Geld oder Leben?
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Geld oder Leben?

Wie Geld unsere Beziehungen und Gefühle beeinflusst

  1. 232 Seiten
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Geld oder Leben?

Wie Geld unsere Beziehungen und Gefühle beeinflusst

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Über dieses Buch

"Geld ist nicht neutral, sondern wirkt auf uns und unsere Beziehungen. In unserem Alltag geht es andauernd um Geld. Die alles durchdringende Ökonomisierung unserer Gesellschaft hält auch vor Liebe, Familie und Freundschaft nicht inne: Wer investiert wie viel in wen? Was sind wir uns wert? Nur eine teure Hautcreme oder das neue, größere Auto?Mit Geld kann man Macht und Kontrolle in Partnerschaften ausüben. Sind Glück und Liebe käuflich? Sind reiche Menschen glücklicher? Wieso sind wir neidisch, geizig oder gierig? WIe wirken sich Schulden auf unseren Gemütszustand aus? Wie lehrt man seine Kinder den richtigen Umgang mit Geld?Gisela Kaiser untersucht diese und ähnliche Fragen, indem sie den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion gekonnt mit den höchst unterschiedlichen Aussagen ihrer zahlreichen Interviewpartner zum Thema Geld verbindet."

Häufig gestellte Fragen

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Information

I.TEIL
DIE WIRKUNG DES GELDES AUF BEZIEHUNGEN
Spätestens seit dem Mittelalter gibt es in den europäischen Gesellschaften fest verankerte Tabus, die insbesondere unseren Umgang mit Sexualität, Tod und Geld betreffen. Die Art und Weise der Tabuisierung mag sich im Laufe der Zeit zwar verändert und verlagert haben – je nachdem, worauf die Menschen in einer Kultur, in einer Epoche besonderen Wert legten und achtgaben, um ihre Gesellschaft zusammenzuhalten. Aber sie ist mitnichten nicht mehr wirksam oder gar aufgehoben.
Selbst im aufgeklärten 21. Jahrhundert bestehen nach wie vor Tabus bezüglich Sexualität, Tod und Geld.
Werfen wir zunächst einen Blick auf das Thema Sexualität:
Die sexuelle Revolution und die Befreiung der Frau, die Ende der 60er-Jahre vor allem in Europa und den USA begonnen hatten, trugen dazu bei, dass das Tabu, über Sex zu reden, nicht mehr galt. Heute breiten sich Männer und Frauen äußerst freizügig, öffentlich über ihre Sexualpraktiken und sexuellen Vorlieben aus. Zahllose Bücher und Zeitschriften befassen sich mit diesen Themen. Autoren und Autorinnen sind umso erfolgreicher, je ungenierter sie sich darüber auslassen.2 Dennoch bezweifeln viele Sexualforscher, dass wir deshalb tatsächlich aufgeklärter und zwangloser mit unserer Sexualität umgehen und ein freieres und glücklicheres Sexleben haben. Stattdessen stellen sie die Frage, ob nicht nach wie vor eine riesengroße Kluft zwischen dem öffentlichen darüber Reden-Sehen-Hören und dem eigenen Erleben besteht. Zwischen fiktiver Realität und gelebter Praxis. Und ob, anders herum betrachtet, die ständige Thematisierung von Sex und die steigende Nachfrage nach erotischen und pornographischen Filmen, Romanen und vor allem Sexratgebern nicht ein Zeichen dafür sind, dass noch längst nicht alle sexuellen Unsicherheiten, Ängste und Hemmungen verschwunden sind.
Über den Tod, vor allem über das Sterben, wird heute dagegen nach wie vor angstvoll geschwiegen. Alter, Krankheit und Siechtum werden nun einmal mit dem Ende des Lebens verbunden, der Umgang damit fällt schwer. Sie passieren den anderen, nicht uns. Es wird so getan, als gäbe es die Tatsache »Tod« nicht. Man sieht gewohnheitsmäßig und unentwegt im Film und Fernsehen – hinsichtlich der medialen Öffentlichmachung bestehen durchaus Parallelen zur Sexualität –, wie Menschen getötet werden und töten, aber der eigene Tod wird ausgeblendet. Doch die Gründe dafür zu erforschen, ist nicht Thema dieses Buches, auch wenn hier enge Zusammenhänge bestehen.
