Die Entdeckung des Nordpols
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Die Entdeckung des Nordpols

Zwei Jahre im ewigen Eis 1908-1909

  1. 288 Seiten
  2. German
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Die Entdeckung des Nordpols

Zwei Jahre im ewigen Eis 1908-1909

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Über dieses Buch

Tagelange Schneestürme, raues, zu Bergen aufgetürmtes Eis, arktische Temperaturen, plötzlich breite Wasserrinnen, die den Weg versperren und nur auf treibenden Eisschollen überquert werden können, hastig zusammengebaute Iglus als Schutz gegen die Naturgewalten - auf diese Begegnung musste sich einstellen, wer den Weg zum Nordpol wagte. Doch um die Jahrhundertwende herrschte kein Mangel an Männern, deren Ziele so abenteuerlich wie tollkühn waren und nicht selten auch von Besessenheit zeugten: Zu Fuß eine Wüste aus Schnee und Packeis durchqueren, mit nur wenigen Schlitten ausgerüstet, begleitet von Eskimos und einer Hundertschaft von Hunden.... Das alles, um einen Punkt zu erreichen, an dem kein Berg, keine Stadt, nicht einmal eine windschiefe Hütte, erst recht keine jubelnde Menge auf einen wartet, sondern ein Nichts, ein Abstraktum, das man bloß mit aufwändigen Messungen feststellen kann und das sich noch dazu auf einer Fläche befindet, die ständig in Bewegung ist: der geographische Nordpol. Einer dieser Pioniere war der Amerikaner Robert E. Peary, der 1908 zum wiederholten Male eine Tour de force startet, um endlich den ersehnten Flecken im Nirgendwo zu erreichen. Sein packender Bericht über seine letzte Nordpolexpedition liegt mit diesem Buch nun in einer zeitgemäßen Ausgabe vor.

