UNSAGBARKEIT (BRAUN/MUELLER) TA 59
eBook - ePub

UNSAGBARKEIT (BRAUN/MUELLER) TA 59

  1. 192 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub
Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Im Kern jeder intimen Begegnung, das können wir unzähligen Texten der Weltliteratur entnehmen, findet sich ein Moment des Nichtsagbaren, der die Sprache transzendierenden Liebe. Was dieses Unsagbare aber ist, und wie es eben doch gesagt werden kann, sei es als Topos, als Umschreibung, Metapher oder Auslassung, ist historisch variabel und kulturell spezifisch. Der Band versammelt Aufsätze, die diese spezifischen Unsagbarkeiten in beispielhaften Studien vom 12.-17. Jahrhundert herausarbeiten. Als theoretische Basis dient einerseits das Transformationskonzept des SFB644, andererseits die Arbeiten zur Intimität und Liebe Niklas Luhmanns, deren mögliche Historisierung und Applikabilität für mittelalterliche Literatur Gegenstand des Teilprojekts B16 war.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu UNSAGBARKEIT (BRAUN/MUELLER) TA 59 von Lea Braun, Felix Florian Müller, Lea Braun, Felix Florian Müller im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Literature & Ancient & Classical Literary Criticism. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2019
ISBN
9783110627015

