Vorträge und Schriften I
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Vorträge und Schriften I

1983 - 1986

  1. 246 Seiten
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Vorträge und Schriften I

1983 - 1986

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Über dieses Buch

Neben seinen Buchveröffentlichungen hat Reinhard Mohn über viele Jahre auch immer wieder in Reden, Interviews und Aufsätzen seine Ideen zur Diskussion gestellt. Mit der Gründung der Bertelsmann Stiftung begann er Anfang der achtziger Jahre, seine Vorstellungen regelmäßiger zu veröffentlichen. In den drei Bänden "Vorträge und Schriften" sind diese Dokumente chronologisch zusammengefasst.

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Information

Jahr
2010
ISBN
9783867932851
Sachgerechte Mitbestimmung in der Wirtschaft16
Das Thema der paritätischen Mitbestimmung in der Wirtschaft hat unsere Gesellschaft nun schon seit Jahrzehnten kontrovers beschäftigt. Die Debatte über die Zweckmäßigkeit, die Ergebnisse und das richtige Ausmaß der Mitbestimmung will nicht abreißen. Es erscheint deshalb an der Zeit, eine Analyse der Mitbestimmungsproblematik vorzunehmen.
Zum besseren Verständnis der Entwicklung erinnere ich daran, daß in unserem Land nach dem Wiederaufbau der Wirtschaft der Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit und die Lösung der sozialen Frage zu dringenden gesellschaftspolitischen Themen wurden. Entsprechend konzentrierte sich das Bemühen der Politiker auf diese Auf-gabe, da erkennbar wurde, daß eine permanente Konfrontation in der Wirtschaft die Leistungsfähigkeit der Betriebe in Frage stellen würde. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß das heutige Konzept der sozialen Marktwirtschaft mit seiner ausgleichenden Wirkung damals noch unzureichend entwickelt war.
Angesichts dieser Umstände erscheint es rückblickend verständlich, daß unsere Politiker den Abbau der Konfrontation als vorrangige Aufgabe ansahen. Sie glaubten, die Lösung des Problems mit der Anwendung der ihnen bekannten politischen Ordnungsstrukturen erreichen zu können. So gipfelte ihr Bemühen in der Forderung, mehr Demokratie in der Wirtschaft zu wagen. Das Betriebsverfassungsgesetz sowie die Mitbestimmungsgesetzgebung sind Ausdruck dieser Bestrebungen.
Meines Erachtens haben die Gewerkschaften die Mitbestimmungsfrage von vornherein aus einer anderen Perspektive betrachtet. Konsens und Kooperation gehören nämlich nicht gerade zu den charakteristischen Merkmalen gewerkschaftlicher Strategie in unserem Lande. Eher muß leider das Gegenteil festgestellt werden. Die Gewerkschaften erkannten aber in der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsgesetzgebung eine willkommene Stärkung ihrer Position. Die in dieser Zeit von den Gewerkschaften stets propagierte Formel von der Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit möchte ich deshalb eher machtpolitisch als sachlich ernst gemeint bewerten. Denn auch zu dieser Zeit war es bereits deutlich, daß die früher den Interessenkonflikt richtig beschreibende Formel von »Kapital und Arbeit« durch wesentliche Strukturveränderungen in der Wirtschaft sinnentleert war.
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Das »Kapital« hat nämlich inzwischen viel von seiner ursprünglichen Funktion eingebüßt. Die Aufgaben der Unternehmensführung sind in unserer Zeit so schwierig geworden, daß nur noch selten die »Kapitalisten« selbst die an das Eigentum geknüpften Weisungsrechte ausüben können. Am ehesten wird diese Möglichkeit noch in der mittelständischen Wirtschaft bestehen. In den großen Publikumsgesellschaften dagegen hat zumeist ein professionelles Management die Kapitaleigner in der Unternehmensführung abgelöst. Dieses Management muß aber in unserer Zeit um seines Erfolges willen die Interessen aller im Unternehmen wirkenden Gruppen beachten und gegebenenfalls harmonisieren. Somit wurde die Unternehmensleitung und nicht mehr die Kapitalbesitzer zum Dialogpartner des Faktors Arbeit. - Genau die gleiche Entwicklung ist übrigens in den Ländern des Staatskapitalismus eingetreten. Auch die »demokratische« Variante des jugoslawischen Wirtschaftsmodells hat zu keinen anderen Ergebnissen geführt.
