Der kleine Tete
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Der kleine Tete

Roman

  1. 176 Seiten
  2. German
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Der kleine Tete

Roman

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Eduard, der kleine Tete, ist vier Jahre alt, als sich seine Eltern trennen. Sein Weg durchs Leben ist schmerzvoll: Seine Mutter ist seelisch erkrankt; sein genialer Vater ist nicht nur fern, sondern kann eigentlich nichts mit ihm anfangen. Zwar legt Tete eine ausgesprochene Begabung zum Dichten und zur Musik an den Tag. Aber er erkrankt an Schizophrenie und landet in einer psychiatrischen Anstalt.Aus einem sensiblen und humorvollen Wesen wird ein verängstigter und mutloser Mensch - Tete ist der jüngste Sohn von Mileva Maric und Albert Einstein.Rahel Senn zeichnet in ihrem Debütroman feinfühlig das zwiespältige Wesen eines Menschen, den die Trennung der Eltern und der Verlust des Vaters gebrochen haben.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783906065540

Prolog

Ein Tritt Tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber, hinüber schießen.
Die Stimme des Aufpassers kam von ganz weit.
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Im Schlaf begann eine andere Wirklichkeit. Im Traum verwandelte sich die Welt in ein …
«Hörst du mir zu?»
Jedes Mal, wenn Eduard das Buch zuklappte, erwachte Tete. Manchmal war er sich nicht sicher, ob das, was gerade passierte, die wirkliche Wirklichkeit war. Herr Freud ging auf der anderen Seite auf und ab. Zwischen Tete und dem großen Mann war lediglich eine Wand mit einem Fenster. Die ganze Nacht brannte Licht auf seiner Seite. Der Zigarrenrauch hatte Tete geweckt. Herr Freud machte sich nicht einmal die Mühe, das Fenster zu schließen, wenn er rauchte.
«Mit wem redet Herr Freud?», fragte Tete.
«Du sollst mich anschauen, wenn ich mit dir rede, und nicht Herrn Freud!», schimpfte Eduard.
Tete drehte sich um. Sein Aufpasser ließ die Hand mit dem Buch sinken und wartete.
«Ein Schritt…»
«Tritt – nicht Schritt!»
«Ein Tritt Tausend F… F…»
Halt!
Nicht Tausend. Drei Schritte von der großen Zehenspitze bis zur Wand. Der Schatten, der sich nicht mehr bewegte, war Herr Freud.
«Ich mag keine Gedichte mehr auswendig lernen. Wieso erzählst du mir nicht einfach eine Geschichte?»
«So wirst du nie ein großer Mensch», seufzte Eduard.
Tete zuckte zusammen. Er schaute zuerst zur Tür und dann zu seinem Aufpasser.
«Was ist?», fragte Eduard.
«Es hat geklopft.»

