Familie. Bildung. Vielfalt.
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Familie. Bildung. Vielfalt.

Den demographischen Wandel gestalten

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  1. 268 Seiten
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Familie. Bildung. Vielfalt.

Den demographischen Wandel gestalten

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die Zahl der Geburten hat sich in Deutschland in den letzten 40 Jahren halbiert. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist im gleichen Zeitraum um gut zehn Jahre gestiegen. Die Einwohnerzahl nimmt spürbar ab, und der Anteil der Älteren wird ständig größer. Gleichzeitig wächst die ethnische und kulturelle Vielfalt der Bevölkerung; Familienstrukturen und Lebensläufe ändern sich. Der demographische Wandel verändert zunehmend das Gesicht unseres Landes, der Städte und Regionen. Wie wirkt sich diese Entwicklung auf die verschiedenen Lebensbereiche aus? Welche Gefahren gehen von ihr aus welche Chancen bietet sie? Wie lässt sich der demographische Wandel gestalten? Die Suche nach Antworten auf diese Fragen steht in Deutschland erst am Anfang. Es gilt, das Bewusstsein zu stärken, dass der demographische Wandel kein unausweichliches Schicksal ist, sondern eine Aufgabe, die von Politik und Bürgern erkannt und beherzt angegangen werden muss. Dieses Buch fasst in Fachbeiträgen die Analysen und Lösungsansätze renommierter Wissenschaftler in den Schwerpunkten Familie, Bildung und gesellschaftliche Vielfalt zusammen. Es zeigt, welche Strategien hinsichtlich des demographischen Wandels notwendig sind, damit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft den Weg von der theoretischen Diskussion zum konkreten Handeln schnell und erfolgreich gehen können.

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Information

Jahr
2010
ISBN
9783867931250
IV Vielfalt leben - Gemeinsamkeit gestalten
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Vielfalt leben - Gemeinsamkeit gestalten: Die Jahreskonferenz 2008
Team Demographischer Wandel





Dem Team der deutschen Fußballnationalmannschaft, die im Sommer 2008 eine erfolgreiche Europameisterschaft bestritt und das Finale des Turniers erreichte, gehörten sieben Spieler an, deren Familien eine Zuwanderungsgeschichte haben. Damit hat jeder dritte Nationalspieler, der bei der EM das deutsche Trikot trug, familiäre Wurzeln außerhalb von Deutschland. Und von den Toren, die die deutsche Mannschaft bei der EM erzielte, ging - Podolski und Klose sei Dank! - sogar jedes zweite auf einen Spieler mit Migrationshintergrund zurück.
Was im Fußball zu gelingen scheint - Menschen unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft auf ein gemeinsames Ziel zu verpflichten, sie als Mitspieler anzuerkennen und ihnen bei entsprechender Leistung auch Aufstieg und Erfolg zu ermöglichen -, das glückt leider nicht überall. Dabei ist unser Land, nicht zuletzt aufgrund der demographischen Entwicklungen, genau darauf zunehmend angewiesen.
»Unsere gemeinsame Zukunft ist wichtiger als Unterschiede bei der Herkunft. Und an dieser Zukunft müssen wir arbeiten - und wir können alle gewinnen, wenn wir das als Gemeinschaft tun.«
(Bundespräsident Horst Köhler)
2008 befasste sich das Forum Demographischer Wandel schwerpunktmäßig mit den Chancen und Herausforderungen der gesellschaftlichen Integration. Die nachstehende Einführung fasst grundlegende Informationen zum Thema und die wichtigsten Ergebnisse der Jahreskonferenz zusammen6, die unter dem Motto stand: »Vielfalt leben - Gemeinsamkeit gestalten«.

