Schwerer Kreuzer Blücher
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Schwerer Kreuzer Blücher

  1. 188 Seiten
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Schwerer Kreuzer Blücher

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Über dieses Buch

»Stählerner Sarg«, »Zeitbombe«, »Umwelt-Gefahr« - wohl kaum ein deutsches Kriegsschiff hat international für mehr Schlagzeilen gesorgt als der Schwere Kreuzer BLÜCHER. Seit mehr als 70 Jahren liegt er kieloben auf dem Grund des Oslo-Fjords in 90 Metern Tiefe, versenkt von uralten Krupp-Kanonen. Die Essener Waffenschmiede hatte die Geschütze 1892 nach Norwegen geliefert. Zwei Volltreffer besiegelten schließlich das Schicksal des Schweren Kreuzers, bereiteten der Jungfernfahrt am 9. April 1940 ein jähes Ende. Hunderte von Soldaten ertranken oder verbrannten. Dabei galt das damals modernste Schiff der deutschen Kriegsmarine als unsinkbar. Nach dem Inferno im Morgengrauen hielt BLÜCHER bis heute die Menschen in Atem. Aus dem Wrack blubberte Öl. Ein buntschillernder Fleck markierte die Untergangsstelle. Norwegen drohte die schlimmste Naturkatastrophe - bis zur »Operation Blücher«.----Bitte beachten Sie, dass es sich bei diesem Titel um eine Fixed Layout-Version handelt. Bitte prüfen Sie, ob Ihr Reader dieses ebook lesen kann.----

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783782211314

Gerettet – Überlebende berichten*

* Anmerkung der Autoren: Viele der Aussagen wurden schon kurz nach dem Untergang abgegeben. Andere Stellungnahmen konnten erst im Herbst 1941 entgegengenommen werden.
Unglaublich, aber wahr: Kurz bevor das Heck der BLÜCHER in den Fluten des Oslo-Fjords versank, sahen Augenzeugen noch einen Soldaten auf einer der seitlichen Schrauben stehen … Dieser Mann konnte sich ebenfalls retten. Es handelte sich um den Mechaniker-Gefreiten Heinz Seele. Er erlebte die letzten Minuten so: »Ich hatte als Mechanikergast an Bord Turm C gefahren. Als wir die Torpedo-Treffer bekamen, befand ich mich mit einem Maat auf der Maschinenplattform. Das Schiff hob sich, um gleich darauf wieder abzusacken, blieb mit zehn Grad Schlagseite liegen. Es mochten wohl fünf bis zehn Minuten vergangen sein, als wir uns plötzlich zum Aussteigen fertigmachen sollten.
Als ich ans Oberdeck kam, hätte ich unser schönes Schiff bald nicht wiedererkannt. In der Mitte stand alles in Flammen, die Flugzeughalle und der Schornstein brannten. Nach dem Befehl, das Schiff zu verlassen, stand ich noch mit einigen Kameraden auf der Schanz. Wir rauchten unsere letzte Zigarette an Bord. An Land zu schwimmen hatte keiner Lust, denn das Wasser war sehr kalt. Aber es nützte ja alles nichts, das Schiff legte sich immer mehr nach Backbord über. So entschlossen sich die ersten, ans Ufer zu schwimmen. Unsere Schwimmwesten hatten wir den Landsern gegeben. Die Feldgrauen konnten ja zum größten Teil nicht schwimmen.
Von einem Turm hatte man noch eine Rettungsinsel geholt. Wir machten sie klar und legten Verwundete darauf. Als wir fertig waren, wollten der Mechanikerobergefreite Münch, der Gefreite Morgalla und ich auch ins Wasser gehen. Morgalla ließ sich als erster fallen, schrie nur noch: ›Au, ist das verflucht kalt‹ und schwamm los. Als zweiter folgte Münch. Nun hätte ich eigentlich ins Wasser springen sollen, aber ich bin dann noch einmal nach oben gegangen. Das Schiff lag schon mit der Backbordseite bis zum Oberdeck im Wasser. Während ich oben stand, begann das Schiff ganz zu sinken. Immer mehr legte es sich auf die Seite, kippte plötzlich ganz um. In dieser Zeit kletterte ich über die Steuerbordseite bis auf die Schraube. Als ich dort war, hob sich der Kreuzer etwas aus dem Wasser und sank in die Tiefe.