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ROBERT E. PEARY

DIE ENTDECKUNG DES NORDPOLS

DER PLAN

Man könnte wohl die Erreichung des Nordpols mit dem Gewinnen eines Schachspiels vergleichen, in dem alle die verschiedenen Züge, welche zu dem günstigen Schluss führten, lange, ehe das gegenwärtige Spiel begann, im Voraus überlegt worden waren. Es war für mich ein altes Spiel, ein Spiel, das ich dreiundzwanzig Jahre mit wechselndem Glück gespielt hatte. Immer war ich freilich geschlagen worden; aber mit jeder Niederlage erhielt ich neue Kenntnis von dem Spiel, seinen Verwicklungen, seinen Schwierigkeiten, seinen Feinheiten, und mit jedem neuen Versuch kam der Erfolg etwas näher. Was früher unmöglich oder im besten Falle äußerst zweifelhaft erschienen war, begann den Anschein von Möglichkeit anzunehmen und zuletzt gar von Wahrscheinlichkeit. Alle Niederlagen wurden in jeder Beziehung auf ihre Ursachen hin untersucht, bis es möglich wurde zu glauben, dass diese Ursachen in Zukunft vermieden werden könnten und dass bei etwas gutem Glück das verlorene Spiel von fast einem Vierteljahrhundert in einen endlichen vollkommenen Erfolg verwandelt werden könnte.
Aber wenn es auch wahr ist, dass man die Entdeckung des Nordpols mit einem Schachspiel vergleichen kann, soweit Plan und Methode in Betracht kommen, so gibt es doch natürlich einen offensichtlichen Unterschied. Beim Schach kämpft Geist gegen Geist; bei der Eroberung des Pols aber war es ein Kampf von menschlichem Geist und menschlicher Ausdauer gegen die blinden, wilden Gewalten der Elemente, die oft unter fast unbekannten oder nur wenig von uns verstandenen Gesetzen und Impulsen handelten, die uns deshalb vielfach launisch und grillenhaft und nicht mit einiger Sicherheit vorherzusehen erschienen. Während ich also wohl die Hauptzüge meines Angriffes auf den eisigen Norden planen konnte, ehe wir von New York abfuhren, war es nicht möglich, alle Züge der Gegenseite vorherzusehen. Wäre dies möglich gewesen, dann hätte schon meine Expedition von 1905 bis 1906, die bis zu dem damals fernsten Nordpunkt von 87° 06’ gelangte, den Pol erreicht. Aber jeder, der mit den Ereignissen jener Expedition vertraut ist, weiß, dass ihr völliger Erfolg durch einen von jenen nicht vorherzusehenden Zügen unseres großen Gegners vereitelt wurde. Ungewöhnlich heftige und anhaltende Winde zerbrachen das polare Packeis, trennten mich mit ungenügenden Nahrungsmitteln von meinen Hilfsabteilungen, sodass ich umkehren musste, weil die Gefahr des Verhungerns drohte, gerade als das Ziel in erreichbare Nähe kam.
In Anbetracht der Art und Weise, in welcher der endliche Erfolg meine Prophezeiungen rechtfertigte, mag es vielleicht von Interesse sein, in einiger Ausführlichkeit den Feldzugsplan in Vergleich zu ziehen, den ich mehr als zwei Monate vor der Abreise der »Roosevelt« aus New York auf ihrer letzten Reise nach dem Norden bekannt gemacht hatte, mit der Art und Weise, in der dieser Feldzug nun auch wirklich ausgeführt wurde.
Anfang Mai 1908 skizzierte ich in einem veröffentlichten Rechenschaftsbericht den folgenden Plan:
»Ich werde dasselbe Schiff, die ›Roosevelt‹, benutzen, werde New York Anfang Juli verlassen, werde die gleiche Route einschlagen, Sydney (Kap Breton-Insel), Belle-Isle-Straße, Davis-Straße, Baffin-Bai und Smith-Sund, werde dieselben Methoden, Ausrüstungsgegenstände und Nahrungsmittel benutzen, werde eine kleine Anzahl von weißen Männern haben, die wir durch Eskimos ergänzen, werde diese Eskimos und Hunde wie früher in der Gegend des Walfischsundes aufnehmen und werde versuchen mein Schiff bis zu denselben oder doch ähnlichen Winterquartieren an der Nordküste von Grant-Land hinaufzuzwingen, alles gerade so wie im Winter 1905/06.
Der Schlittenmarsch wird wie zuvor im Februar beginnen, aber meine Marschroute wird folgendermaßen abgeändert werden: Zuerst werde ich der nördlichen Küste nach Westen bis zum Kap Columbia, möglicherweise auch noch weiter folgen, statt das Land schon bei Point Moß zu verlassen, wie ich es ehemals getan hatte.
Zweitens: Sobald wir das Land verlassen haben, wird mein Kurs mehr nach Nordwesten gehen als früher, um zu vermeiden oder, wenn man will, in Anschlag zu bringen den östlichen Bruch des Eises zwischen der Nordküste des Grant-Landes und dem Pole, den ich auf meiner letzten Expedition entdeckt hatte. Eine andere wesentliche Änderung wird eine energische Beisammenhaltung meiner Schlittenabteilungen auf dem Marsche sein, um zu verhindern, dass ein Teil der Expedition von den Übrigen abgetrennt wird und dann ungenügende Nahrungsmittel hat, um einen lang ausgedehnten Vorstoß zu machen – wie es mir ja bei der letzten Expedition ging.
