Städte leben Vielfalt
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Städte leben Vielfalt

Fallstudien zum sozialen Zusammenhalt

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  1. 222 Seiten
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Städte leben Vielfalt

Fallstudien zum sozialen Zusammenhalt

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Globalisierung, Fluchtbewegungen, soziale Ungleichheit und Diversität fordern Städte, Landkreise und Gemeinden heraus. Die Kommunen müssen diesen Entwicklungen begegnen, um ein gelingendes Miteinander zu gestalten. Die Publikation "Städte leben Vielfalt" basiert auf quantitativen und qualitativen Analysen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Städten Dessau-Roßlau, Dortmund, Lippstadt und Rostock. Deutlich wird, dass sozialer Zusammenhalt eine Ressource ist, die durch sozialräumlich differenzierte Projekte gefördert werden kann, wodurch räumlichen Disparitäten und Segregation entgegenzuwirken ist.Der Band liefert Anregungen und Handlungsansätze für Akteure und Akteurinnen aus kommunaler Politik, Verwaltung, Stadtentwicklung und Zivilgesellschaft, wie der Zusammenhalt vor Ort gestärkt werden kann.

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1 Zusammenfassung

Städte, Gemeinden und Landkreise sind aufgrund politischer, sozialer und wirtschaftlicher Entwicklungen durch eine zunehmende Vielfalt ihrer Bürgerschaft geprägt. Die Kommunen können die aktuellen Trends – der Digitalisierung und Globalisierung, der weltweiten Migration und räumlichen Mobilität, der zunehmenden sprachlichen, kulturellen und religiösen Pluralisierung der Bevölkerung, der veränderten Familien- und Lebensformen – sowie den demographischen Wandel kaum beeinflussen, aber sie können das Miteinander und die Vielfalt vor Ort aktiv gestalten.
Die Sorge um den sozialen Zusammenhalt ist in den vergangenen Jahren zu einem Kernthema politischer Debatten geworden. Einen besonderen Impuls hat dabei die große Zahl von Asylsuchenden und Flüchtlingen ausgelöst, die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind. Die Flüchtlingszuwanderung ist zu einem Synonym für die vielfältigen desintegrativen Entwicklungstendenzen in unserer Gesellschaft geworden. Die Erfolge der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) an den Wahlurnen scheinen diese Sichtweise ebenso zu bestätigen wie die aktuellen Debatten über die Abweisung von Asylbewerbern an den Grenzen der Europäischen Union.
In der vorliegenden Studie wird der Zusammenhalt vor Ort in vier sehr unterschiedlichen Kommunen – zwei ost- und zwei westdeutschen Groß- und Mittelstädten – detailliert untersucht. Ausgewählt wurden die Städte Dortmund und Lippstadt in Nordrhein-Westfalen, die Hanse- und Universitätsstadt Rostock in Mecklenburg-Vorpommern sowie die Stadt Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt. Im Fokus stehen dabei die verschiedenen Dimensionen von Zusammenhalt, insbesondere die Akzeptanz von Vielfalt in der lokalen Bevölkerung, sowie die Auswirkungen der Zuwanderung von Geflüchteten auf den Zusammenhalt vor Ort.
Die Ergebnisse dieser Studie basieren auf einem multimethodischen Vorgehen: Dieses verknüpft quantitative Erhebungen – Telefoninterviews mit fast 3.000 Befragten – mit qualitativen Interviews, Gesprächsrunden und Großgruppenveranstaltungen, um die Vielschichtigkeit der Erfahrungen und Perspektiven zum lokalen Zusammenhalt vor Ort erheben und bewerten zu können. Insgesamt nahmen an den Interviews und Gesprächsrunden mehr als 130 Personen teil. Mit den Großgruppenveranstaltungen (Auftakt- und Transfer-Workshops) in den vier Orten wurden zudem insgesamt über 300 Schlüsselakteure erreicht.

