Schauspielen. Die Sanford-Meisner-Technik
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Schauspielen. Die Sanford-Meisner-Technik

Die Sanford-Meisner-Methode

  1. 384 Seiten
  2. German
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Schauspielen. Die Sanford-Meisner-Technik

Die Sanford-Meisner-Methode

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Über dieses Buch

Deutsche Erstausgabe: Ein Lehrbuch-Klassiker über die Kunst des Schauspielens.Das Buch folgt einem von Meisner geleiteten Schauspielkurs über fünfzehn Monate. Grundlagen und Prinzipien seiner Schauspielmethode werden praxisnah und lebendig veranschaulicht.Sanford Meisner gilt als einer der einflussreichsten Schauspiellehrer überhaupt. Zu seinen Schülern gehörten Gregory Peck, Grace Kelly, Steve McQueen, Peter Falk, Diane Keaton und viele andere. Regisseure wie Elia Kazan, Sydney Pollack, Bob Fosse und David Mamet zogen es bald vor, mit Meisner-geschulten Darstellern zu arbeiten.

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Ja, du hast Zugang zu Schauspielen. Die Sanford-Meisner-Technik von Sanford Meisner,Dennis Longwell, Tanja Handels im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Media & Performing Arts & Acting & Auditioning. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

1.

DIE WEICHEN STELLEN: DAS ERRÖTEN DER DUSE

»Alles soll genauso sein wie im richtigen Leben.«
Anton Tschechow zum Ensemble bei der Uraufführung seines Stückes Die Möwe, St. Petersburg 1896
Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Raum kaum von jedem anderen kleinen Unterrichtsraum überall im Land – bis auf die beiden Betten. Die weiß verputzte Decke, die mattgelben, holzgetäfelten Wände und der blank polierte, asphaltschwarze Fliesenboden erinnern an den Campus eines Lehramt-Colleges irgendwo im Mittleren Westen oder, in aller klösterlichen Ruhe, an das Klassenzimmer einer Zwergschule am frühen Morgen.
Links der Raummitte steht ein großes graues Pult aus Holz schräg vor einer Schiefertafel – eindeutig der Platz des Lehrers. Links davon eröffnet eine Fensterwand den Blick auf einen Innenhof, von dem durch die Jalousien aber nur die Baumwipfel zu sehen sind. Unter den Fenstern stehen auf einem schlichten Podest zwei Reihen Klappstühle, insgesamt etwa zwanzig, für die Schüler bereit. Rechts und links von der Tafel hängen zwei gerahmte Sinnsprüche, sorgfältig im Stil illuminierter Manuskripte kalligraphiert. »Sei konkret!«, so lautet der eine, »Ein Gramm VERHALTEN wiegt schwerer als ein Kilo WORTE«, der andere.
Der Raum wirkt ganz normal, bis auf die beiden Betten, die jemand an die Wand gegenüber den Fenstern geschoben hat. Die Betten sind eigens aus Kantholz angefertigt, sie sind niedrig und breit, mit Sechs-Zoll-Stahlbolzen verschraubt, und sie scheinen stabil genug, um das Gewicht einer kompletten Fußballmannschaft zu tragen. Die gestreiften Drillich-Bezüge beider Matratzen sind zum Teil von einem zerwühlten grünen Baumwollüberwurf und einem Kissen ohne Kissenbezug verdeckt. Die Bettgestelle sind im selben Panzergrau gestrichen wie das Lehrerpult. Sie muten ein wenig surreal an. Vielleicht liegt es an ihrer übertriebenen Robustheit oder auch an der funktionellen Farbe, dass sie mehr wie Trampoline aussehen oder, so wie sie jetzt nebeneinanderstehen, wie der mit Zeltplane bespannte Boden eines Boxrings.