Ich hege keinen Zweifel, dass jene Große Rinne (eine Straße von offenem Wasser), die ich bei meiner letzten Expedition auf dem Hinmarsch und dem Rückmarsch traf, ein wesentliches und dauerndes Merkmal von diesem Teil des arktischen Ozeans ist. Ich habe wenig Zweifel, dass ich diese Rinne anstatt der Nordküste des Grant-Landes mit voll beladenen Schlitten werde zum Ausgangspunkt wählen können. Ist dies geschehen, so wird es den Weg nach dem Pol um einhundertfünfzig Kilometer abkürzen und die Sache entschieden vereinfachen.
Bei dem Rückmarsch werde ich bei der nächsten Expedition voraussichtlich das freiwillig tun, was ich das letzte Mal unfreiwillig tat, d. h. ich werde mich auf die Nordküste von Grönland zurückziehen, anstatt zu versuchen an die Küste des Grant-Landes zurückzukommen. Ein Zusatz zu diesem Programm wird voraussichtlich die Errichtung eines Depots auf der Nordküste Grönlands sein, das die erste Hilfsabteilung, welche zum Schiff zurückkehrt, anzulegen hat.«
Die hauptsächlichsten Charakteristika dieses Programms fasste ich folgendermaßen zusammen:
»Erstens die Benutzung des Weges durch den Smith-Sund, der so genannten ›Amerika-Route‹. Diese Route muss heute als der beste von allen möglichen Wegen für einen ernsthaften Angriff auf den Pol bezeichnet werden. Ihre Vorteile liegen in einer Festlandbasis, die einhundertfünfzig Kilometer näher an den Pol heranreicht, als es an irgendeinem anderen Punkte der ganzen Peripherie des arktischen Ozeans vorkommt, einer langen Strecke Küstenlinie, auf der man seinen Rückmarsch nehmen kann, und eine sichere und (mir wenigstens) wohl bekannte Rückzugslinie, die von jeder Hilfe unabhängig macht, falls dem Schiff ein Unglück zustoßen sollte.
Zweitens die Wahl einer Winterbasis, die einen größeren Bezirk des inneren Polarmeeres und seiner umgebenden Küsten beherrscht. Kap Sheridan ist tatsächlich ebenso weit entfernt vom Crockerland als von dem bis jetzt noch unbekannten Teil der nördlichsten Küste von Grönland und von dem von mir im Jahre 1906 erreichten äußersten Nordpunkte.
Drittens die Benutzung von Schlitten und Eskimohunden. Männer und Eskimohunde sind nämlich die einzigen so anpassungsfähigen Maschinen, dass sie die großen Anforderungen und Zufälligkeiten arktischer Arbeit ertragen. Luftschiffe, Kraftwagen, abgerichtete Eisbären usw. sind alle ungeeignet, ausgenommen als Mittel, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen.
Viertens die Benutzung der hyperboräischen Eingeborenen, der Eskimos des Walfischsundes für die Schlittenarbeit. Es erscheint unnötig, die Tatsache besonders hervorzuheben, dass Männer, deren Erbschaft, Leben und Arbeit gerade in jener Gegend ist, das beste Material für das Personal einer ernsthaften arktischen Expedition sein müssen. Dies ist mein Programm. Der Gegenstand des Werkes ist die Aufklärung oder wenigstens die Festlegung in den allgemeinen Zügen der noch übrigen großen Probleme in dem amerikanischen Teil der Polargegenden und die Eroberung jener großen Welttrophäe, welche während der letzten drei Jahrhunderte der Gegenstand von Anstrengung und Wetteifer unter tatsächlich allen zivilisierten Nationen der Welt gewesen ist, für die Vereinigten Staaten.«
Und nun vergleiche man diesen Plan mit der Ausführung. Wie es geplant worden war, reiste die Expedition von New York Anfang Juli 1908, genau am 6. Juli, ab. Sie fuhr von Sydney am 17. Juli, von Etah am 18. August ab und kam in Kap Sheridan, dem Winterquartier der »Roosevelt«, am 5. September an. Bis auf eine Viertelstunde genau waren wir an derselben Stelle drei Jahre vorher angekommen. Der Winter wurde angewendet zu Jagden, zu verschiedenen Ausflügen, zur Herstellung der Ausrüstung für unsere Schlittenreise und zum Transportieren von Nahrungsmitteln von der »Roosevelt« längs der nördlichen Küste des Grant-Landes nach Kap Columbia, das unser Ausgangspunkt vom Lande auf unserer Polarreise selbst sein sollte.
Die Schlittenabteilungen verließen die »Roosevelt« vom 15. bis 22. Februar 1909, trafen sich in Kap Columbia, und am 1. März verließ die Expedition dies Kap und marschierte über das Polarmeer dem Pole zu. Der 84. Breitengrad wurde am 18. März überschritten, der 86. am 23. März: den italienischen Rekord schlugen wir am nächsten Tag. Den 88. Breitengrad erreichten wir am 2. April, den 89. am 4. April, und am Nordpol war ich am 6. April zehn Uhr morgens. Hier am Pol blieb ich dreißig Stunden mit Matt Henson, Utäh, dem treuen Eskimo, der im Jahre 1906 mit mir bis auf 87° 06’, damals dem fernsten Nordpunkte, gegangen war, und drei anderen Eskimos, die ebenfalls auf früheren Expeditionen bei mir gewesen waren. Wir sechs verließen auf der Rückreise den so viel ersehnten Pol am 7. April und erreichten das Land in Kap Columbia wieder am 23. April.
