Kompetenzen anerkennen
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Kompetenzen anerkennen

Was Deutschland von anderen Staaten lernen kann

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Kompetenzen anerkennen

Was Deutschland von anderen Staaten lernen kann

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

In Deutschland und auch in anderen europäischen Staaten wird darüber diskutiert, wie beruflich relevantes Erfahrungswissen besser erfasst und sichtbar gemacht werden kann. Formale Abschlüsse sichern bisher die Teilhabe am Arbeitsleben. Menschen lernen jedoch auch informell in Beruf und Freizeit sowie nonformal in der Weiterbildung - also kontinuierlich und über formale Bildungseinrichtungen hinaus. Diese Kompetenzen gelten bisher wenig, obwohl sie für die berufliche Handlungsfähigkeit in vielen Fällen bedeutender sein mögen als formell zertifiziertes Wissen und Können. Vor allem formal Geringqualifizierte und Zuwanderer können profitieren. Ein Anerkennungssystem hilft besonders ihnen, aber auch den anderen Erwerbstätigen sowie den Unternehmen, wenn es darum geht, alle berufsrelevanten Kompetenzen verwertbar zu machen. In einigen Ländern Europas gibt es bereits Verfahren mit Zertifikaten, die auf dem Arbeitsmarkt anerkannt sind. Anhand von sieben europäischen Ländern wird ein Überblick gegeben, wie die Anerkennung von Kompetenzen in Bezug auf Rechtsgrundlagen, Instrumente und Verfahren, aber auch hinsichtlich Finanzierung, Institutionalisierung und Supportstrukturen funktionieren kann. Die in diesem Buch illustrierten Erfahrungen anderer Länder geben Deutschland auf dem Weg zu einem verbindlichen Anerkennungssystem wichtige Hinweise für wirksame Lösungen.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783867937153

