Das neue Spiel
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Das neue Spiel

Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust

  1. 350 Seiten
  2. German
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Das neue Spiel

Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust

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Über dieses Buch

Seit dem Fall Snowden ist es offensichtlich: Wir haben die Kontrolle verloren. Das gilt für alle - für Regierungen, Unternehmen, Individuen. Im täglich weiter anschwellenden Datenstrom, in den sich die Welt verwandelt hat, wird kopiert, geklaut, geschnüffelt, systematisch überwacht. Wie sollen wir damit umgehen?Michael Seemann plädiert dafür, den Kontrollverlust zu akzeptieren und uns mit seinen Mechanismen vertraut zu machen. Wenn wir schwimmen lernen, anstatt uns der übermächtigen Welle entgegenzustemmen, kann sie uns nicht umwerfen.In seinem Buch fasst Seemann zusammen, was wir dafür wissen müssen. Und er macht konkrete Vorschläge für eine Gesellschaft, in der Ordnung, Wissen und Macht nicht mehr funktionieren werden wie gewohnt. Wer "Das neue Spiel" gelesen hat, versteht die komplexen Diskurse, die das digitale Zeitalter mit sich bringt, und erkennt dessen Potenzial - im Guten, wie auch im Schlechten.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783944362212

Teil I: Der Kontrollverlust

Kapitel 1 | Die drei Treiber des Kontrollverlusts

Ein Videobild, schwarz-weiß. Wir befinden uns in einem Hubschrauber und fliegen über eine Landschaft mit niedrigen Häusern. Sie wirkt hell, der Kontrast ist hart. In der Mitte des Bildes sehen wir ein Zielkreuz. Funksprüche durchbrechen das Hintergrundgeräusch von Rotoren. Eine Gruppe von Menschen läuft auf der Straße. Einer der Männer trägt einen Gegenstand über die Schulter gehängt. Die Soldaten identifizieren den Gegenstand als Waffe. „Free to engage“, ertönt es per Funk. Als das Schussfeld frei ist, feuert der Apache-Kampfhubschrauber mit seiner 30-Millimeter-Bordkanone in die Menge. Die Zeit zwischen dem Rucken des Maschinengewehrs und dem Einschlag der Kugeln beträgt ungefähr eine Sekunde. Die Menschen fallen oder werfen sich hin. Staub wirbelt auf. Die Apache-Besatzung schießt so lange, bis nur noch ein Verletzter zu sehen ist, der mühsam über den Bürgersteig kriecht. Ein Kleinbus hält an, Menschen versuchen, den Verletzten zu helfen. Wieder fragen die Soldaten die Erlaubnis zum Eingreifen an, wieder wird sie erteilt. Der Kleinbus wird zusammengeschossen.
An diesem Tag, dem 12. Juli 2007, sterben zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters, Saeed Chmagh und Namir Noor-Eldeen. Was die Besatzung des Helikopters als Waffe interpretiert hatte, war Kamera-Equipment. Die irakische Familie, die ihnen zu Hilfe kam, starb ebenfalls; nur die Kinder überlebten das Massaker. Ein ganz normaler Tag in einem ganz normalen Krieg. Weil diesmal jedoch Journalisten betroffen waren, bestand Reuters auf einer Untersuchung. Die Redaktion fragte beim Militär das Videomaterial an, aber es wurde nie freigegeben, der Fall wurde nicht öffentlich aufgerollt. Bis zum 3. April 2010. „Collateral Murder“8 – unter diesem Titel wurde das Video schließlich veröffentlicht – war der Durchbruch für Wikileaks, jene Whistleblowing-Plattform, die die Welt im Jahr 2010 in Atem halten sollte. Collateral Murder war ein Schock für die amerikanische Bevölkerung und ein PR-Gau für das amerikanische Militär.
Die Kamera des Apache-Helikopters ist ein Kontrollinstrument: Die Befehlsketten beim Militär sind lang; bis eine Entscheidung getroffen ist, kann viel Zeit vergehen, oft zu viel Zeit. Mithilfe der neuesten Technik fliegt das Oberkommando in jedem Hubschrauber mit. Es sieht, was die Soldatinnen sehen, es hört, was die Soldaten reden. Und wenn sie nicht gehorchen, liegt gleich Beweismaterial fürs Militärgericht vor. Im Fall „Collateral Murder“ handelten die Soldatinnen den Befehlen nicht zuwider. Dennoch wurde das Kontrollinstrument zum Zeugen der Anklage – vor dem Gericht der Weltöffentlichkeit. Die Medienanordnung wendet sich gegen ihre Kontrolleure.
