Der Literaturexpress
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Der Literaturexpress

  1. 320 Seiten
  2. German
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Der Literaturexpress

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Über dieses Buch

Was passiert, wenn man hundert mittelmäßig begabte Autoren aus ganz Europa in einem Zug quer durch den Kontinent schickt?Zaza, Autor eines einzigen, wenig erfolgreichen Erzählbandes, bekommt ein überraschendes Angebot: In einem Zug zusammen mit 99 weiteren Autoren soll er Städte wie Lissabon, Madrid, Paris, Brüssel, Frankfurt, Moskau, Warschau und Berlin besuchen. Warum gerade er für diese abenteuerliche Lesereise ausgewählt wurde, ist Zaza schleierhaft. Als kurz darauf der Kaukasuskrieg ausbricht, seine Freundin Elene sich von ihm trennt und er erfährt, dass der hochneurotische Lyriker Zwiad der zweite georgische Autor an Bord sein wird, ahnt er: Diese Reise wird sein Leben auf den Kopf stellen.Im Literaturexpress erwartet ihn eine denkbar ausgefallene Schicksalsgemeinschaft: Da ist die wohlbeleibte Kroatin Danuta mit einer Schwäche für knackige Männerhintern, der Bulgare Borisow, dessen Veröffentlichung im New Yorker eine Mischung aus Erstaunen, Bewunderung und Neid hervorruft, der Student Iliko, der amourösen Abenteuern, Hotelbademänteln und Einwegpantoffeln hinterherjagt, der polnische Übersetzer Maciek und dessen Frau, die schöne Helena - in die sich Zaza unsterblich verliebt …"Der Literaturexpress" ist eine herrliche Satire über den internationalen Literaturbetrieb, eine Liebesgeschichte voller Komplikationen, ein rasanter, paneuropäischer Roadtrip. Dank Nino Haratischwilis brillanter Übersetzung gibt es mit Lasha Bugadze eine der wichtigsten neuen Stimmen der georgischen Gegenwartsliteratur zu entdecken, reich an Sprachwitz, Selbstironie und feiner Beobachtungsgabe.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783627022334
1. TBILISSI
Im August warfen die Russen Bomben auf uns. Im September trennte sich Elene von mir. Im Oktober fuhr ich nach Lissabon.
Dass ich beim Literaturexpress dabei sein würde, hatte man mir bereits im Frühjahr angekündigt, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir noch nicht vorstellen können, dass uns die Russen im August bombardieren würden.
Und auch Elenes Drohungen nahm ich damals nicht allzu ernst. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass sie eine solche Prinzipienreiterin sein würde. Es kam alles sehr unerwartet und schnell. Erst teilte man mir mit, dass ich mit neunundneunzig anderen Autoren durch Europa reisen sollte, kurz darauf sah es so aus, als würden die russischen Bomben mich umbringen, und am Ende stellte sich auch noch heraus, dass ich nicht das Unschuldslamm war, für das Elene mich gehalten hatte.
»Wie ich die mit dir vergeudete Zeit bereue!« Das war das Letzte, was ich von ihr zu hören bekam. Dann schaltete sie ihr Telefon aus. Ich schrieb ihr zwei armselige SMS und ließ es darauf beruhen. Ich versuchte weder zu betteln noch sie irgendwie zu überzeugen. Die russischen Fliegerbomben hatten mir den letzten Rest an Kraft geraubt.
Zuvor hatte mich ein gewisser Koka vom Kulturministerium angerufen, mir etwas von einem sogenannten Literaturexpress erzählt und mich anschließend ins Ministerium bestellt.
Der Literaturexpress erwies sich als ein Zug. In ihn sollten hundert Autoren aus verschiedenen Ländern einsteigen, um einen Monat lang halb Europa zu durchqueren.
