Geheimbünde von Frauen
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Geheimbünde von Frauen

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Geheimbünde von Frauen

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Über dieses Buch

Geheimbünde erregen seit Jahrhunderten die Phantasie der Menschen. Gerade durch ihr geheimes und nach außen abgeschlossenes Auftreten wecken sie einerseits die Neugier und schüren andererseits tief verwurzelte Ängste vor dem Okkulten oder einer groß angelegten Weltverschwörung. Der Hype, der nicht erst seit Dan Browns Bestsellern um die prominenten Gruppierungen der Illuminati und der Freimaurer entstanden ist, ist sicherlich das prägnanteste Beispiel...Doch sowohl bei den Illuminati und Freimaurern als auch bei allen anderen bekannteren Geheimbünden handelt es sich um reine Männerkreise. Das weite und breit gefächerte Feld der weiblichen Geheimbünde ist bisher dagegen nicht ins Bewusstsein der Gesellschaft vorgedrungen.Dieser Missstand wird mit Helmut Werners Buch nun endlich behoben. In einem detaillierten Überblick schildert Werner die facettenreiche Geschichte der weiblichen Geheimgesellschaften vom berühmten Mädchenclub der griechischen Dichterin Sappho auf Lesbos über die antikirchlichen Beghinen des Mittelalters bis hin zum modernen Hexenwesen.Auf diese Weise wird der Leser auf eine Reise in die bisher unentdeckte Geschichte der Frau entführt...

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Information

KAP. VII

VERSCHWIEGEN, VERFEMT UND GRAUSAM VERFOLGT

FRAUEN IM CHRISTLICHEN UNTERGRUND

Die Beginen - ein antikirchlicher Geheimbund

In der 2.Hälfte des 13. Jh. setzte sich eine Frauenbewegung bei den kirchlichen Stellen dem Verdacht aus, eine geheime Ketzersekte zu sein. Nicht einmal der Name dieser Frauenbewegung ist eindeutig geklärt. Man gab diesen Frauen in den einzelnen Ländern nur Schimpfnamen wie „Papelarden“ (falsche Priesterinnen) in Frankreich, „Bizoken“ (Mitglieder einer papstfeindlichen Sekte) in Italien und „Coquenunne“ (falsche Nonnen) in Deutschland. Bald benutzte man aber die Bezeichnung „Begine“, wodurch diese Frauenbewegung in die Nähe der Sekte der Katharer in Frankreich und Italien gebracht wurde, die von der Kirche grausam verfolgt und unterdrückt wurden. Denn der Name Begine ist nur eine verstümmelte Form von Albigenser, die besser unter dem Namen Katharer bekannt sind.
Diese Frauen machten sich in den Augen der kirchlichen Behörden verdächtig, weil sie ein Leben am Rand der Gesellschaft führten. Sie zogen die Armut vor, weigerten sich zu heiraten oder in eine der bestehenden Klostergemeinschaften einzutreten. Da sie von ihrer Hände Arbeit lebten unterschieden sie sich nicht von den Nonnen, aber sie lehnten es ab, ihr Leben im Kloster zu verbringen. Dieses Verhalten war für ihre Umwelt, besonders der Kirche, irritierend. Trotzdem erlebte diese Frauenbewegung einen gewaltigen Aufschwung im Laufe des 13. Jh. In den belgischen Provinzen, den Niederlanden und in den Rheingebieten gab es keine Stadt, wo nicht ansehnliche Gruppen von Beginen bestanden. Der englische Chronist Mathäus von Paris zählt 1243 in Köln 1.000 Beginen, was etwa sechs Prozent der Gesamtbevölkerung sind. Man schätzt, dass die Zahl der Beginengemeinschaften sich auf über 175 beläuft. Bis 1351 gab es schon 85 Gruppen in Straßburg, 57 in Frankfurt am Main und 16 in Worms. Selbst in Preußen, der Schweiz und Österreich lassen sich Gemeinschaften von Beginen nachweisen. Was die soziale Herkunft dieser Frauen anbelangt, so kann man trotz des dürftigen statistischen Materials feststellen, dass die Mehrheit den besitzenden städtischen Schichten angehörte. Arme, besitzlose Frauen, die von Bettelei lebten, hatten es schwer, Zugang zu diesen Gemeinschaften zu finden, wo man aufgrund seines Vermögens oder durch Handarbeit den Lebensunterhalt verdiente, um ein beschauliches Leben nach seinen religiösen Idealen führen zu können. Parallel zu dieser Frauenbewegung gab es auch eine Männerbewegung mit denselben Zielen, die unter dem Namen „Begarden“ bekannt sind.
