Scherben vor Gericht
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Scherben vor Gericht

Albtraum eines Premierministers

  1. 100 Seiten
  2. German
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Scherben vor Gericht

Albtraum eines Premierministers

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Über dieses Buch

Es ist der Abend vor dem Nationalfeiertag, als ein seltsam Uniformierter eine ebenso seltsame Einladung an dem Premierminister übergibt: "Nationalfeiertag, Parlament, großer Plenarsaal, 14: 30 Uhr. Geheime Sitzung. Ihr Erscheinen wird hiermit angeordnet. - Der Vorsitzende."Am Tag darauf findet sich dieser unerwartet vor Gericht: Aus allen Epochen sind Ankläger erschienen, einige in antike Tuniken gehüllt, andere tragen Stock und Gehrock und wieder andere sind in Uniformen gekleidet. Was zuerst wie eine Karnevalsveranstaltung aussieht entpuppt sich als ein längst fälliger Prozess, den sich auch Berühmtheiten wie Zenon, Perikles, Brecht, Keynes, Macchiavelli, und sogar Kaiser Augustus nicht entgehen lassen. Der Premierminister und seine Regierungsmitglieder sitzen auf der Anklagebank. Ihnen wird der Spiegel ihrer Taten vorgehalten: Das gesamtes Land liegt in Scherben! Wie konnte das passieren? Welche Argumente werden die Angeklagten Minister gegen ihre vorgeworfene Wirkungsweise setzen? Zu welchem Urteil werden die Verfechter von Freiheit und Demokratie aus zwei Jahrtausenden kommen? Edit Engelmann, die seit Jahren in Athen lebt und von der europäischen Politik inspiriert worden ist, erzählt in dieser Volkssatire den Traum eines jeden Bürgers Traum: Politiker die durch Gier und Unverstand regieren zu bestrafen. Ihre Novelle ist ein kritischer Erinnerungsakt an die menschlichen Errungenschaften wie Demokratie, Solidarität, Souveränität, Nationalbewusstsein, soziale Integrität und Menschenrechte - Worte, die in jeder Schule gelehrt werden; Werte, die weltweit propagiert werden, und eine Praxis, der es immer wieder in ihrer Ausübung mangelt.