1.1 Zentrale Ergebnisse

Unsere kontrastierend angelegten Fallstudien zum sozialen Zusammenhalt in den Städten Dessau-Roßlau, Dortmund, Lippstadt und Rostock geben Hinweise auf Trends und Zusammenhänge, die sich erst durch das Eintauchen in die überwiegend urbanen Untersuchungsräume zeigen. Sie bieten beispielhafte Einblicke, wie es gegenwärtig um den Zusammenhalt in deutschen Groß- und Mittelstädten steht und insbesondere, wie mit Vielfalt, Zuwanderung und Integration umgegangen wird. Vor allem erlauben sie die Überprüfung verbreiteter Annahmen und versprechen Anregungen für weiterreichende Fragestellungen.
Zusammenhalt ist lokal. Sozialer Zusammenhalt wird in der eigenen Stadt, im Ortsteil und in der Nachbarschaft erfahren und gelebt. Das zeigen unsere Befragungsergebnisse in mehrfacher Hinsicht: Erstens zeigt sich eine große Diskrepanz zwischen der Einschätzung des Zusammenhalts in Deutschland und der (besseren) Bewertung des Miteinanders im eigenen Ortsteil. Zweitens ist das subjektive Gerechtigkeitsempfinden (auch bezogen auf die Verteilung zwischen den Sozialräumen der eigenen Stadt) deutlich positiver als die Wahrnehmung der allgemeinen Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland. Drittens zeigen die Menschen tendenziell mehr Vertrauen in lokale Parteien und Politiker, in die Stadt- und Gemeindeverwaltung sowie in lokale/regionale Medien als in Parteien und Politiker im Allgemeinen, in Bundes- und Landesregierung sowie in überregionale Medien. Die meisten Menschen fühlen sich zudem viertens sehr mit ihrer Stadt verbunden: Die gefühlte Verbundenheit mit der eigenen Stadt ist etwas höher als die mit dem Bundesland und fast so hoch wie die mit Deutschland. Zum Selbstverständnis insbesondere von Großstädten gehört aus der Sicht vieler Gesprächspartner, dass alle Menschen als zugehörig verstanden werden, die sich dort aufhalten – unabhängig von ihrer Herkunft oder anderen Merkmalen. Die Städte und die politisch Verantwortlichen haben zahlreiche Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort zu stärken.
Der lokale Zusammenhalt ist hoch, belastbar und im Städtevergleich nur gering differenziert. Der soziale Zusammenhalt ist in den vier Städten vergleichsweise hoch: Auf einer Skala von 0 bis 100 – wobei 0 den niedrigsten und 100 den höchsten Wert darstellt – erreicht die Stadt Lippstadt (64,1 Punkte) den höchsten Wert, gefolgt von Rostock (63,6 Punkte), Dortmund (63,4 Punkte) und Dessau-Roßlau (59,8 Punkte). Die Unterschiede zwischen den vier Untersuchungsorten fallen beim Gesamtindex Gesellschaftlicher Zusammenhalt mit etwas über 4 Punkten gering aus. Sie entsprechen weder den vermuteten Unterschieden zwischen Groß- und Mittelstädten noch dem erwartbaren West-Ost-Gefälle. Der soziale Zusammenhalt ist weder in den Mittelstädten größer als in den Großstädten noch in den ostdeutschen Kommunen geringer als in den westdeutschen Kommunen. Das positive Ergebnis von Rostock mag zunächst überraschen, kann aber erklärt werden mit der zentralen Bedeutung der Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, ihrer relativ guten wirtschaftlichen Situation sowie dem Charakter einer weltoffenen Hafen- und Universitätsstadt. Das hohe Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger bei der Versorgung einer großen Zahl von »Transit-Flüchtlingen« auf dem Weg nach Skandinavien im Herbst 2015 hat zudem das Selbstverständnis der Stadt nachhaltig beeinflusst. Die Ergebnisse zeigen, dass der soziale Zusammenhalt in den Kommunen Deutschlands – auch vor dem Hintergrund einer verstärkten Zuwanderung von Geflüchteten seit 2015 – nicht nur vergleichsweise hoch, sondern vielerorts robuster und belastbarer ist, als manche besorgte und skeptische Stimmen vermuten lassen.