Wer ein Leben außerhalb der Gesellschaft führt, ist auch aufnahmebereit für Lehren, die von der Kirche als Ketzerei verurteilt werden. Zu Beginn des 13. Jh. zog ein gewisser Amalrich von Bena die Aufmerksamkeit der kirchlichen Behörden auf sich, weil er lehrte „Alles sei eins“ und folglich auch göttlicher Natur. Gott und Mensch sind von derselben Natur, so dass der Mensch auch nicht sündigen kann. Die Gleichheit mit Gott kann man durch bestimmte Entscheidungen erreichen, indem man bestimmte Dinge tut bzw. unterlässt. Wer diese Vergottung erreicht, besitzt auch die Sündenlosigkeit und ihm ist alles gestattet, was bisher durch Gesetze und Gewohnheit verboten war. Wer an die Hölle oder Sünde glaubt, der war ein Unwissender, weil er die wahre Natur des Menschen nicht kannte. Aber die Beginen übernahmen nicht nur diese allgemeinen religiösen Vorstellungen, sondern sie lehnten die Kirche als Organisation ab. Ihre Anschauungen richteten sich schwerpunktmäßig gegen den Glauben der Kirche, den sie in seiner Gesamtheit verwarfen. Da sie selbst göttlich waren, waren sie auf die christliche Kirche nicht angewiesen. Es gab für sie weder ein Fegefeuer noch eine Hölle, also Glaubensvorstellungen, zu denen sie aufgrund ihres göttlichen Charakters keine Verbindung hatten. Die christliche Messe mit der Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi lehnten sie ab, weil Christus keine besondere göttliche Stellung hatte. Strikt weigerten sie sich, sich vor der Hostie zu verneigen, die nach ihrer Meinung keinen besonderen Charakter hat. Sie hielten die 10 Gebote für überflüssig und die Bibel hatte für sie keinen Wert. Kurzum, die gesamte Kirche war für sie „eine Albernheit“.
Die Beginen praktizierten auch sehr freizügige Kultformen, die von ihren kirchlichen Gegner als „wilde Orgie nach Art der Schweine“ bezeichnet wurden. Der sexuelle Verkehr mit einem beliebigen Mann, der durch seine Gottähnlichkeit frei von Sünden ist, ist keine „Hurerei“, sondern steht auf derselben Stufe wie der eheliche Beischlaf. Ein Kind aus einer solchen Beziehung ist ohne Makel und einem ehelich gezeugten ebenbürtig.
Der Mönch Procurator berichtet 1325 über eine solche Sektengruppe in Köln:
„Sie trafen sich mit den Frauen an einem unterirdischen Ort, den sie als das Paradies bezeichneten. Die Kulthandlungen wurden geleitet von zwei Personen, die sich Jesus und Maria nannten. Alle Teilnehmer zogen sich nackt aus und nach dem Auslöschen der Kerzen gab man sich den sexuellen Ausschweifungen hin.“
Man wollte durch diese Kulthandlungen „paradiesische Zustände“ wieder herbeiführen, die mit den christlichen Vorstellungen von der Jungfräulichkeit und der Ehe nicht zusammenpassen. Man nimmt aber heute an, dass wahrscheinlich diese sexuellen Ausschweifungen mit anderen sakralen Handlungen verbunden waren. Es gibt nämlich auch Quellen, die berichten, dass diese Sekte auch Messen las, bei denen eine Hostie den versammelten Sektenmitgliedern wie bei der christlichen Messe gezeigt wurde.