1 Einleitung

Eckart Severing
Die vorliegende Studie ist im Rahmen des Projekts »Weiterbildung für alle« der Bertelsmann Stiftung entstanden. Dieses Projekt will Vorschläge für ein Bildungssystem machen, das auch für Menschen mit niedriger formaler Qualifikation zugänglich ist. Das ist heute nicht der Fall: Die berufliche Weiterbildung in Deutschland vergrößert die Bildungshierarchien in der Gesellschaft, statt sie auszugleichen. Es geht darum, bestehende Weiterbildungsbarrieren – mangelnde Beratung, geringe Lernanreize und eine fehlende Anerkennung informell und nonformal erworbener Kompetenzen – abzubauen. Es mangelt an Informationen zu Weiterbildungsangeboten; das zersplitterte Beratungsangebot sowie der unübersichtliche Weiterbildungsmarkt sind für große Teile der formal Geringqualifizierten nicht zugänglich. Zusätzlich fehlen dieser Personengruppe oft das Selbstvertrauen und die nötige Lernmotivation – viele von ihnen haben häufig negative Erfahrungen im Schulsystem gesammelt und lehnen schulische Lernangebote ab.
Es ist nicht so, dass formal Geringqualifizierte kein berufliches Wissen erwerben oder erworben haben. Im Gegenteil sind sie besonders darauf angewiesen, die Lerngelegenheiten zu nutzen, die ihnen außerhalb der Bildungseinrichtungen en passant – bei Arbeitstätigkeiten, im Austausch mit Kollegen, in der Freizeit – geboten werden. Jedoch fehlt es in Deutschland an Möglichkeiten, dieses informell erworbene Wissen auch verwertbar zu machen. Es wird am aktuellen Arbeitsplatz genutzt, wird aber in der Regel nicht dokumentiert oder gar zertifiziert, sodass es nicht nachhaltig nutzbar ist. Das formale Bildungssystem schafft zusätzliche Hürden – nicht nur für formal Geringqualifizierte –, weil es informell und nonformal erworbene Kompetenzen als Zugangsvoraussetzung selten anerkennt. Die aus Sicht der Bildungsinstitutionen »extern« erworbenen Kompetenzen haben in der Folge keinerlei Relevanz im Hinblick auf den Zugang zu und die Durchlässigkeit im formalen (Aus-)Bildungssystem und eröffnen daher keine Perspektiven für die formale Höherqualifizierung formal Geringqualifizierter und eine nachhaltige Verbesserung ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Das ist in einigen anderen Staaten Europas – teilweise mit einem weniger ausgeprägten beruflichen institutionalisierten Bildungswesen – anders: Hier haben sich Verfahren etabliert, die es ermöglichen, auch für informell erworbene Kenntnisse und Kompetenzen Nachweise zu erhalten, die im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt etwas gelten.
Auch wenn die deutsche duale Berufsausbildung seit einiger Zeit auf lebhafte Nachfrage von Bildungspolitikern aus dem Ausland stößt: An diesem Punkt kann Deutschland möglicherweise etwas von den Verfahren und Instrumenten übernehmen, die sich in anderen Staaten bewährt haben. Die Prüfung dieser Frage steht im Fokus der vorliegenden Studie. Dem Transfer von guten Konzepten aus Bildungssystemen anderer Länder ist jedoch allein durch ihre Beschreibung nicht der Weg bereitet. Zu sehr hängen ihre Akzeptanz und ihre Wirksamkeit vom Kontext ab: den besonderen Rahmenbedingungen, die im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt der jeweiligen Länder gelten. Daher bedarf es einer sorgfältigen Anpassung von in anderen Staaten wirksamen Instrumenten der Anerkennung informell erworbenen beruflichen Wissens an die Voraussetzungen in Deutschland. Dazu will diese Studie Hinweise geben.
Wie ist die Studie aufgebaut?
In einer kurzen Einführung wird skizziert, was unter informellem Lernen zu verstehen ist, warum seine Bedeutung zunimmt und wie es um das informelle Lernen von formal Geringqualifizierten steht.
In Kapitel 3 wird ein Kriterienraster entworfen, das die verschiedenen konstitutiven Dimensionen der Anerkennung von informellem Lernen verdeutlicht: Es geht um die gesetzliche Verankerung von Anerkennungsregelungen, um die für die Anerkennung etablierten Verfahren und Instrumente, um Finanzierungsstrukturen, um akkreditierende und zertifizierende Institutionen und darum, ob Interessenten an einer Anerkennung Unterstützung angeboten wird, zum Beispiel durch Beratung.
In einem umfangreicheren Kapitel 4 wird der Status quo für Deutschland beschrieben: Mit welchen Verfahren können hierzulande bisher Menschen mit niedriger formal ausgewiesener Qualifikation informell erworbene Kenntnisse und Kompetenzen verwertbar machen?
Es folgen Berichte darüber, wie in anderen Ländern hinsichtlich der Anerkennung von informell und nonformal erworbenen Kompetenzen vorgegangen wird. Dabei haben wir sieben weitere Länder ausgewählt (Dänemark, Finnland, Frankreich, die Niederlande, Norwegen, Österreich und das Vereinigte Königreich), die nach unserer Einschätzung bereits Erfolge bei der Anerkennung des informellen Lernens von formal Geringqualifizierten erzielt haben. Zudem wird Bezug genommen auf die im Rahmen des »European Inventory on validation of nonformal and informal learning 2014« verfasste Länderstudie aus der Schweiz: Welche Systeme der Anerkennung haben sich dort etabliert, wie werden sie genutzt und wie werden sie in der jeweiligen nationalen Diskussion bewertet?
Das abschließende Kapitel 6 beurteilt auf Basis der Kernelemente und Gütekriterien, was für Deutschland übertragenswert erscheint, was übertragbar sein könnte und welche Akteure dafür welche Voraussetzungen schaffen müssten.
Die vorliegende Studie steht in einer Reihe von vorangegangenen Arbeiten von Wissenschaftlern und Bildungsverantwortlichen zur Anerkennung des informellen beruflichen Lernens. Gerade wegen des auffällig geringen Grades der praktischen Umsetzung von Anerkennungsverfahren in Deutschland sind viele Schriften erschienen, die auf diesen Mangel aufmerksam machen und teilweise auch konkrete Schritte zur Etablierung wirksamer Anerkennungsverfahren beschreiben. Unsere Studie ergänzt diese Arbeiten, hat aber einen besonderen Schwerpunkt: Es geht nicht um die Anerkennung des informellen Lernens der bereits gut Gebildeten, sondern ausdrücklich um die Frage, wie diejenigen, die bisher keine geregelten beruflichen Abschlüsse erwerben konnten, von neuen Anerkennungsverfahren profitieren könnten.