Aus einem mir nicht ersichtlichen Grund wandte sich das Kulturministerium mit der Einladung an mich. Koka teilte mir recht freimütig mit, dass die Wahl nur deshalb auf mich gefallen war, weil der Lyriker Khavtasi (einer unserer senilen Idioten) abgesagt hätte. Die Einladung galt für insgesamt zwei georgische Autoren. Koka erzählte weiter, dass ursprünglich zwei Lyriker vorgesehen waren (der Minister soll gesagt haben, dass diese einer solchen Reise größeren Charme verleihen würden), aber dann wurde in Form von meiner Wenigkeit ein Prosaautor reingeschmuggelt. Und so sollten wir die Reise zu zweit antreten: ein Lyriker und ich.
Bis heute ist es mir ein Rätsel, warum dieser Koka und seine Vorgesetzten ausgerechnet auf mich kamen. Wessen Idee war es gewesen, mich auf diese Reise zu schicken? Wer hatte bestimmt, dass ich der Richtige war, um nach Lissabon zu fahren?
Es gibt hierzulande Autoren mit gleich zwanzig Büchern, also wieso unbedingt ich mit meiner armseligen (und vor allem einzigen) Kurzgeschichtensammlung? Wer verlieh mir in einer solch kleptokratischen Organisation, wie das Kulturministerium eine ist, den Status eines ernstzunehmenden Schriftstellers?
Ich tippe auf jenen Koka (der stellvertretender Minister oder etwas in der Art war), diesen weichlichen, Koteletten tragenden und milde aggressiven Landburschen. Angeblich war er vor Ort, als man mir die Auszeichnung verlieh. (Ich hatte für meine Kurzgeschichtensammlung einen lokalen Literaturpreis erhalten.) Und gleich am nächsten Tag nach der Preisverleihung hätte er mein Buch gekauft, es gelesen, und es hätte ihm sogar gut gefallen. Zumindest erzählte er es mir so.
Noch am selben Tag schrieb ich Heinz, einem der Hauptveranstalter der Reise. Als Antwort bekam ich eine offiziell-freundschaftliche E-Mail mit der Reiseplanung. Sie begann mit folgender Ansprache: Dear Mr. or Mrs. Zaza!
Allem Anschein nach wusste man nicht, ob es sich bei mir um einen Mann oder eine Frau handelte. Mein Name hatte ihn ganz offensichtlich überfordert. Ich schrieb, dass ich ein Mr. wäre und in Georgien alle Zazas ausschließlich Männer seien. Natürlich setzte ich ein paar Smileys darunter (diese lächelnden, hinternähnlichen Gesichter).
Die für unseren Zug vorgesehene Route ließ mich in eine Schockstarre fallen. Als ich realisierte, dass der mit Prosautoren und Lyrikern vollbeladene Zug sieben Länder durchfahren sollte, war ich bereits müde und erschöpft, ohne überhaupt einen Fuß in den Zug gesetzt zu haben.
Ich erinnere mich, dass ich meine Ängste auch Elene mitteilte, die wiederum in ihrer typisch mütterlich-pädagogischen Art anfing, mich zu ermahnen:
»Du brauchst dich gar nicht so aufzuregen. Wer weiß, wann du noch einmal solch eine Gelegenheit bekommst! Man muss schon ein Idiot sein, um sich so eine Chance entgehen zu lassen.«
Auch erinnere ich mich daran, wie Elene und ich die geplante Route auf der Landkarte studierten. Wir nahmen den alten Globus meines Großvaters wie ein kleines Kind mit in unser Bett, legten ihn zwischen uns und begannen nach den Städten zu suchen, in denen der Literaturexpress haltmachen sollte.
Der Zug fuhr von Lissabon nach Madrid und weiter nach Paris, Brüssel, Frankfurt, Malbork (die Stadt konnte ich auf dem Globus nicht finden), nach Kaliningrad und Moskau (von der Stadt verabschiedete ich mich schon auf dem Globus, denn Russland stellte keine Visa an Georgier aus), und nach Warschau; Endstation sollte schließlich Berlin sein. Halb Europa würden wir also durchqueren.