Demographischer Wandel und gesellschaftliche Unterschiede

Im demographischen Wandel schrumpft die Gesamtbevölkerung nicht nur, sie verändert auch ihre Struktur: Der Anteil der Älteren und der Menschen mit Migrationshintergrund wächst, der Anteil der Jüngeren geht zurück. Diese Entwicklung und der gleichzeitig stattfindende Wandel der ökonomischen, sozialen und familiären Strukturen führen dazu, dass die Heterogenität unserer Gesellschaft zunimmt. Dabei beeinflussen sich die demographischen und sozioökonomischen Faktoren gegenseitig. So liegt beispielsweise die Geburtenrate von Frauen ohne abgeschlossene Berufsausbildung und von Zugewanderten über dem Durchschnitt (siehe z. B. Kreyenfeld und Konietzka 2008). Regionale wirtschaftliche Unterschiede führen zu Wanderungsbewegungen besonders von jungen, gut qualifizierten Menschen, wodurch wiederum die Bevölkerungsstruktur in den einzelnen Regionen verändert wird.
Die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur vollziehen sich seit vielen Jahren, aber sie erfolgen langsam. Wohl auch aus die-sem Grund wurden in Deutschland die Alterung der Gesellschaft und der kommende Bevölkerungsrückgang über Jahrzehnte hinweg kaum wahrgenommen. Ähnlich gering war die Aufmerksamkeit, die lange Zeit den Herausforderungen durch Zuwanderung und Integration entgegengebracht wurde.7 Auch aufgrund der demographischen Entwicklung ist ethnische und kulturelle Vielfalt jedoch heute zu einem wichtigen gesellschaftlichen Thema geworden.
»Deutsch muss etwas Gemeinsames sein. Gemeinsame Werte. Und dann müssen wir uns nur noch daran gewöhnen, dass es neben schwäbischen, bayrischen und badischen Deutschen auch noch ein paar andere Deutsche gibt: griechische Deutsche, chinesische Deutsche und türkische Deutsche. Und das ist keine Zukunftsmusik. Das ist heute schon Realität - vorgelebt von unzähligen eingebürgerten Menschen.«
(Asli Sevindim)
Seit den 50er Jahren, als die ersten »Gastarbeiter« aus Südeuropa und der Türkei angeworben wurden, steigt bei uns der Anteil von Menschen, deren ethnische und kulturelle Wurzeln außerhalb von Deutschland liegen. Nach dem Anwerbestopp 1973 beschränkte sich die Zuwanderung zunächst auf die Familienangehörigen dieser Arbeitsmigranten. Die dadurch entstehenden Familienstrukturen der Zuwanderer in Deutschland verstärkten den Prozess einer auf Dauer angelegten Einwanderung. Von Ende der 80er bis Mitte der 90er Jahre kamen dann vor allem Flüchtlinge und Asylsuchende nach Deutschland. Gleichzeitig zogen zwischen 1990 und 2000 mehr als zwei Millionen Deutsche als Spätaussiedler aus Mittel-und Osteuropa dauerhaft zu. Seit einigen Jahren kommen nun auch verstärkt Menschen aus den mittel- und osteuropäischen Nachbarstaaten als sogenannte »neue Arbeitsmigranten« nach Deutschland. Sie verfügen - anders als die erste Gastarbeitergeneration - häufig über ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau. Inzwischen zählt jeder zehnte in Deutschland lebende Ausländer zu dieser Gruppe.