Über Geld und die damit verbundenen Gefühle zu reden, ist ebenfalls verpönt. Zumindest kommt es in Deutschland einer Selbstentblößung gleich, über die eigenen finanziellen Verhältnisse reden zu müssen oder reden zu wollen. Nicht ohne Grund gilt hier das geflügelte Wort »Über Geld spricht man nicht«. In anderen Ländern jedoch, wie in den USA, wird gezeigter Reichtum als Indiz dafür angesehen, dass es sich lohnt, Leistung zu erbringen. Und dass es im Prinzip jeder vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen kann, wenn er sich nur genügend anstrengt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der amerikanische Traum für die große Masse der Menschen auch tatsächlich erreichbar ist.
Obwohl Geld zuerst einmal nichts anderes ist als bunt bedrucktes Papier, erwerben wir damit nicht nur materielle Güter. Wir benutzen und setzen es auch gezielt dazu ein, unsere Beziehungen zu anderen damit zu regeln. So können wir uns – um bei den zuvor genannten tabuisierten Themenfeldern zu bleiben – durchaus Sex und einen schönen Abend in angenehmer Gesellschaft kaufen. Ebenso wie wir uns zum Teil Gesundheit sowie ein längeres Leben erkaufen können.
Geld hat in all unseren Beziehungen mit anderen einen großen Stellenwert. Es steht dabei, je nachdem in welcher Menge wir über es verfügen und wofür wir es einsetzen, sowohl für alle guten wie auch schlechten Dinge im Leben – und sagt nicht zuletzt viel über die Beziehung aus, die wir zu uns selbst haben.
Zwischen dem altruistischen und dem selbstsüchtigen Umgang mit Geld, zwischen anderen geben und nehmen, Selbst- und Nächstenliebe, materiellen und ideellen Werten, Wünschen und Bedürfnissen liegt zwar ein weites Feld. Doch zwischen den Polen dieses Feldes spannt sich unser gesellschaftliches Miteinander auf. Es ist daher nur legitim zu fragen, welche Folgen es hat, wenn das Gleichgewicht zwischen den beiden Polen nicht mehr vorhanden ist, wenn Geld nur noch zur Befriedigung eigener Wünsche eingesetzt wird und jeden Aspekt des Lebens bis in unsere engsten Beziehungen hinein durchdringt und bestimmt.
Wer sich an diese Themen heranwagt, läuft Gefahr, Menschen zu verärgern und zu verletzen. Doch mit meinem Buch will ich weder das eine noch das andere. Vielmehr möchte ich Sie einladen, über die Wirkung des Geldes in Beziehungen und den sinnvollen Umgang mit Geld nachzudenken.
1. Das Geld und ich
Ich arbeite und kaufe ein. Der Konsument in der freien Marktwirtschaft
Jeder Mensch ist als Teil einer Gesellschaft nicht nur Betroffener, sondern auch Handelnder. Von klein auf lernt und verinnerlicht er mehr oder weniger bewusst, was von ihm erwartet wird und wie er sich anderen gegenüber verhalten soll: in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, im Beruf, also auf Schauplätzen, an denen gesellschaftliche Regeln, Werte und Forderungen weitergegeben und eingeübt werden.3 Diesen erlernten, verinnerlichten Erwartungen versuchen Menschen durch ihr Handeln, auch im Umgang mit Geld, zu entsprechen. In westlichen Industriestaaten bedeutet das heute vornehmlich: Sich durch Arbeiten, Kaufen, Konsumieren, Besitzen und mit den anderen zu konkurrieren, immer mit dem Ziel, sich Anerkennung und Achtung zu verschaffen, etwas Besonderes zu sein: Sei perfekt, passe dich an, sei aber immer besser als der andere, und funktioniere.