Der lokale Zusammenhalt unterscheidet sich in seinen einzelnen Dimensionen. Zwischen den neun Dimensionen, in denen der soziale Zusammenhalt gemessen wurde, zeigen sich über alle Städte hinweg große Unterschiede: Die höchsten Werte weist die Dimension Identifikation auf. Es folgen die Dimensionen Solidarität und Hilfsbereitschaft, Akzeptanz von Diversität, Anerkennung sozialer Regeln und Gerechtigkeitsempfinden. Am niedrigsten sind die Werte in den Dimensionen Vertrauen in Institutionen und Gesellschaftliche Teilhabe. In einigen Dimensionen finden sich auch Differenzen im Städtevergleich, die allerdings unterschiedlichen Mustern folgen: So sind soziale Netze in den westdeutschen Kommunen stärker ausgeprägt als in den ostdeutschen Kommunen, und die Akzeptanz von Diversität ist in Großstädten höher als in Mittelstädten. Das sind die einzigen Kategorien, in denen sich Unterschiede nach Größe oder Lage der Städte finden. Die Werte in der Dimension Gerechtigkeitsempfinden spiegeln dagegen die unterschiedlichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen der Städte wider (mit dem höchsten Wert in Lippstadt und dem niedrigsten in Dessau-Roßlau). Die spezifischen Höchstwerte der Untersuchungsorte betreffen – neben den überall herausragenden Dimensionen Identifikation sowie Solidarität und Hilfsbereitschaft – die Akzeptanz von Diversität in den Großstädten Dortmund und Rostock, das Gerechtigkeitsempfinden in Lippstadt sowie die Anerkennung sozialer Regeln in Dessau-Roßlau.
Sozialer Zusammenhalt differenziert sich auf Stadtteilebene aus. Die Befunde unserer Studie zeigen, dass es lohnend und notwendig ist, den sozialen Zusammenhalt klein- und sozialräumig in den Blick zu nehmen. Die Unterschiede zwischen den 19 Stadtbereichen, in die unsere vier Untersuchungsstädte differenziert werden konnten, sind deutlich stärker ausgeprägt als die zwischen den vier Städten selbst. Starke Disparitäten finden sich vor allem in den Großstädten Dortmund und Rostock, wo sich die Stärke des Zusammenhalts entlang sozioökonomischer Spaltungslinien innerhalb der Städte ausdifferenziert. Zunehmende Segregation und soziale Ungleichheit sind also auch ein Problem für den Zusammenhalt. Die Unterschiede innerhalb der Mittelstädte Dessau-Roßlau und Lippstadt fallen dagegen deutlich geringer aus. Bemerkenswert ist, dass der soziale Zusammenhalt in den Großstädten in den inneren Stadtteilen besonders hoch ist, während er in den Mittelstädten in den äußeren, oft eher ländlich geprägten Bereichen stärker als in den Kernstadtbereichen ausgeprägt ist. Zu den sechs Stadtbereichen mit den höchsten Werten gehören zwei Stadtbereiche in Rostock (Stadtmitte/Innenstadt und Ortsteile mit hohem Einfamilienhausanteil) und vier in Dortmund (Hörde, Aplerbeck, Innenstadt und Brackel). Unter den sechs Stadtbereichen mit den niedrigsten Werten befinden sich alle vier Stadtbereiche Dessau-Roßlaus (Kernstadt/Innenstadt, Innere Stadt, Ortsteil Roßlau, Äußere Stadt mit Ortschaften im ländlichen Raum) sowie zwei Dortmunder Stadtbereiche im Norden (Eving, Scharnhorst) und im Nordwesten (Huckarde, Mengede).
