II Mittler, Netzwerke, Märkte
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Mittlernetzwerke in Deutschland
bagfa: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen im Bereich des unternehmerischen bürgerschaftlichen Engagements
Kerstin Brandhorst
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (kurz: bagfa) ist in der Landschaft der bundesweit agierenden Gemeinwohlorganisationen eine vergleichsweise junge Akteurin im Themenfeld des bürgerschaftlichen Engagements. Im Jahr 1999 von Vertretern lokaler Freiwilligenagenturen als gemeinnütziger, partei- und konfessionsunabhängiger Verein gegründet, ist die bagfa gleichermaßen Fachorganisation und Dachverband für Freiwilligenagenturen. Sie definiert sich neben anderen Aufgaben auch als Mittlernetzwerk für Corporate Volunteering. Die bagfa verfolgt im Wesentlichen vier Zielrichtungen:
• Erstens will sie die inhaltlichen Konzeptionen für Freiwilligenagenturen weiterentwickeln. Dazu zählen vor allem die Schärfung des Profils sowie die Qualifizierung und Beratung von lokalen Einrichtungen (bagfa 2006). Es geht dabei auch um mögliche Beiträge von Freiwilligenagenturen zur Lösung gesellschaftlich relevanter Fragestellungen.
• Zweitens stärkt die bagfa Qualitätsentwicklung bei Freiwilligenagenturen. Sie hat dazu vor vier Jahren mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung und des Bundesfamilienministeriums ein Qualitätsmanagementsystem etabliert. Es beschreibt die wesentlichen Kernbereiche von Freiwilligenagenturen und erlaubt Qualitätsüberprüfung anhand definierter Standards. Derzeit können 33 dieser Agenturen auf das Qualitätssiegel der bagfa verweisen.
• Drittens knüpft und stärkt die bagfa das bundesweite Netzwerk der Freiwilligenagenturen. Sie erleichtert den lokalen Akteuren den Erfahrungsaustausch in thematischen Arbeitsgruppen und verbreitet gute Erfahrungen oder Praxisideen.Einen hohen Stellenwert hat die Begleitung der Landesarbeitsgemeinschaften für Freiwilligenagenturen. In elf Bundesländern sind solche Landeszusammenschlüsse gegründet worden, um für Politik ein Ansprechpartner zu sein.
• Viertens sucht die bagfa den Dialog mit Politik und Verwaltungen, Unternehmen und der Wissenschaft sowie Stiftungen und anderen Organisationen. In der Vergangenheit praktizierte Dialoge der bagfa sind unter anderem die Einbeziehung von Unternehmen, Wissenschaft und Politik in die Jury des Innovationspreises, in Fachtagungen oder Workshops. Auch für die Begutachtung des Qualitätssiegels werden jährlich externe Experten von der bagfa bestellt. Seit zwei Jahren ist Bundespräsident Horst Köhler Schirmherr der bagfa.
Seit Bestehen der bagfa ist die Kooperation mit Unternehmen eine wesentliche Zielrichtung:
• Mit den Freiwilligenagenturen wurde die Arbeitsgruppe »Corporate Volunteering« aufgebaut. In diesem Rahmen werden der qualifizierte Erfahrungsaustausch unterstützt und Qualitätsstandards für Freiwilligenagenturen als Mittlerorganisationen definiert.
• Die jährliche Fachtagung der bagfa bietet unterschiedliche Themenblöcke für Mitarbeiter von Freiwilligenagenturen an, um neuere Entwicklungen in die lokale Szene zu transferieren. Bei Vorträgen, Podiumsgesprächen oder Workshops sind wiederholt Unternehmensvertreter geladen, u.a. von Siemens, Deutscher Bank, Volksbank, SAP oder Bruderhilfe-Pax-Familienfürsorge.
• Auch bei der jährlichen Ausschreibung des Innovationspreises für Freiwilligenagenturen sind Unternehmen beteiligt worden, so Vodafone oder die Deutsche Bank.
