1Einleitung
„Planungs- und Ausführungsfehler als Ursache für Bauschäden werden nicht durch Normen, sondern durch Kenntnis naturbedingter Grundsätzlichkeiten vermieden.“
Alles, was
– man nicht messen, „wiegen“ kann,
– nicht in einer DIN-Vorschrift steht,
– nicht „eindeutig und erschöpfend“ zwischen Auftraggeber (AG) und Auftragnehmer (AN) vereinbart wurde,
muss subjektiv beurteilt werden!
Jede Ansichtsfläche ist hinsichtlich des Aussehens ein Unikat aufgrund
– zulässiger Maßtoleranzen,
– Witterungsbedingungen usw.
Die Bewertung, ob z.B. die Sichtbetonart „üblich“ ist und ob die Ausführung der Leistung entspricht, die der Auftraggeber „erwarten“ kann, bedarf eines erfahrenen Sichtbeton-Sachverständigen.
Begriffe, wie „Gebrauchstauglichkeit, Wert und zugesicherte Eigenschaften“, werden nicht mehr verwendet. Nach der VOB wird nach der „vereinbarten Beschaffenheit“ und der „vorauszusetzenden Verwendungseignung“ bewertet (siehe Kapitel 9 „Sichtbeton: Mängel und Haftung aus rechtlicher Sicht“).
Bild 1.1: Schüttlagen (Lehrzimmer)
Die Anforderung an eine „eindeutige und erschöpfende“ Beschreibung der zu erwartenden Bauleistung ist noch wichtiger, um gegebenenfalls über einen SOLL-IST-Vergleich eventuelle Mängel begründen zu können.
1.1Regeln
Die Bewertung einzelner Sichtbeton-Leistungen sowie die Bauabnahme erfolgt nach Regeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei jeder handwerklichen Leistung Unregelmäßigkeiten nicht völlig zu vermeiden sind. Für Beton gibt es diverse Merkblätter, Richtlinien oder technische Regelungen mit Empfehlungscharakter.
Der Begriff „Regel“ ist zurückzuführen auf das lateinische Wort Regula = Richtschnur.
Ob man die Bezeichnung Regel, Regelwerk oder Norm benutzt, ist in letzter Konsequenz gleichgültig. Alle beinhalten den gleichen Grundgedanken: Die allgemein verbindliche Feststellung von Verhaltens- bzw. Ausführungsregeln.
Begriffe im Zusammenhang mit der Sichtbeton-Bauweise werden im Kapitel 10 erklärt.
Bild 1.2: Geplanter Sichtbeton?
Bild 1.3: Sichtbeton – Farbabweichungen
1.2Baukonstruktion
Baukonstruktion (von lateinisch: con = „zusammen“ und struere = „bauen“) muss an den Hochschulen wieder verstärkt gelehrt werden! Studenten gehören heutzutage zur „abkupfernden“ Generation, d.h. Details – wenn vorhanden – werden gedankenlos aus Vorlagen abkopiert, sei es per Mausklick im Internet oder aus Büchern. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass Firmen in Details nur ihr Produkt richtig und die angrenzenden Gewerke nur schemenhaft und leider oft falsch darstellen!
Heute ist fast alles im Internet nachlesbar. Erforderlich für das sichere Konstruieren ist aber das Lernen in der Praxis – nicht nur in der Theorie!
Viele Architekten-Kollegen malen anscheinend lieber bunte Bilder und diskutieren stundenlang über Farben, anstatt den bauausführenden Unternehmen konstruktive Detailzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Sie verwechseln Bauwerke mit Bühnenbildern.
Es ist Aufgabe des Architekten, alle seine Erkenntnisse in Anforderungen umzusetzen und zu beschreiben, sei es mit Worten (im Leistungsverzeichnis) oder anhand von Zeichnungen (siehe Kapitel 2.6).
Gerade beim Sichtbeton muss berücksichtigt werden, dass bautechnische Anforderungen Vorrang vor gestalterischen und vegetationstechnischen Aspekten haben, u.a.:
„Bei bewitterten Ansichtsflächen muss eine kontrollierte Ableitung des Regenwassers geplant werden, um Schmutzfahnen auf der Betonoberfläche zu verhindern.“
(DBV/VDZ-Merkblatt „Sichtbeton“ [2.1.1], Abs. 5.1.3)
Ausführungsdetails sind u.a. dem „Sichtbeton-Atlas“ [3.3] zu entnehmen.
Bild 1.4: Sichtbeton-Fertigteile
2Normen mit Sichtbeton-Relevanz
Bis heute gibt es keine DIN-Norm, die ausdrücklich die Herstellung von Sichtbeton behandelt bzw. definiert! Auch die Betonnormen (z.B. DIN 1045, DIN 18217, DIN 18331 usw.) enthalten keine eindeutigen Sichtbeton-Aussagen.
Demzufolge ist der sichtbare Beton mit eigenen Worten zu planen, das Aussehen zu definieren und die Anforderungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben.
Auch wenn es DIN-Normen zum Thema Sichtbeton gäbe, sollte man immer bedenken, was auch der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 14.05.1998 (VII ZR 184/97) feststellte:
„Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technis...