Der Einwand, daß die Unternehmensleitung doch die Repräsentanz des Kapitals darstelle, ist nicht stichhaltig. Nach dem Aktiengesetz, das heißt theoretisch, bestimmt zwar die Hauptversammlung den Aufsichtsrat und der Aufsichtsrat die Besetzung des Vorstands. In der Praxis ist aber mehr und mehr zu beobachten, daß ähnlich wie im amerikanischen Boardsystem die Aufsichtsratsmitglieder zumeist vom Vorstand vorgeschlagen werden. Der Wahlakt der Hauptversammlung hat dann nur noch formalen Charakter. - Da gesetzliche Maßnahmen im Bereich der Erbschafts-, Vermögens- und Einkommensbesteuerung die Kumulierung der für die heutigen Aufgaben notwendigen Kapitalbeträge in einer Hand oder im Besitz einer Familie seit langem nicht mehr gestatten, erscheint die Charakterisierung der in der Wirtschaft relevanten Kräfte mit »Kapital und Arbeit« um so mehr überholt.
Zur Unterstreichung dieser Auffassung möchte ich noch darauf hinweisen, daß in unserer Zeit Erfolg und Kontinuität eines Unternehmens in erster Linie von der Qualifikation der Unternehmensführung zur Bewältigung der gestellten Aufgabe abhängen. - »Führung« muß in diesem Zusammenhang als personelle wie führungstechnische Komponente begriffen werden. Die beiden Komponenten sind nicht gleichwertig. Der personellen Führungskomponente gebührt deutlich der Vorrang.
Die meines Erachtens unbestreitbare Verschiebung der Fronten von »Kapital und Arbeit« zu dem heutigen Gegensatz »Management und Arbeit« stellt eine wesentliche Veränderung des kapitalistischen Wirtschaftssystems dar. Die bewährte Steuerungsfunktion des Kapitals hat an Bedeutung verloren. Das Interesse des Kapitals beschränkt sich mehr und mehr nur noch auf eine optimale Verzinsung. Wird diese nicht mehr erreicht, so flieht das Kapital aus dem Engagement, anstatt wie früher energisch gegen die Mißstände vorzugehen. - Der Verlust der Führungsfähigkeit der Kapitaleigner hat ein Management heranwachsen lassen, dessen persönliche Ziele keineswegs immer deckungsgleich sind mit denen des früheren Unternehmers und Kapitaleigners. Nur zu oft beobachten wir nämlich, daß das persönliche Einkommensinteresse und das Geltungsstreben eines Managers nicht identisch sind mit einer optimalen Politik des ihm anvertrauten Unternehmens. Diese Versuchung des Vorstands wird verstärkt durch die Managementbeurteilung in der Wirtschaftspresse: Größe beeindruckt dort mehr als echte Führungsleistung!
Diese Entwicklung und ihre Folgen werden erst langsam verstanden. Meines Erachtens müssen wir sehr darauf bedacht sein, die bewährte Leistungsfähigkeit unseres auf privatem Eigentum und Gewinnstreben beruhenden Wirtschaftssystems zu erhalten. Wahrscheinlich wird die Antwort auf diese Situation verlangen, Ordnungsstrukturen zu schaffen, die unternehmerisches Verhalten auch im Großbetrieb wieder begünstigen. Dazu gehören insbesondere die Delegation der Verantwortung an den Profitcenterleiter und ein großer Freiraum für kreative unternehmerische Arbeit. Die Vergütung dieser Profitcenter-Verantwortlichen muß entsprechend ihrer unternehmerischen Aufgabenstellung erfolgsbezogen gestaltet werden. Ich bin überzeugt, daß wir auf diese Weise im Großbetrieb wieder Unternehmer wachsen lassen können und damit wenigstens teilweise die verminderte Führungsleistung des Kapitals ausgleichen.