Das vermeintlich autonome Individuum, das Geld für sich ausgibt, ja, heute mit Geld machen kann, was es will, steht im Kreuzfeuer des Marktes. Es ist gezwungen, Geld zu verdienen und Geld auszugeben. Das Streben nach Geld und immer noch mehr Geld ist dabei zum Selbstzweck verkommen. Und wir scheinen vergessen zu haben, dass wir uns nicht nur über Dinge definieren, die wir uns kaufen können. Angesichts dieses »Zwanges« scheint es fraglich, inwiefern man noch von wirklicher Selbstbestimmtheit sprechen kann. Von diesem Druck kann sich kaum ein Mensch befreien.4
Das, was der Markt angeblich vom Menschen verlangt, geht zudem noch weit über den Zwang, Geld zu verdienen, um es wieder auszugeben, hinaus: Leistungsorientierung, Gewinnmaximierung und kontinuierliches Wirtschaftswachstum sind die genuin anmutenden Grundpfeiler unseres Wirtschaftssystems, in dem Menschen als »Wirtschaftsfaktoren« und »human resources«, als Humankapital, betrachtet werden. Doch Mitarbeiter sind weit mehr als ein wirtschaftlicher Faktor. Sie bestehen nicht nur aus ihrem Wissen und verschiedenen verwertbaren Fähigkeiten. Menschen sind, anthropologisch gesehen, offene Wesen, mit einer Lebensgeschichte, individuellen Bedürfnissen, Träumen, Hoffnungen und Begabungen. Die menschliche Vielfalt, jeder einzelne Mensch mit seinen Stärken und Schwächen, ist auf dem »Markt« aber nicht von Interesse, allenfalls unter dem Aspekt, wie seine Wünsche und Bedürfnisse mittels Werbung für den Konsum »angeteasert« und wirtschaftlich genutzt werden können. Die heutige Fragestellung lautet nicht mehr: Was kann der Markt, die Wirtschaft, für mich und die Gesellschaft tun? Sondern: Was kannst du und jeder Einzelne für die Wirtschaft tun? Wirtschaftswachstum und damit Geldvermehrung ist die neue Religion, das »Goldene Kalb«, das angebetet wird.
Im Kontext geltender Konsumstandards wird in der Arbeitswelt und in der Wirtschaft aber nicht darüber reflektiert, dass Menschen nicht nur auf den Einbahnstraßen des Konsums unterwegs sind und eben keine perfekt funktionierenden Leistungsträger sind. Menschen haben Fehler, sie scheitern, werden alt, verlieren dadurch an Attraktivität und Leistungsfähigkeit, und »….bald schon wird ihr Bemühen, einen Beitrag zur Steigerung des Bruttosozialproduktes zu leisten, der Frage weichen, was sie selber sich leisten können, ja, sich selbst zu leisten geradewegs schuldig sind«.5
Mit diesen kritischen Anmerkungen will ich keineswegs die Chancen und Vorteile der Arbeitswelt außer Acht lassen, die Menschen heute im Vergleich zu früher haben. Dennoch ist es mir wichtig, auf diese Reduktionen hinzuweisen, die in unserem Arbeitsalltag so selbstverständlich geworden sind. Auch die Frage, ob es uns in ideeller, emotionaler Hinsicht – nicht in materieller – wirklich besser geht als früher, muss in diesem Zusammenhang erlaubt sein. Denn immer mehr Untersuchungen zeigen, dass die psychischen Belastungen und Erkrankungen im Beruf seit zwanzig Jahren rapide ansteigen. Und auch der DAK-Gesundheitsreport 2009, der sich mit »Doping am Arbeitsplatz« zur Steigerung der Leistungsfähigkeit befasst, sowie der im August 2013 veröffentlichte AOK Report zeigen, dass immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland zu Alkohol und anderen aufputschenden Mitteln greifen, um den Arbeitsalltag überstehen zu können.
Ich habe alle Freiheiten: Die Zumutung, sich entscheiden zu müssen
Aus einer Reihe von alltäglichen Bemerkungen lässt sich ersehen, wie Menschen sich in Beziehung zu Geld setzen, warum sie wofür Geld ausgeben oder nicht ausgeben wollen.
»Wenn ich immer im selben Kleid erscheine, dann denken die Leute, ich verdiene nicht genug Geld. Und außerdem muss ich immer gut aussehen. Sonst kriege ich Stress.« Eine 33-jährige Direktionsassistentin, die im Vorzimmer des Chefs Klienten empfängt.
»Ich find es richtig toll, mit meiner Freundin am Sonnabend durch die Boutiquen zu ziehen und zu shoppen. Papa hat nichts dagegen. Mit tausend Euro Taschengeld im Monat, no problem.« Ein 15-jähriger Teenager aus einer wohlhabenden Familie.
»Wenn ich früher in der DDR ins Geschäft ging, um Orangen zu kaufen, hieß es immer:Gibt es nicht. So war es auch mit Seidenstrümpfen, Klopapier und Kaffee. Als ich dann das erste Mal in ein Westkaufhaus kam, war ich völlig erschlagen: Da gab es alles und das auch noch im Überfluss. Ich wusste gar nicht, was ich mit mir anfangen sollte. So viele Waren – für wen?« Eine 50-jährige Wissenschaftlerin aus der ehemaligen DDR.
