1965: Rue de Grenelle
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1965: Rue de Grenelle

  1. 352 Seiten
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1965: Rue de Grenelle

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Über dieses Buch

Politische Intrigen, eine unmögliche Liebe und ein gefährliches Geheimnis führen den Leser in das dunkle Labyrinth des unterirdischen Paris des Jahres 1965.Oktober 1965: Steffen träumt von einem Studium an der renommierten Grand École Science Po in Paris. Für die Aufnahmeprüfung reist der Münchner in die französische Hauptstadt zu seinem Freund André, der ein großes Appartement in der Rue de Grenelle bewohnt. In diesem mit vergilbten Häkeldecken und Brokatvorhängen ausstaffiertem Reich, das André von seiner Tante, einer Gräfin, geerbt hat, scheint die Zeit stillzustehen. André jedoch ist wie ausgewechselt: Anstatt zu studieren, arbeitet er mit fieberhaftem Eifer an einem streng geheimen Projekt: eine Karte des berüchtigten Pariser Untergrunds. Feine Linien markieren uralte Wege und Stollen, in denen im zweiten Weltkrieg Widerstandskämpfer und vom Naziregime Verfolgte Zuflucht fanden. Und Steffen trifft Sarah, eine Jüdin, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Als André auf offener Straße von einem unbekannten Angreifer attackiert wird und immer neue unbekannte Gesichter in seiner Wohnung auftauchen, ahnt Steffen, dass die Karte einem Verbrechen dienen soll. Die Ereignisse überschlagen sich und führen Steffen in den Pariser Untergrund. Verloren im dunklen Geflecht der feuchten Gänge, wird ihm klar, er hat sich weit vorgewagt, vielleicht zu weit. Doch als kein Weg mehr zurückführt, hat er mit einem Mal ein klares Ziel vor Augen. Auf spannende Weise lässt J. R. Bechtle das Paris der 60er Jahre auferstehen. In lebendigen Szenen erzählt er von verdeckten politischen Intrigen, der Arbeit von Geheimdiensten und einer Liebe gegen alle Widerstände, die den Helden in ein weitverzweigtes Netz an Geheimnissen vordringen lässt.

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Information

Montag, 1. November 1965

»Er wacht auf!«
»Wird langsam Zeit, vierundzwanzig Stunden sollten reichen!«
Steffen erkennt Aarons Stimme, beruhigt in seiner Gegenwart atmet er gleichmäßig, schließlich öffnet er die Augen. Am Bett neben ihm sitzt ein ihm unbekannter Mann. Steffen schaut um sich, als suche er nach etwas, das hinter der leeren Wand einer langen Nacht verschwunden ist.
Der Mann hält Steffens Hand. Was machen sie mit mir, denkt er.
»Dein Puls ist normal. Auch keine erhöhte Temperatur. Die Schwellungen und Prellungen gehen mit der Zeit zurück. Du hast Glück gehabt«, sagt der Mann.
»Ich habe Hunger.« Steffen erschrickt vor seiner eigenen Stimme.
»Ein gutes Zeichen. Ich glaube, wir haben nichts zu befürchten. Das Pissen wird dir wehtun, aber sonst ist im Wesentlichen alles in Ordnung. Solange du dich vom Untergrund fernhältst und von den Arabern, hast du gute Chancen, noch einmal davonzukommen.«
»Wie spät ist es?« Er bemerkt den Verband um seinen Handballen.
»Es ist Montagnachmittag. Du hast seit Freitag geschlafen, mehr oder weniger, erst zwei Tage im Untergrund und nun einen Tag hier.«
»Drei Tage geschlafen, wie kann ich mich da so schlapp fühlen?«
»Kommt vom Schlafen. Wäre schön, wenn das alles wäre.«
Steffen geht mühsam ins Bad. Er blickt stumm in sein geschwollenes Gesicht, berührt vorsichtig die Nase.
»Gebrochen?«, fragt er den hinter ihm stehenden Mann.
»So wie es aussieht. Aber das heilt von selbst. Macht dich interessant.«
Aaron reicht ihm einige Kleidungsstücke. »Zieh dich an.«
Sie lassen ihn allein im Bad.
