Kapitel 3. Medienarbeit und Blogger Relations
Alte und neue Gesprächspartner
Das Social Web stellt nicht nur die Beziehung zwischen Unternehmen und ihren Bezugsgruppen auf eine neue Grundlage, sondern auch jene zwischen Unternehmen bzw. PR-Schaffenden und Journalisten. Schließlich wirkt sich die Verbreitung von Social Media auch auf den Arbeitsalltag in den Redaktionen aus. In diesem Kapitel nähern wir uns dem Social Web aus PR-praktischer Sicht deshalb zunächst im Kontext der bekannten und bewährten PR-Instrumente. Wir werfen einen Blick auf das Thema Informationsverbreitung und betrachten Veränderungen im Verhältnis von Journalisten zu ihren Kollegen auf PR-Seite. Außerdem stellen wir einige Instrumente vor, die zu PR-Zwecken erstellte Inhalte Social-Media-gerecht nutzbar machen. Zum Schluss blicken wir noch auf das Thema Blogger-Relations und geben einige Tipps, wie Sie mit Bloggern ins Gespräch kommen können.
Die Basics: Informationen verbreiten
In Kapitel 2 haben wir die Evolutionsstufen der Online-PR nach Prof. Thomas Pleil vorgestellt. Die erste Stufe ist die »digitalisierte PR«, die einfache Übertragung der für PR-Zwecke erstellten Informationen in das Internet und die Verbreitung dieser Informationen mit den technischen Mitteln des Netzes. Die heute noch gängigste Technik ist der einfache Versand einer Pressemitteilung per E-Mail. Es gibt wohl kaum einen PR-Schaffenden, der auf dieses Instrument freiwillig verzichten würde. Schließlich ist die Rollenverteilung klar: Hier das Unternehmen, das etwas zu sagen hat, dort der Journalist, den es interessieren könnte. An wen man eine Pressemitteilung verschickt, hat man natürlich vorher genau recherchiert; entsprechend hat man einen sorgfältig segmentierten Verteiler für den personalisierten Versand zusammengestellt. Schließlich soll die Meldung ja die passenden Kontakte erreichen und nicht den Charakter von Spam annehmen. Doch trotz aller Sorgfalt bei der Gestaltung der Mitteilung und bei der Auswahl der Adressaten wird nur ein kleiner Teil der Empfänger die Pressemeldung lesen. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt: Die Redaktionen sind in Folge der Medienkrise dünn besetzt, den Redakteuren fehlt die Zeit, jenseits der gerade »heißen« Geschichte auch einmal nach rechts und links zu schauen, und außerdem werden sie mit so vielen Meldungen überhäuft, dass am Ende eines Arbeitstages für viele PR-E-Mails der Löschen-Knopf die Endstation ihres kurzen Lebens ist.
Damit Informationen die individuellen Filter eines Journalisten überwinden, kommt es auch in digitalen Zeiten auf den persönlichen Kontakt an. Persönliche Mails oder ein Anruf mit einem gezielten Themenangebot haben mehr Chancen als die in Serie verschickte Pressemitteilung. Voraussetzung ist allerdings, dass der PR-Vertreter weiß, welche Themen den Journalisten tatsächlich interessieren und wie er und sein Medium arbeiten.
Die klassischen PR-Tugenden sind also weiter gefragt, und ganz ausgedient hat die klassische Pressemitteilung trotz ihrer Nachteile auch nicht, wie Sie gleich noch erfahren werden. Parallel dazu schicken sich neue Informationsformate und Dienste an, dem Social Web gerecht zu werden. Werfen wir gleich mal einen Blick darauf.
Sinn und Unsinn von Online-Presseportalen
Eine einmal verschickte – und häufig dann eben gelöschte – Pressemeldung ist für immer von der Bildfläche verschwunden. Sicher, man kann sie wie üblich auf der eigenen Webseite veröffentlichen und so auch der nachträglichen Recherche zugänglich machen. Immerhin haben inzwischen die allermeisten Unternehmen verstanden, dass es kontraproduktiv ist, Presseseiten auf der eigenen Internetpräsenz hinter einer Login-Mauer zu verstecken. Schließlich sollen die Informationen ja gefunden und genutzt werden.
Angesichts der Bedeutung von Suchmaschinen für die interessengeleitete Internetnutzung kam die durchaus clevere Idee auf, auch außerhalb der Unternehmenswebseiten Publikationsplattformen für Pressemitteilungen anzubieten. Diese Presseportale gibt es professionell betrieben als kostenpflichtige Angebote mit eigenen Verteilerdiensten für den zusätzlichen E-Mail- oder Fax-Versand an Abonnenten verschiedener Themenkreise. Zu dieser Kategorie gehören zum Beispiel die Anbieter Pressrelations, Press1 und LifePR. Und es gibt sie zuhauf als kostenlose Dienste, deren Geschäftsmodell bis auf die eine oder andere Werbeschaltung neben den Inhalten für den Betrachter im Dunklen bleibt. Die Seiten OpenPR.de, PRCenter.de oder Firmenpresse.de sind Vertreter dieses Typs.
Es wäre übrigens ein Irrtum zu glauben, insbesondere die kostenlosen Presseportale spielten im Alltag von Journalisten eine nennenswerte Rolle. Aber welchen Nutzen haben sie dann? Wie bereits erwähnt, geht es um die Schaffung von Präsenz einer Meldung und damit eines Themas über die Website eines Unternehmens hinaus. Hauptzweck dieser Portale ist die unkomplizierte Veröffentlichung von Produkt- oder Firmeninformationen auf von Suchmaschinen hoch gerankten Seiten. Wenn man jedoch berücksichtigt, dass Marktführer Google nach derzeitigem Kenntnisstand der Suchmaschinenoptimierung vor allem einzigartige und gut strukturierte Inhalte mit einem hohen Ranking belohnt, erscheint die Vervielfältigung ein- und desselben Inhalts auf vielen verschiedenen Seiten nicht ganz so erstrebenswert.
Wir halten also fest: Presseportale, die kostenlosen zumal, eignen sich allenfalls für die Suchmaschinenoptimierung, wobei diese Wirkung oft überschätzt wird. Wenn es gut läuft, liefern sie den einen oder anderen Zufallstreffer eines Journalisten oder einer Privatperson, die googelnd einem bestimmten Thema nachgehen. »Social« sind diese Dienste nicht, daran ändert auch die Tatsache nichts, dass man bei einigen Anbietern einen Twitter-Account oder eine Facebook-Seite mit dem Online-Pressefach verknüpfen kann. Denn diese Funktionen dienen der Verbreitung, dem »pushen« der Meldung in weitere Kanäle, nicht aber dem Dialog.
Töchter der Nachrichtenagenturen mischen mit
Auch Tochterunternehmen der großen Nachrichtenagenturen wie news aktuell (Tochter der dpa) oder ddp direct (Ableger der dadp) bemühen sich, das Thema Social Media mit eigenen Produkten zu besetzen.
Dabei wählen die zwei genannten Anbieter leicht unterschiedliche Herangehensweisen. News aktuell geht von seinem Textversand-Produkt »Original Text Service« (ots) und dem Bildpendant »Original Bild Service« (obs) aus und bietet ihren Kunden an, begleitendes Material auf den einschlägigen Social-Media-Plattformen wie Flickr, YouTube, Slideshare und anderen bereitzustellen. Das ist zwar im Falle von news aktuell im Preis inbegriffen und spart dem Kunden viel Arbeit, hat aber aus unserer Sicht einen entscheidenden Nachteil: Die Inhalte landen nicht im Social-Media-Profil des Kunden, sondern im Profil von news aktuell...