Andere, zunächst unauffällige Gegenstände verstärken den Magritte-haften Surrealismus der Betten: ein Bücherregal mit einem schwarzen Tischtelefon und zwei leeren Whiskeyflaschen im obersten Fach; ein Kleiderständer, dem eines seiner drei Beine fehlt; eine Fernsehtruhe ohne Inhalt; ein gegen die Wand gelehnter Spiegel, der das Abbild des Himmels zurückwirft; ein langer, ebenfalls grau gestrichener Holztisch. Zusammen machen sie die karge Einrichtung komplett.
In diesem ganz besonderen New Yorker Unterrichtsraum an der Neighborhood Playhouse School of the Theatre gibt Sanford Meisner Schauspielunterricht, so wie er es seit den frühen Dreißigern in Dutzenden ganz ähnlicher Räume getan hat. Die Gesamtzahl seiner Schüler während dieser fünfzig Jahre ist nicht bekannt, geht aber sicherlich in die Tausende. Obwohl kein Einzelner für alle sprechen kann, bringt vielleicht Joanne Woodward, die zunächst bei Sandy (so nannten ihn ausnahmslos alle seine Schüler) studierte und als Erwachsene noch einmal zu ihm zurückkehrte, auf den Punkt, was er den meisten von ihnen bedeutet hat. »Ich bin zu Sandy zurückgekehrt, weil er für mich ein Lehrer war«, erinnerte sie sich unlängst. »Für mich war er der einzige Lehrer. Damals hatte ich bereits The Three Faces of Eva (Eva mit den drei Gesichtern) gedreht und einen Oscar dafür bekommen. Es war 1959, und es war wie eine Offenbarung für mich. Ein gravierender Wendepunkt in meiner Entwicklung als Schauspielerin.«
Auch der amerikanische Dramatiker David Mamet, der bei Meisner am Neighborhood Playhouse Schauspielunterricht genommen hat, äußerte sich zu seiner Bedeutung. »Da war dieser Mann, der tatsächlich Bescheid wusste, vor allem aus der Sicht meiner Generation in den Sechzigern. Vielleicht die erste authentische Person, der ich und die meisten von uns im Leben begegnet sind. Sicher, er war ziemlich despotisch bei den Dingen, an die er glaubte, denn er wusste ja um ihre Wahrheit. Und wir wussten, dass wir es mit der Wahrheit zu tun hatten – beziehungsweise mit etwas absolut Anwendbarem, das absolut funktionierte und das wir unbedingt lernen wollten.«1
Sanford Meisner kam am 31. August 1905 in Greenpoint zur Welt, einem Stadtteil des New Yorker Bezirks Brooklyn, als ältestes Kind von Herman und Bertha Meisner. Wenige Monate nach der Geburt des Sohnes zogen die Meisners, beide jüdische Emigranten aus Ungarn – sie war als Baby nach New York gekommen, er als sechzehnjähriger Junge –, in die südliche Bronx, um sich dem Antisemitismus der polnischen Einwanderer in Greenpoint zu entziehen. Sie bezogen ein Haus in der Honeywell Avenue, wo zwei Jahre später ein zweiter Sohn, Jacob, geboren wurde. Während einer Reise in die Catskill Mountains, die als Kuraufenthalt für den kränklichen dreijährigen Sanford gedacht war, bekam der kleine Jacob versehentlich Rohmilch zu trinken, mit der fatalen Folge, dass er sich mit Rindertuberkulose infizierte, einer verheerenden Krankheit, von der sich der Zweitgeborene nie mehr erholte.
»Ich habe umfassende Erfahrungen mit der Psychoanalyse«, erzählte Meisner unlängst einem Journalisten, »ich weiß also sehr genau, dass der Tod meines Bruders, als ich fünf und er drei Jahre alt war, der beherrschende emotionale Einfluss in meinem Leben war, dem ich mich auch nach all den Jahren nicht entziehen konnte. Als ich in die Schule kam – und auch nach der Schule, eigentlich ständig –, lebte ich in einem Zustand der Isolation, als wäre ich so etwas wie ein moralisch Aussätziger, weil ich von meinen Eltern, die gute, aber nicht sonderlich gebildete Menschen waren, dauernd zu hören bekam, dass sie ja schließlich nur meinetwegen aufs Land gefahren seien, wo mein kleiner Bruder sich die Krankheit zugezogen hatte, an der er starb. Die Schuldgefühle, die sie damit auslösten, waren entsetzlich. Als Kind hatte ich kaum Freunde. Ich lebte in einer Phantasiewelt, und ich fürchte, das tue ich immer noch.«
