Rahmat lebt
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Rahmat lebt

Als Rotkreuz-Arzt in den Krisengebieten dieser Erde

  1. 412 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Rahmat lebt

Als Rotkreuz-Arzt in den Krisengebieten dieser Erde

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Rahmat war zwölf Jahre alt, als er 1990 in Kabul beim Spielen auf eine Mine trat und beide Beine verlor. Er steht hier für alle zivilen Opfer von Kriegen und Naturkatastrophen, die Dieter Jacobi während seiner chirurgischen Arbeit im Auftrag des Internationalen Roten Kreuzes anvertraut haben.Die Aufzeichnungen aus seinem Einsatztagebuch lassen erkennen, dass die Fernsehbilder immer nur einen oft subjektiven Bruchteil der Wirklichkeit von Katastropheneinsätzen wiedergeben können. Unter welch schwierigen und oft lebensbedrohlichen Bedingungen die internationalen Hilfsorganisationen tatsächlich vor Ort arbeiten müssen, ist kaum bekannt. Das betrifft nicht nur die humanitäre Hilfe bei Naturkatastrophen, sondern auch die Nichteinhaltung der Genfer Konventionen und des Humanitären Völkerrechts bei Kriegseinsätzen. Auch wenn der Autor manchmal eine Ahnung von der Vergeblichkeit seines humanitären Engagements empfindet, lässt er sich nicht beirren. Die Passion für seinen Beruf, die Chirurgie, treibt ihn immer wieder in die Krisengebiete dieser Erde. Für sich selbst lehnt er die Bezeichnung Gutmensch ab, ihn interessiert die menschliche Dimension, die Begegnung mit den Opfern und mit denen, die, wie er, einfach helfen wollen. Er muss die Menschen lieben: Trotz aller Schrecknisse hat sich Dieter Jacobi seinen versöhnlichen Humor bewahrt.

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Information

Verlag
Westkreuz
Jahr
2013
ISBN
9783943755060
Dieter Jacobi
Rahmat lebt
Als Rotkreuz-Arzt in den Krisengebieten
dieser Erde
Erfahrungen Erlebnisse Reflexionen
Westkreuz-Verlag GmbH Berlin/Bonn
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Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
E-Book-Ausgabe:
ISBN 978-3-929592-94-06-0
© 2013 Westkreuz-Verlag GmbH Berlin/Bonn
Herstellung: Westkreuz-Druckerei Ahrens KG Berlin/Bonn
E-Book Umsetzung: KOMAG mbH Berlin/Brandenburg
Zur Erinnerung
an unsere toten Freunde
aus Novye Atagi in Tschetschenien
und Lugufu in Tansania
Vorwort
Wenn ich gelegentlich unter Freunden und Bekannten frage, was versteht ihr unter dem Roten Kreuz, folgt nach anfänglichem Schweigen schließlich stotternd... hm, ja, das Rote Kreuz ruft zum Blutspenden auf. Das Rote Kreuz besitzt Krankenhäuser und Altersheime. Es stellt Erste-Hilfe-Posten und organisiert Notarztdienste. Und was noch? Nun ja, was du so machst, Kriegsverwundete, Flüchtlinge und so...
Es ist vielleicht nicht erstaunlich, nachdem wir hier seit über 60 Jahre im Frieden leben, dass die ursprüngliche Aufgabe, die originäre Rotkreuz-Idee, nämlich die Betreuung von Kriegsverletzten, in unserem Bewusstsein so weit in den Hintergrund getreten ist. Die Grundidee der Verwundetenversorgung wurde im Laufe der mehr als 140 Jahre, die das Rote Kreuz besteht, auf einen immer größeren Kreis von vom Krieg Betroffener ausgeweitet. Der internationale Einsatz für Opfer von bewaffneten Konflikten, der schließlich auch auf die Leidtragenden von anderen weltweiten Katastrophensituationen ausgedehnt wurde, bleibt das zentrale Anliegen der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung.
