Kapitel 1. Social Networking – eine Einführung
Während dieses Buch entsteht, hat Facebook weltweit über 600 Millionen aktive User (siehe Abbildung 1.1). Wäre Facebook ein Land, würde es sich um die drittgrößte Nation nach China und Indien handeln. Die Hälfte seiner „Bürger“ loggt sich jeden Tag ein – mit anderen Worten: 250 Millionen Menschen nutzen die Plattform täglich.
Ursprünglich war Facebook ein Netzwerk für eine Gruppe amerikanischer College-Studenten, dann breitete es sich in High-Schools aus und entwickelte sich zu einem größeren Netzwerk, das Studenten und Kollegen aus dem ganzen Land und schließlich auch weltweit zusammenbrachte. Inzwischen kann man hier nicht nur immer mehr Freunde finden, sondern auch zum Beispiel Eltern und Geschwister. Vielleicht ist Ihre Mutter auf Facebook, und Ihre Schwester und Ihre Tochter auch, und ehemalige Mitschüler, der erste Schwarm und der beste Freund aus Kindertagen, von dem Sie seit Jahren nichts mehr gehört haben. Die Großeltern markieren Sie auf Familienbildern, deren Existenz Sie schon lange vergessen hatten.
70 Prozent der Facebook-User leben außerhalb der Vereinigten Staaten; in Deutschland gibt es derzeit über 16 Millionen User, in Österreich 2,3 Millionen und in der Schweiz 2,5 Millionen. Das am stärksten wachsende Usersegment bei Facebook sind Frauen im Alter zwischen 55 und 65 Jahren. Je nach Messmethode hat Facebook Google hinsichtlich der Anzahl der Zugriffe bereits überholt oder steht zumindest knapp davor. Die Facebook-Applikationsplattform allein wurde schon von über einer Million Entwicklern genutzt, um mehr als 500.000 aktive Anwendungen zu programmieren.
Wenn man versucht, den „durchschnittlichen“ User zu charakterisieren, kommt man nicht weit, das Netzwerk zeichnet sich nämlich durch die Vielfältigkeit seiner Nutzer aus. Typischerweise hat ein Facebook-User 130 Freunde und ist mit 80 Seiten, Gruppen und Events verbunden; er selbst hat 90 inhaltliche Beiträge verfasst. Wo findet man sonst Leute, die mit über 100 Menschen pro Tag kommunizieren? Und dabei handelt es sich noch nicht einmal um die „Superuser“ oder Multiplikatoren, die oft mehrere tausend Freunde haben.
Auswirkungen auf die Medien von heute
Die Auflagen von Tageszeitungen befinden sich im Sinkflug (siehe Abbildung 1.3) und Fernsehwerbung rentiert sich angesichts der hohen Kosten häufig nicht mehr. Facebook hat eine deutlich höhere Reichweite als traditionelle Medien. Allein diese Tatsache hat viele Werber davon überzeugt, dass Facebook der ideale Ort ist, um neue Marketingkonzepte auszuprobieren. Ein weiterer Anreiz: Die User hinterlassen unglaublich viele persönliche Informationen auf der Site – und damit auch für Werbetreibende. Facebook bietet Marken neue Möglichkeiten, Werbung zielgenauer und effektiver als jemals zuvor zu platzieren. Und das Beste daran: Alle diese Informationen stellen die User freiwillig zur Verfügung. In vielen Fällen fordern sie aktiv Informationen zu Marken und Unternehmen an, indem sie den „Gefällt mir“-Button anklicken.
Bekannte Marken auf Facebook
Die weltweit größten und bekanntesten Marken nutzen Facebook, um große, engagierte Communities zu entwickeln. Coca-Cola verzeichnet mehr als 22 Millionen Fans auf seiner Seite, während Starbucks sich der 20-Millionen-Marke nähert. Der Getränkehersteller Vitamin Water launchte 2010 einen ausgesprochen erfolgreichen Wettbewerb auf Facebook, bei dem es darum ging, den Geschmack für das nächste Produkt des Herstellers auszuwählen, die Verpackung zu gestalten und über den Namen zu entscheiden. Das Unternehmen hat nun über 2 Millionen Fans auf Facebook.
Der Möbelhersteller IKEA kündigte eine Neueröffnung mit Fotos des neuen Geschäfts auf Facebook an. Aber das war nicht alles: Jeder Gegenstand auf den Fotos konnte angeklickt werden und wurde dann an den ersten User verschenkt, der den Gegenstand mit seinem Namen markiert hatte. Innerhalb von Stunden drängten sich Tausende von Nutzern auf der Seite, um die Bilder zu markieren.