Ich wurde von einem Strudel erfaßt und mit hinuntergerissen. Aber zum Sterben hatte ich noch keine Lust. Und so kämpfte ich, bis ich wieder an die Oberfläche kam. Dort sah ich, wie das ganze Öl auf dem Wasser brannte. Ich schwamm auf das Ufer zu. Als ich fast 50 Meter zurückgelegt hatte, kam noch einmal eine Welle über mich. Ich nahm meinen ganzen Willen zusammen und erreichte schließlich das Festland. Da traf ich auch Morgalla wieder. Nur Münch fehlte. Kameraden berichteten, daß er einen Herzschlag bekommen hätte. Unglücklicherweise waren wir auf einer Insel gelandet, und so saßen wir wieder fest. Bis zum Nachmittag mußten wir dort bleiben. Zum Glück schien gerade etwas die Sonne. Damit war es nicht mehr ganz so kalt. Unglücklicherweise stellten wir Verbrennungen an Hals und Gesicht fest, weil wir durch das auf der Wasseroberfläche lodernde Heizöl geschwommen waren. Morgalla hatte sogar noch eine schwere Brandwunde am Bein.
Von der Insel wurden wir später mit Floß-Säcken zum Festland gebracht und als norwegische Gefangene interniert. Die Norweger führten uns zu einem Bauernhaus. Einen Kilometer brauchten wir bloß zu laufen, meinte der Offizier. Aber in Wirklichkeit waren es drei oder vier, die wir barfuß durch Schnee und über Felsen zurücklegten.«
*
Der Mechaniker-Obergefreite Günther Morgalla berichtete: »Ich hatte meine Schwimmweste einem Infanteristen geschenkt, er war Familienvater. Dann sprang ich ins Wasser. Die Kälte machte mir schwer zu schaffen, und mit letzten Kräften erreichte ich das Ufer. Während des Schwimmens erscholl an Land plötzlich das Deutschland-Lied und in einer Art Galgenhumor der Song ›Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern …‹. Als ich die Küste erreichte, merkte ich, daß ich verwundet war. Mein linkes Bein wies starke Brandverletzungen auf und blutete heftig. Am Hals war es ähnlich. Ich wurde von unserem Stabsarzt verbunden. Dann kamen wir in norwegische Gefangenschaft, wo wir nicht besonders gut behandelt wurden. Den Weg zum Lager legte ich barfuß zurück. Deutsche Truppen schafften uns von dort nach Oslo, wo wir endlich wieder zu Menschen wurden.«
*
Auch Ludwig Wessel aus Quickborn bei Hamburg erinnerte sich gut an das grausige Geschehen: »Der Einsatz auf dem Schweren Kreuzer kam für mich völlig überraschend, ich arbeitete damals bei der Reichspostdirektion Hamburg, als ich die Einberufung erhielt. Ich mußte mich bei einer Militärstelle in Lüneburg melden. Drei Tage später ging es nach Potsdam. Wir wurden in Ställen einquartiert, aus denen gerade die Pferde getrieben worden waren. Am Tage exerzierten wir auf dem Hof, abends schliefen wir im Stroh. Dann wurden wir ganz plötzlich in Eisenbahnwaggons wegtransportiert. Die Fahrt dauerte drei Tage, in Swinemünde war Endstation, wir wurden auf BLÜCHER eingeschifft.
Als der Kreuzer im Oslo-Fjord schwer getroffen wurde, waren wir gerade unter Deck. Im Schott 99 nebenan explodierten ständig MG-Patronen. Es dauerte nicht lange, da glühte die mit dicker Ölfarbe bestrichene Wand, und BLÜCHER bekam Schlagseite. Wir krochen schließlich durch eine Speisedurchreiche noch nach oben. Im Chaos an Deck erwischte ich eine halbe Schwimmweste. Gemeinsam warfen wir ein 4 x 4 Meter großes Floß ins Wasser. Es breitete sich automatisch aus. In großen Buchstaben stand drauf: ›Erst nach zehn Minuten zu befahren!‹ Viele der Soldaten, die zum Teil aus Süddeutschland und Österreich stammten, beachteten die Warnung jedoch nicht und sprangen sofort. Die Folge: Sie rutschten ab und ertranken in den eiskalten Fluten.