Dieses Buch erzählt zwar von dieser internationalen Rotkreuz-Arbeit und auch von der Geschichte und der Struktur der Bewegung, aber es ist kein Rotkreuz-Handbuch. Es ist ein persönlicher Bericht über meine Einsätze in den vergangenen 17 Jahren, über die Begegnung mit der manchmal unfassbar grausamen Wirklichkeit, mit der sich Opfer von Kriegen und anderen Katastrophen auseinandersetzen müssen und über unsere Bemühungen und Möglichkeiten, ihnen dabei unter die Arme zu greifen. Ich singe nicht „Das Lied vom braven Mann“, sondern ich berichte von Menschen mit ihren Stärken und Schwächen, die Freude und Befriedigung darin finden, anderen, die in Not geraten sind, zu helfen.
Bei der andauernden Konfrontation mit dem Leiden und Sterben der Opfer, wie es auch heute überall in der Welt stattfindet, bleiben kritische Fragen nicht aus: Können wir nicht noch besser, noch schneller sein? Und können wir nicht mehr tun, um solche entsetzlichen Gemetzel, wie es Kriege nun mal sind, zu verhindern? Ja, ich weiß, wir müssen neutral bleiben, und das Rote Kreuz ist keine pazifistische Organisation. Die Parole „Sei menschlich auch im Krieg“ ist eine großartige Idee, aber wir hecheln damit immer nur hinterher. Wir verbinden den Verwundeten und sollten eigentlich bei dem weltweiten Ruf, mit dem Einfluss und mit der Stärke der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung intensiver für den Frieden kämpfen, der Tod und Verwundung verhindert. Als Mediziner kann man mir nicht die Einstellung verübeln: Vorbeugen ist besser als Heilen.
Und heißt es nicht im Originalwortlaut der Definitionen der sieben Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung bei dem Prinzip Menschlichkeit: Sie (die Bewegung) fördert gegenseitiges Verständnis, Freundschaft, Zusammenarbeit und einen dauerhaften Frieden unter den Völkern. Rahmat lebt und die Rotkreuz-Idee lebt! Aber können wir nicht, müssen wir nicht noch besser, noch friedenskämpferischer sein?
Doch hier ist erst eimal Rahmat, mit dessen Geschichte die Idee zu diesem Buch überhaupt entstand.
Das Kreuz angefasst, ist halbe Last.
Sprichwort
Rahmat
Kabul, im Oktober 1990. Auf den Gipfeln des Hindukusch, im Nordwesten, liegt bereits Schnee. Am Tag ist es noch sommerlich warm, aber nachts wird es schon empfindlich kühl. In unseren Zimmern werden Ölöfen aufgestellt. Auch die Mudschahedin in den Bergen, die seit Monaten die Stadt mit Raketen eindecken und damit für einen nicht endenden Zustrom von verstümmelten Patienten in unser Rotkreuz-Krankenhaus sorgen, beginnen wohl zu frieren. Der teuflische Lärm der explodierenden Geschosse um uns herum lässt deutlich nach.