Die Beginen lehnten aber nicht nur die Lehren der Kirchen ab, sondern rüttelten auch an den Grundfesten der Gesellschaft, wenn sie dem Privateigentum ablehnend gegenüberstanden, indem sie das gemeinsame Eigentum betonten und erhob die Armut zum Lebensgrundsatz. Oft berichten die Quellen, dass Beginen Diebstähle begingen, weil es dem „Knecht oder der Magd gestattet sei, sich das Eigentum ihres Herrn anzueignen“. Es gab Gruppen, die als Bedingung für die Aufnahme sogar die völlige Mittellosigkeit verlangten. Dieser Hintergrund erklärt auch die knappe Begründung, die von den Sektenmitgliedern für ihre sexuellen Ausschweifungen angeführt wird: Hurerei ist keine Sünde für den in Armut Lebenden. In einem Verhörprotokoll aus dem Jahr 1375 gibt ein Begarde aus Erfurt zu:
„Da ein freier Geist immer sündenlos ist, darf er den Geschlechtsakt auch mit der Schwester und Mutter ausführen. Beide haben nämlich dieselbe Natur wie er. Der Geschlechtsakt darf auch auf dem Altar vollzogen werden. Wenn er mit seiner Schwester oder Mutter geschlechtlich verkehre, verlieren diese weder ihre Jungfräulichkeit noch ihre Keuschheit, sondern sie werden durch den Geschlechtsakt noch reiner. Ein Mädchen, das dieser Sekte nicht angehört, erhält durch den Verkehr mit einem Begarden ihre verlorene Jungfräulichkeit wieder. Wenn zehn Männer mit einer Jungfrau Verkehr hatten und ein jeder kräftiger und stärker als sein Vorgänger ist, erhält dieses Mädchen trotzdem die verlorene Jungfräulichkeit wieder, wenn der letzte und zehnte Mann ein Begarde oder Freigeist ist.“
Die sexuelle Freizügigkeit darf man jedoch nicht verallgemeinern, da es zahllose Hinweise in den Quellen gibt, dass von den Beginen ein förmliches Keuschheitsgelübde abgelegt werden musste. 1244 legte eine Synode im hessischen Fritzlar fest, dass nur Frauen über vierzig als Beginen leben durften, da die jüngeren zu oft das Keuschheitsgebot übertreten hätten.
Falsch wäre es jedoch zu glauben, dass die Glaubensgrundsätze dieser Bewegung jedem Anhänger gegenwärtig waren. Die Beginen waren keineswegs eine einheitliche Sekte, sondern man muss von einer groben Zweiteilung in einen Führungskreis, der in alle Geheimnisse des internen Sektenlebens eingeweiht war und zu dem auch Sektenmitglieder gehörten, die bestimmte Interna nur kannten, und den einfachen Beginen ausgehen, welche die Weisungen dieser Personen ausführten. Somit hatten die einzelnen Beginengruppen eine feste Organisationsstruktur. An der Spitze stand der „Servus“, der gleichsam als Quartiermeister für die Schlupfwinkel und die Unterkünfte sorgen musste. Er übte die wichtigste Funktion aus, weil ab 1311 die Beginenbewegung von der Kirche verboten und von Seiten des Staates unterdrückt wurde. Für die Durchführung der kultischen Handlungen war der „Magister“ zuständig. Neue Mitglieder wurden von ihm oder einem weiteren Sektenoberhaupt, dem „Maior“ aufgenommen. Bei der Aufnahme musste der Neuling, der nackt niederkniete, völlige Armut versprechen und erhielt als Zeichen seiner Aufnahme vom Maior ein Kleidungsstück. Man kann auch davon ausgehen, dass es kleinere und größere Zusammenschlüsse gab und sicherlich gab es Verbindungen der Beginengruppen in den einzelnen Städten. Auch kann als gesichert gelten, dass die ärmeren Schichten ab der 2. Hälfte des 13. Jh. die Mehrheit in der Beginenbewegung bildeten, die ihren Lebensunterhalt durch Bettelei verdiente. Sie zogen mit dem Ruf „Brot durch Gott“ durch die Straßen und baten die Bevölkerung um Lebensmittel. Zur Kennzeichnung trugen sie oft ein Nonnengewand aus grauer und schwarzer Wolle.
