Nachsommer
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Nachsommer

  1. 144 Seiten
  2. German
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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Zeitlebens hat Olof im Schatten seines selbstbewussten Bruders Carl gestanden. Carl war der Liebling der Mutter, der allerdings in Ungnade fiel, als er mit seiner Frau Klara (mit der Olof seine eigene Geschichte hat) und den beiden Söhnen aus Karrieregründen in die USA auswanderte. Viele Jahre später nun treffen die ungleichen Brüder am Sterbebett der Mutter wieder aufeinander, in ihrem Landhaus in den südfinnischen Schären – und mit ihnen ihre Familien, alte Rivalitäten und Träume, Fehler und Versäumnisse. Es dauert nicht lange, bis der Frieden des Spätsommers, der über der Insel liegt, brüchig wird. Gerade noch rechtzeitig erkennt Olof, dass der Moment gekommen ist, um aus dem Schatten seines Bruders herauszutreten.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783866483392
II
Ich hatte es geschafft, mich bis zur Glaswand durchzudrängeln. Anscheinend war mindestens ein Dutzend Maschinen gleichzeitig gelandet. Die Ankunftshalle quoll über von Menschen mit hochroten Köpfen, die nach ihren Koffern Ausschau hielten und mit ihren Gepäckkarren zusammenstießen wie auf dem Autoscooter auf Borgbacken, wo Carl es immer schaffte, den schnellsten Scooter zu erwischen, und mich dann, sooft er konnte, von hinten rammte.
Ein Junge von etwa zwölf Jahren schlängelte sich zwischen den Karren hindurch bis zur Glaswand. Da blieb er stehen und stopfte die Hände in die Hosentaschen. Er musterte uns Wartende auf der anderen Seite, einen nach dem andern. Als er mich sah, blieb sein Blick an mir hängen.
Das gleiche gelockte, weizenblonde Haar, die gleichen hellblauen Augen und schweren Lider, der gleiche Blick, forschend und doch zugleich irgendwie schläfrig.
Plötzlich wusste ich wieder, wie Klara aussah.
Er stand da und musterte mich von Kopf bis Fuß, als ob ich ein Stück Vieh wäre und er mich taxierte, um einen Preis abzuschätzen.Ich winkte ihm zu. Ich formte mit den Lippen seinen Namen: Hej, Sam.
Er betrachtete mich noch ein Weilchen. Dann nickte er, als hätte er sich für einen Preis entschieden, machte auf dem Absatz kehrt und ging, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen. Ich vermutete, der Preis war nicht sonderlich hoch angesetzt.
Sie wurden vom Zoll aufgehalten. Ein pingeliger Beamter durchsuchte alle ihre vier Koffer. Es machte Carl wahnsinnig.
»Verdammte Idioten! Mit zwei minderjährigen Kindern im Schlepptau wird man wohl kaum Drogen schmuggeln. So viel sollten sie sich eigentlich denken können!«
Klara lachte. »Vielleicht denken sie gerade, dass du dir genau das möglicherweise gedacht haben könntest.«
Sie hatte die Haare kurz geschnitten und dunkel gefärbt. Es stand ihr nicht besonders. Sie sah merkwürdig streng und offiziell aus, wie eine Lehrerin oder Krankenschwester.
Sam gab mir die Hand, nickte und steckte sie wieder in die Tasche. Sein jüngerer Bruder Sebastian tobte herum wie ein wild gewordener Handfeger, wollte zu einem großen Bildschirm mit Werbespots in einer Ecke, wollte ein Eis, musste Pipi, wollte wissen, wann wir ankämen, wollte alles auf einmal.
»Sag deinem Onkel Guten Tag!«, herrschte Klara ihn an.
Neugierig sah er mich an. Flinke, dunkle Augen, ein offenes, eifriges Gesicht, das genaue Ebenbild von Carl, als hätten die Gene der Eltern vereinbart, sich auf je einen der Jungen zu konzentrieren.
»Hej, Onkel«, sagte er, »ich heiße Sebastian, bin acht Jahre und ein pain in the ass.«
Er lachte fröhlich und schoss los zu einem Parkautomaten, an dem er eifrig sämtliche Knöpfe zu drücken begann, an die er heranreichte. Im nächsten Augenblick kam er zu uns zurückgerannt, eine Münze in der Faust.
»Guckt mal, was ich gefunden habe!«, schrie er triumphierend.
Carl stellte die Koffer neben meinen Corolla.
»Wie, zum Teufel, sollen wir denn alle in die kleine Kiste passen?«
»Liebling, es handelte sich doch bloß um eine normale Zollkontrolle. Das kann doch jedem passieren.«
»Der Onkel kann ja ein Taxi nehmen«, schlug Sebastian vor.
Sam zog die Hand aus der Hosentasche und führte sie hinter Sebastians Rücken.
»Idioten!«, schimpfte Carl und begann, die Koffer im Kofferraum unterzubringen.
»Au, lass das!«
Sebastian schlug einen linken Schwinger nach Sam, der gekonnt auswich. Klara seufzte.
»Manchmal können wir auch richtig nett sein, manchmal«, sagte sie. Carl zwängte sich auf die Rückbank, einen Jungen links, den andern rechts neben sich und einen Koffer auf dem Schoß.
»Ich habe finnisches Geld und du nicht, ätsch«, sagte Sebastian und hielt seinem Bruder die Münze unter die Nase.