»Es scheint alles in Ordnung«, hört er die andere Stimme, »oberflächlich jedenfalls.« »Meinst du, er kann morgen reisen?«
»Solange du ihm eine glaubhafte Erklärung für sein Aussehen mit auf die Reise gibst.«
Als er aus dem Bad kommt, wartet Aaron allein auf ihn.
»Der Arzt ist mit dir zufrieden. Ich hatte mir Sorgen gemacht, vergangene Nacht hast du unruhig geschlafen, zeitweise hast du furchtbar geschwitzt, hattest auch erhöhte Temperatur. Gelegentlich hast du unverständliches Zeug gefaselt. Ich hoffe, das ist alles aus dir raus. Nun musst du etwas essen.«
Steffen versucht, sich an die Nacht zu erinnern, aber es sind keine Bilder von seinen Träumen hängengeblieben.
Aaron reicht ihm seine Lederjacke, die gereinigt wie neu aussieht.
Der Ausgang des Hauses führt auf eine leicht abschüssige Straße.
»Präg dir das Haus gut ein, die sehen hier alle gleich aus. Wir befinden uns in der Rue Nollet, die zur Place Clichy führt. Dort kennst du dich aus, nehme ich an.«
Auf der anderen Straßenseite wartet der Simca. Der Fahrer blickt ausdruckslos zu ihnen herüber. Verworrene Erinnerungen an die Fahrt vom Friedhof überkommen Steffen, es ist schwierig, die Wirklichkeit von seinen fiebrigen Träumen zu trennen.
»Am besten gehen wir zu Fuß«, schlägt Aaron vor. Er greift Steffen stützend am Arm. Allerheiligen, feiertägliche Ruhe. Sie gehen in ein Café an der Ecke der Rue Lécluse. Steffen bestellt Croissants und Milchkaffee. Aaron beobachtet ihn stumm.
»Du hast mich gerettet«, bricht Steffen ihr Schweigen. »Warum, du hast mich doch nie gemocht?«
Aaron zieht mit einem Zahnstocher unregelmäßige Kreise auf dem kleinen Holztisch.
»Ich habe nie verstanden, warum ich das Grauen der Lager überlebt habe. Ich habe nicht darum gekämpft, habe das Leben nicht mehr gewollt. Als Kind hörte ich die Legende, einem Kranken oder einem Alten noch etwas Lebenszeit von dem eigenen Leben zu schenken, einige Stunden, allenfalls Tage. Das großzügigste aller Geschenke! Ich weiß nicht, wer mir die Geschichte erzählt hat, vielleicht unser Rabbiner oder mein Vater. Die Geschichte der Tochter des Shames, des Synagogendieners in einem kleinen Dorf in Rumänien, die dem kranken alten Rabbiner nicht nur einen Tag oder ein Jahr, sondern ihr ganzes Leben schenkte. Sie brach tot zusammen, aber der Rabbiner wurde gesund und lebte weiter. Ich habe mir oft vorgestellt, jemandem, der mehr damit anfangen kann, mein Leben, die Zeit, die davon geblieben ist, zu schenken.« Einen Moment hält er inne. »Auf einmal bot sich die Gelegenheit.«
Wieder verfällt er in Schweigen.
Schließlich fährt er fort: »Ich weiß, dass Sarah dich gerettet hätte. Aber sie konnte dich nicht retten. Ich habe es für sie getan.« Gedankenverloren schaut er vor sich hin. »Ich habe dich und Sarah beobachtet. Du warst mir im Weg, du wusstest zu viel, und es ist immer gefährlich, Mitwisser zu haben. Ich habe geahnt, dass du hierbleiben würdest, aber nicht warum. Bis mir mit einem Mal deutlich wurde, du musstest wegen eurer Liebe bleiben, um Sarah in Sicherheit zu wissen.« Abwesend malt er mit dem Zahnstocher die kleinen Kreise auf den Tisch.