Durch Wikileaks erlebten wir 2010, dass ein einzelner Whistleblower einer Supermacht wie der USA vor aller Welt die Hosen ausziehen kann. 2013 bestätigte Edward Snowden nicht nur, dass das möglich ist – wir erfuhren, dass auch wir selbst schon lange ohne Hosen dastehen. Die weltweiten Möglichkeiten zur Datensammlung, -verbreitung und -auswertung haben Dimensionen angenommen, mit denen wir nicht gerechnet haben. Wir haben die Kontrolle verloren. Egal, ob Regierung, Unternehmen, Institution oder Privatperson – alle sind betroffen. Überall leakt es, sickert es durch, wird kopiert und mitgeschnitten. Es: das Werk, der Brief, das Verhalten, die Dokumente, das Leben. Die Welt verwandelt sich in einen wachsenden Datenstrom, und der gerät außer Rand und Band.
Seit einigen Jahren stehen bei den Debatten um die digitale Revolution immer dieselben Themen im Mittelpunkt: das Urheberrecht, der Datenschutz, die Kommunikations- und Deutungshoheit von Journalistinnen, Unternehmen und Regierungen; seit 2010 vermehrt die Sicherheit von Staatsgeheimnissen. Und nun stellt sich heraus, dass wir alle von Geheimdiensten auf der ganzen Welt gescannt, dokumentiert und ausgewertet werden. Wir wissen das, weil ein einzelner Mensch unbemerkt so viele Dokumente aus den Informationsspeichern des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA tragen konnte, wie es noch vor wenigen Jahren gar nicht möglich gewesen wäre – er hätte dafür mehrere Lastwagen gebraucht. Ratlos stehen wir vor den Snowden-Enthüllungen und diskutieren über unzureichende technische, politische oder soziale Lösungen.
In der Verunsicherung darüber, was mit unseren persönlichen Daten passiert, befinden wir uns in einem ähnlichen Stadium wie die Musikindustrie vor etwa 15 Jahren. Damals glaubten manche, mit technischen Kopierschutz-Systemen und Verschärfungen der Urheberrechtsgesetze dem ungehemmten Teilen und Tauschen von Daten Einhalt gebieten zu können. Kopierschutz sorgte dafür, dass Menschen ihre Musiksammlung vielleicht zu Hause, aber nicht im Auto oder beim Joggen hören konnten. Allerdings fanden findige Hacker auch immer wieder einen Weg, ihn zu knacken. Die Verschärfung des Urheberrechts ermöglichte horrende Massenabmahnungen, an denen Rechtsanwältinnen gut verdienten und die so manche Familie an den Rand des Ruins drängten. Filesharing stoppen konnte sie nicht.
Für das Phänomen des Kontrollverlusts durch neue Medien lassen sich aber noch deutlich ältere Beispiele finden. Die Einführung des Buchdrucks – zunächst begrüßt, um das Wort Gottes in die Welt zu tragen – veränderte die Stellung der Kirche radikal. Während sie bis dahin die Datenflüsse regulierte, erfuhr sie durch die neue Technik einen enormen Kontrollverlust. Sie hatte nicht mehr die Autorität der reinen Lehre, alternative Glaubensmodelle konnten sich Bahn brechen. Schon damals war kein Kraut (oder Gebet) gegen die neue, unvorhersehbare Ausbreitung von Daten gewachsen, die nur noch selten im Sinne der Kirche war.
Der Kontrollverlust ist also keine Spezialität des Digitalen. Stattdessen liegt sein Kern in der spezifischen Struktur von Information selbst. Genauer: in der Irreversibilität der Mitteilung, die übertragen wird. Wir haben weder in der Kohlenstoff- noch in der digitalen Welt die Möglichkeit, Informationen wieder zurückzuholen. Oder mit Niklas Luhmann: „Wer schweigt, kann immer noch reden. Wer dagegen geredet hat, kann darüber nicht mehr schweigen.“9 Einmal in der Welt, sind Informationen nicht so einfach wieder herauszukriegen. Die meisten kennen wohl das peinliche Gefühl, nach einer durchfeierten Nacht etwas lieber wieder ungesagt machen zu wollen.
Doch nur, weil die Zahnpasta nicht zurück in die Tube geht, ist nicht jede ausgedrückte Tube ein Kontrollverlust. Kontrollverlust empfinden wir, wenn eine Erwartungshaltung enttäuscht wird: wenn die Annahme, wir seien im Besitz der Kontrolle, sich als Trugschluss herausstellt. Vielleicht war die Erwartung von Anfang an unrealistisch, vielleicht ist die Situation eskaliert. Der Grund ist erstmal nebensächlich. Entscheidend ist, dass die Erwartung enttäuscht wurde. Hier wirkt sich nun das Spezifische der Digitalisierung aus und verstärkt den Effekt. Sie verändert den Aggregatzustand von Information, macht sie allgegenwärtig, handhabbar und auswertbar. Die Zahnpasta spritzt immer schneller aus der Tube. Wir geraten in eine Situation, für die uns die Strategien fehlen.