• Für Freiwilligenagenturen, die sich mit dem Thema Corporate Volunteering beschäftigen, wurde im Jahr 2007 ein Qualifizierungsangebot unterbreitet (bagfa 2007b) - finanziert und inhaltlich unterstützt von der Deutschen Bank. Anknüpfend an den Qualifizierungsbedarf der Agenturen wurde hier die Begegnung zwischen verantwortlichen Akteuren der Deutschen Bank und der Freiwilligenagenturen ermöglicht. Die verabredete Kooperation in Bezug auf Social Days ist ein wesentliches Ergebnis, die Verabredung für eine gemeinsame Kooperationsplattform von Freiwilligenagenturen ein anderes.
Freiwilligenagenturen als lokale Akteure
Sprechen wir von Freiwilligenagenturen, so haben wir es organisatorisch mit kleinen, lokal verankerten Einrichtungen zu tun. Auf den ersten Blick ergeben sie ein buntes Bild in ihren Finanzierungsstrukturen, den Trägerkonstellationen oder durch sie entwickelte Projektideen. Ein großer Teil der Agenturen besteht bereits zehn bis 15 Jahre und hat sich vor Ort etablieren können, ein anderer Teil ist noch in der Aufbauphase begriffen. Heute können wir in der Bundesrepublik von insgesamt 280 dieser Agenturen ausgehen, die in umfassender Weise bürgerschaftliches Engagement im lokalen Raum fördern. Einerseits beraten sie Menschen, die sich über ihre Möglichkeiten zum Engagement informieren wollen. Zum anderen verfügen Freiwilligenagenturen über vielfältige Kontakte zu Non-Profit-Organisationen. Sie werben bei den Organisationen dafür, dass freiwillig Engagierte bei ihrer Tätigkeit angemessen begleitet werden und ihr Engagement Anerkennung findet. Darüber hinaus fallen Freiwilligenagenturen immer wieder durch besonders innovative Projekte auf, die gezielt bestimmte Gruppen ansprechen.
Freiwilligenagenturen sind vor allem deshalb für Unternehmen interessant, weil sie als lokale Experten für bürgerschaftliches Engagement themen- und organisationsübergreifend tätig sind und auf Erfahrungen im Projektmanagement verweisen können.
Sie übernehmen - je nach Absprache und Auftrag - folgende Aufgaben:
• Sensibilisierung und Aktivierung von regional bis international tätigen Unternehmen für gesellschaftliches Engagement,
• Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten für Unternehmen und Non-Profit-Organisationen,
• Initiierung langfristiger Partnerschaften zwischen Unternehmen und Organisationen,
• Ermittlung passender Projektpartner,
• Begleitung, Qualifizierung sowie Öffentlichkeitsarbeit bei Corporate-Volunteering-Projekten.
Derzeit übt allerdings nur ein Teil der Freiwilligenagenturen diese Mittlertätigkeit für Unternehmensengagement aus. Vorhandene Ressourcen in personeller und finanzieller Hinsicht und das Vorhandensein von Qualifikationen der Mitarbeiter geben meist den Ausschlag dafür, ob sich eine Freiwilligenagentur diesem Aufgabenbereich zuwenden kann oder nicht.
Freiwilligenagenturen mit Fokus auf Unternehmensengagement haben in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe verschiedener Instrumente erprobt, um Unternehmen und Non-Profit-Organisationen anzusprechen sowie langfristige Kooperationen anzubahnen und zu begleiten. Unternehmens-Gesprächskreise, Freiwilligentage, Wettbewerbe, Mentoring-Projekte, Kulturpaten, Seitenwechsel oder Marktplätze gehören beispielsweise dazu.