Vom schräg liegenden Schiff ließ ich mich ins Wasser gleiten und schwamm zu einer etwa 30 Meter entfernt treibenden Rettungsinsel. Mein Glück war, daß ich zuvor alle Öffnungen an der Kleidung zugestopft hatte. So wurde ich nicht so rasch naß und konnte die Energie umsetzen, um auf das Floß zu gelangen. Zu viert erreichten wir das kleine Eiland Askeholmen. Die Insel bedeutete für rund 200 Mann der BLÜCHER die Rettung. Als der Schwere Kreuzer sank, kämpften auf dem Wasser viele Soldaten verzweifelt um ihr Leben. Und einige schafften es, im eiskalten und gleichzeitig an der Oberfläche brennenden Wasser ans Ufer zu schwimmen. Teilweise schlugen wir einige Kameraden, um sie ins Bewußtsein zurückzubringen. Anschließend liefen wir mit ihnen umher. 36 Stunden verbrachten wir auf Askeholmen. Mit Reichskreditkassenscheinen entzündeten wir ein Feuer, um uns zu wärmen. Am nächsten Tag befreite uns die EMDEN. An Bord wurden wir mit heißer Hühnerbrühe und heißem Rum versorgt.«
*
Maschinen-Obermaat Werner Brand aus Hamburg verließ den Maschinenraum der BLÜCHER erst, als das Wasser bereits durch Risse über die grauen Stahlplatten schoß. »An Deck traf ich einen weinenden Landser, der zum ersten Mal auf einem Schiff war. Er konnte nicht schwimmen. Ich schenkte dem armen Teufel meine Schwimmweste – hoffentlich kam er durch.« Brand rettete sich schwimmend ans Ufer. »Als ich dort ankam, war ich steif wie ein Brett und mußte mich an Land ziehen lassen.« Brand wurde später auf die TIRPITZ versetzt. Als das Schlachtschiff am 12. November 1944 vor Tromsö bombardiert wurde und kenterte, war Brand zum Glück in Hamburg auf Hochzeits-Urlaub.
*
Matrose Hermann Himstedt aus Nettlingen erzählte: »Weil das Wasser so kalt war, blieben wir so lange wie möglich auf dem Kreuzer. Doch dann sprang einer nach dem anderen über Bord. Manche kamen auch wieder zurück und fanden den Tod auf dem sinkenden Schiff. Zwei Auswege gab es, um sich vor dem Ertrinken oder Verbrennen zu retten, dafür aber in die Hand des Feindes zu gelangen: Rund 300 Meter entfernt lag eine Insel, 500 Meter entfernt das Festland. Schließlich sprang auch ich in das eiskalte Wasser und schwamm zur Felseninsel. Dort saßen meine Kameraden und ich nun in nassen Uniformen.
Einen Tag harrten wir aus, warteten, froren und hungerten. Mittags nahten deutsche Flugzeuge, die schon am Morgen hätten eintreffen müssen. Die Maschinen bombardierten die Festung. In der Zwischenzeit starben fünf meiner Kameraden.
Mit einem norwegischen Kutter wurden wir von der Insel geholt. Als das Boot auf uns zukam, dachten wir darüber nach, was wir tun sollten. Unser Kampfgeist war noch nicht erlahmt. Aber sollten wir den Mann, der uns an Land bringen wollte, hinterrücks erschlagen? Wir hätten nichts gewonnen!«
*
Obermaat Hans Müller aus Wahlstedt erlebte den Untergang so: »Ich war als Entfernungsmesser auf dem Posten, als eine fürchterliche Detonation unsere BLÜCHER erschütterte. Von meinem Sattel flog ich an die Decke des Turms, rannte mir den Kopf ein, verspürte einen heftigen Schmerz in der linken Hüfte. Ich riß mir das Telefon vom Kopf und knallte es mit Gewalt an die Wand, sollte das Ding doch zum Teufel gehen. Ich verließ den Turm mit Gasmaske. Ich war kaum an Deck, da flog die Flugzeughalle in die Luft. Ich peilte kurz die Lage und beteiligte mich daran, alle schwimmenden Gegenstände zusammenzutragen, um sie den zum Teil schon im Wasser liegenden Soldaten zuzuwerfen.
Ich begegnete dem Ersten Offizier. Er machte einen ruhigen Eindruck, gab Anweisungen. Dann stand ich plötzlich sogar neben dem Admiral und dem General. Alles war ruhig, niemand drehte durch. Etwas flog über meinen Kopf hinweg. Es war das Signalbuch, dessen Rücken mit Blei beschwert war. Ein Signalmaat mußte das Buch auf Befehl des Obersignalmeisters über Bord werfen. Ich stieg auf das Brückendeck. Die ganze Zeit über knallte und prasselte es an allen Ecken. Die gesamte MG- und Gewehrmunition, die den Infanteristen gehörte und am Oberdeck in gewaltigen Mengen aufgestapelt war, flog nach und nach in die Luft.