Information und Kontrolle

Wir verwenden die Begriffe Daten, Informationen und Wissen im Kontext von Informationsökonomie und -gesellschaft in diesem Buch wie folgt.
Information ist der wesentlichste Begriff in dieser Gruppe. Der Philosoph Gregory Bateson definiert sie genial einfach: „Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht.“10 Das klingt erst einmal kryptisch, ist aber sehr schlüssig, gerade wenn die Definition mit den Begriffen „Daten“ und „Wissen“ verbunden wird.
Daten begreifen wir als den ersten Unterschied in dieser Definition. Daten sind Unterschiede. Sie sind alles, was sich mittels der Unterscheidung zwischen Null und Eins ausdrücken lässt. Das bedeutet, Informationen bestehen aus Daten, und wir können festhalten: Informationen sind Daten, die einen Unterschied machen. Doch wie und wo machen diese Daten einen Unterschied, wo finden wir Unterschied Nummer zwei? Systemtheoretiker sagen an dieser Stelle: im System – im psychischen oder sozialen System. Wir wollen den Systembegriff aber lieber ausklammern und sagen gleich „im Wissen“. Wissen ist für uns ein Netz aus Informationen. Wissen besteht aus Informationen, die mit anderen Informationen verknüpft sind. Mein Büro ist am Weichselplatz, der Weichselplatz ist in Neukölln und hat eine Wiese, auf einer Wiese wächst Gras, und so weiter.
Daten sind also Information, wenn sie im Wissen einen Unterschied machen. Und das sieht so aus: Eine Information knüpft sich an das Wissen an, sie wird Teil des Netzwerkes. Sie kann jedoch nur anknüpfen, wenn sie anschlussfähig ist. Wenn ich höre, dass Robin Williams gestorben ist, ihn aber nicht kenne, dann ist das zwar ein Datum (Singular von Daten), aber keine Information. Erst wenn ich weiß, dass Robin Williams ein berühmter Schauspieler war und ich vielleicht schon Filme mit ihm gesehen habe, dann wird das Datum seines Todes überhaupt zur Information.
Eine Information ist also immer nur eine Information im Zusammenhang mit einem bestimmten Wissen. Das Wissen von Menschen ist unterschiedlich. Was für den einen eine Information ist, ist für den anderen bloßes Datum. Daneben gibt es noch das gesammelte Weltwissen, das Wissen der Medizin, das Wissen der Rechtswissenschaft oder das Wissen der Wunderheilung. Wir verwenden den Begriff Wissen nicht im aufklärerischen Sinn – als gerechtfertigte, wahre Meinung –, sondern bezogen auf ein konkretes Netz aus Informationen – egal, ob diese der Wahrheit entsprechen. Wir implizieren, wenn wir von Informationen sprechen, dass es ein Wissen gibt, an das diese Information anschlussfähig ist, und zwar auch dann, wenn wir dieses Wissen nicht konkret benennen. Die Trias Daten, Information und Wissen lässt sich so zusammenfassen: Informationen sind Daten, die an ein Wissen anschlussfähig sind.