»Ich weiß gar nicht, wofür ich Geld ausgeben soll. Ja gut, für Essen und Getränke und die Miete. Aber sonst? Ich habe alles. Mir geht die Lust am Einkaufen einfach ab. Es widert mich geradezu an. Und wenn ich mal ein neues Jackett kaufen muss, um nach außen hin entsprechend meiner Stellung auftreten zu können, bin ich froh, wenn ich wieder aus dem Geschäft draußen bin.« Ein 65-jähriger Direktor eines Institutes für Geschichte der Neuzeit.
Die unendlich vielen Möglichkeiten des Konsumierens in unserer marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft wecken unentwegt Bedürfnisse und versetzen den einzelnen Menschen in die Lage, sich täglich neu entscheiden zu können und zu müssen. Kaufe ich dies oder jenes? Oder gar nichts? Spare ich, oder spare ich nicht? Ist mein Geld bald nichts mehr wert, und kaufe ich mir deshalb jetzt nicht besser ein neues Auto?
Selbst für diejenigen, die nicht unbedingt konsumieren wollen, ist das Konsumieren zu einem Zwang geworden. Es entspricht den Notwendigkeiten unserer Marktwirtschaft: ohne Konsum – kein Verbrauch, ohne Verbrauch – keine Produktion und ohne Produktion – kein Mehrwert, kein Gewinn – und damit für den Arbeitenden keine Verbesserung des Lebensstandards, keine sichtbar erbrachte Leistung, keine Anerkennung.
In den vier vorangegangenen Beispielen wird das Geldausgeben jeweils unterschiedlich bewertet. Im ersten Fall dient es dazu, etwas zu kaufen, um den Erwartungen anderer zu entsprechen. Im zweiten dient Geldausgeben dem eigenen Lustgewinn und der Befriedigung von Wünschen. Im dritten Fall verunsichert das Warenangebot. Und im letzten wird das Geldausgeben verweigert und ist mit Unlustgefühlen wie auch mit der sozialen Verpflichtung, modisch repräsentabel auftreten zu müssen, verbunden.
In allen Fällen geht es aber keineswegs nur darum, eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu entsprechen, sondern um viel mehr. Es geht um den sozialen Rahmen, in dem das Geldausgeben stattfindet, um das eigene Selbstverständnis und die Wirkung, die wir auf andere haben. Wem möchten wir durch den Besitz welcher Konsumgüter etwas zeigen und warum? Stehen vielleicht tiefer liegende Bedürfnisse hinter dem Wunsch, etwas zu kaufen? Etwa das Anliegen zu zeigen, was man sich selbst und anderen wert ist? Mit anderen Worten: Inwiefern erschafft die Wirtschaft erst unsere Wünsche und Bedürfnisse, die sie dann mit immer neuen Produkten in einer nach oben hin offenen Endlosspirale zu befriedigen sucht?
Genügten unseren Vorfahren noch ein voller Magen, ein Dach oder eine Höhle über dem Kopf und ein Feuer, um sich zufrieden zu fühlen und in Frieden beheimatet zu sein, lässt sich bei uns in Mitteleuropa der als normal geltende Lebensstandard längst nicht mehr auf die bloße Befriedigung der Grundbedürfnisse eingrenzen.
In unserer heutigen mitteleuropäischen Konsumgesellschaft sind vielmehr das physische Überleben: – Nahrung, Wärme und Schutz – für die allermeisten Menschen gewährleistet. Unser Konsum lässt sich so gesehen längst nicht mehr auf die Befriedigung basaler Bedürfnisse reduzieren. Er geht darüber weit hinaus. Tatsächlich wollen wir nicht mehr einfach nur ein Dach über dem Kopf haben, wir wollen ein eigenes Haus. Wir wollen nicht nur genug zu essen haben, sondern jederzeit Nahrungsmittel aus allen Teilen der Erde genießen können. Erdbeeren und Ananas im Winter. Nicht nur einfaches Rindfleisch, sondern ein Stück Wagyu-Filet, Hummer und Austern statt einer simplen Forelle. Wir möchten nicht einfach nur ein Auto, wir wollen einen Porsche.