Dann ein Ruf vom Vormars: ›Hier oben sind noch fünf Schwerverletzte!‹ Es war Bootsmaat Jansen, der sich über die Brüstung lehnte und verzweifelt zu uns herunterschrie. Schnell wurden einige Leinen nach oben gegeben und befestigt. Nach und nach gelang es uns, die schlimm zugerichteten Kameraden zu bergen. Ich kletterte auf das Torpedo-E-Meßgerät, das sich in halber Höhe vom Mast befand, um die abgeseilten Verwundeten in Empfang zu nehmen.
Als erster kam ein Gefreiter, dem der linke Fuß nur noch an einer Sehne zu hängen schien. Blut tropfte mir ins Gesicht. Im Moment ekelte es mich, doch dann dachte ich nicht mehr daran, wischte mir mit dem Ärmel übers Gesicht und langte den Kameraden weiter nach unten durch. Er sah mich ruhig und dankbar an. Ich redete ihm gut zu. Als nächster wurde ein Gefreiter mit durchgeschlagenen Oberschenkeln abgeseilt. Ich hatte große Mühe auf dem wackeligen Stand. Zuletzt machte der starke Qualm uns immer schwerer zu schaffen. Trotzdem bekamen wir auch die letzten Männer heil nach unten.
Ich hörte Bootsmann Jakob rufen, der zum BLÜCHER zurückschwamm. Er hatte scheinbar eine Verletzung, und ihm drohten die Kräfte zu versagen. Ich warf ihm eine Hängematte zu. Vor mir sprang ein Infanterie-Offizier feldmarschmäßig ins Wasser. ›Donnerwetter, der hat Schneid, ist doch aber Wahnsinn‹, dachte ich. Schade, daß ich keine Schwimmweste hatte. Bevor ich ohne Schwimmweste über Bord sprang, rauchte ich noch eine Zigarette, zog die Stiefel aus und band mir meine blaue Hose um die Hüften. Die Ärmel meines eng anliegenden blauen Hemdes krempelte ich auf. Zwei Möglichkeiten gab es, ans Ufer zu kommen: Eine näher gelegene Insel und das Festland. Ich wählte das zweite Ziel, da ich sonst gegen den Wind und den Strom hätte schwimmen müssen.
An Backbord sah ich eine Balje, um die sich niemand zu kümmern schien. Kurz entschlossen holte ich ein paarmal tief Luft und sprang mit angehaltenem Atem in das sehr stark mit Öl gemischte Wasser, schwamm auf die sechs bis acht Meter entfernt treibende Balje zu. Von Bord der BLÜCHER rief mir der Obergefreite Lange zu: ›Herr Obermaat, ich schwimme mit!‹ Jeder hielt sich mit einer Hand fest, mit der anderen machten wir kräftige Stöße. Erst jetzt merkte ich, wie scheußlich kalt das Wasser war. Wir waren etwa 30 Meter weit geschwommen, als wir von Bord drei Hurras auf den Obersten Befehlshaber und BLÜCHER hörten. Alle, auch die im Wasser befindlichen Soldaten, riefen mit.
Eine kurze Zeit hörten wir auf zu schwimmen und warfen einen Blick auf unser Schiff. Ein Massenstart ins Wasser fand statt. Viele Kameraden schwammen vor, neben und hinter uns. Ab und zu hörte ich einen um Hilfe rufen, sah jemanden die Arme hochwerfen und versinken. Auch manchen verzweifelten Ruf nach Vater und Mutter oder einen Mädchennamen vernahm ich. Obgleich viele in meiner Nähe versanken, konnte ich nicht helfen, es wäre Selbstmord gewesen. Als wir 150 Meter zurückgelegt hatten, waren unsere Hände wie welkes Laub zusammengerollt.
