Größenwahn und Politik
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Größenwahn und Politik

  1. 100 Seiten
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Größenwahn und Politik

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Die Autoren des ersten Bandes einer kommenden Reihe der EDITION LINGEN STIFTUNG beschäftigen sich mit dem Phänomen "Größenwahn" in der Politik. Aber es wird auch festgestellt, dass die Medien nicht frei von fehlender Bodenhaftung sind.Die EDITION LINGEN STIFTUNG hat es sich zur Aufgabe gemacht, unsere heutige Demokratie kritisch zu durchleuchten. Dabei sollen weder Politiker pauschal an den Pranger gestellt noch simple Medienschelte betrieben werden, sondern mutige, offene und ehrliche Diskussionen geführt werden.Nur so lassen sich unsere bürgerlichen Rechte und Freiheiten sichern.EDITION LINGEN STIFTUNG - Publikationen für politisch interessierte Bürger

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783941118942
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Bauprojekte, Prestige und kommunaler Ausverkauf
Noch die Gebrüder Grimm kannten in ihrem Deutschen Wörterbuch den Begriff Größenwahn als „junges Wort“ und „eigentlich [als] eine geistige Erkrankung, die auf einer Überschätzung der Stellung und Leistung, der inneren und äußeren Mittel der eigenen Persönlichkeit beruht.“ Das Online-Lexikon für Psychologie „Psychology48.com“ definiert Größenwahn als „übersteigerte Geltungssucht, nicht begründete Selbstüberschätzung und Selbsterhöhung von Kraft, Fähigkeit, Be­ga­bung etc.“ Größenwahn habe demnach je nach Zeit und Gesellschaft unterschiedliche Schwerpunkte oder Unterformen. Explizit als „politischer Wahn“ gilt der Glaube, „ein führender Politiker oder zu politischen Missionen berufen zu sein.“ Im Übrigen ist „Größenwahn … ein typisches Symptom bei schizophrenen Psychosen bzw. manisches Symptom bei manisch-depressiven Patienten“.
Obwohl das Phänomen also eindeutig der Sphäre der Krankheit zugeordnet wird, machte der Begriff in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren eine erstaunliche Karriere: Größenwahn gilt mittlerweile als Ursache beinahe sämtlicher Finanzkrisen vom Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des neuen Jahrtausends über die Folgen der Lehman-Pleite bis zu den Verwerfungen im Euroraum in unseren Tagen; die kaum gegenfinanzierte Asien-Hilfe der Regierung Schröder/Fischer nach dem schweren Tsunami zum Jahreswechsel 2004 wurde von der Oppo­sition ebenso mit dem Vorwurf des Größenwahns belegt wie die gescheiterten Versuche einiger Bundesligavereine sich über teure Söldnertruppen dauerhaft obere Plätze in der Tabelle zu kaufen oder gar ihre Finanzprobleme mit einem Gang an die Börse zu lösen; unvergessen bleibt Schröders „postlektoraler Größenwahn“, als er nach der Wahl 2005 Angela Merkel die Fähigkeit zur Kanzlerschaft absprach. Von zahlreichen Bauprojekten vom Turm zu Dubai bis Stuttgart21 ganz zu schweigen. Größenwahn gilt inzwischen, wie Die Zeit kürzlich feststellte, als „universales ­Deutungsmuster des Ökonomischen“ ebenso wie des Politischen.
Schließt man einmal aus, dass die Wende ins 21. Jahrhundert einen Schub manischer Depressionen und Schizophrenie auslöste, der vor allem die politischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes heimsuchte, müssen die Ursachen des allenthalben konstatierten Wahns jenseits der Persönlichkeitsstrukturen des politischen Personals gesucht werden. Wie stets, wenn sich tiefgreifende Veränderungen im öffentlichen Leben der letzten 20 Jahre feststellen lassen, wird man wahlweise die Globalisierung, den entfesselten Kapitalismus oder anderweitig kaum fassbare Begrifflichkeiten, auf die sich jeder seinen persönlichen Reim machen darf, hinter dem Phänomen vermuten. Jenseits dieser groben Deutungsmuster, gilt es jedoch nach den Bedingungen zu fragen, unter denen jene Politik stattfindet, die so oft im vermeintlichen Größenwahn endet.