Der Gebrauch und Verbrauch von Konsumgütern hat schon lange eine Art symbolischer Bedeutung angenommen, seitdem »sich im Zuge der Industrialisierung und der mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Prosperität für immer mehr Gruppen ein Zugang zu Gütern, die eine Befriedigung über den lebensnotwenigen Bedarf hinaus ermöglichen« eröffnet hat. Doch: »Mit zunehmender Sättigung der sogenannten Grundbedürfnisse kommt es zu einer Steigerung statusbedingten Konsums.«6
Durch neue Produkte, Wirtschaftswachstum und steigendes Einkommen verändern sich unsere Bedürfnisse. Hohe, erlebnis- und genussorientierte Konsumstandards etablieren sich, da sich immer mehr Menschen nach außen hin wirkende Statussymbole leisten können. Selbst wenn Menschen aufgrund von Arbeitslosigkeit über so gut wie kein Geld mehr verfügen: Der neue Fernseher muss her, ein neues Kleid muss gekauft werden – nur damit der Selbstwert nicht noch weiter auf den Nullpunkt sinkt.
Aber auch reiche Menschen sind von dem Phänomen, die ihrem Vermögen entsprechenden Statussymbole um jeden Preis vorzuweisen, nicht ausgenommen. So erzählte mir der Vermögensberater eines Geldinstituts, der Familien ab einem Vermögen von 20 Millionen betreut, dass es bei seinen Kunden gang und gäbe sei, einen eigenen Reitstall und eine Yacht zu unterhalten. Das koste natürlich, bei einer Yacht müsse man pro Jahr mit circa 10 Prozent des Anschaffungswertes rechnen. Oft würden sich dann Verarmungsängste bei seinen Klienten einstellen, wenn sie jährlich Unterhaltskosten von 3 Millionen bei nur 2 Millionen Einnahmen aufbringen müssen. Aber die Yacht oder etwas anderes werde trotzdem nicht verkauft.
Dass sich Menschen über alle Einkommensklassen hinweg immer mehr über die zu ihrem Besitzstand gehörigen Statussymbole definieren und repräsentieren, ist so evident, dass sich die Frage stellt: Warum so viel Geld ausgeben für ein bisschen Anerkennung? Viele Menschen laufen unter anderem wegen dieses »mehr Schein als Sein« sogar in eine Schuldenfalle, wie anhand der steigenden Konsumentenkredite in Deutschland ab den 70er-Jahren erschließbar wird. Konsumenten werden auch dazu erzogen: »Kaufe heute, zahle morgen« oder wie mit dem Bankslogan: »Wir machen den Weg frei!« Hier tritt eine Veränderung des Kaufverhaltens zu Tage, die dem früher vorherrschenden Wirtschaftsethos vollkommen zuwiderläuft. Früher gaben die privaten Haushalte nur das Geld aus, das sie de facto besaßen, wodurch es eine genaue Relation gab zwischen dem, was verdient wurde, und dem, was für Konsum ausgegeben wurde. Der Rest wurde gespart und auf die berühmte »hohe Kante« gelegt, sei es für schlechte Zeiten, für die nachkommende Generation oder für irgendetwas Besonderes, von dem man träumte und das man sich irgendwann einmal leisten wollte.
Doch inzwischen ist die Kreditaufnahme von Privathaushalten zu einer Selbstverständlichkeit geworden und korrespondiert mit der Einstellung, zu keiner Zeit auf Konsum verzichten zu müssen. Eine Einstellung, die vom kapitalistischen System geradezu gewollt und gefördert wird. So werden mit immer neuen Kreditformen die entsprechenden Möglichkeiten, sich zu verschulden, nicht nur geschaffen, sondern auch beworben, denn ohne den ständigen Konsum aller käme es in der Wirtschaft zu Absatz- und Umsatzeinbrüchen.
Schulden in den privaten, öffentlichen wie auch staatlichen Haushalten sind ein probates Mittel geworden, um den Kreislauf des Geldes aufrecht zu erhalten. Das Bewusstsein, dass mit Schul...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Titelblatt
  3. Copyright
  4. Hingabe
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. I. Teil: Die Wirkung des Geldes auf Beziehungen
  8. II. Teil: Das Geld und die Gefühle in Beziehungen
  9. III. Teil: Über die Möglichkeit, mit und ohne Geld ein glückliches Leben zu führen
  10. Nachwort
  11. Literatur
  12. Danksagung
  13. Über die Autorinnen