Betrachten wir auch den Begriff genauer, um den sich in diesem Buch alles dreht. Das Wort „Kontrolle“ kommt vom französischen contrôle, das sich zusammensetzt aus contre, „gegen“, und rôle, „Rolle“ oder „Register“. Ursprünglich bezeichnete es ein „Gegenregister zur Nachprüfung von Angaben eines Originalregisters“. Das heißt, bei jeder Kontrolle gibt es einen Ist- und einen Soll-Zustand. Kontrolle ist der stetige Versuch, beides anzugleichen.
Kontrolle ist der Eingriff in ein System mittels Erwartungswert und informationellem Feedback. Der digitale Kontrollverlust bezeichnet einen eigentümlich selbstreferenziellen Zustand. Er bedeutet nicht nur, dass die Ereignisse nicht mit dem Erwartungswert zusammentreffen, sondern dass die Erwartungswerte mithilfe von falschen Annahmen über die Welt gebildet wurden. Unsere Formeln für den Soll-Zustand sind hinfällig. Kontrollverlust bedeutet also nichts weniger, als dass wir nicht mehr wissen können, welche Erwartungen wir an die Zukunft haben können.
Die Folgen sind entsprechend dramatisch. Weil unsere Erwartungswerte nicht mehr stimmen, sind auch unsere Strategien für die Zukunft wertlos. Aktionen, die in der alten Welt funktioniert haben, verpuffen wirkungslos oder verschlimmern die Lage zusätzlich. Wir können zum Beispiel versuchen, eine missliebige Information aus dem Internet zu löschen. Doch wie wir sehen werden, geht es uns in diesem Fall wie dem mythischen Helden Herakles, wenn er versucht, einen Kopf der Hydra abzuschlagen und ihr sogleich zwei neue wachsen. Vor dem Kontrollverlust wird uns niemand retten; kein Meister kommt wie bei Goethes Zauberlehrling und schickt die Besen in die Ecke. Die Geister, die wir riefen, sind gekommen, um zu bleiben. Kurz: Wir sollten mit dem Kontrollverlust rechnen, ihn in unser Denken und Handeln – ja, in unsere Gesellschaft – integrieren. Vor allem müssen wir unsere Strategien an ihn anpassen. Wenn alle Dämme brechen, hilft nur noch schwimmen lernen.
Zukunftsforscherinnen bezeichnen die dominierenden Kräfte, die die gegenwärtigen Entwicklungen in der Welt bestimmen, als „Treiber“. Beim Kontrollverlust im Digitalen lassen sich drei solche Treiber identifizieren. Von Wikileaks über Napster bis zu den Snowden-Enthüllungen: Immer wieder sind dieselben Prinzipien zu erkennen, die die Phänomene des Digitalen kennzeichnen.
  1. Die immer engere Verknüpfung der digitalen und analogen Welt, ermöglicht durch immer mehr und immer intelligentere Sensorik.
  2. Die immer billigere Speicherung und schnellere Kopierbarkeit von Daten, die durch beständig wachsende Kapazitäten von Leitungen und Datenträgern möglich ist.
  3. Die sich ständig verbessernden und mit mehr Rechenkraft ausgestatteten Analysemethoden, die immer neue Einblicke in bereits existierende Datenbestände erlauben.