Tatsächlich lässt sich als Ausgangspunkt sowohl für die nun schon mehrere Jahre schwelende Finanzkrise als auch für zahlreiche „himmelstürmende“ Großprojekte eine Tendenz zur Verantwortungslosigkeit der Akteure konstatieren. Weil man wachsende Erträge und hohe Profite erhofft(e), wurden und werden zunehmend unkontrollierbare Risiken in Kauf genommen. Nicht nur die Akteure auf den Finanzmärkten und auf verschiedenen Verwaltungsebenen verfielen so dem Größenwahn, sondern auch die zuständigen Aufsichts- und Regulierungsorgane, mithin die politisch Verantwortlichen. Diese Diagnose lässt sich nicht allein auf die seit eh und je der Gier verdächtigten Börsenspekulanten und Manager beschränken. Die Mentalität des schnellen Geldes erfasste in den letzten Jahren weite Teile der Bevölkerung und diese Mentalität äußerte sich nicht nur in der Zunahme spekulativer und hochriskanter Börsengeschäfte mit Papieren, die im Moment ihrer Ausgabe schon keinen Wert besaßen.
In etwa zeitgleich setzte ein zunehmend global ausgetragener Wettbewerb um Tourismusströme, Prestige und die dafür nötige Finanzierung die lokale Politik unter Zugzwang. Kaum eine deutsche Stadt, die sich nicht zumindest einen ihrer Prestigebauten von sogenannten Stararchitekten wie Sir Norman Foster, Frank Gehry oder Zaha Hadid entwerfen lässt. Entscheidender scheint oft das internationale Ansehen des Baukünstlers als die Güte oder Passgenauigkeit des Entwurfs. Nicht Ideen oder Bedürfnisse determinieren etliche Bauvorhaben, sondern der Superlativ: man will den höchsten Turm, das größte Zentrum, den aufregendsten Vergnügungspark. Für vermeintliche Standortvorteile im Wettbewerb um wirtschaftlich potente Bürger und zahlungskräftige Besucher wird so manche Warnung vor Milliardenlöchern und Verschwendung in den Wind geschlagen. Schließlich gilt es, die sich eröffnenden Chancen und Möglichkeiten zu nutzen. Wer zu lange zaudert, hat später das Nachsehen. Denn so oder so fällt erst die historische Rückschau ein abschließendes Urteil darüber, was als visionäres Großprojekt mit positiven Effekten für Wirtschaft und Bürger gelten kann und was als hoffnungslos größenwahnsinnige Fehlplanung. Schließlich ist Politik immer auch ein Stück weit mit Visionen verbunden, deren erhofft glückliche Umsetzung allein die Verantwortlichen vom Vorwurf der Selbstüberschätzung freispricht.
Hat nicht Gehrys Guggenheim Museum die runtergekommene spanische Industriestadt Bilbao, international einst höchstens durch das Wirken der ETA bekannt, quasi über Nacht zum Mekka für Kunst- und Architekturliebhaber gemacht? Rund eine Million Besucher jährlich verleihen der nordspanischen Hafenstadt seit 1997 eine runderneuerte wirtschaftliche Struktur. Über 4000 neue Arbeitsplätze entstanden in der Tourismusbranche in der Folge des Neubaus. Immer wieder, so erzählt Gehry, wird er seitdem für seine spektakulären Entwürfe angeheuert mit dem Hinweis, Ideen, Infrastruktur, Budget und Rahmen seien zu vernachlässigen, Hauptsache es entstehe der Bilbao-Effekt.
Auch der seit 1989 auf dem Gelände der Firma Vitra in Weil am Rhein entstandene Architekturpark mit angegliedertem Designmuseum verwandelte die Kreisstadt im Dreiländereck zu einem Publikumsmagnet für die jährlich wachsende Zahl von Design- und Architekturliebhabern, der auch der Region nützt.
Freilich setzten Mitte der 1990er-Jahre die Stadt Bilbao, die Provinz Biskaya und die Regierung des Baskenlandes dem Niedergang der Industriestadt gemeinsam ihre Vision einer modernen, architekturliebenden Kommune mit internationalem Flair entgegen. Norman Foster durfte alle Stationen der ebenfalls in den 1990er-Jahren fertiggestellten U-Bahn gestalten, der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava schlug eine elegante Brücke über den Fluss Nervión und seit 2005 stimmt der neue Terminal am örtlichen Flughafen vom nämlichen Architekten den Besucher auf seine Tour zu einem bedeutenden Zentrum zeitgenössischer Architektur ein.