»Für die Zukunft ist auch eine euroasiatische Literaturtour geplant«, verkündete uns Heinz später. »Dieses Mal hat die Finanzierung nur für die eine Europahälfte gereicht.«
Übrigens: Auch als der russische Flieger die Bombe auf den Machata-Berg warf, lagen Elene und ich im Bett. Es war um fünf Uhr in der Früh. Wir wurden vom ohrenbetäubenden Lärm einer Explosion geweckt. Zuerst dachte ich, dass jemand den Fernsehturm in die Luft gejagt hätte (der Fernsehturm steht quasi bei uns um die Ecke), und stellte mir vor, wie dieses brennende Metallmonster auf unser kleines Haus stürzte.
Elene riss die Fenster auf und sah zum Fernsehturm hoch.
»Nein«, sagte sie, »er steht noch.«
»Wo ist die Bombe dann eingeschlagen?«, fragte ich sie, durchaus erleichtert.
Sie ging auf den Balkon hinaus, und aus irgendeinem Grund umschloss sie ihren Kopf mit beiden Händen und blickte erschrocken zum Himmel.
»Weiß nicht, kann von hier aus nichts sehen!«, rief sie mir vom Balkon aus zu.
Dann zogen wir uns an, suchten unsere Pässe, stopften sie in Elenes Handtasche und nahmen vor dem Fernseher Platz.
»Wenn sie noch eine abwerfen, kriechen wir unter die Treppe«, beschloss sie. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter.
»Hauptsache, wir haben noch Handyempfang«, sagte ich.
Ich erinnere mich, dass ich mir wirklich große Mühe gab, Ruhe zu bewahren. Ich gähnte laut, witzelte mit ihr herum und zeigte mich erstaunt darüber, dass sie sich so schnell angezogen hatte. Die Angst hatte mich in Aufruhr versetzt.
»Und du hast dich noch darüber beklagt, die Zugfahrt könne anstrengend werden. Du spinnst, oder?«, sagte Elene.
Recht hatte sie schon, aber damals wusste ich ja auch noch nicht, dass die Russen mich im August umbringen wollen würden …
Am Morgen erfuhren wir, dass die Bombe in ziemlicher Entfernung von unserer Wohnung auf das andere Flussufer gefallen war, nahe des Tbilisser Sees.
In dieser Nacht noch glaubte ich, dass es niemanden geben könnte, der mir so nahe stand wie Elene. Wir waren vor dem Fernseher eingeschlafen. Elene hatte ihre kleine Handtasche auf die Knie gelegt, und ich lehnte mit dem Kopf an ihrer Schulter.
Einen Monat später trennten wir uns.
Ich trinke selten, aber wenn ich trinke, dann wird’s gefährlich. Nicht, dass ich aggressiv werde, nein, ich lache viel, will nicht, dass der Tag zu Ende geht. Kurz gesagt, und so absurd es klingen mag, aber betrunken hatte ich im Schlaf gesprochen.
Am nächsten Morgen erwartete mich Elene bereits in der Küche. Sie saß am Fenster und sah mich mit einem ironisch-verachtungsvollen Blick an.
»Wer ist Maka?«, fragte sie.
Ich dachte zuerst, dass sie eine SMS von ihr abgefangen hätte oder etwas in der Art.
Maka hatte ich während des Augustkrieges über Skype kennengelernt. Sie hatte eine Riesenangst und kokettierte damit auf eine ziemlich idiotisch-hysterische Weise. Bis dahin war mir noch nichts Vergleichbares begegnet. Sie schrieb Texte, die ungefähr so klangen: »Wenn die Russen in Tbilissi einmarschieren, bringe ich mich um … Sag mir jetzt nicht, dass du nicht auf blauäugige Mädchen stehst? Welche Augenfarbe hast du überhaupt?« Es war mir klar, dass sie etwas leicht Billiges an sich hatte, aber hässlich war sie nun wirklich nicht.
In wenigen Worten: Ich hatte kurzweiligen, therapeutischen Sex mit ebendieser armen Maka, die ständig heulen wollte und bei der ich ständig Gewissensbisse hatte, weil ich Elene so übel mitspielte.
Insgesamt trafen wir uns drei- oder höchstens viermal. Ich gab mir große Mühe, aber es gelang mir nicht, sie auch nur ein einziges Mal kommen zu lassen. Vielleicht hatte sie ja genau deswegen ständig heulen wollen. Ich weiß es nicht.