Entwicklung und Potenziale aus Sicht der bagfa
Die Praxiserfahrungen und Diskussionen im Kreise der Freiwilligenagenturen können in zwei Richtungen interessante Hinweise auf mögliche Weiterentwicklungen des Themenfeldes geben: einerseits in Hinblick auf die Qualität von Corporate-Volunteering-Aktivitäten und andererseits in Bezug auf ihre eigene Mittlerrolle.
dp n="59" folio="63" ? Qualität von Corporate-Volunteering-Aktivitäten
Die Qualität von Corporate-Volunteering-Aktivitäten ist mehr in den Vordergrund zu rücken. Derzeit stehen Kenngrößen wie die Anzahl der Unternehmensmitarbeiter oder der beteiligten Unternehmen und die Häufigkeit der Medienpräsenz im Vordergrund, wenn nach dem Erfolg oder dem Nutzen gefragt wird. Die folgenden vier Punkte geben aus Sicht der bagfa Hinweise für notwendige Weiterentwicklungen:
• mehr Kontakt zur Klientel der Organisationen:
Eintägige Freiwilligeneinsätze von Unternehmensmitarbeitern beschränken sich häufig auf handwerkliche Tätigkeiten. Sie führen zwar zu einem sichtbaren Ergebnis, die Kontakte zur Klientel der Organisation bleiben aber oft genug auf der Strecke. Wenn die Begegnung zwischen zwei verschiedenen Welten als Ziel definiert wird, so ist dies als Aufgabe bei Freiwilligeneinsätzen stärker in den Blick zu rücken.
• realer Bedarf von Non-Profit-Organisationen als Ausgangspunkt: Viele Unternehmenseinsätze werden inszeniert, nicht selten mit erheblichem Aufwand bei der Öffentlichkeitsarbeit. Das zeitliche Vorgehen beschreiben die Akteure häufig folgendermaßen: Unternehmensmitarbeiter überlegen mögliche Bereiche ihres Engagements - Freiwilligenagentur sucht passendes Einsatzfeld - Organisation setzt um. Diese »Einbahnstraße« aufzulösen ist eine interessante Herausforderung für alle Beteiligten. So beschreibt der jährlich aktualisierte Katalog für Unternehmen aus Bremen den tatsächlich vorhandenen Bedarf der Non-Profit-Organisationen. Die Freiwilligen-Agentur Bremen wirbt mit diesem Katalog sehr erfolgreich um Unternehmen und plant langfristig eine Weiterentwicklung des Instruments.
• Nachhaltigkeit der Partnerschaften:
Die Freiwilligenagenturen streben langfristige Partnerschaften zwischen Unternehmen und Non-Profit-Organisationen an. Eintägige Aktionen sind oft erste Schritte - aber unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sind sie kritisch zu prüfen.
Der lokale Wettbewerb »engagiert für halle« kann als gelungenes Beispiel gelten, um langfristige Partnerschaften zu stiften. Zentrales Element des Wettbewerbs ist es, einjährige Unternehmenspartnerschaften als Preisgeld für gemeinnützige Initiativen und Projekte zu vergeben.
Eine andere Überlegung in Bezug auf nachhaltiges Unternehmensengagement könnte es sein, in nachbarschaftlichen Zusammenhängen zu denken und in einem Stadtteil ansässige Unternehmen mit Organisationen gezielt zueinander zu bringen.
• Auswertung von Corporate-Volunteering-Aktivitäten:
Eine zukünftige Aufgabe für Mittlerorganisationen ist es, umfassendere Auswertungsinstrumente zu entwickeln. Dabei könnten diese die Sichtweisen der Mittlerorganisation, des Unternehmens und der Non-Profit-Organisation gleichermaßen beinhalten, für alle Akteure zugänglich sein und eine kritische Betrachtung erlauben.
Auseinandersetzung mit der Mittlerrolle
Neben der Qualitätsentwicklung für Aktionen und Projekte müssen sich Freiwilligenagenturen verstärkt mit ihrer eigenen Rolle als Mittlerorganisationen auseinandersetzen.