Kontrollverlustapparate

„Collateral Murder“, die zu Beginn erzählte Kollision von digitaler und analoger Welt in Bagdad, ist ein Beispiel für Treiber Nummer eins; ein Beispiel dafür, wie sich der Kontrollapparat in einen Kontrollverlustapparat verwandelt.
Im Sommer 2013, knapp sechs Jahre nach dem Luftangriff, von dem die Öffentlichkeit ohne Wikileaks nicht erfahren hätte, veröffentlichte der Guardian die erste Enthüllung aus den Dokumenten von Edward Snowden. Es war die Gerichtsanordnung des Geheimgerichtes FISC (Foreign Intelligence Surveillance Court) an Verizon, einen populären amerikanischen Mobilfunkprovider. Verizon wird darin aufgefordert, der NSA alle Verbindungsdaten seiner Kunden zugänglich zu machen. Verbindungsdaten sind eine Form von Metadaten – zum Beispiel die Zeiten, zu denen telefoniert wurde; die Nummern beider Gesprächteilnehmerinnen; die Dauer des Anrufs; wann sich welches Gerät mit dem Internet verbunden hat; welche Websites besucht wurden.
Wenn der Geheimdienst früher jemanden beschatten wollte, schickte er ihm einen Agenten mit Schlapphut und Trenchcoat hinterher, um ihm „unauffällig“ zu folgen. Das ist nicht mehr nötig. Mein Mobilfunkprovider ist immer genau informiert, wo ich mich gerade befinde, damit seine Funktürme wissen, wie sie mein Handy zum Klingeln bringen können.
Es zählt nicht zum Allgemeinwissen, dass wir – sofern wir ein Handy benutzen – eine Ortungswanze mit uns führen, die jederzeit meldet, wo wir uns gerade befinden. Wir tragen sie mit uns herum, damit wir erreichbar sind für Freunde, Familie und Arbeitgeber. Damit die Dinge nicht außer Kontrolle geraten, daheim oder auf der Arbeit. Wir haben Smartphones dabei, um schnell mal etwas nachzuschlagen, eine E-Mail zu schreiben oder etwas fotografieren zu können. Die NSA und andere staatliche Dienste machen sich das zunutze. Sie wenden die Technik, die uns in unserem Leben unterstützen und erweitern soll, gegen uns. Auf die Art ist der Kontrollverlust in jeder Medienapparatur als Möglichkeit eingebaut. Wir alle besitzen Kontrollverlustapparate.
Und die Kontrollverlustapparaturen befinden sich nicht nur in unseren Hosentaschen. Wenn wir über die Straße gehen, registrieren uns die allgegenwärtigen Überwachungskameras (CCTV), wenn wir zu Hause sind, registriert der intelligente Stromzähler, wie lange wir das Licht anhaben und ob wir nachts den Kühlschrank öffnen. In Zukunft werden smarte Thermostate auf unsere Anwesenheit reagieren, und selbstverständlich sind sie mit dem Internet verbunden; schließlich wollen wir sie von unserem Smartphone aus steuern. Nie war es leichter, Energie zu sparen – nie war es einfacher, die Lebensgewohnheiten von Menschen zu überwachen.
Die Überwachung unserer privatesten Räume hört damit noch nicht auf. Microsofts Spielkonsole XBox One kommt mit der sogenannten Kinect-Technologie. Kinect (von engl. kinetic, „kinetisch“ und connect, „verbinden“) ist ein Zusatzgerät, das es ermöglichen soll, mit der Spielkonsole durch komplexe Gesten im Raum zu interagieren. So sollen sich Spiele unmittelbarer als bisher steuern lassen. Mit Infrarotsensoren und mehreren Kameras ausgestattet, ist es fähig zu Überwachung in bishe...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Vorwort
  5. Teil I: Der Kontrollverlust
  6. Teil II: 10 Regeln für das Neue Spiel
  7. Anhang
  8. Dank
  9. Impressum