Die Mitwirkung des Kapitals selbst bedarf einer Überprüfung und neuen Gestaltung. Der Führungsbeitrag der Hauptversammlung hat sich durch die Erhöhung des Schwierigkeitsgrades der Unternehmensführung und die Zersplitterung des Kapitalbesitzes beinahe zu einer Theatervorstellung reduziert. Durch die Einführung der Stimmrechtsübertragung im Rahmen der Depotstimmregelung wurde zwar die Funktionsfähigkeit der Hauptversammlung erhalten. Diese Praxis hat aber zu einer starken Konzentration wirtschaftlicher Macht geführt und wird zu Recht aus ordnungspolitischen Gründen immer wieder in Frage gestellt. - Wahrscheinlich wird die Lösung der Problematik in einer stärkeren Streuung der Depotstimmen und einer Verringerung der Einflußnahme der Aktionäre in der Hauptversammlung zu suchen sein. - Wenn die Aktionäre durch ein verbessertes Aufsichtsratswahlverfahren qualifiziertere Repräsentanten in den Aufsichtsrat delegieren würden, wäre viel gewonnen. Ein solches Vorgehen entspräche übrigens durchaus demokratischer Führungserfahrung. Ich bin überzeugt, daß es auf diese Weise möglich sein würde, über die Aufsichtsratsarbeit wieder den notwendigen Führungseinfluß des Kapitals wirksam werden zu lassen. Diese Entwicklung wäre eine adäquate Antwort auf die zu beobachtende Entartung des kapitalistischen Systems. Zugleich könnte auf diese Weise die Gefährdung der Unternehmen durch ihre Größe gemildert werden.
Die von den Politikern beabsichtigte Harmonisierung sollte durch die gesetzlich verankerte Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der großen Unternehmen realisiert werden. Die paritätische Mitsprache der Delegierten der Mitarbeiter sollte bei allen Grundsatzentscheidungen gewährleisten, daß die Interessenlage der Mitarbeiter ausreichend berücksichtigt wird. Ich möchte auch nicht ausschließen, daß nach dem Verständnis der Politiker dabei die Überzeugung eine Rolle gespielt hat, über die Mitwirkung der demokratisch gewählten Mitarbeitervertreter die Führungsleistung in den Unternehmen zu verbessern. - Eine andere Zielsetzung des Mitbestimmungsgesetzes mag die Erzielung von mehr Verständnis für die Belange des Unternehmens durch die Teilhabe der Mitarbeitervertreter an der Führungsverantwortung gewesen sein.
Rückschauend erscheint es mir beklagenswert, daß bei der Lösung der in der Tat so wichtigen Harmonisierungsaufgabe der Rat qualifizierter Unternehmensführer nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Vielmehr scheint mir, daß die spezifisch demokratische Führungserfahrung der Politiker uns mit dem Mitbestimmungsgesetz zu einem bedauerlichen und folgenreichen Fehlschluß geführt hat. - Zur Begründung dieser Auffassung sei an dieser Stelle eine Erläuterung der unterschiedlichen Aufgabenstellung der Führung in Wirtschaft und Politik eingeschoben.