Die Akzeptanz von Diversität ist mehrheitlich hoch, doch mancherorts ausbaufähig und mit nur wenigen Vielfaltserfahrungen unterlegt. Vielfalt ist in unseren Untersuchungsstädten hoch akzeptiert, aber es zeigt sich auch eine Polarisierung des Meinungsklimas – mit Unterschieden zwischen Groß- und Mittelstädten. Während die höchsten Werte in den Großstädten Rostock (70,4 Punkte) und Dortmund (69,4 Punkte) erreicht werden, sind die Werte in den Mittelstädten Lippstadt (66,6 Punkte) und Dessau-Roßlau (62,0 Punkte) deutlich niedriger. Eine Mehrheit der Befragten in den vier Städten empfindet die zunehmende Vielfalt als Bereicherung für das Leben in Deutschland (55 %) und freut sich, dass Deutschland im Zuge einer Willkommenskultur »vielfältiger und bunter« wird (57 %). Während die Akzeptanz von Diversität nach wie vor groß ist, fühlt sich eine deutliche Minderheit von 18 Prozent eher bedroht von der zunehmenden Vielfalt. Trotz der höheren Werte in den Großstädten ist Vielfalt in Lippstadt ebenfalls vergleichsweise hoch akzeptiert, was auch als Ergebnis der westdeutschen Migrationsgeschichte gedeutet werden kann, die viele kleinere und mittlere Städte nachhaltig geprägt hat. In Dessau-Roßlau mit den niedrigsten Akzeptanzwerten fehlt dagegen die Erfahrung, dass Zuwanderung zum lokalen Wohlstand beitragen kann, da die Stadt bislang insbesondere geprägt ist durch starke Abwanderungen vor allem junger Menschen, eine Bevölkerung mit hohem Durchschnittsalter und hinsichtlich Zuwanderung und Integration vor allem durch die Zuweisung von Aussiedlern und Geflüchteten.
Eine Mehrheit sieht die Zuwanderung von Geflüchteten positiv; etwa ein Viertel vertritt eine ablehnende Haltung. Eine Mehrheit der Befragten in unseren Untersuchungsorten bewertet die Zuwanderung von Geflüchteten positiv: 56 Prozent meinen, dass Deutschland durch die Flüchtlinge zu einem »besseren Ort zum Leben« werde, und 67 Prozent sind der Überzeugung, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen »gut für die deutsche Wirtschaft« ist. Andererseits sind mit 28 bzw. 23 Prozent etwa ein Viertel der Befragten überzeugt, dass Deutschland durch die Flüchtlinge zu einem »schlechteren Ort zum Leben« wird bzw. die Zuwanderung von Flüchtlingen »schlecht für die deutsche Wirtschaft« ist. Positive Einschätzungen der zugeschriebenen Wirkungen von Geflüchteten finden sich häufiger in den Großstädten (vor allem in Rostock) und seltener in den Mittelstädten (am wenigsten in Dessau-Roßlau). Diese mehrheitlich positive Einschätzung der Bevölkerung gegenüber Geflüchteten zeigt sich auch im Hinblick auf die eigene Stadt, wobei hier ebenfalls der ökonomische Impuls der Geflüchteten höher eingeschätzt wird als der Gewinn für die Stadtgesellschaft. 64 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Geflüchteten gut für die lokale Wirtschaft sind, und 54 Prozent teilen die Überzeugung, dass ihre Stadt durch die Geflüchteten zu einem besseren Ort zum Leben wird. Auch hier vertritt etwa ein Viertel der Befragten (25 % bzw. 27 %) die gegenteilige Auffassung. Die Aufnahme und Integration von Geflüchteten hat das Miteinander im Ortsteil – das von etwa zwei Dritteln der Befragten in den vier Städten als sehr freundlich oder eher freundlich bewertet wird – weniger beeinflusst als oft angenommen. Rund drei Viertel der Befragten geben an, dass sich das Miteinander im Ortsteil weder verbessert noch verschlechtert habe.