Eine Schwester, Ruth, der Meisner sehr nahestand – sie starb 1983 –, und ein weiterer Bruder, Robert, der geboren wurde, als Meisner sechzehn und die Familie nach Flatbush, Brooklyn, gezogen war – später verlor Meisner den Kontakt zu ihm –, machten den Haushalt komplett.
Meisner erinnert sich, bereits seiner Grundschullehrerin erzählt zu haben, er wolle »Schauspieler werden«, wenn er groß sei, und schon als Jugendlicher inszenierte er mit diversen Cousins und Cousinen Tableaux Vivants, lebende Bilder, in denen es um Tod und Ehre ging und die auf den Aufnahmen amerikanischer Soldaten im Ersten Weltkrieg aus der Wochenschau basierten. Doch den Großteil seiner Kindheit und Jugend hindurch diente ihm das Familienklavier als emotionaler Ausgleich. Nach dem Abschluss an der Erasmus Hall High School 1923 schrieb er sich am Damrosch Institute of Musical Art ein, das später Teil der Juilliard School wurde, um dort ein Jahr lang Klavier und verwandte Fächer zu studieren. Doch der Gedanke, professioneller Schauspieler zu werden, ließ ihn nicht los, und mit neunzehn setzte er ihn in die Tat um.
»Ich wollte schon immer Schauspieler werden«, erinnert er sich. »Ich hatte einen Freund – damals lebte ich noch in Flatbush –, der auch Schauspieler werden wollte. Er hieß Monkey Tobias. Er erzählte mir, dass es da eine Einrichtung namens Theatre Guild gebe, die junge Leute engagiere, also ging ich dorthin. Philip Loeb und Theresa Hellburn führten ein Gespräch mit mir, und ich weiß noch, dass ich über meine Theatervergangenheit sehr kunstvoll gelogen habe; soweit ich mich erinnere, fing sie mit Salvini an. Ich weiß noch, dass sie lachten, aber sie lachten mich nicht aus. Ich bekam eine Statistenrolle in Sidney Howards Stück They Knew What They Wanted, die Hauptrolle spielte die großartige Pauline Lord. Die war ein Genie, schlicht und einfach. Sie saß hinter der Bühne und löste ihre Kreuzworträtsel. ›Welches Wort mit fünf Buchstaben bezeichnet eine Kopfbedeckung für Männer?‹, fragte sie. ›Mütze, Kappe?‹ Wie sollte sie das entscheiden? So schlicht und einfach war sie. Aber ein Genie. Sie hat die erste Anna Christie2 gespielt, und ich fand es wunderbar, sie spielen zu sehen. Damals erkannte ich allmählich, dass ich nach einer Art des Schauspielens suchte, die mich wirklich berührt.«
Herman Meisner war nach seiner Ankunft aus Ungarn Kürschner geworden, ein Beruf, den er mehr als fünfzig Jahre lang ausübte. Sein Sohn gibt eine wunderbar komische Parodie zum Besten, in der Herman einer jungen Frau im Nerzmantel vorgestellt wird, ihr galant die Hand küsst und dabei geschickt auf ihren Mantelärmel pustet, um Qualität und Wert des Pelzes zu bestimmen. Der Vater hatte ausdrücklich eine Laufbahn in der Bekleidungsbranche für seinen Sohn vorgesehen, und so arbeitete Meisner ihm zuliebe eine Zeit lang als Regalauffüller bei einem Hosenhersteller und in einem Kurzwarenladen. Das war vor seinem Erfolg bei der Theatre Guild. Auf die neue Laufbahn seines Sohnes reagierte der alte Meisner zunächst mit betroffenem Schweigen. »Ich habe es ihnen beim Abendessen erzählt«, erinnert sich Meisner. »Ich verkündete, ich sei jetzt Schauspieler. Totenstille. Keiner sagte ein Wort. Weder mein Vater noch meine Mutter noch meine Schwester. Dann, beim Nachtisch, fragte mein Vater: ›Was zahlen sie dir?‹ Ich antwortete: ›Also, wenn das Stück nach den ersten vier Wochen ein Erfolg ist, bekommt man zehn Dollar pro Woche.‹ Da war die Hölle los! Das Chaos, der Aufschrei am Tisch, die Ausbrüche, als ich zehn Dollar sagte – es war unbeschreiblich! Aber ich habe trotzdem weitergemacht!«