2 Grundlagen der Anerkennung des informellen Lernens

Eckart Severing

2.1 Die wachsende Bedeutung des informellen beruflichen Lernens

Unter »beruflichem Lernen« verstehen die meisten Menschen ihre berufliche Ausbildung, sei es in einem geregelten Ausbildungsberuf, an einer Hochschule oder einer anderen Bildungseinrichtung, und in zweiter Linie noch ihre Weiterbildung in Kursen und Seminaren. Damit blenden sie bedeutende weitere Wege aus, auf denen sie ihre beruflichen Kenntnisse und Kompetenzen erweitern. Das ist nicht verwunderlich, denn diese Wege sind nicht so offenkundig, institutionell fixiert, gesellschaftlich respektiert, dokumentiert und zertifiziert wie das Lernen in Bildungseinrichtungen. Seit den 1960er-Jahren befasst sich die Berufsbildungsforschung – zunächst in den USA, später auch in Deutschland – mit dem »informellen Lernen«, einer Art des Lernens also, die nicht im Unterricht und Seminar, sondern gleichsam beiläufig geschieht. Ergebnisse dieser Forschung zeigen, dass bereits wenige Jahre nach der Erstausbildung der überwiegende Teil des beruflich relevanten Wissens und der Kompetenzen aus Lernen am Arbeitsplatz, im Austausch mit Kollegen und Experten, in der Freizeit und durch die Nutzung von nicht pädagogischen Medien geschieht.
Lernen findet in einer Wissensgesellschaft eben nicht nur in Kindergärten, Schulen und Universitäten statt. Mit dem Wort von der »Entgrenzung des Pädagogischen« (Kade 1997) ist gemeint, dass die Reproduktion komplexer Gesellschaften auf der dynamischen Umwälzung und Erweiterung von Wissen beruht und damit auf Mechanismen der Genese und Aneignung von Wissen, die alle gesellschaftlichen Institutionen durchziehen und die nicht mehr auf Bildungseinrichtungen oder auf das erste Lebensdrittel der Gesellschaftsmitglieder begrenzt bleiben. Das Ideal der beruflichen Erstausbildung, möglichst viel von dem Wissen und den Kompetenzen, die im Lebensberuf benötigt werden, vor dem Berufseinstieg zu vermitteln, entstammt noch einer bildungspolitischen Vorstellung der Facharbeitsgesellschaft der 1960er- und 1970er-Jahre; es ist in dem Maße obsolet, in dem das berufliche Wissen in schnellen Zyklen umschlägt.
Informelles Lernen gilt daher inzwischen nicht mehr als zweitrangige Form des beruflichen Lernens, sondern als ebenso wichtig und notwendig wie die formale (abschlussbezogene) und in dieser Studie darunter subsumierte nonformale (organisierte, aber nicht abschlussbezogene) Bildung (zur begrifflichen Differenzierung vgl. Dohmen 2001; Overwien 2005; Livingstone 2006; Zusammenfassungen: Schmidt-Hertha 2011: 233; Annen 2012: 63). Das formale Lernen ist auf die Vermittlung festgelegter Lerninhalte und Lernziele gerichtet, informelles Lernen zeichnet sich hingegen durch seine Offenheit aus. Es wird in der Regel ohne pädagogische Vorstrukturierung gelernt (Dehnbostel 2014; Knowles 1975: 18). Der Lernimpuls entsteht oft aus praktischen Anforderungen und das Lernen findet bei der Bewältigung dieser Anforderungen statt (Dohmen 2001).