Einen Augenblick schienen mich die Kräfte zu verlassen. Ich dachte an meinen Vater, meine Mutter und meinen Bruder. Ein unerschütterlicher Lebenswille stieg in mir auf. Etwa zehn Meter vor dem felsigen Strand kenterte unsere Balje. Jeder paddelte für sich los. Noch einmal wurde mir schwach, dann faßte ich eine Schwimmweste, die mir von Land aus zugeworfen wurde. Halb benommen und kraftlos kroch ich auf allen vieren das steinige Ufer hoch. Bekleidet mit Unterzeug, Trainingshose, Mütze, blauem Hemd, watete ich barfuß durch den Schnee. Wenige Minuten später erfaßte mich ein Schüttelfrost, der mich beinahe ins Jenseits befördert hätte. Ein Kapitänleutnant und ein Obermaschinist machten Feuer – ein Umstand, dem viele Kameraden und ich unser Leben verdankten. Halb nackt, die Füße waren mittlerweile erfroren, sammelten wir Holz, trockneten nach und nach unsere Sachen.«
*
Obersteuermann Rüdiger Perleberg meldete: »Die schwierige Navigation durch den Oslo-Fjord bei Nacht erlaubte mir nicht, meine eigentliche Gefechtsstation (Kommandozentrale) zu besetzen. Mein Aufenthalt während der ganzen Fahrt und dem eigentlichen Gefecht war daher der Schutzstand auf der Kommandobrücke. Oscarsborg war noch etwas voraus, als wir plötzlich einen Treffer im Vormarsch erhielten. Kurze Zeit später mußte dann noch ein anderer Treffer die Maschinentelegrafen-Leitung und die Verbindung zur Ruderanlage zerstört haben. BLÜCHER drohte auf Oscarsborg zu laufen. Denn der Rudergänger und Posten Maschinen-Telegraf meldeten Versager in den Anlagen.
Der Kommandant ließ ›äußerste Kraft voraus‹ geben, und das Schiff kam wieder frei von der Küste. Kurze Zeit später, ungefähr querab von Oscarsborg, erfolgten zwei schwere Erschütterungen an Backbord unter der Wasserlinie. Das ließ auf Torpedo- oder Minentreffer schließen. Eine Grundberührung kam nicht in Frage, weil die Felswand dort sehr tief abfällt. Das Schiff drehte nach Steuerbord. Eine neue Gefahrensituation entstand, weil dort die Wasserverhältnisse nicht so gut waren. Der Kommandant ließ nun das Ruder nach Backbord legen und versuchte mit entsprechenden Maschinen-Manövern das Schiff auf den von mir herausgegebenen Kurs von 344 Grad zu bringen.
Die Meldung des Ersten Offiziers über den Ausfall der Maschine und den Treffer in der Flugzeughalle sowie den Ausfall der Feuerlöschleitungen veranlaßte den Kommandanten dann, vor Digersgrunn vor Anker zu gehen. Der Steuerbord-Anker wurde auf etwa 70 Meter Tiefe fallen gelassen. Der Ankerkurs war ungefähr 15 bis 20 Grad. Durch den leichten, aufwärts laufenden Strom drehte das Schiff nach Steuerbord. Die Hoffnung, daß es sich achtern selbst aufsetzen würde, bestätigte sich nicht. Als das Schiff unterging, hatte es über Gegen-Ankerkurs hinweggedreht und lag ungefähr auf 210 bis 220 Grad.«
*
Steuermannsmaat Klug berichtete: »Meine Gefechtsstation war der Handruderraum. Als BLÜCHER die Ansteuerung von Oslo-Fjord passierte, hatte ich vom Obersteuermannsmaat den Befehl erhalten, Position zu beziehen. Der Raum war besetzt durch den Rudergänger, einen Befehlsübermittler, den Steuermannsgasten-Matrosen und den Hauptgefreiten Bonn, der den Ersatz-Schiffsführungsfernsprecher bediente. Im Handruderraum war eine Koppelstelle, und ich koppelte sofort mit. Die Artillerie-Treffer verursachten keinen Ausfall.