Von der Unverfügbarkeit passionierter Liebe. Dido in der mittelalterlichen Lyrik

Johanna Langer
Christoph Schanze

1 Dido zwischen Mythos und Literarisierung

Die Liebesbeziehung zwischen Dido und Aeneas ist eine der großen love stories der Literatur- und Kulturgeschichte. Sie ist aber kein Bestandteil des ursprünglichen Dido-Mythos, der in seinen frühesten schriftliterarischen Fassungen im vierten vorchristlichen Jahrhundert in der griechischen Historiographie begegnet.1 Der Mythos berichtet davon, dass die phönizische Königstochter Elissa vor ihrem Bruder Pygmalion fliehen muss, der aus Macht- und Geldgier ihren Gatten Sychaeus tötete. Sie findet Zuflucht in Libyen und gründet mittels einer List Karthago.2 Dort erhält sie aufgrund ihrer langen Irrfahrt ihren ›römischen‹ Namen Dido.3 Nachdem sich Karthago zu einem mächtigen Stadtstaat entwickelt hat, will der einheimische Fürst Iarbas Dido heiraten. Ihr Volk versucht, sie gegen ihren Willen und gegen den Schwur, ihrem toten Ehemann treu zu bleiben, zu dieser Ehe zu zwingen. Um dem aus ihrer Weigerung resultierenden machtpolitischen und moralischen Dilemma zu entgehen, errichtet Dido schließlich einen Scheiterhaufen und stürzt sich in die Flammen.
Wichtig für die Verbindung des Dido-Mythos mit der Geschichte des landlosen Trojaflüchtlings Aeneas, der an der libyschen Küste strandet und bei Dido Unterschlupf und die Aussicht auf eine neue Heimstatt findet, ist Vergils Aeneis (entstanden zwischen 29 und 19 v. Chr.). Vergil hat diese Verbindung aber nicht frei erfunden, denn bereits Gnaeus Naevius (ca. 269 – 195 v. Chr.) erzählt in seinem Epos über den ersten Punischen Krieg davon; auch die Annales des Quintus Ennius (ca. 239 – 169 v. Chr.) enthalten, wohl beeinflusst von Naevius, die Kombination des Dido-Mythos mit dem Bericht von der Flucht des Aeneas aus Troja.4
Vergils Darstellung der Liebesbeziehung zwischen Dido und Aeneas ist ein Paradebeispiel für eine von Intimität geprägte, leidenschaftliche (›passionierte‹) Liebe mit tragischem Ausgang – zumindest für Dido, die am Ende der Episode alles verloren hat: ihren Geliebten Aeneas, ihre politische Macht, ihre vorherige Existenz als selbstbestimmte weibliche Herrscherin und zuletzt ihr Leben. Didos Grundproblem ist in der Aeneis im Vergleich zur Mythos-Fassung der Geschichte drastisch verschärft: Nach dem Tod ihres Gatten Sychaeus und ihrer Flucht hatte sie geschworen, nie mehr einem Mann ihre Liebe zu schenken, und mit diesem Schwur hatte sie die Ablehnung aller Avancen der libyschen Fürsten begründet. In Vergils Ausgestaltung des Dido-Mythos hat sie dagegen erst durch ihre Liebesbeziehung mit Aeneas, durch die sie selbst ihren Schwur gebrochen hat, ihre Situation untragbar gemacht. Ihr Selbstmord ist hier nicht mehr lediglich ein Opfer für ihre Stadt Karthago und ihr Volk, er ist in erster Linie der tragische Liebestod einer verlassenen, unglücklichen und verzweifelnden Frau.
Der narrativ verhandelte Kern des Dido-Mythos besteht also im Versuch der Ausbalancierung von Didos Doppelrolle als Herrscherin und liebender Frau, der aber von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. In Vergils Version des Stoffes ist dieses Problem durch die Konzentration auf die Dido-Aeneas-Episode deutlich gesteigert und zudem um die Problematik der (Un‐)Verfügbarkeit passioniert-erfüllter Liebe ergänzt. Als weiterer Aspekt tritt bei Vergil nämlich die Frage hinzu, wie von der Liebe zwischen Dido und Aeneas erzählt werden kann, deren Höhepunkt die körperliche Vereinigung während eines von einem Gewitter unterbrochenen Jagdausflugs ist und deren Ende mit Didos als furor ausgewiesener Liebeskrankheit und ihrem daraus resultierenden Selbstmord ähnlich stark wie die Darstellung des Liebesvollzugs während der Jagd auf Fragen der Körperlichkeit ausgerichtet ist. Bei Vergil wird zwar von Didos verführerischer Schönheit berichtet – und das durchaus in erotisierter Weise (z. B. Aeneis I,494 – 506).5 Die passionierte, körperlich erfüllte Liebe an sich ist aber als unsagbar markiert: Die Liebesvereinigung in einer Höhle wird nicht auserzählt, sondern nur angedeutet (Aeneis IV,165 – 172), wodurch die Unsagbarkeit des Ereignisses gerade betont wird.
Damit ist ein Darstellungsmuster etabliert, das die Rezeption entscheidend beeinflusst hat. Das zeigt sich etwa in den beiden mittelalterlichen volkssprachigen Bearbeitungen der Aeneis, wenn der anonyme altfranzösische Roman d’Eneas (entstanden nach 1160) ebenfalls darauf verzichtet, das Beilager von Dido und Eneas zu schildern,6 und wenn Heinrich von Veldeke in seinem mittelhochdeutschen Eneas (entstanden zwischen 1170 und 1188) davon ausgehend die Liebesvereinigung mit Jagdmetaphorik verschleiert – zwar leicht zu decodieren, aber dennoch ebenfalls nicht ›explizit‹.7 Es geht aber auch hier – bei Vergil wie bei seinen mittelalterlichen Bearbeitern – nicht nur um die Liebe und das Reden über die Liebe, sondern ebenso sehr um das Verhältnis von herrscherlicher Verantwortung (›Politik‹) und persönlichem Glück (›Selbstverwirklichung‹) bzw. um die beiden als unvereinbar gekennzeichneten Seiten der Dido-Figur: Dido als Herrscherin und Dido als liebende Frau.8
Die Spannung zwischen diesen beiden Polen ist zentral für die antiken und vor allem die nachantiken Bearbeitungen des äußerst fruchtbaren Dido-Mythos (die annotierte Bibliographie von Thomas Kailuweit9 verzeichnet auf weit über 400 Seiten mehr als 1400 Rezeptionszeugnisse, ist aber nicht vollständig). Die mittelalterliche Rezeption, die die Geschichte einerseits produktiv narrativ aufgreift, andererseits als exemplarisch aufruft und entsprechend funktionalisiert, fußt dabei – neben Ovids siebtem Heroides-Brief – in der Regel auf Vergils Aeneis bzw. ab dem späten 12. Jahrhundert auf den beiden bereits erwähnten volkssprachigen mittelalterlichen Bearbeitungen von Vergils Aeneis: dem altfranzösischen Roman d’Eneas und dessen mittelhochdeutscher Übertragung durch Heinrich von Veldeke.
Was diese beiden Texte aus der Dido-Geschichte und ihren Problemkernen machen, wäre eine eigene Betrachtung wert.10 Hier soll aber ein bisher so gut wie gar nicht systematisch beachteter Bereich der Dido-Eneas-Rezeption im Mittelalter im Zentrum stehen: die mittelhochdeutsche Lyrik (mit einem einleitenden Seitenblick auf einige lateinische Strophen der Carmina Burana), die Dido und/oder Eneas immer wieder als Exempel- oder Vergleichsfiguren anführt.
Wir wollen nachzeichnen, wie das Exempel von Dido und Eneas als Ergebnis eines komplexen Transformationsprozesses11 in verschiedenen lyrischen Liebesdiskursen aufgenommen und funktionalisiert wird. Interessant sind dabei vor allem die diskursiven Interdependenzen, die auftreten, wenn das Phantasma einer alle Grenzen überschreitenden, auch körperlich erfüllten, intimen Liebe – wie es in der Geschichte von Dido und Eneas entworfen und zugleich als einerseits unsagbar, andererseits nicht dauerhaft verfügbar ausgewiesen wird – in lyrischer Brechung auf verschiedene andere Liebeskonzeptionen trifft.12 Unsere Leitfrage zielt darauf, was mit den antiken Figuren Dido und A...

Inhaltsverzeichnis

  1. Title Page
  2. Copyright
  3. Contents
  4. Sprachlose Liebe. Dimensionen der Unsagbarkeit von Intimität und ihre Transformation
  5. Von der Unverfügbarkeit passionierter Liebe. Dido in der mittelalterlichen Lyrik
  6. Transformationen des Unsagbaren. Semantiken der Intimität in lateinischen und volkssprachlichen Ordensgründerlegenden
  7. Die Minne Parzivals und Condwiramurs’. (Nicht-)Erzählen von Exklusivität und Intimität
  8. Verstummen verlernen? Wege aus der Unsagbarkeit in der Minnerede
  9. Die Entgrenzung des Sagbaren in einer spätmittelalterlichen Ehe am Beispiel der Datini-Briefe
  10. All'acqua all'acqua, ché il foco s'accende! Versprachlichung von Liebe, Begehren und Koitus in Boccaccios Ninfale fiesolano
  11. Sprachen des Unverfügbaren: Liebe zwischen Bewunderung, Verehrung und Faszination im englischen heroic play
  12. Die eitle Liebe zum Ich. Unsagbarkeit in der Narziss-Episode bei Jörg Wickram
  13. Register