Im Krankenhaus ist es ungewöhnlich ruhig, als wir morgens unseren Dienst beginnen. Kerstin, unsere schwedische Anästhesistin, schlägt erst einmal einen Kaffee vor. OP-Schwester Aline und ich stellen Tassen auf den Tisch und nehmen die Kanne aus der Maschine. Sie ist Tag und Nacht in Betrieb. Kaffee ist unser Überlebenselixier. In diesem Moment fährt mit Blaulicht und Sirene ein schrottreifer Krankenwagen an der Aufnahme vor. Drei Krankenbahren werden ausgeladen. Eine junge Frau rennt schreiend hinter den Trägern her. Als wir in die Ambulanz kommen, mühen sich Schwestern bereits um drei verletzte Kinder. Sie werden entkleidet, Blutdruck gemessen, Blut abgenommen, Infusionen angeschlossen, hundertfach geübte Routine. Die beiden weinenden Mädchen haben anscheinend nur oberflächliche Verletzungen. Der Junge, etwa zwölf Jahre alt, ist bewusstlos. Beide Beine sind abgerissen, das rechte in Hüft-, das linke in Kniehöhe. Der Junge ist auf eine Mine getreten, während seine Schwestern in der Nähe spielten und nur von einigen Splittern getroffen wurden. Die Krankenschwester an der Untersuchungsliege schüttelt mit dem Kopf. Sie kann keinen Blutdruck messen. Kerstin geht hinüber. Auch sie hört nichts. Sie setzt das Stethoskop auf den Brustkorb. Herzaktion ist da, aber schwach und rasend, sagt sie, ohne aufzublicken. Ich kontrolliere die Pupillen. Sie sind mittelweit und reagieren nur träge auf Lichteinfall. Wir drei schauen uns an. Wir haben keine Chance. Über eine Dolmetscherin versuchen wir der Mutter zu erklären, dass wir nichts tun können. Die Frau hängt sich schreiend an uns. Das ist mein einziger Sohn. Sie zieht Kerstin und mich zurück an die Liege. Er darf nicht sterben. Während die Schwester eine Blutersatzlösung nachhängt, beraten wir uns noch einmal. Wir hätten genügend Zeit. Es warten keine anderen Patienten. Aber Blut? Der Junge braucht mindestens fünf oder sechs Konserven, aber mehr als drei für einen Patienten sind nicht erlaubt. Und was für ein Leben versuchen wir zu retten mit einer Amputation im Hüftgelenk und einer in Oberschenkelmitte? Wie weit ist das Gehirn durch den Schock bereits geschädigt? Die Mutter kniet laut flehend vor uns. Aline hebt sie auf die Füße und nimmt sie in ihre Arme. Lasst es uns versuchen, sage ich mit einem Kloß im Hals. Ich renne hinüber in die Blutbank.
Jeder hat vor der norwegischen Laborantin und Blutbank-Chefin Johanna Respekt. Sie schafft es immer wieder bei Studenten, Soldaten, Teppichhändlern aus dem Basar und unter unseren eigenen Leuten genügend Spender für unsere vielen verwundeten Patienten aufzutreiben. Aber sie muss auch die Regeln einhalten, dass für einen Patienten nur so viel Blut verbraucht wird, damit andere, die mit weniger gerettet werden könnten, auch eine Chance bekommen. Ich nähere mich Johanna in demonstrativer Unterwürfigkeit und bettele demütig: Ausnahmsweise, Johanna, ich brauche mindestens fünf Konserven. Ich erzähle ihr den Fall. Gut, entscheidet sie, fünf und keine Einheit mehr. In wenigen Minuten ist die Blutgruppe bestimmt und das Blut gekreuzt. Ich packe die Blutbeutel und laufe zurück. Der Junge liegt bereits auf dem Operationstisch. Ich setze den rechten, zerfetzten Stumpf im Hüftgelenk ab und den linken in Oberschenkelmitte. Kerstin ist eine exzellente Narkoseärztin. Rahmat, Sohn des Abdul Ghias, überlebt. Das letzte Bild, das ich drei Wochen später von ihm mache, zeigt einen blassen Jungen mit scheuem Blick im Rollstuhl, der einen Rotkreuz-Flyer in die Kamera hält. Hinter ihm steht seine junge Mutter, lächelnd. Johanna hat übrigens am Ende zehn Konserven herausgerückt.
Immer wieder denke ich in den folgenden Jahren an Rahmat. Immer wieder erzähle ich seine Geschichte in Seminaren, bei Fortbildungsvorträgen und bei der Einführung von jungen Kollegen in die Kriegschirurgie. Wenn er die nachfolgenden Schrecken, die über Kabul hinzogen, überlebt hat, den Einmarsch der Mudschahedin, die Machtergreifung durch die Taliban und schließlich die Eroberung der Stadt durch die westlichen Koalitionstruppen, müsste er heute Ende 20 sein. Freut er sich über jeden Tag, an dem er die Sonne sieht, oder verflucht er diejenigen, die ihn als Krüppel am Leben erhalten haben? Haben wir dem Jungen wirklich geholfen?