Als die Unterwasserdetonationen erfolgten, gab es eine kräftige Erschütterung. Dabei erlosch sofort das Licht bis auf eine Lampe. Ebenfalls fielen bis auf die Schiffsführungsfernsprechanlage alle Fernsprecher aus. Gleichzeitig streikten die vordere und achtere Kreiselkompaßanlage. Ich mußte der Brücke melden: ›Kurs kann nicht gehalten werden‹. Kurze Zeit später fiel der Anker. Als das Achterschiff geräumt wurde und jegliche Verbindung mit der Brücke und Kommandozentrale unterblieb, gab ich den Befehl zum Räumen der Handruderanlage. Die Posten zeigten während des Gefechts eine große Ruhe und handelten sicher. Der Raum wurde um 6.42 Uhr verlassen. Die genauen Uhrzeiten während des Gefechts sind mir entfallen.«
*
Oberfeldwebel Kloppmann berichtete: »Ich war zwischen Seeziel-Artillerie und der achteren Rechenstelle eingeteilt. Nach dem ersten Unterwasser-Treffer liefen sofort Störungsmeldungen der Türme ein. Nach dem zweiten Unterwasser-Treffer fiel die gesamte E-Anlage aus. Mechanisch aber waren sämtliche Geräte der Rechenstelle noch voll verwendungsfähig. Während der gesamten Zeit benahm sich die Bedienung der Rechenstelle diszipliniert und ruhig. Trotz des Wassereinbruchs in der Nebenabteilung und der starken Schräglage konnte ich bei keinem der Leute irgendwelche Merkmale von Nervosität feststellen. Wir verließen die Rechenstelle durch den Notausgang.«
*
Heinz-Günther »Henry« Carlé war als Oberleutnant zur See Gefechtsbeobachter auf dem Vormars: »Ich sah das Mündungsfeuer. Dann kamen die Einschläge, und ich wurde für kurze Zeit bewußtlos. Als ich zu mir kam, war mein rechtes Auge ausgelaufen, ein Splitter hatte mehrere Zähne zertrümmert. Das Schiff wurde noch einige Male getroffen, ich spürte die schweren Erschütterungen der Torpedo-Treffer, die unserem nagelneuen Kreuzer tödliche Wunden schlugen. Schließlich schaffte ich es, aus dem 35 Meter über dem Wasser liegenden Vormars an Deck zu gelangen. Der Kreuzer brannte lichterloh und hatte schwere Schlagseite.
Mit mehreren Offizieren, darunter Korvettenkapitän Hugo Förster, warfen wir den schon im Wasser schwimmenden Kameraden alle verfügbaren Grätings von der Brücke an Steuerbord zu. Leider wurden sie abgetrieben. Wir hatten den Kreiselstrom nicht bedacht. Daraufhin holte ich mir einige Seeleute von der Back und ließ mit Kapitänleutnant Zoepffel den noch unbeschädigten Steuerbord-Kutter zu Wasser. Das war sehr schwierig, weil der Schwere Kreuzer mit der Backbord-Seite schon tief im Wasser lag. Der Kutter unter Führung von Kapitänleutnant Mihatsch fuhr um den Bug auf die Backbord-Seite und übernahm dort Schwerverwundete. Alle anderen Boote waren stark beschädigt, für Rettungszwecke nicht mehr zu gebrauchen.
Zusammen mit anderen Kameraden versuchte ich dann, Heeres-Soldaten an Deck zu ziehen. Die Infanteristen waren inzwischen zum Teil aus den Bulleyes an der Steuerbord-Seite unterhalb der Back her...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Über das Buch
  4. Impressum
  5. Inhalt
  6. Kreuzer »BLÜCHER«
  7. Der Weg der »Blücher«
  8. Einführung
  9. Der Stapellauf
  10. Die Vorgänger der BLÜCHER
  11. Gebhard Leberecht von Blücher
  12. Der Begriff »Schwerer Kreuzer«
  13. Kriegstagebuch Kreuzer BLÜCHER
  14. Endspurt an Bord – die letzten Werft-Tage
  15. Der Operationsplan
  16. Gliederung der gesamten Flotte
  17. Das Unternehmen »Weserübung«
  18. Der Marsch nach Norden
  19. Einfahrt in den Oslo-Fjord
  20. Die erste Sperre
  21. Landung auf Rauöy
  22. Landung auf Bolärne
  23. Kampf vor Horten
  24. Eroberung von Horten
  25. BLÜCHER marschiert weiter
  26. Die Festung Oscarsborg
  27. Der Untergang
  28. Mittschiffs auf 75 Meter Länge – jeder Schuß ein Treffer
  29. Gerettet – Überlebende berichten*
  30. Die geheimnisvollen Papiere
  31. Fjord in Flammen – zehnstündiges Bombardement
  32. Unruhe in Oslo – wo bleiben die Schiffe?
  33. Kritik und Vorwürfe nach dem Untergang
  34. Kriegstagebuch »BLÜCHER – Oslo« vom 9. bis 23. April 1940
  35. Das Wrack im Oslo-Fjord
  36. Daten zum Öl
  37. Erster Bergungsversuch
  38. Die Donald-Duck-Methode
  39. Tod in 70 Meter Tiefe
  40. Die »Operation BLÜCHER«
  41. Dank
  42. Quellen- und Literaturverzeichnis
  43. Personenregister
  44. Anmerkungen zur Einführung
  45. Kartenausschnitt Oslo-Fjord
  46. Bildtafeln