Nach dem Verständnis der westlichen Demokratien sollen die Unternehmen im Rahmen einer sozial begrenzten Marktwirtschaft einen optimalen Leistungsbeitrag für die Gesellschaft erbringen. Verschiedene Nebenzielsetzungen sind dabei zu beachten, zum Beispiel die Selbstverwirklichung der Mitarbeiter in der Welt der Arbeit, die Aufrechterhaltung von Evolutionsbefähigung und Kontinuität sowie ausreichende finanzielle Erträge für das Kapital und den Staat. Dieser Zielsetzung kann ein Unternehmen angesichts des harten Konkurrenzkampfes nur gerecht werden, wenn es eine optimale Führung besitzt. So kann es nicht überraschen, daß die Entwicklung der Führungstechnik in der Wirtschaft sehr viel rascher erfolgte als in anderen Lebensbereichen. - Das Bemühen um die Optimierung der Führungsleistung muß in den Unternehmen den Aufsichtsrat und den Vorstand vorrangig beschäftigen. Eine Flut von relevanter Literatur zeugt von diesen Bestrebungen. Die Aufgabenstellung verlangt erhebliche führungstechnische und menschliche Erfahrung. Am besten können die erforderlichen Leistungen im Aufsichtsrat von Personen erbracht werden, die in unternehmerischer Tätigkeit entsprechende Erfahrungen gewonnen haben.
Dieser Aufgabendefinition der Führung in der Wirtschaft sei nun die Charakterisierung der demokratischen Führungstechnik gegenübergestellt. - Der demokratische Staat ist primär nicht auf Leistungsoptimierung ausgerichtet. Das demokratische Ordnungssystem soll vielmehr die Grundlinien der Politik nach dem Willen der Mehrheit der Wähler ausrichten und dabei zwangsläufig auch Minderheitsinteressen berücksichtigen. Die Abhängigkeit vom Politikverständnis der Wähler hat zur Folge, daß eher auf Mißstände reagiert als vorausschauend gehandelt wird. Hier zeigt sich ein fundamentaler Unterschied zur Wirtschaft! Eine nach diesen Grundsätzen ausgerichtete Unternehmensstrategie würde ein Unternehmen in kurzer Zeit scheitern lassen. - Entsprechend der völlig anders gearteten Aufgabenstellung ist die Führungstechnik in der Demokratie grundlegend unterschiedlich angelegt. Am deutlichsten wird das bei der für den Führungserfolg so wichtigen Personalarbeit. In der Demokratie ist die Masse der Wähler gar nicht in der Lage, die fachliche Kompetenz eines Kandidaten zu beurteilen. Vielmehr entscheidet der Wähler aufgrund von Erklärungen und Versprechungen und nicht zuletzt aufgrund des Kriteriums der Beliebtheit des Kandidaten. - In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die geschilderte Praxis charakteristisch ist für alle westlichen Demokratien und somit wohl führungstechnisch als typisch demokratisch bezeichnet werden muß. Im Gegensatz dazu haben alle auf Leistung ausgerichteten Großorganisationen dieser Welt die Bedeutung der Führungstechnik und insbesondere deren personelle Komponente verstanden und entsprechende Konsequenzen gezogen. Diese Organisationen haben nicht den geringsten Zweifel daran, daß die Heranbildung einer qualifizierten Führungsspitze zur wichtigsten Verantwortung des Unternehmens beziehungsweise der Organisation gehört. Die Demokratie versucht Gleichartiges praktisch kaum, nicht zuletzt wohl deshalb, weil man es nicht für systemkonform hält. - Daß so gravierende Systemunterschiede sehr unterschiedliche Führungseliten ausprägen, kann nicht überraschen - im Gegenteil, dies ist ja auch so gewollt.
Die vorstehende Betrachtung soll deutlich machen, daß im Normalfall Führungskräfte in Wirtschaft und Politik so wenig austauschbar sind wie ihre Führungssysteme. Die unterschiedlichen Zielsetzungen müssen mit andersartigen Ordnungssystemen bewältigt werden. - Mit dieser Aussage ist keine Wertung beabsichtigt, sondern eine Klarstellung!