Der Softwarehersteller Adobe richtete sich mit seinem Spiel “Photoshopped or not” an College-Studenten. Die User sollten beurteilen, ob ein Bild mit Photoshop bearbeitet worden war oder nicht. Sechs Prozent der Studenten, die bei dem Spiel mitmachten, klickten auf den „Kaufen“-Button.
Um den Start eines Vampirfilms zu bewerben, legte Sony seine populäre Anwendung „Vampires“ neu auf und veranstaltete ein Gewinnspiel. In drei Wochen erzielte es über 59.000 Einträge.
Der deutsche Versandhandel Otto führte einen Model-Contest durch, bei dem sich UserInnen als Gesicht für die Facebook-Seite bewerben konnten. 50.000 Menschen luden ihre Bilder hoch. Den Wettbewerb gewonnen hat schließlich „Brigitte“, ein männlicher BWL-Student, der sich aus Jux in Frauenkleidern fotografieren ließ. Damit erlangte die Kampagne über die Grenzen von Facebook hinaus breite Aufmerksamkeit in den Medien. Die Otto-Seite hat derzeit rund 165.000 Fans.
Wie man Facebook nutzen kann (und sollte)
Selbst kleinere, relativ unbekannte Marken können hohe Aufmerksamkeit erzielen. Die kalifornische Bäckereikette Sprinkles Cupcakes (siehe Abbildung 1.4) konnte über 150.000 Fans mit einer exklusiven Facebook-Kampagne gewinnen, bei der Fans in bestimmten Läden Gratiskuchen erhalten, wenn sie auf Facebook bekanntgegebene Losungen verlauten lassen. Die Luxus-Hotelkette Joie De Vivre bot einen exklusiven Facebook-Rabatt und verzeichnete über 1.000 Zimmerbuchungen, die auf dieses Angebot zurückzuführen waren.
Viele Ihrer vorhandenen und potenziellen Kunden sowie deren Freunde und Familie sind ebenfalls schon auf Facebook unterwegs. Wettbewerber in Ihrem Geschäftsfeld engagieren sich dort möglicherweise auch schon. Wenn Sie sich also nicht auf Facebook betätigen, haben Sie entscheidende Nachteile. Und falls Ihre Mitbewerber Facebook noch nicht nutzen, können Sie bei Ihrer Zielgruppe damit punkten, der Erste zu sein.
Maßgeschneiderte Inhalte erstellen
Wenn Facebook richtig eingesetzt wird, kann es als Brand-Extension das Erscheinungsbild, die Tonalität und die Gestaltung einer Marke in der gleichen Konsistenz wie in jedem anderen Medium präsentieren. Sie sollten sich die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, warum Sie sich mit Ihrer Marke oder Dienstleistung auf Facebook engagieren und welche Ziele Sie damit erreichen wollen. Reflektieren Sie darüber hinaus Ihre Zielgruppe und insbesondere dasjenige Segment, das Sie über Facebook erreichen.
Facebook ist ein sehr lebendiger, sich schnell verändernder Kanal. Jeder inhaltliche Beitrag muss leicht verdaubar und gut wahrnehmbar sein. Vor allem muss er in dem für Facebook typischen unkomplizierten Stil verfasst sein. Sparen Sie sich das Kopieren und Einfügen von Ihrer Website oder aus Ihrem E-Mail-Newsletter und verfassen Sie die Posts speziell für Ihre Facebook-Seite. Fassen Sie sich kurz und kommen Sie auf den Punkt – denn Sie haben nur eine begrenzte Menge an Zeichen für Ihre Nachricht. Fügen Sie weitere Medienformate wie Videos oder Fotos hinzu, um den Beitrag interessanter zu gestalten, und teilen Sie den Lesern genau mit, was sie als nächsten Schritt tun sollen.
Facebook-Marketing kann erstaunlich kostengünstig sein, vor allem im Vergleich zu traditionellen Medien; allerdings müssen Sie mit einem erheblichen Zeitaufwand rechnen. Facebook-User erwarten von Ihnen, dass Sie ihnen zuhören und ihre Wünsche zur Kenntnis nehmen (und dann Taten folgen lassen, statt nur „Danke für Ihr Feedback!“ ...