In Weil am Rhein setzte sich der Möbelhersteller Vitra ein Denkmal und meißelte die Verbundenheit mit seiner Heimatregion in Stein und Beton. Dazu trat die politische Umsicht, das ästhetische Gespür der Verantwortlichen und natürlich eine Portion Glück, denn die internationalen Tourismusströme kann auf die Dauer niemand steuern.
So begann man auch in der deutschen Provinz von der belebenden Kraft zeitgenössischer Stararchitektur zu träumen. Ob als Stimulanz für strukturschwache Regionen, Kompensation für verlagerte oder geschlossene Behörden oder einfach, weil sich ein Bürgermeister und sein Gemeinderat ein Denkmal setzen möchten, überall in der Republik entstehen ehrgeizige Bauprojekte, die Kommune und Region eine glänzende Zukunft versprechen sollen. Erleichtert werden die visionären Pläne durch die fehlende finanzielle Haftung der politisch Verantwortlichen.
Legendär sind inzwischen die Bauvorhaben, deren Kosten aus dem Ruder liefen. Kaum jemand kalkuliert mehr mit den tatsächlichen Aufwendungen, nicht selten übersteigt der Baupreis das ursprünglich veranschlagte Budget um mehr als das Doppelte: ob das Museum MARTa in Herford, die Elbphilharmonie in Hamburg oder der umstrittene unterirdische Bahnhof in Stuttgart: Keiner der an den Planungen Beteiligten spielte, was die Bausumme betrifft, mit offenen Karten. Ob Absicht oder Unvermögen sei dahingestellt, jedenfalls wird die Öffentlichkeit meist über die wahren Kosten, die auf sie zukommen, im Unklaren gelassen. Die politisch Verantwortlichen riskieren höchstens den Vertrauensentzug, die eigentliche Zeche bezahlt der Steuerzahler.
Noch dazu erweist sich so manches Projekt schlichtweg als zu groß, andere erfüllen mitnichten die in sie gesetzten Hoffnungen:
Das Knick-Ei von Halstenbek
Die Gemeinde Halstenbek vor den Toren Hamburgs verband Anfang der 1990er-Jahre mit dem Bau einer neuen Sporthalle eine Umgestaltung des gesamten Ortskerns. Den städtebaulichen Ideenwettbewerb entschied das Architekturbüro Poitiers & Partner für sich mit einem Entwurf in Ei-Form in futuristischem Design und imponierenden Dimensionen. Zu zwei Dritteln sollte die Halle unter der Erde verschwinden und eine elegante gläserne Dachkuppel sorgte für Tageslicht und für die Verbindung der Sportler mit der Natur. Statt rund fünf Millionen D-Mark für eine herkömmliche Sporthalle, wollten sich die Stadtväter das architektonische Highlight gerne 12,3 Millionen kosten lassen; nur wenige Monate nach Baubeginn kletterten die avisierten Ausgaben auf rund 15 Millionen D-Mark. Dafür sollte die Gemeinde eine in Deutschland einmalige Konstruktion mit Strahlkraft weit über die Region hinaus erhalten. Dazu wünschten sich die Verantwortlichen zahlreiche Extras für die Ausstattung der Halle: Ein eigener Sportlehrer-Besprechungsraum für etwa 300.000 Mark, ein Behindertenlift, nahtlos geschweißte Entwässerungsrohre, eine Solaranlage auf der Glaskuppel und Edelstahl-Toiletten zum Preis von 4.000 Mark pro Stück.
Die ehrgeizigen Pläne erwiesen sich jedoch bald als zu groß für die kleine Gemeinde: Auf der Baustelle häuften sich die Pannen, mit den Firmen begann ein Streit über die Qualität der verwendeten Materialien. Der zuständige Kreis Pinneberg warnte vor der Verschwendung von Steuergeldern. Die Halstenbeker Lokal-Größen machten kaltschnäuzig weiter: Letztlich sei es ja egal, ob die Steuergelder vom Kreis oder von der Gemeinde verbraten würden. Öffentliches Geld, so meinten sie, sei es in jedem Fall.