»Ich verstehe nichts von der Liebe. Aber da ist etwas, was ich mir wirklich nicht erklären kann: Warum bist du noch einmal in den Untergrund zurück? Was hast du dort gesucht?«
Steffen überlegt. Er brauchte die Bestätigung von Sarahs Besprechung im Lipp. Was dann geschehen ist, ist für ihn im Nachhinein nur schwer nachzuvollziehen.
»Ich sah Ben Barka auf dem Weg zu seiner Verabredung mit Sarah. Als sich Lopez und diese Typen von Boucheseiche zu ihm ins Auto zwängten, war mir klar, dass er sich in größter Gefahr befand. Ein Verbrechen vor aller Augen, aber wahrscheinlich war ich der Einzige, der erkannt hat, was da ablief. Ich hatte keine Wahl, ich musste handeln, konnte nicht einfach blind weitergehen, als ob ich nichts gesehen hätte. Ich wusste, dass sie irgendetwas im Untergrund geplant hatten, und ich dachte, sie wollten ihn dorthin entführen. Ich war der Einzige, der sie dabei stören und ihn noch hätte retten können.«
Steffen bricht ab, dann blickt er Aaron direkt in die Augen: »Ich kann einem Verbrechen, einem Verbrechen gegen einen unschuldigen Menschen, doch nicht einfach tatenlos zusehen!« Er erschrickt bei der plötzlichen Lautstärke seiner eigenen Stimme. »Was hätte ich sonst tun sollen?«, fügt er leiser hinzu.
Aarons Blick ruht auf ihm, dann wendet er sich unversehens ab. Einen schier endlosen Moment lang nur die gleichmäßigen Kreiselbewegungen auf dem Tisch.
Steffen kaut wortlos an seinem Croissant, das er bedächtig in den Milchkaffee tunkt.
»Wo ist Ben Barka?«, fragt er schließlich zögernd, als fürchte er sich vor der Antwort.
»Du warst der Letzte, der ihn am Freitag gesehen hat. Ich bin gestern zurückgekommen, um nach dir zu suchen. Nur Roger und Bernard wissen, dass ich hier bin.«
»Aber du warst bei den Planungen dabei, ich habe dich mit Boucheseiche und mit Lopez gesehen, André hat für dich gearbeitet. Du wusstest über alles Bescheid.«
»Ich bin darin verwickelt. Im entscheidenden Moment hatte ich Paris aber verlassen. Du bist meine einzige Quelle. Ich weiß weniger als du.«
Steffen sieht ihn zweifelnd an. Aaron galt ihm als Kopf des Ganzen, bei ihm schienen alle Fäden zusammenzulaufen.
»Und Sarah?«
»Das habe ich dir doch gesagt, oder hast du es wieder vergessen? Sie ist am Freitagnachmittag zurückgeflogen, nach Israel, so wie seit langem geplant.«
Plötzlich wieder die kalte, undurchdringliche Wand. Die Vertrautheit, die Steffen gerade noch verspürte, ist verflogen. Sie hatte den Abflug aus Paris erwähnt, aber er erinnert sich, dass sie von Marokko sprach, um die ersten Szenen ihres Films zu drehen. Sicher ist er sich allerdings nicht, bei all dem Durcheinander seiner eigenen Vorstellungen, den Träumen und dem Vergessen.
»Hast du mit ihr gesprochen, weiß sie, was mir passiert ist? Und dass du zurückgekommen bist?«
»Ich war nicht in Israel.«
Aaron, die einzige Brücke zu Sarah, aber er verweigert sich dieser Rolle. Er hat ihn gerettet, aber jetzt überlässt er ihn wieder sich selbst.
»Woher wusstest du dann von mir, wenn nicht durch Sarah?«
»Im Untergrund waren drei Männer, einer von ihnen hat mich benachrichtigt. Ich bin sofort gekommen, aber war mir nicht sicher, ob ich dich noch retten könnte. Zum Glück war Bernard in Paris, sonst war jeder verreist. Achtundvierzig Stunden sind eine verdammt lange Zeit. Aber ich weiß auch, wie lange der letzte Funken braucht, um zu erlöschen. Und ich hatte recht.«
Der Mann bei den beiden Marokkanern. Er sieht ihn deutlich vor sich, mit seiner grauen Haut und den stumpfen Augen, vielleicht von demselben Schicksal geprägt wie Aaron.