Die Potenziale informeller Lernkontexte sind mehrfach durch Teilnehmerstudien belegt worden. So resümiert die NALL-Erhebung (eine Erhebung des kanadischen Forschungsnetzwerks New Approaches to Lifelong Learning, die 1998 mit 1.562 Befragten durchgeführt wurde), »dass die Erwachsenenbildung einem Eisberg gleicht – weitgehend den Blicken entzogen, aber in ihren verborgenen informellen Aspekten von gewaltigen Ausmaßen« (Livingstone 1999: 77). Insbesondere in der Weiterbildung liegt die Reichweite der informellen Weiterbildung deutlich höher als die Weiterbildungsbeteiligung an Lehrgängen und Seminaren (Kuwan et al. 2000; Schmidt-Hertha 2011). Die quantitative Bedeutung des informellen Lernens in Betrieben wird oft unterschätzt: Gemäß einer repräsentativen Studie zum Weiterbildungsbewusstsein der deutschen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter geben nur 14 Prozent der Befragten formalisiertes Lernen als wichtigsten Lernkontext an, für 87 Prozent waren andere Lernkontexte, vor allem das »arbeitsbegleitende Lernen« (58 %) wichtiger (Baethge und Baethge-Kinsky 2004: 43). Im Weiterbildungsgeschehen in Deutschland ist die betriebliche Weiterbildung mit 69 Prozent aller Weiterbildungsaktivitäten (Teilnahmefälle) der größte und inzwischen wieder wachsende Bereich (individuelle berufsbezogene Weiterbildung: 13 %, nicht berufsbezogene Weiterbildung: 18 %; Erhebungszeitraum 2012) (BMBF 2013: 17).
Wenn in neuerer Zeit nicht nur Bildungsforscher, sondern auch Bildungspolitiker und Bildungsverantwortliche in Unternehmen und Bildungseinrichtungen das informelle berufliche Lernen für ein zentrales Thema halten, dann hat das mehrere Gründe:
Für Unternehmen gilt: Weil das berufliche Wissen nicht mehr nur in Generationsabständen umschlägt, ist es zu einer Notwendigkeit geworden, die berufliche Erstausbildung eher auf die Vermittlung langfristig nutzbarer grundlegender Kompetenzen zu konzentrieren und im Gegenzug das »Lernen im gesamten Berufsverlauf« auszuweiten. Diese Notwendigkeit stellt sich naturgemäß in stationären Berufen – einigen Abteilungen des Handwerks und der einfachen Dienstleistung – weniger als in Berufen mit hohem Innovationstempo und in einfachen Tätigkeiten weniger als bei komplexer Wissensarbeit. Der Wandel von einer Produktions- zu einer Dienstleistungsgesellschaft führt zu einer zunehmenden Zahl von Unternehmen, deren Erfolg auf der produktiven Nutzung von Wissensarbeit beruht. Diese Unternehmen können sich nicht auf die externe Bereitstellung von Qualifikationen und Kompetenzen in den Einrichtungen des Bildungswesens verlassen, die sie sich über die Einstellung von dessen Absolventen zugänglich machen. Sie sind auf Wissensvorsprünge ihrer Experten und damit auf eine kontinuierliche Erweiterung der Wissensbestände im Unternehmen angewiesen (Nonaka und Takeuchi 1997; Pawlowski 1998). In der betrieblichen Bildung überwiegt inzwischen das informelle Lernen gegenüber dem formalen: 78,5 Prozent der Unternehmen setzen auf Lernen am Arbeitsplatz, Informationsveranstaltungen und mediengestütztes Lernen, 76,3 Prozent finanzieren eigene oder externe Kurse und Seminare (Lenske und Werner 2009).