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SCHERBEN VOR GERICHT

NATIONALES PARLAMENT, GROSSER PLENARSAAL

Zähneknirschend waren sie am folgenden Tag angetreten. Die ersten trafen bereits gegen Mittag ein, weil sie sich wunderten, wer wohl der Organisator sein mochte und um was für ein Treffen es sich handeln sollte; vielleicht bestand noch die Chance, die eine oder andere Information vor Sitzungsbeginn zu erhalten - oder aber sich selbst kurzzeitig in ein besseres Licht zu rücken. Man wusste ja nie.
Aber nichts dergleichen schien möglich. Derselbe Bote in derselben Fantasieuniform, der gestern die Nachricht überbracht hatte, öffnete die schwere hölzerne Eingangstür, die schon seit Errichtung des heutigen Parlamentgebäudes vor mehr als zwei Jahrhunderten die Hausfront verzierte. Selbst ohne Vorlage der schriftlichen Einladung schien der Soldat genau zu wissen, wen er einzulassen hatte und wen nicht.
Das persönliche Leibbataillon des Premierministers – Deckname: ›Aqua Sordida‹ – musste jedenfalls draußen bleiben, zusammen mit den Kollegen, die von anderen Regierungsmitgliedern bereits vor der Tür abgelegt worden waren und wie zähnefletschende Hunde auf die Rückkehr ihrer Herrchen warteten.
Zögernd schritt der Premier über den marmornen Boden auf den Plenarsaal zu. Im gesamten Haus herrschte gespenstische Ruhe. Es war Nationalfeiertag, niemand arbeitete heute, das Gebäude lag wie ausgestorben. Nur ein Wachmann postierte vor dem Plenarsaal und hielt einladend die Tür für ihn offen. Der Premier hätte schwören können, dass es derselbe Wachmann war, der ihm bereits das Haupttor geöffnet hatte. Aber das konnte ja gar nicht sein. Er schüttelte den Kopf und trat ein. Es war wirklich verwirrend.
Absichtlich war der Premier frühzeitig erschienen. Aber einige waren noch früher gekommen. Sein Vizepremier stand schwergewichtig in der Ecke und diskutierte mit dem Finanzminister, wer denn wohl die Einladung geschickt haben könnte. Der Minister für öffentliche Ordnung ereiferte sich, dass man ihm vorher nichts erzählt habe und er somit keine Garantie für die Sicherheit dieser Veranstaltung übernehmen könne. Der Wirtschaftsminister hätte lieber in seinem Wahlkreis dem nationalen Festumzug beigewohnt und dort eine wirklich aussagelosgroßartige Rede zur Änderung der Lage gehalten. Der Justizminister erzählte dem Arbeitsminister, dass er dessen Steuerschummelei, die dummerweise von ein paar Investigativen als Schlagzeile aufbereitet worden war, nicht einfach unter den Tisch fallen lassen konnte – war aber mit ihm einer Meinung, dass man dieses Internet unbedingt kontrollieren und Freidenkern sowie Journalisten einen noch größeren Maulkorb verpassen müsste. Es war immer noch viel zu vieles, was an die Öffentlichkeit gelangte.
Mehr und mehr füllte sich der Saal. Da waren ehemalige Premiers, sowie vom amtierenden Premier und der Bevölkerung längst vergessene Ex-Minister, die alle ihr Scherflein dazu beigetragen und ihr Händchen dafür offen gehalten hatten, das Land in die Misere zu stürzen. Eigentlich waren nur die nicht erschienen, die bereits rechtskräftig verurteilt waren und noch nicht lange genug saßen, als dass man sie klammheimlich wieder hätte entlassen können. Auch die wenigen Ehrlichen fehlten, die sich während ihren Amtszeiten nicht hatten schmieren lassen und jetzt ihr Dasein unberührt von Ruhm, Eitelkeit und Aufsichtsräten abseits großer Ballsäle führten.
Ebenfalls anwesend waren führende Mitglieder von Nichtregierungsparteien, Oppositionen, Seitenflügeln und Kleinstparteien. Der Premierminister hielt es für eine wüst-gemischte Truppe, deren gemeinsame Anwesenheit bei einer geheimen politischen Sitzung seines Erachtens komplett überflüssig war, ja, für den Fortbestand des bestehenden Systems sogar gefährlich werden konnte. Seiner Meinung nach war es zwingend notwendig, die Gestaltung des öffentlichen und politischen Lebens in wenigen auserwählten Händen zu belassen.
Wider Erwarten konnte er jedoch keinen Vertreter des Dreigestirns entdecken. Dabei hätte er schwören können, dass diese das Treffen anberaumt hatten. Wer schließlich hätte sonst dafür verantwortlich sein können?
»Da! – Vorsicht!«, der laute Aufschrei des früheren Verteidigungsministers ließ alle aufhorchen und in seine Richtung schauen. Sein zitternder Finger wies auf die Regierungsbank, wo für gewöhnlich die Minister Platz nahmen.
Alle Köpfe drehten sich um, und mit vor Staunen offenen Mündern verfolgten sie, wie die ersten Gestalten erschienen, dort, wo sich sonst Sozial- und Erziehungsminister, halb dösend aneinander gelehnt, Hilfestellung gaben. Nach und nach füllte sich die gesamte Bank. Sie schienen aus allen Epochen zu stammen. Einige waren in antike Tuniken gehüllt, andere trugen Stock und Gehrock, wieder andere waren in die unterschiedlichsten Uniformen gekleidet.
»Karneval?«, murmelte die Außenministerin, die aufgrund ihrer vielfältigen Reisen glaubte, jedes Land an seiner traditionellen Kleidung erkennen zu können, sich aber auf dieses Spektakel trotz ihrer Auslandskenntnis und -einsätze keinen Reim machen konnte.
»Unsinn. Der ist doch gerade vorüber. Das sind ...«, – was es stattdessen war, konnte der Familienminister auch nicht sagen. Allerdings glaubte er keinesfalls an einen zweiten Karneval. Er war einfach nur verblüfft.