Auch die in Klöstern lebenden Nonnen blieben von den geistigen Strömungen nicht unbeeinflusst, die in der Beginenbewegung verbreitet waren. Natürlich konnte dieses kirchenfeindliche Gedankengut nur langsam in diese von dem Klerus kontrollierten Gemeinschaften eindringen. Die ersten Spuren dieser Strömungen, dass man Gott besser dienen könne in der Freiheit des Geistes, wie man die Lehre der Beginen umschrieb, sind in der Mitte des 13. Jh. in den Nonnenklöstern Süddeutschlands nachweisbar. Es soll zu Unruhen gekommen sein, weil diese kirchenfeindliche Propaganda auch auf Widerstand in den Klöstern stieß, die sich den Lehren der Kirche unterordnen wollten. Verantwortlich für diese Vorgänge waren umherziehende Anhänger des Beginentums, die Unruhe in die Klöster brachten.
Bekannt ist ein Fall, der sich 1270 im schwäbischen Ries im Bistum Augsburg ereignete, wo zwei Männer namens Arnold und Tietmar, die rote Gewänder trugen, Irrlehren gegen den katholischen Glauben verbreiteten, wie die Quellen sagen. Diese Irrlehren werden auch als die Lehren einer Sekte Novo Spiritu (vom neuen Geist) bezeichnet, womit die Beginenbewegung gemeint ist. Da in keinem der kirchlichen Orden rote Gewänder benutzt wurden, was sogar ausdrücklich verboten war, kann es sich bei diesen beiden Personen nur um Begarden, also um männliche Anhänger dieser neuen religiösen Strömung, handeln. Im schwäbischen Ries kreuzten sich zwei große Verkehrswege des Mittelalters, die Brennerstraße von Italien nach Würzburg und die aus Frankreich kommende Römerstraße, so dass an einem solchen Knotenpunkt auch neue Lehren bekannt wurden. Die kirchliche Untersuchung über diese dort in einem Nonnenkloster verbreiteten Irrlehren bilden die Grundlage eines Gutachtens, das der bekannte, in Köln lehrende Dominikaner Albert der Große erstellte. Dieser bekannte Theologe hat nicht persönlich an den Untersuchungen teilgenommen, sondern er musste die Aussagen der befragten Frauen dahin überprüfen, ob sie mit dem katholischen Glauben übereinstimmen bzw. Irrlehren waren. In den 97 Punkten seines Gutachtens lassen sich deutlich kirchenfeindliche Strömungen und ketzerisches Gedankengut erkennen, die zu der Irrlehre der Nonnen von Ries zusammengeflossen sind.
In den kirchlichen Frauenkreisen stieß die mystische Frömmigkeit besonders aus dem niederländischen Raum auf große Zustimmung und wurde in einer Art Sucht nach Ekstasen und Visionen oft bis ins Maßlose übersteigert, so dass diese Mystikerinnen sich von der Ordenszucht und sogar von den Lehren der Kirche weit entfernten. Ausgangspunkt dieser Mystik ist der Glaube, dass die Seele ein Abbild Gottes sei. Deshalb muss man sich bemühen, dass die Seele allen Ballast abschüttelt und sich wieder mit Gott vereint. Diese Rückkehr zu Gott verläuft über die himmlische Hierarchie der Engel, deren höchster Vertreter und Verbindungsglied zu Gott Seraphim ist. Wer diesen Aufstieg vollzogen hat, genießt die „seraphische Liebe“, die ihn mit der Kraft Gottes erfüllt, so dass er Gott genießend besitzen kann. Aber bei diesem Aufstieg zu Gott darf nicht Jesus Christus übersprungen werden, der als Mittler zwischen Gott und den Menschen steht, wenn diese mystische Schau Gottes kirchlichen Lehren entsprechen soll. Diese Gedanken verkündet ein deutsches Gedicht aus der 1. Hälfte des 14. Jh. so:
Zu Cherubim und Seraphim
ist aufgeschwungen mein Herz, mein Sinn
das ist mir worden offenbar
der Gottheit Sonderspiegel klar
des ich begehrt hab tausendmal
.