Sehr viele Menschen setzen sich aktiv für Geflüchtete ein und engagieren sich freiwillig. In allen Untersuchungsstädten wird über eine starke Unterstützung von Geflüchteten und ein eindrucksvolles freiwilliges Engagement der Bevölkerung berichtet, welches über das in einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommene Ausmaß – besonders um das Jahr 2015 – noch hinausgeht. Vor allem in Dortmund ist das Engagement überdurchschnittlich hoch: Fast zwei Drittel (63 %) gaben hier zum Befragungszeitpunkt im Frühjahr 2017 an, sich in den vergangenen zwei Jahren in irgendeiner Form (außer Geld- oder Sachspenden) für Geflüchtete eingesetzt zu haben. Den niedrigsten, aber noch immer erstaunlich hohen Wert erreicht Dessau-Roßlau, wo fast die Hälfte der Befragten (49 %) über entsprechende Aktivitäten berichtete. In der Tendenz setzen sich in den Großstädten mehr Menschen für Geflüchtete ein als in den Mittelstädten und in den westdeutschen Kommunen mehr als in den ostdeutschen. Alle Städte stehen allerdings Mitte des Jahres 2017 vor der Herausforderung, das Engagement und die entstandenen Strukturen nachhaltig zu stärken.
Erfahrungen im Kontakt mit Geflüchteten werden überwiegend positiv bewertet – und sind abhängig von individuellen Einstellungsmustern. Mehr als drei Viertel der Befragten (79 %) in den vier Untersuchungsstädten berichten über eigene Erfahrungen mit Geflüchteten und bewerten diese überwiegend positiv (66 %). Lediglich sieben Prozent berichten von eher negativen oder sehr negativen Erfahrungen. Etwa jeder und jede Vierte (27 %) hat gemischte Erfahrungen gemacht. In den Großstädten Dortmund und Rostock werden die Kontakte insgesamt positiver bewertet; in den Mittelstädten steigt dagegen der Anteil derjenigen, die die Kontakte als negativ einschätzen, auf rund zehn Prozent. Auffällig ist jedoch auch, dass die Anteile der Befragten, die in den beiden westdeutschen Kommunen von sehr positiven Kontakten berichten, mit knapp zwanzig Prozent deutlich über den Werten der ostdeutschen Kommunen liegen. Die Häufigkeit von Kontakten zu Geflüchteten, aber auch deren Bewertung stehen im Zusammenhang mit individuellen Einstellungsmustern gegenüber Vielfalt und Einwanderung sowie mit allgemeinen Erfahrungen im Umgang mit Migrantinnen und Migranten. Befragte, die in ihrem persönlichen oder beruflichen Umfeld regelmäßige Kontakte zu Menschen mit Migrationshintergrund haben, zeigen häufiger eine positive Haltung zu Vielfalt und Zuwanderung, sind offener für Kontakte zu Geflüchteten und bewerten diese Erfahrungen tendenziell auch positiver.
Die kommunale Flüchtlings- und Integrationspolitik wird meist positiv bewertet, auch wenn sich noch Entwicklungsmöglichkeiten zeigen. Etwa die Hälfte (48 %) der Befragten in den vier untersuchten Orten vertritt die Auffassung, dass ihre Stadt die mit der Zuwanderung von Geflüchteten verbundenen Herausforderungen sehr gut oder gut bewältigt hat. 41 Prozent zeigen sich unentschlossen (»teils, teils«), und elf Prozent bewerten die kommunalen Anstrengungen als schlecht oder sehr schlecht. Allerdings zeigt sich bei dieser Frage eine große Varianz zwischen den vier Kommunen. Die positiven Bewertungen reichen von 55 Prozent in Lippstadt bis zu 43 Prozent in Dessau-Roßlau. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (57 %) ist der Meinung, dass ihre Stadt »genug« tut, »um Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren«. Allerdings ist fast ein Drittel der Meinung, dass ihre Stadt »viel zu wenig« oder »zu wenig« tut; nur 13 Prozent sehen ein (viel) zu viel. Die Ergebnisse zeigen, dass die Städte die mit der Aufnahme und Integration von Geflüchteten verbundenen Herausforderungen bislang nach Meinung der Bürgerinnen und Bürger recht gut bewältigt haben, auch wenn eine engagierte Zivilgesellschaft daran einen wesentlichen Anteil hat und der Weg »noch sehr lang« ist. Der hohe Anteil von Unentschiedenen und die große Varianz der Bewertungen ist eine Handlungsaufforderung an die Kommunen, ihre Bemühungen weiter fortzuführen und auszubauen.