Die außerordentliche Schnelligkeit der Rückreise muss der Tatsache zugeschrieben werden, dass wir nur unsere alte Spur wieder aufzunehmen und keine neue zu machen hatten, und weil wir so glücklich waren nicht aufgehalten zu werden. Ausgezeichnete Bedingungen von Eis und Wetter trugen ebenfalls dazu bei, nicht zu erwähnen die Tatsache, dass die Freude des Erfolges unseren rot gelaufenen Füßen Flügel verlieh. Freilich, Utäh, der Eskimo, hatte seine eigene Erklärung. Er sagte: »Der Böse Geist schläft oder hat mit seinem Weibe Ärger, sonst würden wir nicht so leicht zurückgekommen sein.«
Bei dieser Zusammenstellung fällt auf, dass tatsächlich nur in einem einzigen Punkte von dem Plan wesentlich abgewichen wurde, und zwar, indem wir nach Kap Columbia an der Küste des Grant-Landes zurückkehrten, statt weiter östlich nach der Nordküste von Grönland zu gehen, wie ich es im Jahre 1906 getan hatte. Diese Änderung wurde aus guten Gründen, die später klargelegt werden sollen, vorgenommen. Auf meiner Reise liegt nur ein Schatten, und zwar ein recht tragischer. Ich denke dabei an den beklagenswerten Tod von Prof. Ross G. Marvin, der am 10. April, vier Tage, nachdem der Pol erreicht worden war, auf der Rückkehr 86° 38’ nördlicher Breite als Führer einer der Hilfsabteilungen zweiundsiebzig Kilometer nördlich von Columbia ertrunken ist. Mit dieser traurigen Ausnahme ist die Geschichte der Expedition ohne Flecken. Wir kehrten in unser Schiff zurück, zerschlagen, aber unverletzt, in ausgezeichneter Gesundheit und mit dem Protokoll eines völligen Erfolges.
Ohne die Hilfe unserer treuen Eskimos hätten wir schwerlich Erfolg gehabt; und auch mit ihnen würden wir ihn nicht gehabt haben ohne unsere Kenntnis ihrer Fähigkeiten in Bezug auf Arbeit und Ausdauer und ohne das Vertrauen, das jahrelange Bekanntschaft sie gelehrt hatte in mich zu setzen. Ganz gewiss hätten wir auch ohne die Eskimohunde keinen Erfolg gehabt, welche die Zugkraft für unsere Schlitten lieferten und uns so in den Stand setzten, unsere Nahrungsmittel dahin zu schaffen, wohin keine andere Kraft der Erde sie mit der nötigen Eile und Sicherheit geschafft haben könnte. Es kann auch sein, dass wir nicht erfolgreich gewesen wären ohne den verbesserten Schlitten, den ich konstruieren konnte, der in seinem Bau Kraft, Leichtigkeit und bequemes Fortbringen vereinigte und die schwere Aufgabe der Hunde sehr viel leichter machte, als sie ohne das gewesen wäre. Es kann auch sein, dass es uns misslungen wäre, hätten wir nicht solch ein einfaches Ding wie einen verbesserten Wasserkocher gehabt, den ich glücklich genug war auszudenken. Durch seine Hilfe waren wir in der Lage, in zehn Minuten Eis zu schmelzen und Tee zu machen. Auf unseren früheren Reisen hatte dies eine Stunde in Anspruch genommen. Tee aber ist eine absolute Notwendigkeit auf solch einer Schlittenreise, und diese kleine Erfindung sparte jeden Tag eineinhalb Stunden, während wir auf jener Reise dem Pol zustrebten, wo Zeit die Vorbedingung des Erfolges war.
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Eskimo mit Schlittengespann
Jede nur mögliche Zufälligkeit, die mich Jahre von Erfahrungen zu erwarten gelehrt hatten, war vorgesehen worden, jeder schwache Punkt wurde bewacht, jede Vorsicht geübt. Ich hatte ein Vierteljahrhundert das arktische Spiel Eskimo mit Schlittengespann gespielt. Ich war dreiundfünfzig Jahre alt, ein Alter, über das hinaus vielleicht, mit einziger Ausnahme von Sir John Franklin, kein Mann je versucht hatte im Gebiet der Arktis zu arbeiten. Ich war ein wenig über den Höhepunkt meiner Kraft hinaus, es fehlte mir vielleicht ein wenig an der überschäumenden Elastizität und dem Elan jüngerer Jahre; aber diese Beeinträchtigungen wurden vielleicht völlig ausgeglichen durch eine geübte und abgehärtete Ausdauer, eine vollkommene Kenntnis meiner selbst und wie ich meine Kraft bewahren konnte. Ich wusste, es war mein letztes Spiel auf dem großen arktischen Schachbrett. Es hieß diesmal gewinnen oder für immer geschlagen sein.
Der Reiz des Nordens! Er ist ein sonderbares und mächtiges Ding. Mehr als einmal bin ich von den großen Eisgefilden zurückgekommen, zerschlagen und verbraucht und verspottet, zuweilen zum Krüppel gemacht, sodass ich mir selbst sagte, ich hätte meine letzte Reise hierher gemacht, begierig nach der Gesellschaft der Menschen, den Annehmlichkeiten der Zivilisation, dem Frieden und der Heiterkeit der Heimat. Aber es vergingen immer nur wenige Monate, bis das alte Gefühl ungeschwächt wieder über mich kam. Die Zivilisation begann für mich ihren Reiz zu verlieren.
Ich sehnte mich nach der großen weiten Wüste, den Kämpfen mit dem Eis und dem Sturm, der langen, langen arktischen Nacht, dem langen, langen arktischen Tag, der Hand voll von seltsamen, aber treuen Eskimos, die jahrelang meine Freunde gewesen waren, dem Schweigen und der Unermesslichkeit des großen, weißen, einsamen Nordens. Und ich ging also zurück. Einmal nach dem andern, bis zuletzt mein jahrelanger Traum Wirklichkeit wurde.