»Wie geht’s der alten Dame? Nichts Neues?«
Ich schüttelte den Kopf.
Carl umklammerte mit beiden Händen den Koffer und starrte wütend geradeaus.
»In einer Woche fliegen wir zurück«, sagte er.
Hoffen wir, dass Mama sich beeilt, konnte ich mir gerade noch zu sagen verkneifen und bekam den Verdacht, dass doch mehr hinter seinem Ärger steckte als eine Routinekontrolle beim Zoll.
Als wir ankamen, gingen sofort alle vier zu Mutter hinein.
»Es geht ihr heute schlecht«, sagte Tom, »ich hoffe, sie erkennt euch.«
Die Jungen kamen gleich wieder aus ihrem Zimmer. Sam sah traurig aus. Sebastian machte sich mit methodischem Eifer daran, alles zu untersuchen; er verhedderte Schwester Heidis Wolle, schaffte es, eine Wanduhr zum Stehen zu bringen, und kroch auf der Jagd nach Schätzen, die er in einem alten Hut unseres Vaters zu sammeln gedachte, unter Tische und Bänke.
Ich hatte mir keine Vorstellung gemacht, wie oft man in kürzester Zeit »Sei vorsichtig mit …« sagen kann.
Tom reichte es irgendwann, er ging in sein Zimmer und schloss die Tür. Schwester Heidi beobachtete uns mit einem belustigten Lächeln.
Sam guckte noch immer traurig. Er setzte sich neben mich aufs Sofa. Etwas zweifelnd musterte er mich von der Seite, beugte sich dann zu mir und flüsterte: »Ist sie schon tot?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ich muss kacken«, sagte Sebastian.
»Soll ich mitkommen und dir zeigen, wie man’s macht?«, fragte Schwester Heidi.
»Musst du auch kacken?«
Schwester Heidi lachte. »Komm mit, ich zeige dir ein lustiges Häuschen.«
Der Bengel kroch unter dem Sofa hervor, stieß sich den Kopf an einer Sesselkante, guckte entzückt und rief »Bingo!«, dass es schallte, dann folgte er Schwester Heidi auf den Fersen.
»Hattest du den Eindruck, dass sie tot aussieht?«
Sam überlegte.
»Ich habe noch nie einen Toten gesehen«, sagte er.
»Ich auch nicht.«
Er überlegte wieder. »Aber wenn sie die ganze Zeit tot aussieht, wie soll man dann wissen, wann sie wirklich tot ist?«
Ich stellte fest, dass ich darauf keine gute Antwort parat hatte. »Wenn sie aufhört zu atmen, ist sie tot.«
Er schien nicht überzeugt. »Ich habe sie nicht atmen gesehen.«
»Fandst du, dass es unangenehm aussah?«
Er schwieg. Er schien sich mit Antworten grundsätzlich Zeit zu lassen.
»Nein«, sagte er, »aber ich glaube, Papa fand das.«
Sebastian stürmte herein, außer sich vor Aufregung. »Sam, es gibt bloß zwei große Löcher und kein Wasser. Du wirst durch ein Loch fallen und direkt in meinen Würsten landen, ha, ha, ha!«
Er kam zu mir, legte mir seine kleinen, schwitzigen Hände auffordernd auf die Knie. »Jetzt musst du mit mir spielen, Onkel!«
»Wir könnten vielleicht ein bisschen angeln«, sagte Schwester Heidi.
Ich stellte fest, dass ich sie immer besser leiden konnte.
Wir marschierten zu einem alten Komposthaufen, in dem ich Würmer zu finden hoffte. Ich machte ein paar Stiche mit dem Spaten. Sebastian warf sich auf alle viere und wühlte mit den Fingern durch den Kompost wie ein Maulwurf. Alles, was er fand, waren ein paar zottige Wurzeln.
»Dürfte ich den Spaten haben?«, fragte Schwester Heidi.
Sie studierte den Komposthaufen. Sie fasste sich ans Kinn, als hätte sie ein schwieriges Problem zu lösen. Sebastian sah ihr mit aufgerissenen Augen zu.
»Sag, wo find’ ich Würmer frische, dass ich viele Fische fische«, summte sie.
»Hier, hier!«, schrie Sebastian und stampfte mit dem Fuß auf.
Drei Spatenstiche später hatten sie ein Dutzend gefunden. Triumphierend hielt Sebastian den größten von ihnen hoch, einen Regenwurm, lang wie eine Zigarre und ungefähr genauso dick.
»Guck mal, Onkel!«
Gehorsam besah ich mir das Ding. Sebastian musste mich auf der Stelle durchschaut haben, mich und meinen beträchtlichen Widerwillen gegen Würmer. Jedenfalls bekam er sofort einen listigen Gesichtsausdruck und sagte: »Soll ich dich damit beschmeißen?«
Dann marschierte er zum Anlegesteg. Ich trottete hinterher und fühlte mich wieder einmal überflüssig.
Es gab drei Angelruten, was Sebastian unmittelbar zu einer Schlussfolgerung bewog: »Der Onkel kann zugucken.«
Schwester Heidi lächelte und meinte: »Vielleicht hat der Onkel nichts dagegen.«
Ich fühlte mich überflüssig und durchschaut. Ich ließ mich am Strand auf einem Liegestuhl nieder.
»Ich werde hundert Fische mehr fangen ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Kapitel I
  6. Kapitel II
  7. Kapitel III
  8. Kapitel IV
  9. Über dieses Buch