Sozialer Zusammenhalt in Kommunen wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Bivariate Analysen unseres Datensatzes zeigen, dass die Zahl der Kinder im Haushalt und das Abitur als Schulabschluss die wichtigsten Einflussfaktoren für Zusammenhalt sind. Es folgen (in dieser Reihenfolge) die private Nutzung des Internets, die Anzahl der Bücher im Haushalt, ein Hochschulabschluss und das Haushaltsnettoeinkommen. Weitere wichtige Teilbefunde auf Basis der vier Orte sind: (1) Die formale Bildung der Befragten ist eher in großstädtischen als in mittelstädtischen Kontexten von großer Bedeutung für den Zusammenhalt in der Kommune. (2) Das Nettoeinkommen privater Haushalte ist eher im Osten als im Westen ein Prädiktor für hohen bzw. niedrigen sozialen Zusammenhalt. (3) Arbeitslosigkeit und Transferleistungsbezug sind keine signifikanten Marker für einen geringen sozialen Zusammenhalt. (4) Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Religiosität und sozialem Zusammenhalt. (5) Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund und der soziale Zusammenhalt stehen in keinem negativen (oder positiven) Zusammenhang. Die besten Garantinnen eines hohen sozialen Zusammenhalts in Kommunen sind eine ausgeglichene demographische Bevölkerungsstruktur, eine hohe Bildung einschließlich digitaler Teilhabe sowie gute ökonomische Ressourcen der Bürgerinnen und Bürger. Diese Prädiktoren bieten Anknüpfungspunkte für eine aktive und strategisch orientierte Kommunalpolitik, die versucht, durch eine Verzahnung von kommunaler Bildungs-, Demographie-, Migrations- und Wirtschaftspolitik die Bedingungen für einen hohen sozialen Zusammenhalt vor Ort zu gestalten.
Sozialer Zusammenhalt hängt mit Lebenszufriedenheit, Gesundheitsempfinden und der Haltung zur Flüchtlingspolitik zusammen. Unsere Analysen bestätigen vorliegende Befunde, dass ein höherer sozialer Zusammenhalt mit einer höheren Lebenszufriedenheit einhergeht. Dies zeigt sich vor allem auf Ebene der Stadtbereiche. Die durchschnittlichen Werte für Lebenszufriedenheit in den 19 Stadtbereichen und deren Kennwerte für sozialen Zusammenhalt sind positiv korreliert: In Stadtteilen mit höherem sozialem Zusammenhalt leben im Durchschnitt auch die zufriedeneren Menschen. Ähnliche E...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Dank
  7. 1 Zusammenfassung
  8. 2 Anlage der Studie
  9. 3 Untersuchungsstädte
  10. 4 Zentrale Untersuchungsergebnisse
  11. 5 Berichterstattung der lokalen Medien zur Flüchtlingssituation in den vier Städten
  12. 6 Engagement und Integration
  13. 7 Begegnung und Dialog in der Einwanderungsgesellschaft – Erfahrungen und Perspektiven in sozialen Interaktionen
  14. 8 Ablehnende Haltungen in der Bevölkerung gegenüber Vielfalt und Aktivitäten zur Stärkung der lokalen Demokratie
  15. 9 Zentrale Ergebnisse und Handlungsempfehlungen
  16. Anhang: Übersicht über Interviews und Gesprächsrunden
  17. Literatur
  18. Abstract