VORBEREITUNGEN

Ich bin sehr oft gefragt worden, wann ich zuerst den Gedanken gefasst hätte zu versuchen, den Pol zu erreichen. Aber diese Frage ist schwer zu beantworten. Es ist nicht möglich, dabei genau einen Tag oder Monat anzugeben und zu sagen: »Dann und dann kam mir der Gedanke zum ersten Mal.« Der Nordpoltraum war ein stufenweiser und fast unfreiwilliger Ausfluss meiner früheren Arbeit, die damit nichts zu tun hatte. Mein Interesse für arktische Arbeit geht zurück bis 1885, wo meine Phantasie als junger Mann beim Lesen der Erzählungen von Nordenskiölds Forschungsreisen in das Innere Grönlands angeregt wurde. Diese Studien nahmen mich völlig gefangen und brachten mich dazu, im folgenden Jahre ganz allein eine Sommerreise nach Grönland zu unternehmen. Irgendwo in meinem Unterbewusstsein mag ebenso lange eine dämmernde Hoffnung gewesen sein, einst den Pol selbst zu erreichen. Wie dem auch sei, der Magnet des Nordens, das »arktische Fieber«, wie man es genannt hat, war über mich gekommen und ich fühlte, dass mein Schicksal zwischen den eisigen Gefilden der arktischen Welt lag, ich fühlte, dass Wesen und Ziel meines Seins die Lösung der Geheimnisse der eisigen Wildnisse der Arktis war. Aber der Nordpol selbst als Ziel einer Expedition verwirklichte sich erst 1898, als die erste Expedition des Peary Arctic Club nach Norden ging mit der offen ausgesprochenen Absicht, den 90. Breitengrad zu erreichen – wenn es möglich wäre. Seit dieser Zeit habe ich sechs verschiedene Versuche in sechs verschiedenen Jahren gemacht, den ersehnten Punkt zu erreichen. Die Schlittensaison, in der solch ein Unternehmen möglich ist, reicht etwa von Mitte Februar bis Mitte Juni. Vor Mitte Februar ist nicht hinreichendes Tageslicht und nach Mitte Juni ist es wahrscheinlich, dass zu viel offenes Wasser hindert.
Während dieser sechs früheren Versuche, den Preis zu gewinnen, wurden nach und nach die Breiten von 83° 52’, 84° 17’ und 87° 06’ erreicht; Letztere gab den Vereinigten Staaten den Rekord des »weitesten Nordens« wieder, der ihnen für eine Zeit zuerst von Nansen, dann vom Herzog der Abruzzen entrissen worden war.
Bei der Schilderung dieser letzten und erfolgreichen Expedition...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über den Author
  3. Zum Buch
  4. Titel
  5. Impressum
  6. INHALT
  7. Vorwort des Herausgebers
  8. Die Entdeckung des Nordpols
  9. Anhang
  10. Kontakt zum Verlag