Das Mitbestimmungsgesetz versucht nun eine Vermischung der Systeme an der Spitze unserer Wirtschaftsbetriebe. In der Absicht, unterschiedliche Gruppeninteressen zu harmonisieren, vermengt man demokratische und wirtschaftliche Führungstechnik. Ein oft erzielter oder zumindest doch möglicher Harmonisierungseffekt kann über die führungstechnischen Nachteile des Mitbestimmungsgesetzes nicht hinwegsehen lassen. Die verminderte Leistungsfähigkeit der Wirtschaft aufgrund der beeinträchtigten Führungsqualität kann man auch politisch nicht rechtfertigen. Die Demokratie entschied sich für die Marktwirtschaft, weil diese optimale und beständige Leistungen versprach. Die Überbetonung von Gruppeninteressen im Aufsichtsrat der Unternehmen widerspricht den Absichten und Überzeugungen der westlichen Demokratien. - Auch ist darauf aufmerksam zu machen, daß wir heute viel wirksamere Lösungen für die Harmonisierung von Interessengegensätzen in den Betrieben kennen. Das in den vergangenen Jahrzehnten entwickelte Konzept des partnerschaftlichen Unternehmens hat sich bewährt und den Beweis erbracht, daß man Effizienz mit Menschlichkeit verbinden kann. Mit der Selbstverwirklichung des Mitarbeiters in der Arbeitswelt hat das partnerschaftliche Unternehmen einen gesellschaftspolitischen Durchbruch erzielt. Diese Aussage kann sogar noch erweitert werden: Die Leistungsfähigkeit der Unternehmen bedingt geradezu ein humanes Verhalten beziehungsweise die Konzeption partnerschaftlichen Verhaltens.
An dieser Stelle zum besseren Verständnis meines Lösungsvorschlages eine kurze Beschreibung des partnerschaftlichen Unternehmens. - Obwohl an der Unternehmenskonzeption noch gearbeitet und experimentiert wird, können wir doch folgende übereinstimmende Merkmale des Modells herausstellen:
Das partnerschaftliche Unternehmen verzichtet auf den Begriff des »Faktors Arbeit« und kennt statt dessen nur noch den »Mitarbeiter«. Es ist bemüht, die Ziele des Unternehmens allen verständlich zu machen. Sein Verhalten muß human, sozial und gerecht sein. Die Beteiligung am Erfolg und am Kapital gehört dazu. Der Mitarbeiter wird nicht mehr nur als Erfüllungsgehilfe eingestuft. Man erwartet vielmehr von ihm eine auf Überzeugung und Motivation beruhende Identifikation mit der Zielsetzung des Unternehmens - und einen dementsprechenden Einsatz. Der Mitarbeiter soll nicht nur ausführendes Organ sein, sondern an seinem Arbeitsplatz auch mitdenken und -gestalten. Zur Erreichung dieses Ziels muß er ausreichend informiert sein und mitsprechen können. Die Mitsprache ist als Bestandteil der Führungstechnik zu gewährleisten. - Die menschliche Einschätzung des Mitarbeiters leitet sich aus der Zielsetzung des partnerschaftlichen Unternehmens ab, welches neben einem Leistungsbeitrag für die Gesellschaft die Selbstverwirklichung aller im Unternehmen Tätigen anstrebt. - Das partnerschaftliche Unternehmensmodell geht von der Überzeugung aus, daß vertrauensvolle Kooperation sowohl den Interessengruppen als auch der Leistungsfähigkeit des Betriebes am besten dient. Die Wirtschaft braucht in unserer Zeit motivierte und engagierte Mitarbeiter, um den Anforderungen des Konkurrenzkampfes sowie des Evolutionszwanges gerecht zu werden. In ein solches Unternehmensprofil paßt die konventionelle Konfrontationsstrategie der Gewerkschaften nicht mehr hinein.
