, sehr nahe, und hatte Angst, sie wieder zu verlieren; ich hatte eine ungeheure Anstrengung unternommen.
Ich schrie:
»Es ist nicht so, dass ich nicht vernünftig nachdenken könnte! Im Gegenteil, ich denke immer nach. Stellen Sie sich einen Kapitän vor, der jeden Augenblick seine Position mathematisch bestimmen muss und seine Route, die zum Ziel führt, mit unerbittlicher Strenge verfolgt. Aber der nicht weiß, warum er dieses Ziel verfolgt, verstehen Sie?«
Sie sah mich eine Sekunde bestürzt an, dann blickte sie wieder auf den Baum.
»Ich spüre, dass Sie etwas Wesentliches für das sein werden, was ich tun muss, wenngleich ich den Grund dafür noch nicht kenne.«
Ich zeichnete wieder mit dem Stöckchen und dachte weiter angestrengt nach. Nach einer Weile fügte ich hinzu:
»Fürs Erste weiß ich nur, dass es etwas mit der Fensterszene zu tun hat. Sie sind der einzige Mensch gewesen, der ihr Bedeutung beigemessen hat.«
»Ich bin kein Kunstkritiker«, murmelte sie.
Ich wurde wütend und schrie:
»Erzählen Sie mir nichts von diesen Schwachköpfen!«
Sie drehte sich erstaunt zu mir um. Daraufhin senkte ich die Stimme und erklärte ihr, weshalb ich nicht an die Kunstkritiker glaubte. Redete über die Theorie vom Skalpell und alledem. Sie hörte mir weiter zu, ohne mich dabei anzusehen, und als ich fertig war, meinte sie:
»Sie beklagen sich, aber die Kritiker haben Sie immer gelobt.«
Ich geriet in Empörung.
»Umso schlimmer für mich! Verstehen Sie das denn nicht? Das ist ja eines der Dinge, die mich so verbittern und auf den Gedanken gebracht haben, dass ich keinen guten Weg eingeschlagen habe. Sehen Sie zum Beispiel, was in dieser Ausstellung passiert ist. Nicht ein Einziger dieser Scharlatane hat die Bedeutung jener Szene erkannt. Es gab nur einen einzigen Menschen, der ihr Bedeutung beigemessen hat: Sie. Und Sie sind kein Kritiker. Nein, es gibt eigentlich noch einen anderen Menschen, der ihr Bedeutung beigemessen hat, aber eine negative. Er hat mir die Szene zum Vorwurf gemacht, er begegnet ihr mit Abscheu, ja fast mit Ekel. Sie dagegen …«
Unablässig blickte sie geradeaus und sagte langsam:
»Und könnte es nicht sein, dass ich die gleiche Meinung habe?«
»Was für eine Meinung?«
»Die jenes Menschen.«
Ich sah sie eindringlich an. Aber im Profil war ihr Gesicht mit dem zusammengepressten Kiefer unergründlich. Ich antwortete mit Bestimmtheit:
»Sie denken wie ich.«
»Und was denken Sie?«
»Ich weiß nicht, auch auf diese Frage könnte ich nicht antworten. Vielmehr könnte ich Ihnen sagen, dass Sie so fühlen wie ich. Sie betrachteten jene Szene, wie ich sie auch betrachtet hätte. Ich weiß nicht, was Sie denken, und ich weiß auch nicht, was ich denke, aber ich weiß, dass Sie wie ich denken.«
»Aber dann durchdenken Sie Ihre Bilder nicht?«
»Früher habe ich sie sehr durchdacht, habe sie aufgebaut, wie man ein Haus aufbaut. Aber diese Szene nicht. Ich fühlte, dass ich sie so malen musste, ohne genau zu wissen, warum. Und ich weiß es immer noch nicht. Es ist tatsächlich so, dass die Szene nichts mit dem Rest des Bildes zu tun hat, und ich glaube sogar, dass mich einer dieser Schwachköpfe darauf aufmerksam gemacht hat. Ich tappe im Dunkeln und brauche Ihre Hilfe,...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. I
  4. II
  5. III
  6. IV
  7. V
  8. VI
  9. VII
  10. VIII
  11. IX
  12. X
  13. XI
  14. XII
  15. XIII
  16. XIV
  17. XV
  18. XVI
  19. XVII
  20. XVIII
  21. XIX
  22. XX
  23. XXI
  24. XXII
  25. XXIII
  26. XXIV
  27. XXV
  28. XXVI
  29. XXVII
  30. XXVIII
  31. XXIX
  32. XXX
  33. XXXI
  34. XXXII
  35. XXXIII
  36. XXXIV
  37. XXXV
  38. XXXVI
  39. XXXVII
  40. XXXVIII
  41. XXXIX
  42. Über den Autor
  43. Lesen Sie weiter!