Die Bildungspolitik in Deutschland sieht sich durch einen segmentierten Arbeitsmarkt herausgefordert. Es fehlen Fachkräfte – und zugleich bleibt die Arbeitslosigkeit der beruflich Geringqualifizierten hoch. Die nachträgliche Vermittlung von beruflichen Abschlüssen für Erwachsene ist ein Mittel, dieser Segmentierung entgegenzutreten. Die geringen Quoten erfolgreicher »Nachqualifizierung« bis hin zum Berufsabschluss zeigen aber, dass mit solcher formaler Weiterbildung viele An- und Ungelernte nicht erreicht werden. Die Bildungspolitik muss Antworten darauf finden, dass sich das Fachkräftepotenzial in Deutschland in Zukunft nicht weit überwiegend aus einheimischen Schulabsolventen rekrutieren wird, sondern auch aus einer heterogenen Mischung von Menschen ohne formale Schul- oder Berufsabschlüsse, mit schwer einschätzbaren ausländischen Abschlüssen oder mit Abschlüssen, die vor vielen Jahren in anderen als den ausgeübten Berufen erworben wurden. Solche atypischen Bildungsverläufe sind mit den bestehenden Zertifikatssystemen nicht abzubilden. Diesen Gruppen müssen Zugänge im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt geöffnet werden, damit ihr Arbeitsmarktrisiko verringert werden kann und demographisch bedingten Fachkräfteengpässen entgegengetreten werden kann. Eine bildungspolitische Devise ist daher, das Lernen im gesamten Berufsverlauf auszuweiten und aufzuwerten. Im Koalitionsvertrag der aktuellen 18. Legislaturperiode sind unter der Überschrift »Kompetenzen anerkennen« Initiativen vereinbart worden, mit denen nicht durch Zertifikate belegte Kompetenzen sichtbar gemacht werden sollen (Koalitionsvertrag 2013). Das hat dazu geführt, dass sich auch die Akteure der formalen Bildungssysteme, für die das zuvor nur ein marginales Thema gewesen war, in bildungspolitischen Gremien mit Strategien der Validierung befassen.
Diese Herausforderung besteht nicht nur in Deutschland. Mit Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 20. Dezember 2012 (Rat der Europäischen Union 2012) sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgefordert, bis 2018 Möglichkeiten der Zertifizierung für informell erworbene Kompetenzen zu schaffen. Der Beschluss empfiehlt den Mitgliedstaaten, Regelungen zu schaffen, die es dem Einzelnen möglich machen, seine informell oder nonformal erzielten Lernergebnisse validieren zu lassen und auf dieser Grundlage eine volle oder partielle Berufsqualifikation zu erhalten. Unter Validierung werden Verfahren verstanden, bei denen »eine zugelassene Stelle bestätigt, dass eine Person die anhand eines relevanten Standards gemessenen Lernergebnisse erzielt hat« (ebd.: 5). Der Europäische Rat hebt in seiner Empfehlung die Steigerung der Beschäftigungsfähigkeit für sozial Benachteiligte und An- und Ungelernte hervor. Für die erfolgreiche Etablierung eines Systems der Anerkennung informellen Lernens in den einzelnen Mitgliedstaaten wirken Beschlüsse des Europäischen Rates allerdings nur als Initiatoren. Die Um...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1 Einleitung
  6. 2 Grundlagen der Anerkennung des informellen Lernens
  7. 3 Kernelemente und Gütekriterien von Systemen zur Anerkennung des informellen Lernens
  8. 4 Die Situation in Deutschland: Die Anerkennung der Ergebnisse informellen und nonformalen Lernens bei formal Geringqualifizierten: Status quo und Perspektiven
  9. 5 Ansätze und Verfahren der Anerkennung der Ergebnisse informellen und nonformalen Lernens bei formal Geringqualifizierten in ausgewählten Ländern
  10. 6 Von Europa lernen? – Europäische Erfahrungen, deutsche Möglichkeiten
  11. Glossar
  12. Zusammenfassung
  13. Abstract