Im Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre wuchs die Bevölkerung Deutschlands durch die Zuwanderung jedes Jahr um etwa 170.000 Menschen. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Osnabrück. Allerdings verlief die Zuwanderung nicht gleichförmig. Besonders hoch war sie in den frühen 70er und den frühen 90er Jahren. Der Bevölkerungsgewinn durch Zuwanderung betrug damals mehr als 500.000 Menschen pro Jahr. Heute liegen die Zuwanderungszahlen deutlich niedriger. Seit 2003 ist der Wanderungssaldo - also die Differenz von Zu- und Fortzügen - nur halb so hoch wie im Durchschnitt der vergangenen 50 Jahre. Zwar kommen (in absoluten Zahlen gemessen) immer noch viele Menschen zu uns - nur in den USA, in Großbritannien und in Kanada ist die Zahl der Zuwanderer höher. Im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße Deutschlands sind es aber eher wenige - von den Industrieländern weisen nach dieser Betrachtungsweise nur Japan und Portugal eine noch niedrigere Zuwanderungsrate auf (siehe OECD 2007b).
Insgesamt haben heute etwa 18 Prozent der Bevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund, das heißt, sie besitzen einen ausländischen Pass, sind selbst zugewandert oder haben mindestens einen Elternteil, der eine Zuwanderungsgeschichte hat. Die Migration nach Deutschland hat nicht nur die kulturelle Vielfalt bei uns gesteigert. Sie hat auch die demographischen Koordinaten unseres Landes in vielerlei Hinsicht verschoben und wird sie auch in Zukunft verändern. Sie stabilisiert die Bevölkerungsgröße, denn ohne Zuwanderung wäre die Bevölkerungszahl Deutschlands bereits seit 1970 gesunken und würde heute etwa neun Millionen Menschen weniger betragen. Gleichzeitig hat sie unsere Gesellschaft verjüngt. Fünfundzwanzig Prozent der Zugewanderten sind zwischen 20 und 35 Jahre alt. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung beträgt der Anteil dieser Altersgruppe dagegen nur 17 Prozent (Statistisches Bundesamt 2005). Junge Zuwanderer und ihre Kinder verändern so die Bevölkerungsstruktur nach Alter und nach ethnischer Zusammensetzung. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund ist bei den unter 25-Jährigen fast dreimal höher als in der Gruppe der über 55-Jährigen (siehe Abbildung 1). Von den Kindern im Vorschulalter kommt bereits jedes dritte aus einer Familie mit Zuwanderungsgeschichte.
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»Ein Land, in dem Fachkräfte rar werden und das im globalen Wettbewerb um Ideen und Patente mithalten will, muss sich welt- weit um engagierte und qualifizierte Menschen bemühen und sich am Wettbewerb um die besten Köpfe beteiligen. Wir brauchen dafür verständliche und transparente Regeln, um auf die Bedürf- nisse unserer Gesellschaft, beispielsweise des Arbeitsmarktes, rea- gieren zu können und den berechtigten Erwartungen der Zuwan- derer besser gerecht zu werden. Und wir müssen deutlich machen, dass wir eine Gesellschaft sind, die engagierte Menschen mit Offenheit empfängt und willkommen heißt.«
(Bundespräsident Horst Köhler)
Die ethnische und kulturelle Vielfalt in Deutschland wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten voraussichtlich weiter zunehmen. Zum einen wächst der globale Zuwanderungsdruck: Weltweit ist die Zahl der Migranten in den letzten 40 Jahren von 75 auf 200 Millionen Menschen gestiegen, und aufgrund des Bevölkerungswachstums und der sozialen Lage in den weniger entwickelten Teilen der Erde wird dieser Trend sich vermutlich weiter fortsetzen. Zum anderen steigt in Deutschland durch die demographische Entwicklung auch der Bedarf an Zuwanderung.
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Abbildung 1: Anteil der Personen mit Migrationshintergrund nach Altersgruppen