Der Präsident des Landes stand wie immer mitten im Saal und sagte nichts. Seine Funktion schloss ja auch kein Handeln ein, sondern nur ein Repräsentieren und Händeschütteln. Des Weiteren durfte er unterschreiben, was seine Sekretärin ihm in der Mappe vorlegte: zumeist wichtige Beschlüsse und Gesetze, die mit seiner Unterschrift rechtskräftig wurden. Aber mitunter ließen die Regierungsmitglieder auch persönliche Animositäten per präsidialem Dekret aus der Welt schaffen. Früher einmal wurden eingereichte Unterlagen geprüft und von Beratern auf geltendes Recht hin untersucht. Doch diese alte Sitte hatte man abgeschafft. Heute unterschrieb der Präsident Verträge, Gesetze, Richtlinien, Beschlüsse und Dekrete auf die gleiche Art wie Popstars ihre Fanpost. Einmal, so munkelte man, soll er aus Versehen sogar ein Butterbrotpapier gezeichnet und mit präsidialem Stempel versehen haben.
»Hier spielt uns jemand einen Streich«, analysierte der Minister für Jugend und Erziehung. Er war ein strikter Vertreter der Frauenquote und darum Verfechter der Theorie, dass sich sowohl Vater als auch Mutter beruflichenergetisch und privat-psychologisch voll entfalten müssten; dies betrachtete der Minister als den sozialpolitischen Beitrag aller Bürger, egal ob Frauen oder Männer, zum konsumverträglichen Gemeinwesen. Kurzum, Eltern gehörten an die Arbeit, und zwar möglichst rund um die Uhr sowie, rententechnisch gesehen, bis der Tod eintritt. Kinder waren unter staatliche Obhut zu stellen – möglichst 24 Stunden am Tag. Nur so war aus seiner Sicht gewährleistet, dass sie mit charakterbildenden Maßnahmen dem politischen Geschehen zur weiteren Verwendbarkeit reibungslos angepasst werden konnten.
»Ruhe!«, schallte die Stimme eines alten, knochigen Mannes durch den Raum. Er war genau dort erschienen, wo normalerweise der Parlamentspräsident den Hammer schlug; genau diesen donnerte der Alte mit Macht auf die gelackte Tischplatte nieder und bellte mit scharfem Ton einen zweiten Befehl: »Hinsetzen!«
Alle Blicke wandten sich ihm zu. Er war eine beeindruckende Gestalt in seinem ungewöhnlichen Soldatenrock. Ein hageres Gesicht mit einem stechenden Blick. Zwischen den Augen adlerte eine überdimensionierte Hakennase, unter der ein schmallippiger Mund sich ärgerlich zu einem Strich verzog. Die grauweißen Haare waren ein klein wenig zu lang und schimmerten unter einem Helm hervor, der bronzefarben blitzte und einen schwarz gefederten Borstenbesen von hinten nach vorne über den Kopf laufen ließ. Er trug eine ähnliche Uniform wie die Soldaten an den Eingangstüren, nur dass seine schäbiger und vom langen Tragen verschlissener war. Seine ganze Erscheinung spiegelte die Bedeutung, die er einmal gehabt haben musste.
»Das Herausragendste an ihm ist wohl seine Nase«, dachte der Premier, der niemanden – außer das Dreigestirn – so ernst nahm wie sich selbst und daher innerlich arrogant zu dem Schluss kam, es müsse sich hier um ein billiges Theaterstück handeln, was er sich allerdings kurz anschauen wollte, bevor er dem Spuk ein Ende bereiten würde.
»Ich glaube, ich weiß, wer die sind«, stöhnte der Erziehungsminister der letzten Regierungsperiode auf. Zu seiner Zeit – also vor einem knappen halben Jahr – hatte er nämlich tatsächlich selbst in ein paar Bücher hineingeschaut, um wenigstens halbwegs eine Ahnung zu haben, was denn dort alles von einer pädagogischen Expertengruppe politisch korrekt angepasst wurde. »Die sehen aus ... ich glaube, das waren ... also ich bin mir sicher, dass die alle in der Vergangenheit einmal bedeutende Persönlichkeiten waren, VIPs sozusagen.«
Wie üblich hörte niemand auf etwas, was mit Erziehung zu tun hatte. Erziehung war schon längst von Spielkonsolen und Massenmedien übernommen worden. Ein Erziehungsminister, so die Meinung des Finanzministers, war zu nichts anderem mehr gut, als einem guten Freund einen wohldotierten Posten zu verschaffen. Sollte so einer wirklich einmal etwas wissen? Andererseits, ging es ihm durch den Kopf, man wusste nie, wie die Würfel fielen – schließlich könnte der Erziehungsminister von heute der Präsident von morgen sein also erschien es durchaus opportun, dem Mann mit dem irrelevanten Amt ausnahmsweise Gehör zu schenken.
Alle umringten den Erziehungsminister, murmelten und palaverten jetzt durcheinander.
»Was meinst du?«
»Wer sind die?«
»Keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Welche VIPs?«
»Welches Land?«
»Die kommen mir bekannt vor.«
»Ach, glaub ich nicht. – Ich habe sie nie vorher gesehen.«
»Ruhe!«, dröhnte die Stimme des Hakennasigen wieder durch den Saal. Die Mikrofonanlage war ausgeschaltet, jedoch war er stimmgewaltig genug, um seinen Befehl bis in die hinterste Ritze des großen Plenarsaales dringen zu lassen. »Hinsetzen! Alle!«
Die übrigen auf der Regierungsbank Erschienenen standen ruhig und unbeweglich vor den ministeriellen Sitzen und warteten darauf, dass endlich Ordnung in das Chaos einkehrte.
Stattdessen kam Bewegung in die Masse der versammelten Parlamentarier. Nicht etwa, weil sie nach Sitzgelegenheiten in den Reihen suchten, sondern weil sie panikartig in Richtung Ausgang strömten. Was immer hier gerade vorging, bedurfte nach Meinung der regierenden Elite der letzten Legislaturperioden keiner genaueren Erklärung.
»Unheimlich«, hörte man murmeln.
»Unverschämt«, schrieen andere.
Es wurde geschubst und gedrängt, getreten und mit den Ellenbogen gearbeitet. Ein jeder war sich selbst der nächste. Hauptsache, raus hier.
Der Premierminister war mit sich höchst unzufrieden. Er hatte zu lange gewartet. Den Punkt nicht erkannt, an dem er sich hätte profilieren können. Alles Feiglinge, schoss es ihm durch den Kopf. Durc...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Inhalt
  6. VORSPIEL
  7. SCHERBEN VOR GERICHT
  8. BIOGRAPHISCHES