Kapitel 1

Achtundsechzig Schritte von der Tür des Schlafsaales bis zum Esszimmer, sechsundsiebzig bis zum Spielzimmer. Neunundzwanzig Schritte vom Bad bis zur Küche. Siebenundvierzig bis zum Tigerkäfig. Seine Welt war klein.
In einer Burg aus Holz wohnte er. Man nannte sie auch Zauberburg oder Marionettenburg. Wie ein Palast thronte sie auf einem Hügel hoch über der Stadt. Überall gab es Bäume. Man hatte vom Wald nur so viel gerodet, dass genug Platz für das Bauwerk blieb. Nachbarn waren nicht erwünscht. Ohnehin wäre es für die meisten Menschen undenkbar, neben einer Burg zu wohnen, in der nur Kinder lebten. Man nannte sie Torenbuben, denn die Burgkinder hatten nichts als Geschichten im Kopf.
Die Burg gehörte zur Stadt und war doch nicht Teil davon. Dreißig Minuten brauchte ein Fußgänger, um vom Kreuzplatz dorthin zu gelangen. Mit der Kutsche war derselbe Weg in einer Viertelstunde zurückzulegen. Die Burg war also nicht weit entfernt, aber für einen, der es so sehen wollte, war sie das.
Tausendzweihundertundzwanzig Schritte vom Hauptportal zurück zum Hauptportal. Man brauchte acht Minuten und zwanzig Sekunden für die Umrundung der Burg. Der lange Trakt war das Hauptgebäude. Von diesem führten zwei Seitentrakte weg. Zuhinterst war es beinahe, als schlössen sich die Enden zu einem Viereck zusammen. Aber ein Viereck war es dann doch nicht – eher so etwas wie ein Kreuz, das von einem Viereck umgeben war. Eine etwa zwei Meter hohe Mauer umgab die Burg, denn was war eine Festung ohne Mauer …
Für den Park war der Garten-Herr Bleuler zuständig. Im Garten wurden Runkeln, Beeren, Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Raps, Mais und Rüben gepflanzt. Das wechselte von Jahr zu Jahr, je nach Samenvorrat. Seit dem Kriegsende kümmerte sich der Garten-Herr Bleuler auch wieder um die Tulpenbeete vor dem Hauptportal. Er konnte einem alles über Blumen sagen. Manchmal hatte man das Gefühl, er selbst wäre eine Blume. An einem schönen Tag versammelte sich die halbe Spielgruppe um ihn, denn Blumengeschichten waren etwas für kleine Kinder.
Der Zoo-Herr Bleuler erzählte jedem Kind die gleiche Geschichte: Im Zoo hatte es einmal ein Pferd gegeben, das hatte als Fohlen ausgesehen wie ein Esel. Die Kinder gaben ihm den Namen «Esel», und jetzt hieß es immer noch so. Im Pferdestall schliefen auch die Burgkatzen, aber weil sie mit ihrem gelenkigen Körper zwischen den Eisenstangen des Tores ein- und ausgehen konnten, gehörte ihnen die ganze Welt. Im Burgzoo gab es vier Pferde, acht Kühe, fünfundvierzig Schweine und hundertneunundvierzig Hühner. Wenn sich ein Kind zu weit über den Pferdezaun lehnte, schimpfte der Zoo-Herr Bleuler mit ihm. Er hatte auch schon jemanden davon gejagt, weil es verboten war den Kühen Gras über den Zaun zu strecken oder den Hühnern Kieselsteine ins Gehege zu werfen. Der Zoo-Herr Bleuler war so etwas wie ein Wachhund für den Zoo. Er bellte einen an, wenn ihm etwas nicht passte
Eines der Kinder, das den Hühnerstall von seinem Zimmer aus sehen konnte, hatte einmal jedem Huhn einen Namen gegeben: Axel, Alfred, Benno, Christian und so weiter. Als es ein schweres Fieber ans Bett fesselte, gab es sich selbst jeden Tag einen neuen Namen. An einem Morgen war er Axel, dann Alfred, später Benno, Christian und so weiter. Immer wenn er einem neuen Menschen begegnete, fragte er ihn nach seinem Namen.
Die Schubladen in seiner Kommode waren voller Namenslisten. Da man ihm kein Papier mehr geben wollten, kritzelte er die Wände voll. Als man ihm auch noch den Griffel wegnahm, blieb ihm nichts anderes übrig als sich die Namen im Kopf zu merken.
Das ging nicht lange gut. Eines Morgens wachte er auf und konnte sich an nichts mehr erinnern, nicht einmal mehr an den eigenen Namen. Da kamen die Eltern, um den Namenlosen zu sich nach Hause zu holen. Diese Geschichte kannte jeder, der in der Burg wohnte. Eine andere gab es, die fand sogar Verbreitung bis in die Stadt hinaus: Die Geschichte von der gelben Zauberkutsche.
Die Kutsche der Burg war nicht nur wegen ihrer Farbe außergewöhnlich. Kein Fahrzeug – nicht einmal ein Krankenwagen oder ein Polizeiauto – fuhr so schnell wie sie. Dem Erzähler dieser Geschichte war es sogar, sie wäre zur Burg hinaufgeflogen. Als er nämlich aus dem Fenster schaute, waren dort zwei Flügel wie die von Riesengänsen. In der Kutsche wurde ihm der Schädel aufgesägt. Mit Drähten und Leitungen wollte man ihm die Erinnerung aus dem Kopf saugen. Ein Herr Bleuler war gerade dabei, Löcher in die vorgesehenen Stellen zu bohren, um daran die Marionettenfäden anzubinden. Als die Kutsche das Tor passierte, gelang ihm die Flucht. In jedem Wirtshaus und überall begann er seine Geschichte zu verbreiten. Am Schluss fand sie sogar einen Platz in der Zeitung.
Das Fahrzeug der Burg war gefürchtet. Es schien seine Mitfahrer zufällig auszusuchen. Es konnte einer sein, der auf der Straße spazierte, oder einer, der auf dem Spielplatz spielte, auch ein Waisenkind konnte es treffen. Niemand wusste, was hinter den Mauern geschah. Die Burgkinder waren bekannt dafür, als einzigen Lebensinhalt das Geschichten-Sammeln zu haben. Von früh bis spät rannten sie in der Burg herum. Große Menschen teilten sie in Gruppen ein und sorgten dafür, dass alles mit rechten Dingen zu und herging, denn es herrschte dort ein von den Teilnehmenden ernst genommener Wettbewerb.
Den Höhepunkt bildete das Frühlingsschauspiel, das jedes Jahr im Konzertsaal stattfand und Hunderte von Besuchern in die Burg lockte. Welcher Ort eignete sich besser dazu als eine Marionettenburg? Welche Darsteller waren besser als Torenbuben, die sich tagaus, tagein mit Geschichten befassten? Der Tag, an dem das Frühlingsschauspiel stattfand, war der einzige, an dem das Tor den ganzen Tag lang offenstand.
Einmal in tausend Jahren wurde der Märchenprinz gekürt.