Wir müssen uns besser kennenlernen, wir müssen uns besser kennenlernen, hatte sie dauernd wiederholt.
Wie viel besser sollte ich sie noch kennenlernen?
Hätte ich nicht im Schlaf gesprochen, hätte niemand je von dieser Maka erfahren. So etwas war mir, soweit ich mich erinnern kann, noch nie passiert. Natürlich hatte ich Elene im Schlaf nur deswegen so bereitwillig Auskunft erteilt, weil ich sturzbetrunken war (es ist auch so verdammt leicht, mich zum Sprechen zu bringen, denn ich bin ja schließlich kein Medium). Bedauerlicherweise war mir in meinem Zustand nicht wirklich bewusst gewesen, wo genau ich mich befand und wer mich diesem schicksalhaften Verhör unterzog.
Anfangs konnte ich es gar nicht glauben. Ich dachte, jemand hätte ihr etwas gesteckt, sie hätte irgendeine zweifelhafte SMS in meinem Handy gelesen, aber dann habe ich es einfach laufen lassen. Was passieren soll, soll passieren, habe ich mir gedacht, denn tief in meinem Inneren wusste ich ja längst, dass Elenes und meine Krise nicht erst durch diese nächtliche Beichte ausgelöst wurde.
»Ich bin es leid, dich hinter mir herzuziehen«, hatte sie mir vor einem Jahr am Meer gesagt und wahrscheinlich schon damals angefangen, über eine Trennung nachzudenken. Denn das, was ihr anfangs an unserer Beziehung noch so sympathisch erschien (der ganze Schriftstellerkram, die Art zu leben, meine süße Infantilität), war ihr mittlerweile zu einer bedrückenden und ermüdenden Realität geworden.
Andere Leute schreiben stapelweise Bücher und haben trotzdem kein Geld, woher also sollte die Kohle in meinem Fall schon kommen? Mein einziges Buch ist vor zwei Jahren erschienen, und bis heute wurden nur vierhundertfünfzig Exemplare davon verkauft. »Es müssten schon mindestens tausend Exemplare verkauft werden, damit man von einem Bestseller sprechen kann.« Das hatte mir damals mein Verleger mitgeteilt.
Mein Gehalt reichte gerade mal für die Zigaretten (solange ich noch rauchte). Ich besitze zwar einen Literaturpreis, liege aber bis heute meinen Eltern auf der Tasche. Ich gehe morgens um vier ins Bett, wache um zwölf Uhr mittags auf, und das auch nur aus Höflichkeit, denn ich könnte leicht bis eins oder zwei durchschlafen. Früher schämte ich mich für diesen Lebensstil vor Elene, und auch jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, schäme ich mich, diese Tatsache zuzugeben. Ich gehe zweimal die Woche arbeiten, schreibe ein paar Werbetexte, mache etwas Blödsinn und komme wieder nach Hause. Und jetzt auch noch irgendeine Maka! Genau betrachtet stelle ich für Elene ein komplexes Problem dar. Oder besser gesagt: Ich stellte es für sie dar.
»Mit dir habe ich schlechte Laune«, gestand sie mir an jenem Morgen. »Ständig trägst du irgendwelche Probleme mit dir herum, und ich soll sie für dich lösen. Solch ein Engel bist du nun auch nicht, dass ich mich für dich aufopfern wollte.«
Die Schlüssel für unsere gemeinsame Wohnung (die ic...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über dieses Buch
  3. Titel
  4. Widmung
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1. Tbilissi
  7. 2. Das Flugzeug
  8. 3. Lissabon
  9. 4. Der Zug
  10. 5. Madrid
  11. 6. Unter Maciek
  12. 7. Paris
  13. 8. Die Toten von Paris
  14. 9. Brüssel
  15. 10. Frankfurt
  16. 11. Malbork
  17. 12. In Helenas Bett
  18. 13. Kaliningrad
  19. 14. Moskau
  20. 15. Warschau
  21. 16. Berlin
  22. 17. …
  23. Impressum
  24. Über den Autor
  25. Über die Übersetzerin