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Quelle: Statistisches Bundesamt 2008
Welche Folgen ergeben sich aus der zunehmenden Vielfalt und Unterschiedlichkeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Sozialkapital? Steffen Angenendt zitierte in seinem Vortrag auf der Jahreskonferenz 2008 eine wissenschaftliche Studie aus den USA, nach der eine zu große Heterogenität im Lebensumfeld dazu führen kann, dass sich die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Interaktion stärker auf die eigene Bezugsgruppe beschränkt und im Extremfall der gesellschaftliche Austausch innerhalb der Gruppen abnimmt. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, müssen laut Angenendt Zuwanderer und ihre Nachkommen in ganz besonderer Weise Integrationshilfen erhalten. Doch nicht alle Zuwanderer und nicht sie allein benötigen solche Hilfen. Schließlich haben viele Migranten längst einen Platz in der Gesellschaft gefunden, und zugleich haben auch viele Menschen ohne Migrationshintergrund ebenfalls Integrationsdefizite. Deswegen biete sich an, für Integrationsmaßnahmen ein Konzept der internationalen Flüchtlingshilfe zu übernehmen: In Notsituationen werden nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die lokale Bevölkerung unterstützt. Übertragen auf die Integrationspolitik bedeute das beispielsweise, dass vor allem in arme und benachteiligte Stadtgebiete investiert werden sollte, in denen Kinder mit und ohne Migrationshintergrund sonst nur ähnlich unzureichende Zukunftsperspektiven hätten.
Gesellschaftliche Vielfalt, das Thema der Jahreskonferenz 2008, spiegelt sich also nicht nur in den verschiedenen Herkunftsgeschichten der Menschen wider, sondern auch in ihrem sozialen Hintergrund - also in dem, was man früher »Milieu« nannte. Heute ist die Einkommensverteilung ein gebräuchlicher Maßstab für die sozialen Unterschiede in einer Gesellschaft. Gemessen daran liegt das Ausmaß von sozialer Ungleichheit in Deutschland laut OECD unter dem Durchschnitt der Industrieländer, sie hat aber in den vergangenen 20 Jahren zugenommen (OECD 2008). Jüngere Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen, dass zwischen 1996 und 2006 sowohl der Anteil der einkommensschwachen als auch der Anteil der einkommensstarken Haushalte gestiegen ist, während die Mitte an Gewicht verloren hat (siehe Abbildung 2).8 Auch zwei soziodemographische Faktoren erklären den Anstieg an Ungleichheit. Die erste Einflussgröße ist die veränderte Haushaltsstruktur, vor allem die sinkende Zahl von Familien- und Mehrpersonenhaushalten. Einpersonen- und Alleinerziehendenhaushalte können bei Ausfall des Erwerbseinkommens nicht auf andere Haushaltsmitglieder zurückgreifen und fallen daher schneller unter die Armutsrisikogrenze. Die zweite Einflussgröße ist die verhältnismäßig hohe Zuwanderung von gering Qualifizierten und die nur unzureichend gelungene Integration dieser Gruppe in den Arbeitsmarkt. Mit fast 40 Prozent liegt der Anteil von Zuwandererfamilien an den einkommensschwachen Haushalten fast doppelt so hoch wie ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung (Miegel, Wahl und Schulte 2008).
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Abbildung 2: Einkommensschichtung in Deutschland 1996 und 2006
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Quelle: Grabka und Frick 2008