Schließlich unterbrach ein Super-GAU die Arbeiten. Kurz vor der Fertigstellung der Sporthalle stürzte die 45 Tonnen schwere Stahlnetzkuppel in sich zusammen – Gott sei Dank nachts, sodass kein Bauarbeiter zu Schaden kam. Der von der Gemeinde beauftragte Gutachter macht Wettereinflüsse und Schlampigkeit am Bau für den Einsturz verantwortlich. Wenige Monate später begannen die Halstenbeker mit erhöhter Sorgfalt mit dem Wiederaufbau des Hallendaches. Kurz vor Eröffnung der vollendeten Sportstätten stürzte das Hallendach im Juni 1998 erneut ein. Nun begann ein jahrelanger Rechtsstreit um Schadensersatz mit den beteiligten Firmen. Erst 2008 einigte die Gemeinde sich mit dem beteiligten Ingenieurbüro auf Zahlungen in Höhe von 2,3 Millionen Euro. Zwischenzeitlich musste die Gemeinde die Ruine sichern, auf dem feuchten Hallenboden nisteten sich Schimmelpilze ein. Anfang des neuen Jahrtausends sprach sich die Gemeindevertretung mit den Stimmen der CDU, SPD und FDP erneut für den Wiederaufbau des Sporthallen-Eis aus. Es folgte ein zähes Ringen um die Instandsetzung der Sportstätte. Die Befürworter scheiterten zunächst an den erneut explodierenden Kosten. Die einst wohlhabende Gemeinde Halstenbek hat sich durch das Desaster eingereiht in die Legion deutscher Kommunen mit klammem Stadtsäckel. Insgesamt gab die Gemeinde für den Bau, die Sicherung und den Abriss des Knick-Eis rund 9,5 Millionen Euro aus. Minus der 2,3 Millionen Entschädigung setzte der kommunale Größenwahn so über 7,5 Millionen Euro buchstäblich in den Sand. Schließlich beendete im Dezember 2005 ein Bürgerentscheid den Spuk. Die Halstenbeker beschlossen den Abriss der Bauruine und den Neubau einer konventionellen Sporthalle für ca. 3 Millionen Euro, die im September 2008 eröffnet wurde.
Weil Halstenbek jetzt pleite ist, errichtet und betreibt die Gemeinde die Halle in Öffentlich-Privater-Partnerschaft, also mit einem Finanzierungsinstrument, mithilfe dessen seit Beginn des neuen Jahrtausends die öffentliche Hand trotz prekärer wirtschaftlicher Situation ihre Aufgaben für die Allgemeinheit wahrnehmen will. Dabei übernimmt ein privater Investor die Bau- und Betriebskosten der Sportanlage. Im Gegenzug zahlt die Gemeinde 25 Jahre lang eine monatliche Leasingrate, dann fällt das Gebäude in ihren Besitz. Kritiker monieren, dass sich die Kosten für die Halle auf diese Weise auf insgesamt rund 12,7 Millionen Euro summieren. Die Gegenrechnung der Kosten des Projekts mit herkömmlicher Finanzierung, also in gemeindeeigener Regie, ergäbe für ein Vierteljahrhundert Gesamtkosten von lediglich sechs Millionen Euro.
Eine neue Welt am Nürburgring
Ähnliche Hoffnungen, wie sie die Halstenbeker mit ihrer Turnhalle verbanden, steckte die von Kurt Beck angeführte Landesregierung in Rheinland-Pfalz in den Ausbau des Nürburgrings in der strukturschwachen Eifel. Für geplante 140 Millionen Euro sollte eine „Erlebnisregion Nürburgring“ entstehen mit einer „Boulevard“ genannten Ladenstraße, einem Hotel, einem künstlichen, aus gastronomischen Event-Betrieben bestehenden Eifeldorf, einer Skipiste und später auch einem Golfplatz. Die Kosten wollte das Land zur Hälfte tragen, für den Rest galt es private Sponsoren zu finden.
Allerdings fuhr die vollständig in öffentlichem Besitz befindliche Nürburgring GmbH, die zu 90 Prozent dem Land Rheinland-Pfalz und zu 10 Prozent dem Landkreis Ahrweiler gehört, schon allein durch die Ausrichtung von Formel-1-Rennen regelmäßig Verluste in Millionenhöhe ein. Nach Angaben des Landesrechnungshofs subventionierte der Steuerzahler schon vor dem Ausbau des Rings jede Karte eines Formel-1-Besuchers mit 133 Euro.