Kapitel 2

«Hoch lebe der Prinz!»
Ein Geheimnis war wie tausend Geschichten.
Die Krone auf Tetes Kopf war aus Gold und glänzte. Alles, was glänzte, war schön. Schöne Dinge durfte man nicht kaputtmachen. Ein Prinz zu sein, war ein schönes Gefühl. Schöne Gefühle durfte man auch nicht kaputtmachen. Die Kinder jubelten und klatschten. In Tetes Bauch schien die Sonne. «Bravo, Kleiner Prinz», flüsterte jemand. Tete drehte sich um. Der große Mensch, der hinter ihm stand, war gar nicht sein Vater.
«Wann kommt Papa?»
«Wenn der Nussbaum Knospen trägt», antwortete Eduard. Er war Tetes Aufpasser Ja, einen eigenen Aufpasser hatte er, denn der Prinz war der kleinste Mensch auf der Welt. Eines hatte er mit dem Esel gemeinsam: Der Esel hieß «Esel», und Tete hieß «Tete», was auf Serbisch so viel wie «kleines Kind» bedeutete.
Hundertachtundsechzig Herr Bleulers arbeiteten in der Burg und verbrachten die Nacht in den Häusern hinter den Apfelbäumen. In der Küche, in der Wäscherei, im Garten und in den Ställen, überall gab es mindestens einen großen Menschen, der zum Rechten sah. Die Kinder mussten mithelfen, aber Kinderarbeit war Sisyphusarbeit. Ein Besen war lustig für Hexenflüge, aber nicht zum Wischen von Böden. Die Karotten für die Pferde konnte man auch selber essen Außerdem war es interessanter, Wasserschlachten zu veranstalten, als in den Trögen das Essgeschirr abzuwaschen.
Die Herr Bleulers nahmen das mit Humor. Nichts war grausamer für ein Kind als Langeweile. Die wichtigen Dinge wurden von einem großen Menschen erledigt. Oder umgekehrt: Große Menschen erkannte man daran, dass ihnen wichtige Aufgaben aufgetragen wurden.
Der richtige Herr Bleuler war der Burgherr. Er trug eine Brille und war weder dick noch dünn. In der linken Tasche trug er eine goldene Uhr. Sie machte ihn ganz groß. Sein Gesicht war schwer zu beschreiben. Es gab eben Menschen mit komplizierten Gesichtern.
Der Burgherr führte ein Tagebuch für jedes Kind, dazu eine persönliche Liste mit Dingen, die es tun und lassen sollte. Er erwartete nicht viel von den Bewohnern, denn die meisten Kinder hatten ja nichts anderes im Kopf, als schlafen, essen und spielen. Das Wenige, was er von ihnen erwartete, stand auf der Liste. Diese persönlichen Listen zu führen, war nicht einfach, denn man musste daran denken, dass manche Kinder die Burg nicht verlassen durften, also war für diese eine Beschäftigung im Garten nicht möglich. Andere wiederum mussten jeden Tag an die fr...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Prolog
  6. Nachwort von Charles Lewinsky
  7. Historische Notiz