Unterschiede in der gesellschaftlichen Teilhabe

Unterschiede gehören zu einer offenen, freien und marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaft. Sie schaffen Anreize für wirtschaftlichen Wettbewerb. Zugleich offenbaren sich in ihnen auch die individuelle Freiheit der Lebensgestaltung und der kulturelle Reichtum einer Gesellschaft. Wenn sich Herkunftsunterschiede jedoch wie in Deutschland auch auf die gesellschaftlichen Teilhabechancen der Betroffenen auswirken - auf den Zugang zu Bildung, zum Arbeitsmarkt, zu gesellschaftlichen und politischen Aktivitäten -, dann führt das zu gravierenden Ungleichheiten mit negativen Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft.
Im Bildungsbereich sind die Unterschiede nach sozialer und ethnischer Herkunft besonders deutlich. Vor allem der soziale Hintergrund hat einen großen Einfluss darauf, welcher Bildungsweg eingeschlagen wird. Von den Kindern, deren Eltern eine gehobene soziale Stellung haben (etwa als leitende Angestellte im Management oder als Beamte im höheren Dienst), besucht jedes zweite ein Gymnasium und nur jedes zehnte eine Hauptschule. Bei Kindern von un- oder angelernten Arbeitern ist das Verhältnis nahezu umgekehrt. Nur 14 Prozent der Kinder aus dieser Schicht sind auf einem Gymnasium und können die Hochschulreife auf diesem unmittelbaren Weg erreichen.9 Entsprechend stark macht sich der Einfluss des sozialen Hintergrunds an den Universitäten bemerkbar. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind aus einem Akademikerhaushalt ein Studium beginnt, ist rund viermal höher als bei einem Kind, dessen Eltern keinen Hochschulabschluss haben.
Die Unterschiede in der späteren Bildungskarriere lassen sich bereits im Grundschulalter erkennen. Während laut World-Vision-Studie vier von fünf der befragten Kinder aus der Oberschicht das Abitur machen wollen, ist es in der Unterschicht nur eines von fünf. Der soziale Hintergrund beeinflusst Bildungsentscheidungen unabhängig von der ethnischen Herkunft. Die Unterschiede bei der Erwartung, das Abitur zu machen, sind bei Kindern ohne Migrationshintergrund sogar noch etwas stärker ausgeprägt als bei Kindern mit Zuwanderungsgeschichte (siehe Abbildung 3).
Viele der nach Deutschland Zugewanderten kommen aus schwächeren sozialen Lagen. Das zeigt sich auch bei ihren Bildungsabschlüssen und wirkt sich auf den Bildungserfolg ihrer Kinder aus. Während im Schnitt jeder Vierte in Deutschland keinen berufsqualifizierenden Abschluss hat, ist es unter den hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund jeder Zweite. Dreizehn Prozent der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte können keinen schulischen Abschluss nachweisen - im Durchschnitt der gesamten Bevölkerung sind es nur zwei Prozent (Statistisches Bundesamt 2008). Gewiss liegen die geringeren Quoten bei Zugewanderten auch daran, dass im Ausland erworbene Abschlüsse zum Teil nicht anerkannt werden. Vor allem aber weisen die Zahlen auf hiesige Versäumnisse, denn die PISA-Studien und andere aktuelle Bildungszahlen zeigen, dass Unterschiede im Bildungserfolg auch bei den in Deutschland ausgebildeten Kindern und Jugendlichen fortbestehen. Schüler mit Migrationshintergrund gehen seltener auf Realschulen oder Gymnasien als deutsche. Kinder, die in Deutschland die Schule besuchen, aber keinen deutschen Pass besitzen, verlassen mehr als doppelt so häufig wie ihre deutschen Mitschüler die Schule ohne formellen Abschluss (siehe Siegert 2008).
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Abbildung 3: Anteil an Kindern im Alter von acht bis elf Jahren, die das Abitur anstreben
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Quelle: Hurrelmann, Andresen und TNS Infratest Sozialforschung 2007
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»Wir brauchen klarere Regelungen für die Anerkennung von Berufsabschlüssen, die in den Herkunftsländern erworben worden sind.«
(Senatorin Ingelore Rosenkötter)
Angesichts dieser Befunde unterstrichen die Teilnehmer der Jahreskonferenz, dass das Bildungswesen auch die Aufgabe habe, Bildungserfolge unabhängig von der Herkunft der Betroffenen zu ermöglichen. Kinder, die aufgrund des sozialen und kulturellen Hintergrunds ihres Elternhauses mit ungleichen Startbedingungen ins Leben gehen, müssten stärker als bisher schon im Kindergartenalter durch Bildungsangebote gefördert werden. Sprachförderung, die sich häufig nicht nur bei Kindern aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte als notwendig erweise, stelle ein wesentliches Element dieser frühen Förderung dar. Die Schulen müssten zu Orten der Integration werden, die nicht nur die Kinder und Jugendlichen, sondern auch die Eltern einbeziehen und so positiv auf die gesellschaftliche Einbindung der ganzen Familie wirken könnten. Schließlich solle es mehr Vorbilder geben, um in den Schulen die Kinder und Jugendlichen zu motivieren und ihre Lern- und Teilnahmebereitschaft zu erhöhen. Eine wichtige Integrationshilfe könne dabei auch der verstärkte Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund sein.
Auch in der Arbeitswelt zeigen sich große gesellschaftliche Disparitäten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch einer regulären Beschäftigung nachgeht, hängt in Deutschland sehr stark von Merkmalen wie Alter, Herkunft,...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Impressum
  3. Vorwort
  4. Vorwort der Bertelsmann Stiftung
  5. I Der demographische Wandel und seine Folgen
  6. II Familien stärken - Zukunft gewinnen
  7. III Bildung voll Leben - Leben voll Bildung
  8. IV Vielfalt leben - Gemeinsamkeit gestalten
  9. V Der Umgang mit dem demographischen Wandel - Eine zukünftige politische und ...
  10. Die Autorinnen und Autoren