Meisner erhielt ein Stipendium für das Studium an der Theatre Guild School of Acting, die damals von Winifred Lenihan geleitet wurde, einer amerikanischen Schauspielerin, die als Erste Shaws Saint Joan (Die heilige Johanna) in New York gespielt hatte. Meisner beurteilte sie als »Technikerin des Repertoiretheaters« und die Schule selbst als »sehr mittelmäßig«. Zu dieser Zeit machte ein befreundeter Musiker Meisner mit Aaron Copland bekannt, einem jungen Komponisten, der gerade vom Studium aus Paris zurückgekehrt war und der Meisner wiederum einem ehemaligen Kommilitonen von der Sorbonne vorstellte, seinem Freund Harold Clurman, der, wie Copland erkannt hatte, eine ebenso große Leidenschaft für das Theater hegte wie Meisner. Clurman wurde bald als Inspizient und dann als Stückeleser bei der Theatre Guild engagiert. Durch diese Freundschaft lernte Meisner einen weiteren jungen Theaterbegeisterten kennen: Lee Strasberg. »Strasberg hatte einen großen und beflügelnden Einfluss auf mich«, erinnert sich Meisner. »Er hat mich mit hochkarätigen Schauspielern und Künstlern jeder Sparte bekannt gemacht, was enorm dazu beigetragen hat, mich emotional zu festigen. Ich habe viel von ihm gelernt. Mit seiner Hilfe konnte ich meinen natürlichen Interessen und Vorlieben nachgehen und sie stärken. Wir gingen beispielsweise zusammen in die Metropolitan Opera und erlebten dort den großen russischen Sänger Schaljapin. Er war überragend in seiner formalen Theatralität und seiner tiefen emotionalen Wahrhaftigkeit.«
Clurman und Strasberg taten sich mit Cheryl Crawford zusammen, die ebenfalls bei der Theatre Guild arbeitete, und 1931, nach einer dreijährigen Gesprächs- und Finanzierungsphase, wählte dieses Triumvirat achtundzwanzig Schauspieler aus, um mit ihnen das legendäre Group Theatre zu gründen. Obwohl es nur zehn Jahre bestand, sollte das Group Theatre enormen Einfluss auf die Entwicklung der amerikanischen Schauspielkunst haben. Der damals erst fünfundzwanzigjährige Meisner war Gründungsmitglied. Eine glückliche Fügung. »Ohne das Group Theatre«, so Meisner, »wäre ich in der Pelzbranche gelandet.«
Einen Einblick in die Bedeutung des Group Theatre für das künstlerische Leben in den Vereinigten Staaten der Dreißigerjahre bietet der Dramatiker Arthur Mille...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Über die Autoren
  3. Titel
  4. Impressum
  5. INHALT
  6. Vorwort von Sydney Pollack
  7. Prolog
  8. 1. Die Weichen stellen: Das Erröten der Duse
  9. 2. Das Fundament legen: Die Realität des Handelns
  10. 3. Das Kneifen und das Autsch
  11. 4. Das Klopfen an der Tür
  12. 5. Jenseits der Wiederholung
  13. 6. Vorbereitung (Teil I): »Tief im Harem meines Hirns«
  14. 7. Improvisation
  15. 8. Vorbereitung (Teil II): »Beweglich und rasch entzündbar«
  16. 9. Das magische Als-ob: Spezifizierung
  17. 10. »Macht euch die Rolle zu eigen«
  18. 11. Reflexionen über Schauspieler und das Schauspielen
  19. 12. Schluss-Szenen: »Nicht nur Wahrhaftigkeit«
  20. Bücher für Schauspieler Im Alexander Verlag Berlin