Diese Lösungsformel ist im übrigen keineswegs aus der demokratischen Führungstechnik abgeleitet. Das partnerschaftliche Unternehmen verwendet die in der Wirtschaft entwickelte, übliche moderne Führungstechnik und verbindet sie mit humanen Grundsätzen, die die Identifikation des Mitarbeiters mit seiner Arbeit und seinem Unternehmen ermöglichen. Schon heute erscheint die Vermutung gerechtfertigt, daß das partnerschaftliche Unternehmen bei dem zunehmenden Wettbewerbsdruck seine überlegene Leistungsfähigkeit beweisen wird. So könnte der Konkurrenzdruck der Marktwirtschaft am Ende zu einer gesellschaftspolitischen Weiterentwicklung in der Wirtschaft führen. - Nach meiner Überzeugung kann das Konzept des partnerschaftlichen Unternehmens erhebliche kreative und leistungsmäßige Kräftereserven in der Wirtschaft mobilisieren und zugleich den vom Mitbestimmungsgesetz angestrebten Harmonisierungseffekt in optimaler Form verwirklichen. - Der demokratisch begründete, führungstechnische Irrtum der paritätischen Mitbestimmung in unseren Wirtschaftsunternehmen wird zu modifizieren sein!
Die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter hat nach dem Gesetz im Aufsichtsrat der Aktiengesellschaften stattzufinden. - Der Aufsichtsrat soll die Arbeit des Vorstands überwachen und die Geschäftsentwicklung kritisch begleiten. Nach den Vorschriften des deutschen Aktiengesetzes darf der Aufsichtsrat jedoch nicht direkt an der Führung des Unternehmens beteiligt sein. Die Genehmigung der vom Vorstand vorgeschlagenen wichtigen Sachentscheidungen fällt aber ebenso in die Kompetenz des Aufsichtsrats wie die Berufung des Vorstands. Überwachung, Genehmigungen und Personalentscheidungen verlangen eine hohe fachliche und menschliche Kompetenz. Die Ausfüllung des Mandats ist ohne ein erhebliches Maß an Arbeitseinsatz und Zeit nicht möglich. Mitsprechen beziehungsweise -entscheiden kann nur jemand, der ausreichend informiert ist und die Fähigkeit zur Beurteilung besitzt. Diese Voraussetzungen werden von den Mitarbeitervertretern im Hause Bertelsmann beachtet. Ihre Mitsprache insbesondere in dem für menschliche Fragen zuständigen Aufsichtsratsausschuß »Arbeitskreis der Mitarbeitervertreter« verdient dagegen das Prädikat eines konstruktiven Führungsbeitrages.
Was unzureichend qualifizierte Aufsichtsräte an Unheil anrichten können, hat die jüngste Wirtschaftsgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland an vielen Beispielen demonstriert. Besonders augenfällig ist dabei das Versagen von Aufsichtsräten in gescheiterten Firmen, bei denen die Mandate eher nach politischen, taktischen oder Prestigegesichtspunkten vergeben waren. Ich verweise als Beispiel auf einige Landesbanken, verschiedene große privatwirtschaftliche Betriebe und auf die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen der Gewerkschaften. - Würde im staatlichen Zuständigkeitsbereich nach Leistungsgesichtspunk...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Impressum
  3. Zeitgemäße Gestaltung der Führungsspitze von Unternehmen
  4. Spitzenverfassung am Scheideweg
  5. Das Führungsmodell der deutschen Aktiengesellschaften im Vergleich mit ...
  6. Die Führungspraxis in deutschen Aktiengesellschaften - Ansatzpunkte für eine ...
  7. Gesellschaftlicher Wandel, Führung und Partnerschaft - Ausgewählte Referate von ...
  8. Grundwerte im Wandel - Eine Herausforderung für unternehmerisches Handeln
  9. Demokratisierung der Wirtschaft?
  10. Auf dem Weg zur Partnerschaft
  11. Der Mensch am Arbeitsplatz aus der Sicht der unternehmerischen Wirtschaft
  12. Selbstverwirklichung in der öffentlichen Verwaltung?
  13. Die Sicherung der Unternehmenskontinuität
  14. Begründung der Kontinuitätsforderung
  15. Neue Lösungen für die Beziehungen des Unternehmens zu seinen Angestellten
  16. Neue Lösungen für die Beziehungen des Unternehmens zu seinen Angestellten
  17. Zur Standortbestimmung von Unternehmen in einer modernen Gesellschaft
  18. Sachgerechte Mitbestimmung in der Wirtschaft