Puthukkudiyiruppu/Sri Lanka, im Januar 2005. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz setzt das völlig heruntergekommene Krankenhaus dieser Stadt, in der Mitte des Tamilengebietes, mithilfe des Deutschen Roten Kreuzes wieder instand und verstärkt das einheimische Personal mit einem medizinischen Team. Das Hospital in Mullaitivu, der Stadt an der Küste, wurde durch den Tsunami im vergangenen Dezember zerstört. Viele obdachlose Menschen haben sich nach PTK, wie wir den unaussprechlichen Namen der Stadt abkürzen, gerettet und brauchen medizinische Hilfe. Außerdem versorgt ein deutsches Wasserteam zahlreiche Camps an der Küste mit Trinkwasser.
Es ist schon spät. Die meisten unserer Leute haben sich in ihre Zimmer im Haus zurückgezogen. Nur Philip, ein junger Kollege, und ich hocken noch mit einem letzten Bier um die verlöschende Glut unseres Grillfeuers. Wir reden über Gott und die Welt. Ich erzähle ihm die Geschichte von Rahmat. Du bist doch ein antiquiertes Relikt, ein aussterbender Dinosaurier der Chirurgie, erklärt mir Philip freundlich. Verwundetensichtung, Triage, das kennen unsere Leute im Westen doch gar nicht. Sie meinen, jeder Mensch auf dieser Erde habe das gleiche Recht und die gleiche Chance, dass alles für ihn getan werde und für alles ein Spezialist bereitstehe. Transplantationschirurgie, Endoprothetik, Frakturenschmiederei, mikroinvasive Chirurgie und Hochspezialisierung, das sind die derzeitigen Leitsterne unserer Zunft. Ich habe zwar keine Ahnung, wie das Rote Kreuz auf dieser Grundlage in Zukunft seinen kriegschirurgischen Nachwuchs rekrutieren will, aber das ist die Realität, zumindest in den reichen Ländern. Du, Dieter, magst vielleicht ein Allrounder sein, der am ganzen Körper operieren kann, aber in unseren modernen Operationssälen stündest du heute wahrscheinlich hilflos auf verlorenem Posten. Was würdest du ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Rahmat
  3. Lokichokio, Einsatzbeginn mit einem Heimspiel
  4. Feuertaufe in Kabul
  5. Der zweite Golfkrieg und seine Folgen
  6. Khao-i-dang, die Flüchtlingslager in Thailand und die Schrecken der Minenwaffen
  7. Das harte Brot im Büro in Bonn
  8. Traumpremiere in Tansania
  9. Die große Ernüchterung in Zaire
  10. Zurück in Benaco. Was macht unser Sprössling?
  11. Kurzeinsatz in Kigali. Monsieur Simons Bericht über den Völkermord in Ruanda
  12. Juba, asketische Monate im Sudan
  13. Ungemütlicher Einsatz in Russland und die Feigheit der tschetschenischen Helden
  14. Der Ursprung der Rotkreuz-Bewegung
  15. Tödlicher Einsatz im Flüchtlingslager Lugufu, in Tansania
  16. Kurzes Zwischenspiel in Kinshasa
  17. Uvira, Einsatz im Ostkongo
  18. Bentiu – verloren in den Weiten des Sudan
  19. Das erste Opfer eines Krieges ist die Wahrheit. Einsatz in Mazedonien 1999
  20. Wenn die Erde bebt. Hilfseinsatz in der Türkei
  21. Kubanisches Intermezzo
  22. In Indien spricht man doch kein Spanisch
  23. Regionalchirurg für Afrika
  24. Regionalchirurgen-Routine und eine abgegriffene Idee, den Mann arbeitslos zu machen
  25. Und noch einmal im Kongo, im Osten, Westen und im Süden
  26. Head surgeon, leitender Chirurg in Lokichokio
  27. Nun mal unter Freunden
  28. ANHANG
  29. Glossar
  30. Quellennachweis
  31. Organisation und Aufgaben der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung
  32. Die Prinzipien der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung
  33. Das Humanitäre Völkerrecht und seine wichtigsten Komponenten
  34. BILDERGALERIE