»Ich hatte diesen Mann einmal in einem Restaurant gesehen, er schien mir etwas mitteilen zu wollen, aber dann ist es dazu nicht gekommen. Wer ist das?«
»Du stellst zu viele Fragen. Und du weißt zu viel. Du musst dich auf das Wesentliche konzentrieren: Du lebst. Sarah ist in Israel. Morgen geht dein Zug. Das ist alles. Je nachdem, wie du dich fühlst, wird dich Roger zum Bahnhof fahren. Bleib bis dahin in der Wohnung. Ausruhen ist für dich das Wichtigste. Du darfst keinesfalls nach Saint-Germain oder in die Rue de Grenelle zurück. Du hast meine Warnungen in der Vergangenheit in den Wind geschlagen, ich empfehle dir, diesmal besser darauf zu hören.«
»Warum nicht in Andrés Wohnung?«
Aaron verzieht das Gesicht, lässt den Zahnstocher an der unteren Zahnreihe vorbeistreifen. »Keine Fragen mehr, tu, was ich dir sage.«
Immer spricht er nur in Rätseln, den Rest muss ich mir selbst zusammenreimen. Schließlich zahlt Aaron. Steffen geht langsam, aber ohne Aarons Hilfe die Rue Nollet hoch, vom Kaffee und den Croissants gestärkt.
»Überraschend, wie schnell du Fortschritte machst«, lobt Aaron, wieder in dem verbindlichen, freundlichen Ton.
Ein anderer Mensch, solange ich keine Fragen stelle, denkt Steffen. Sie bleiben vor dem Haus stehen.
»Ich habe eine bessere Idee, wie wär’s mit einer kleinen Stadtrundfahrt, um zusammen deine Neugierde zu stillen. Das ist besser, als wenn du dies später alleine unternimmst.«
Aaron setzt sich nach vorne neben Roger. Der Fahrer wirkt wie stets teilnahmslos, gelegentlich kratzt er sich hinter dem Ohr. Wahrscheinlich hatte er sich auf ein paar freie Tage über das lange Wochenende eingestellt, bevor Aaron unerwartet zurückgekommen ist. Roger fährt, ohne auf Aarons Anweisungen zu warten, zur Place Clichy, dann nimmt er einen Steffen unbekannten Boulevard. Als hätten er und Aaron dies längst besprochen. Es ist dunkel geworden. Eine innere Unruhe erfasst Steffen, sein Unbehagen vor der Nacht, vor dem Alleinsein.
»Die Nacht ist am schlimmsten, sie steckt voller Erinnerungen und Täuschungen. Die Bilder kreisen dich ein wie Gespenster. Und Geräusche, obwohl du sie in deinem Du...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über dieses Buch
  3. Titel
  4. Dank
  5. Motto
  6. Inhaltsverzeichnis
  7. Freitag, 15. Oktober 1965
  8. Samstag, 16. Oktober 1965
  9. Sonntag, 17. Oktober 1965
  10. Montag, 18. Oktober 1965
  11. Dienstag, 19. Oktober 1965
  12. Mittwoch, 20. Oktober 1965
  13. Donnerstag, 21. Oktober 1965
  14. Freitag, 22. Oktober 1965
  15. Samstag, 23. Oktober 1965
  16. Sonntag, 24. Oktober 1965
  17. Montag, 25. Oktober 1965
  18. Dienstag, 26. Oktober 1965
  19. Mittwoch, 27. Oktober 1965
  20. Donnerstag, 28. Oktober 1965
  21. Freitag, 29. Oktober 1965
  22. Samstag, 30. Oktober 1965
  23. Sonntag, 31. Oktober 1965
  24. Montag, 1. November 1965
  25. Dienstag, 2. November 1965
  26. Epilog: Samstag, 6. November 1965
  27. Impressum
  28. Über den Autor
  29. Leseprobe aus dem Roman des Autors »Hotel van Gogh«