Ungeachtet der Warnungen von Rechnungshöfen und dem Bund der Steuerzahler trieb die Landesregierung ihr Prestigeprojekt voran. Für die Durchführung des Projekts gewann sie Partner, die bereits Erfahrungen mit ähnlichen Projekten gesammelt hatten: Sie waren maßgeblich an der 170 Millionen Euro teuren Space-Center-Pleite und der defizitären Botanika in Bremen beteiligt.
Nur ein Jahr nach Verkündung der ehrgeizigen Pläne für den Nürburgring waren die avisierten Kosten bereits auf 215 Millionen Euro gestiegen. Die meisten privaten Investoren hatten längst abgewinkt. Allein für den Hotel- und Gastronomiebereich fand sich ein Investor, der 80 Millionen in das Projekt stecken wollte. Wieder ein knappes Jahr später bezeichnete der Bund der Steuerzahler den Erlebnispark am Nürburgring nur noch als „Verbrennungsmotor für Steuergelder, aus dessen Auspuff nur noch heiße Luft“ käme. Dem Investor für Hotel und Gastronomie, der niemals eigenes Geld besaß, sondern Kredite sammelte, war Ende 2008 bereits die Luft ausgegangen. Das Land Rheinland-Pfalz sprang auch hier über landeseigene Banken mit über 85 Millionen Euro ein. Die Baukosten waren nun völlig aus dem Ruder gelaufen: Der Hotel- und Gastronomiebereich kostete inzwischen 115 Millionen Euro. Doch auch die von der Landesgesellschaft betriebenen Bauarbeiten erwiesen sich als Fass ohne Boden: Da die Anlagen unbedingt zum Formel-1-Rennen Anfang Juli 2009 fertiggestellt werden sollten, beschleunigten die Baufirmen die Abläufe oder griffen zu Provisorien. Im Anschluss waren Baumängel zu beseitigen, Notbehelfe zu demontieren. Auf 300 Millionen Euro beliefen sich die Ausgaben jetzt insgesamt, eine Summe, die in der Folge um weitere 30 Millionen steigen sollte. Angesichts des Desasters bemühte sich der Finanzminister Ingolf Deubel um einen Verkauf der Immobilien, um sie im Anschluss zurückzumieten. Das Finanzkonstrukt sollte binnen der nächsten zehn Jahre 50 Millionen Euro für die Nürburgring GmbH erzielen. Allein der Vermittler, ein Schweizer Unternehmer mit Sitz in Dubai entpuppte sich als Schwindler. Das Geld kam nie in Deutschland an. Der Finanzminister musste seinen Hut nehmen.
Wenige Monate später widmete sich ein Untersuchungsausschuss im Landtag der horrenden Baukostensteigerung, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts auf Untreue gegen den mittlerweile geschassten Geschäftsführer der Nürburgring GmbH, den Finanzdirektor am Ring, den zurückgetretenen Finanzminister, den privaten Geschäftspartner und gegen den ehemaligen Geschäftsführer der landeseigenen Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz, der den Investor mit einer Geldspritze über 85 Millionen Euro versorgt hatte. Allein durch die Weiterleitung des Kredits soll letzterer fast zwei Millionen Euro verdient haben. Außerdem steht er im Verdacht, vor Beginn der Bauarbeiten für 180.000 Euro ein Gelände erworben zu haben, das er später für 2,5 Millionen Euro an die Projektgesells...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. Arnold Kirchner
  3. Dieter Wonka
  4. Hans-Ulrich Jörges
  5. Christoph Schwennicke
  6. Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler
  7. Theo Waigel
  8. Karl-Theodor zu Guttenberg
  9. Helmut Haussmann
  10. Jürgen Rüttgers
  11. Dorothee Bär
  12. Bernard Nuss
  13. Hajo Schumacher
  14. Thilo Sarrazin
  15. Hans Leyendecker
  16. Hans Herbert von Arnim
  17. Peter Bachér
  18. Mainhardt Graf von Nayhauß
  19. Franz-Jochen Schoeller
  20. Lisa Inhoffen, Rita Klein, Florian Ludwig, Wolfgang Wiedlich
  21. Bauprojekte, Prestige und kommunaler Ausverkauf
  22. Barbara Scheel
  23. Wolfgang Gerhardt
  24. Hans-Peter Schwarz
  25. Peter Scholl-Latour
  26. Claus Jacobi
  27. Literatur
  28. Impressum