Von den Frauen aber, welche die mystische Vereinigung mit Gott suchten, wurde dieser Vorgang erotisch-religiös umgedeutet und als ein Connubium spirituale = geistige Ehe betrachtet. Im Hohelied Salomons des Alten Testamentes, wo überschwenglich und sinnlich vom Bräutigam und der Braut, ihrem schönen Leib, den Küssen und ihrem heimlichen Genießen gesprochen wird, fanden sie ein Vorbild, um die bei göttlicher Vereinigung erlebten Freuden anschaulich darzustellen. Die Mystikerin Mechthild von Magdeburg, von deren Lebensdaten man nur sicher weiß, dass sie zwischen 1207 und 1212 geboren wurde, lebte als Begine in Magdeburg und veröffentlichte um 1250 ihre Offenbarungen „Fließendes Licht der Gottheit“. Darin beschreibt sie, wie ihre Seele die „göttliche Minne“ erlebte; so u.a. auch einen Hochzeitstanz mit dem göttlichen Bräutigam:
Ich mag nicht tanzen, es denn du (= Gott) führest mich.
Wenn du willst, dass ich sehr springe,
Dann musst du selber voran springen.
So springe ich in die Minne,
von dort in die Erkenntnis,
und von der Erkenntnis in den Genuss.
Vom Genuss über alle menschliche Sinne,
Da will ich bleiben und immer höher kreisen
.
Es war nur ein kleiner Schritt, wenn diese Frauen im Überschwang ihrer Gefühle die Vereinigung mit ihrem göttlichen Liebhaber unmittelbar-erotisch erlebten. Man glaubte tatsächlich Gott zu küssen und zu umarmen. So berichten zeitgenössische Quellen:
„Getäuscht von ihren Vorstellungen und Meinungen erscheint ihnen Jesus Christus, und sogar Gott selbst, den sie nicht nur umarmen und küssen, sondern der von ihnen auch mit obszönen Gesten und Handlungen traktiert wird.
Oder von einer Nonne wird berichtet, sie habe tagelang unter ihrem umgestürzten Bett gelegen und habe in ihrer religiösen Verzückung geglaubt, Gott komme, um sie zu küssen.
Auch in dem Gutachten Albert d. Gr. über die Irrlehre in Ries finden sich Belege für die sinnlich-erotisch übersteigerte Frauenmystik bei den dortigen Nonnen, von denen sich eine sogar einbildete, „sie Frau zum Gott geworden“ oder eine andere „sie habe das Kind Jesus zusammen mit Maria bis zur Erschöpfung gesäugt“. Auch sagten sie aus, mit Jesus geschlechtlich zu verkehren oder mit ihren Worten „Jesus würde sie fleischlich erkennen und sie würden ihren Körper mit seinem Leib besudeln.“
Im Mittelpunkt ihrer kirchenfeindlichen Vorstellungen steht der Glaube an die Vergottung des Menschen. Der Mensch kann Gott werden und die Seele kann in der Vereinigung mit Gott göttlich werden, was zu den Grundsätzen des Beginentums gehört und letztlich auch die Lehren des als Ketzer verbrannten französischen Philosophen Amalrich von Bena und seiner Schüler zeigt. Solche Menschen haben nach Ansicht dieser Nonnen den Grad der Vollkommenheit erreicht und werden als „die Guten“ bezeichnet. Mit diesem Glauben, dass der Mensch Gott gleich werden kann, verliert auch Christus seine Funktion als Sohn Gottes. Die Rieser Nonnen glaubten nämlich, dass der Mensch durch seine Vergottung noch höher stehe als Christus, was zu Folge hatte, dass man das Messopfer als überflüssig ansah. Denn Christi Blut und Leib verdient keine größere Verehrung als die eines guten Menschen. Konsequent wird die Rolle der christlichen Heiligen verworfen, weil ein guter Mensch nicht mehr auf deren Dienste oder Fürsprache bei Gott angewiesen ist. Wie alle Beginen standen die Nonnen in Ries auch der christlichen Moral und den zehn Geboten distanziert bzw. ablehnend gegenüber. Bei Albert d. Gr. finden sich Sätze wie: Beichten, Fasten und Gebete sind für einen guten Menschen nicht nur überflüssig, sondern sie