Zumeist handeln sie im Auftrag eines der beteiligten Partner und verkaufen ihre Angebote als Dienstleistung an Unternehmen. Darüber hinaus sind Freiwilligenagenturen aber auch selbst ein Teil des Non-Profit-Bereichs und beziehen ihr Tätigsein auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen, z.B. auf die Lösung sozialer Problemlagen.
Um diese Mittlerrolle weiterzuentwickeln, werden im Wesentlichen folgende drei Voraussetzungen gesehen:
• Öffentlichkeitsarbeit
Bisher sind Freiwilligenagenturen mit ihren Angeboten für Unternehmensengagement wenig sichtbar. Die Auswertung von Medienberichten zeigt sehr deutlich: Auf Freiwilligenagenturen wird selten hingewiesen. Wenn sie perspektivisch und langfristig eine aktive Rolle einnehmen sollen oder wollen, sind neue Strategien für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bei Freiwilligenagenturen gefragt.
• Zugänge zu Unternehmernetzwerken
Um sich als Mittler vor Ort zu etablieren, bedarf es eigener Zugänge zu Unternehmensnetzwerken im kommunalen Raum. Auch hier lässt sich von gelungenen Beispielen lernen: so dem Unternehmensnetzwerk der Kölner Freiwilligen Agentur oder den Unternehmertreffen im Freiwilligenzentrum Hannover. Beide Freiwilligenagenturen profilieren sich hier als Initiatoren für Netzwerke mit Unternehmen.
• Kommunale Förderung
Um Instrumente für Unternehmenspartnerschaften bundesweit zu verbreiten, sind in Zukunft verstärkte Anstrengungen in den Kommunen sowie insgesamt bei der öffentlichen Förderung notwendig. Diese öffentlich geförderten Mittlertätigkeiten für Unternehmensengagement sind zurzeit eher die Ausnahme, wären aber eine Option, um die eigenständige Rolle der Freiwilligenagenturen zu stärken und auszubauen. Die Stadt München mit der Förderung der Freiwilligenagentur Tatendrang steht hier als nachahmenswertes Beispiel.
Zukunft
Die bagfa hat sich zum Ziel gesetzt, weitere Freiwilligenagenturen für die Mittlertätigkeit zu befähigen, indem sie sie zu eigenen Corporate-Volunteering-Aktivitäten animiert.
Zudem will sie die Qualitätskriterien von Corporate Volunteering weiterentwickeln und neue Strategien der Öffentlichkeitsarbeit erarbeiten. Darüber hinaus könnten künftige wissenschaftlich fundierte Analysen die Fragen nach konkreten Bedingungen, Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren die Tätigkeit der Freiwilligenagenturen begleiten.
dp n="62" folio="66" ?Je länger solche Agenturen mit stabilem, qualifiziertem Personal bestehen und als Spezialisten fürs Engagement erkannt und ausgestattet werden, umso mehr sind sie die ideale Fundgrube zu allen Fragen und Projekten des bürgerschaftlichen Engagements vor Ort. Das gilt auch im Hinblick auf die Mittlertätigkeit für Unternehmensengagement.
Es wird eine besondere Herausforderung für Freiwilligenagenturen und die bagfa sein, attraktive nachhaltige Corporate-Volunteering-Instrumente sichtbar zu machen und den eigenen Standort als gemeinwohlorientierte Mittlerorganisationen zu erweitern. Die große Nachfrage von Freiwilligenagenturen bei der bagfa zu Unternehmenskooperationen und die zunehmende Akzeptanz bei Unternehmen erlauben insgesamt eine optimistische Prognose für dieses Mittlernetzwerk.
Literatur
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa). Anleitung zum Aufbau einer Freiwilligenagentur. Berlin 2006.
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa). Handbuch Qualitätsmanagement für Freiwilligenagenturen. 5. Auflage. Berlin 2007a.
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa). Dokumentation Workshop-Reihe. Kooperation mit Unternehmen. o. O. 2007b.
www.bagfa.de
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UPJ: Bundesweites Netzwerk für Corporate Citizenship und Corporate Social Responsibility in Deutschland
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