verhindern seine Vereinigung mit Gott. Küsse, die gute Menschen beiderlei Geschlechtes austauschen, sind keine Sünde. Wenn eine gute Frau mit einem guten Mann Geschlechtsverkehr hat, sündigt sie nicht mehr als wie wenn sie ehelichen Verkehr praktizieren würde. Dann sogar ein Freibrief für sexuelle Orgien: Der mit Gott geeinte kann den fleischlichen Begierden ungehemmt in jeder Weise frönen, was übrigens auch der Fromme beiderlei Geschlechtes ohne Sünde darf. Die Ungebundenheit des vollkommenen Menschen geht soweit, dass er nicht nur über der christlichen Moral steht, sondern auch Gott nicht mehr nötig hat. Aber in der Gedankenwelt der Irrlehre der Rieser Nonnen tauchen auch Gedanken auf, die in das große Umfeld des Satanismus gehören, dessen Anhänger sich als Luziferianer bezeichneten. So wurden sie auch über den Fall der Engel befragt, um ihre Einstellung zur Existenz des Teufels herauszufinden, der nach der christlichen Lehre Gottes erstgeborener Sohn war und zu Unrecht vom Himmel gestoßen wurde. Albert d. Gr. notiert, dass nach ihrer Ansicht die Engel nicht, wie die christliche Lehre behauptet, vom Himmel gefallen seien und dass es zur wahren Lehre gehöre, dass der Teufel die Seele nicht mit der Köstlichkeit des Lügens versieht. An anderen Stellen in dem Gutachten Alberts d. Gr. wird die Existenz von Engeln und Dämonen grundsätzlich geleugnet und diese Wesenheiten mit den Tugenden bzw. Lastern gleichgesetzt. Wenngleich es schwierig ist, in dem Gutachten die Aussagen der befragten Frauen bestimmten Lehren zu zuordnen, so soll doch Albert d. Gr. in seiner Abhandlung bemerkt haben, dass es ähnliche Anschauungen wie bei den Nonnen in Ries auch in Köln gebe. Doch darüber fehlen genaue Nachrichten, so dass nur Vermutungen angestellt werden können. Mit Sicherheit steht fest, dass es im Rheinland in der Mitte des 13. Jh. satanistische Gruppen gab, die dem Satan eine größere Macht als Gott zuschrieben oder ihn sogar als alleinigen Gott anbeteten.
Was mit den Nonnen vom Ries geschah, darüber schweigen die Quellen und berichten nur, dass es wegen dieser Irrlehrer zum Streit zwischen den Franziskanern und Dominikanern kam. Vielleicht lag der Grund dieser Auseinandersetzung darin, dass der berühmte Dominikaner über diese Irrlehrer sein Urteil abgab.
Gegen die Bewegung der Beginen sind erst zu Beginn des 14. Jh. durchgreifende Maßnahmen von Seiten der Kirche ergriffen worden. Nachdem 1296 Papst Bonifatius VIII. eine Bulle gegen diese Bewegung erlassen hatte, setzte 1311/12 Papst Clemens V. auf dem Konzil zu Vienne das allgemeine Verbot durch, das in einem besonderen Erlass die Irrlehren der Beginen aufzählte. Aber dieses Verbot wurde dahin eingeschränkt, dass fromme Frauen in Gemeinschaftshäusern ein bußfertiges Leben führen durften. Die Chronisten berichten aber, dass diese Lehren der Beginen noch lange weiter verbreitet wurden und noch 1458 Beginen in Mainz au...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. INHALTSVERZEICHNIS
  5. I. WAS IST EIN GEHEIMBUND bzw. EINE GEHEIMGESELLSCHAFT?
  6. II. VOM URSPRUNG DER WEIBLICHEN GEHEIMBÜNDE
  7. III. DIE FRAUEN DER GROSSEN GÖTTIN ASCHTORETH
  8. IV. FRAUENBÜNDE IM ALTEN GRIECHENLAND
  9. V. FRAUENVEREINIGUNGEN IM ALTEN ROM
  10. VI. EINE FRÜHCHRISTLICHE FRAUENSEKTE
  11. VII. VERSCHWIEGEN, VERFEMT UND GRAUSAM VERFOLGT: FRAUEN IM CHRISTLICHEN UNTERGRUND
  12. VIII. DIE „ROTTE DER EVA VON BUTTLAR“
  13. IX. GEHEIME CLUBS UND FRAUENLOGEN
  14. X. HEILEN UND TÖTEN
  15. XI. BESCHNEIDUNG IM GEHEIMBUND
  16. XII. DAS MODERNE HEXENWESEN
  17. XIII. NACHWORT
  18. XIV. BIBLIOGRAFIE